OGH 4Ob139/04a

OGH4Ob139/04a6.7.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß und Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel und Dr. Jensik als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte OEG in Wien, gegen die beklagte Partei H*****gesellschaft mbH & Co KG, *****, vertreten durch Dr. Egon Sattler und Dr. Reinhard Schanda, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 34.000 EUR, über den Revisionsrekurs der Beklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 20. April 2004, GZ 4 R 78/04z-16, mit dem die einstweilige Verfügung des Landesgerichts Wels vom 8. März 2004, GZ 2 Cg 23/04s-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen; die Beklagte hat die Kosten ihres Revisionsrekurses endgültig selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Klägerin vertreibt (ua) die Kosmetikprodukte der Marke „Nivea" in Österreich. Die Beklagte betreibt Geschäfte, in denen sie verschiedene Artikel anbietet. In einer mit „Supertipps % TPPS ... immer günstiger!" überschriebenen und Angebote verschiedener Waren, von Bekleidung über Küchengeräte und Spielzeug bis zu Kosmetika, enthaltenden Werbeaussendung kündigte die Beklagte im Herbst 2003 an, „Diverse Marken-Kosmetika! Nivea und andere Hersteller" je 0,99 EUR zu verkaufen. In einer mit dem Zeichen * gekennzeichneten Fußnote fand sich der Hinweis „nicht alle Artikel in jeder Filiale verfügbar, da Sonderposten verschiedener Hersteller".

Am 24. und 27. 11. 2003 erwarben Mitarbeiter der Klägerin in Geschäften der Beklagten Nivea-Kosmetika. Die Kosmetika wurden ausschließlich in Schütten und Körben angeboten. In den Behältnissen und in deren unmittelbarer Nähe befanden sich keine zusätzlichen Produktkennzeichnungen; insbesondere waren keine Schilder mit Angaben über die Zusammensetzung der Produkte vorhanden.

Bei den Kosmetika handelte es sich um Altware, die ursprünglich nicht für den österreichischen Markt vorgesehen und daher auch nicht mit Texten in deutscher Sprache versehen war. Die Produkte waren bereits zwei, drei Jahre alt; ein Produkt war bereits vor fünf Jahren erzeugt worden.

Bei einem dunkelblauen Stift mit der Bezeichnung „Stay-on" war erst nach dem Abziehen der Verschlusskappe erkennbar, dass es sich um einen Lippenstift handelte. Eine durchsichtige Tube mit sandfarbenem Inhalt war zwar mit „Cream Eye Shadow" beschriftet; in deutscher Sprache war der Verwendungszweck aber nicht angegeben. Zwei mit „Aroma Touch Pencil" beschriftete Produkte enthielten in der Verpackung je einen Stift mit dem Aufdruck „Duftende Farbe für Lippen und Wangen", der durch die durchsichtige Verpackung hindurch gelesen werden konnte, sofern er nicht durch die Lage des Stiftes abgedeckt war.

Es steht nicht fest, von welchem Zwischenhändler die Beklagte die Ware erworben hat. Inhalt des Kaufvertrags war jedoch, dass das Haltbarkeitsdatum der Produkte noch nicht überschritten sein darf. Die Beklagte kann das Alter der Produkte aufgrund der Angaben auf den Produkten und Verpackungen nicht erkennen.

Nicht bescheinigt ist auch, dass die Beklagte der Klägerin schon seit einiger Zeit dafür bekannt wäre, Kosmetika der Marke „Nivea" zu überaus niedrigen Preisen anzubieten und dies so handzuhaben, dass sie Altware aus anderen Ländern, die nicht für den österreichischen Markt vorgesehen sind und daher meist ausschließlich fremdsprachig textiert werden, aufkaufe, wobei die betreffenden Kosmetika als „Ladenhüter" in ihrem Gebrauchszweck beeinträchtigt und wertgemindert seien und die Beklagte in ihren Ankündigungen darauf nie hinweise, sowie, dass die Kennzeichnung der importierten Kosmetika nicht den Vorschriften entspreche.

Die Klägerin begehrt zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs

1. Kosmetikprodukte der Marke „Nivea" feilzuhalten und in Verkehr zu setzen, die nicht entsprechend der Kosmetikkennzeichnungsverordnung gekennzeichnet sind, indem die Angabe der Bestandteile und/oder die deutschsprachige Angabe des Verwendungszwecks des kosmetischen Mittels fehlen;

2. Kosmetikprodukte der Marke „Nivea", die aus Altwarenbeständen stammen und gegenüber dem aktuellen Sortiment der Nivea-Produkte eine Wertminderung aufweisen, insbesondere zwei bis fünf Jahre alte Kosmetikprodukte, feilzuhalten und in Verkehr zu bringen, ohne gleichzeitig darauf hinzuweisen, dass es sich bei diesen kosmetischen Mitteln um Altware bzw um Restposten handelt.

Die Kennzeichnung der Produkte entspreche nicht der Kosmetikkennzeichnungsverordnung, die (ua) die Angabe bestimmter Kennzeichnungselemente in deutscher Sprache vorschreibe. Bei einigen Produkten seien die Bestandteile nicht angegeben. Durch den Verstoß gegen die Kosmetikkennzeichnungsverordnung verschaffe sich die Beklagte einen ungerechtfertigten Vorsprung im Wettbewerb; sie handle damit sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG. Es gehöre zum Geschäftsprinzip der Beklagten, Altware zu vertreiben und diesen Umstand dem Konsumenten zu verschweigen. Die Haltbarkeitsdauer der Nivea-Schönheitskosmetika betrage grundsätzlich 30 Monate. Die Beklagte habe ihre Produkte überwiegend zu einem Zeitpunkt verkauft, in dem die Haltbarkeitsdauer bereits abgelaufen gewesen sei. Die Produkte seien daher jedenfalls als wertgemindert zu beurteilen. Der geringe Verkaufspreis kläre den Verbraucher über den tatsächlichen Sachverhalt nicht auf, weil der Verbraucher eher eine Preisminderungs- bzw Billig-Aktion vermuten werde und nicht annehmen könne, dass ihm wertgeminderte Altware verkauft werde.

Die Beklagte beantragt, den Sicherungsantrag abzuweisen. Sie beziehe ihre Ware durchwegs von seriösen Zwischenhändlern. Die Ware sei weder alt noch wertgemindert, sondern stamme regelmäßig aus einer Überproduktion und werde daher bereits von den Herstellern verbilligt an die Lieferanten abgegeben. Auch die verfahrensgegenständlichen Produkte habe die Beklagte von einem seriösen Lieferanten aus der Europäischen Gemeinschaft bezogen, der der Beklagte mitgeteilt habe, die Kosmetika ausschließlich direkt von der Erzeugerin bezogen zu haben. Das Alter der Produkte betrage zum Zeitpunkt des Ankaufs normalerweise zwischen 6 und 12 Monate. Die ältesten der Produkte seien im Dezember 2000 hergestellt und 28 Monate später an die Beklagte verkauft worden. Diese Produkte seien im November 2003 nicht mehr in den Geschäften der Beklagten erhältlich gewesen. Das zweitälteste Produkt sei höchstens 27 Monate alt gewesen. Die Produkte wiesen kein Mindesthaltbarkeitsdatum auf. Dies wäre unverständlich, wenn die Behauptung der Klägerin zuträfe, dass die Haltbarkeitsdauer grundsätzlich 30 Monate betrage. Die Klägerin habe weder behauptet noch bescheinigt, worin die altersbedingte Wertminderung der Produkte bestehen solle. Der Lebenserfahrung entspreche es, dass Produkte wie Nagellacke, Lidschatten, Konturenstifte etc zumindest in verschlossenem Zustand jahrzehntelang halten. Für die Produkte werde nach wie vor auf der Website der Herstellerin geworben; es treffe daher nicht zu, dass sie nicht mehr dem aktuellen Sortiment angehörten. Soweit auf den Produkten der Verwendungszweck nicht angegeben sei, ergebe sich dieser ohnehin aus der Aufmachung. Die Beklagte gehe davon aus, dass die Produkte ordnungsgemäß gekennzeichnet seien, nachdem sie die Herstellerin selbst innerhalb der Europäischen Gemeinschaft in Verkehr gebracht habe. Die Klägerin sei offenbar der Meinung, dass die Beklagte die Kosmetika zu billig verkaufe. Die Produkte würden aber auch von anderen Geschäften stark verbilligt angeboten. So seien Produkte einer Serie im Internet um 2,49 EUR statt um 6,99 EUR erhältlich.

Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung. Zusätzlich zum eingangs wiedergegebenen Sachverhalt stellte das Erstgericht fest, dass die Produkte teilweise nicht mehr dem aktuellen Sortiment angehörten. Der Verwendungszweck des Nagellacks ./K sei ohne Öffnen der Produktverpackung nicht erkennbar; der Verwendungszweck der beiden Lippenstifte . /L und ./M nicht ohne Öffnen des Produkts selbst. Auf dem Produkt ./N (Tube) sei kein Verwendungszweck angegeben; auf den Produkten ./O und ./P („Aroma Touch Pencil") sei der Verwendungszweck nur ersichtlich, wenn die Verpackung geöffnet werde. Die Beklagte habe die Bestandteile weder auf einem Schild noch in anderer Weise angegeben. Sie habe damit gegen § 4 Abs 3 KKV und gegen § 1 UWG verstoßen. Auch der geltend gemachte Verstoß gegen § 2 UWG sei zu bejahen. Beim Vertrieb von Markenartikeln eines Unternehmens, das sein Verkaufsprogramm periodisch verändere und diese Veränderungen dem Publikum durch Ausgabe von Verkaufskatalogen bekannt gebe, dürften Restposten früherer Erzeugungsprogramme nicht in einer Weise angeboten werden, die den Eindruck erwecken könne, es handle sich um besonders günstige Angebote von Erzeugnissen des aktuellen Verkaufsprogramms. Das müsse insbesondere auch für Kosmetika gelten, da es bei diesen Produkten auch auf modische Aspekte ankomme. Da die objektive Unrichtigkeit der Angaben genüge, könne sich die Beklagte nicht auf Zusicherungen ihres Zwischenhändlers berufen.

Das Rekursgericht verwarf den Rekurs wegen Nichtigkeit, bestätigte die einstweilige Verfügung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Die Entscheidung sei auch in Bezug auf die fehlende Angabe der Bestandteile ausreichend begründet und daher nicht nach § 477 Abs 1 Z 9 ZPO nichtig. Die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, dass die Klägerin selbst für die richtige Kennzeichnung der Produkte verantwortlich sei. Da bei Kleinartikeln die Angaben auf dem Produkt fehlen dürfen, hätte die Beklagte ein entsprechendes Schild in unmittelbarer Nähe des Verkaufsbehältnisses anbringen müssen. Der Verwendungszweck sei in deutscher Sprache anzugeben, soweit er sich nicht aus der Aufmachung oder sonstigen Kennzeichnung des kosmetischen Mittels ergebe. Äußerlich erkennbar sei der Verwendungszweck beim Nagellack (./K) und beim Lippenstift (./L), nicht aber beim Artikel ./M, einem dunkelblauen Stift mit der Aufschrift „Stay-on", bei dem erst nach Abziehen der Verschlusskappe erkennbar sei, dass es sich um einen Lippenstift und nicht etwa um eine Wimperntusche handle. Den Verwendungszweck des Artikels ./N (durchsichtige Tube mit sandfarbigem Inhalt) könne man zwar der englischen Beschriftung „Cream Eye Shadow" entnehmen, sonst aber kaum erraten. Der Verwendungszweck der Produkte ./O und ./P („Aroma Touch Pencil") sei nicht immer zu erkennen, da die Lesbarkeit der Aufschrift auf dem in der Verpackung enthaltenen Stift von dessen Lage abhänge. Dass der Hersteller noch aktuell für Nivea-Kosmetikprodukte in gleicher Verpackung, mit gleichem Aussehen und gleicher Bezeichnung werbe, sage nichts über Farbtöne und -nuancen und über mögliche chemische Veränderungen durch Alterung der Inhaltsstoffe und Austrocknung aus. Aus den von der Beklagten vorgelegten Ausdrucken von Internetseiten gehe insbesondere nicht hervor, in welchen Farbtönen die Kosmetikprodukte aktuell angeboten werden und ob diese mit den Farbtönen der beanstandeten Produkte übereinstimmen. Abgesehen davon, genüge für die rechtliche Beurteilung des Themenbereichs „Altwaren" bereits die unangefochten gebliebene Feststellung, dass eines der von der Beklagten verkauften Produkte bereits fünf Jahre alt gewesen sei. Ein fünf Jahre altes Kosmetikprodukt sei überlagert und damit, selbst wenn es noch nicht altmodisch sei, nach Auffassung der beteiligten Verkehrskreise zumindest wegen geringerer Resthaltbarkeit wertgemindert. Die von der Beklagten behauptete jahrzehntelange Haltbarkeit von Kosmetika sei nicht bescheinigt worden und nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht generell anzunehmen, da Farben und (Nagel-)Lacke bekanntlich im Laufe der Zeit eintrockneten bzw dickflüssiger würden. Die Beklagte habe für die Artikel nicht als Diskontprodukte, sondern als Markenartikel geworben. Es möge sein, dass die beteiligten Verkehrskreise bei einem Preis von 99 Cent keine geradezu „top-aktuelle" Ware erwarteten, doch sei ein fünf Jahre altes Kosmetikprodukt nicht nur nicht „top-aktuell", sondern eine ausgesprochene Altware, worüber das Publikum aufzuklären sei.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Beschluss gerichtete Revisionsrekurs der Beklagten ist zulässig, weil Rechtsprechung zur Frage fehlt, ob eine Pflicht zur Aufklärung über das Alter von Markenprodukten besteht, wenn diese zu einem Preis abgeben werden, der erheblich unter dem üblichen Preis liegt; der Revisionsrekurs ist aber nicht berechtigt.

1. Zum Verstoß gegen die Vollständigkeitspflicht

Nach ständiger Rechtsprechung besteht keine allgemeine Verpflichtung zur Vollständigkeit von Werbeaussagen, weil der Werbende grundsätzlich nicht auf die Nachteile seiner eigenen Produkte hinweisen muss. Eine Aufklärungspflicht kann sich aber aus der Bedeutung ergeben, die der verschwiegenen Tatsache nach der Auffassung des Verkehrs zukommt, so dass ihre Nichterwähnung geeignet ist, das Publikum in für den Kaufentschluss erheblicher Weise irrezuführen. Das trifft insbesondere dann zu, wenn durch das Verschweigen wesentlicher Umstände ein falscher Gesamteindruck hervorgerufen wird (4 Ob 164/97i = ÖBl 1998, 289 - H-Express; 4 Ob 44/03d = wbl 2003/232 - Energiekostenvergleich uva). In diesem Sinn hat die Rechtsprechung eine Aufklärungspflicht beim Vertrieb von Restposten früherer Erzeugnisprogramme eines Markenartikelherstellers zu einem durch Bezug auf einen "Listenpreis" angegebenen Preis (4 Ob 306/80 = ÖBl 1981, 21 - Gartengeräte-Listenpreise) ebenso bejaht wie beim Vertrieb von Vorjahresmodellen einer Hobelmaschine im Rahmen einer "Aktion" (4 Ob 341/84 = ÖBl 1984, 153 - Aktion Hobelmaschine) und dem Vertrieb von Schuhen ohne Hinweis darauf, dass es sich dabei um solche zweiter Wahl gehandelt hatte (4 Ob 164/97i = ÖBl 1998, 289 - H-Express).

In all diesen Fällen wurde die Entscheidung mit der berechtigten, aber enttäuschten Annahme der beteiligten Verkehrskreise begründet, Ware aus dem aktuellen Programm des Herstellers angeboten zu erhalten. Im vorliegenden Fall stützt die Klägerin ihr Begehren nicht allein darauf, dass die Kosmetika zwischen zwei und fünf Jahre alt waren, sondern sie macht geltend, dass die Kosmetika gegenüber dem aktuellen Sortiment der Nivea-Produkte im Wert gemindert seien. Zur Begründung bringt die Klägerin vor, dass die Haltbarkeitsdauer der Nivea-Schönheitskosmetika grundsätzlich 30 Monate betrage. Da die von der Beklagten in Verkehr gebrachten Produkte überwiegend bereits zu einem Zeitpunkt feilgehalten und verkauft worden seien, da diese Haltbarkeitsdauer bereits abgelaufen gewesen sei, seien die Produkte jedenfalls als wertgemindert zu beurteilen.

Das Erstgericht hat zur Frage der Mindesthaltbarkeit von Nivea-Kosmetikprodukten keine Feststellungen getroffen. Unbestritten - und durch die vorgelegten Kosmetika auch belegt - ist, dass auf den einzelnen Artikeln kein Mindesthaltbarkeitsdatum angegeben ist. Eine Verpflichtung dazu besteht nach der - in Umsetzung der Kosmetik-Richtlinie 76/768/EWG erlassenen - Kosmetikkennzeichnungsverordnung BGBl 1993/891 (KKV) bei Produkten mit einer Mindesthaltbarkeit bis zu 30 Monaten (§ 4 Abs 1 Z 5 leg cit). Da nicht anzunehmen ist, dass Nivea-Produkte im Europäischen Wirtschaftsraum in Verkehr gebracht werden, ohne ordnungsgemäß gekennzeichnet zu sein, ist davon auszugehen, dass die Mindesthaltbarkeit jedenfalls 30 Monate beträgt.

Die Haltbarkeitsdauer von zwei, drei oder fünf Jahre alten Produkten ist gegenüber der von Kosmetika, die unmittelbar nach der Herstellung in den Handel gelangen, unabhängig davon wesentlich verkürzt, ob die Produkte - wie die Beklagte behauptet - wesentlich länger als 30 Monate haltbar sind. Eine verminderte Haltbarkeitsdauer ist geeignet, den Kaufentschluss zu beeinflussen, und zwar auch dann, wenn keine Gefahr besteht, dass das Produkt "abläuft", bevor es aufgebraucht ist. Das gilt unabhängig davon, ob es nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums zu chemischen Veränderungen kommt, die die Gebrauchsfähigkeit der Kosmetika beeinträchtigen. Es ist daher für die Entscheidung unerheblich, ob die - mit allgemeiner Lebenserfahrung begründete - Annahme des Rekursgerichts, Farben und (Nagel-)Lacke würden im Laufe der Zeit eintrocknen bzw dickflüssiger werden, nur für angebrochene Packungen oder auch für original und damit regelmäßig luftdicht verschlossene Produkte zutrifft.

Die Beklagte hat die Kosmetika zwar in Schütten und Körben dargeboten; sie hat aber damit geworben, "Marken-Kosmetika" anzubieten. Mit "Marken-Kosmetika" wird regelmäßig eine bestimmte Qualitätsvorstellung verbunden, die sich, da es sich bei dekorativer Kosmetik um modische Artikel handelt, auch auf die Aktualität des Angebots bezieht. Dass die Kosmetika zu sehr günstigen Preisen angeboten werden, vermag daran nichts zu ändern. Der Hinweis der Beklagten auf die Entscheidung 4 Ob 5/91 (= ecolex 1991, 331 - Diskontprodukt) ist nicht zielführend, weil die Beklagte die Bezeichnung "Diskontprodukt" nicht verwendet hat und es daher keiner Auseinandersetzung mit der Frage bedarf, ob die Bezeichnung "Diskontprodukt" auch bei Kosmetika die Vorstellung unterdurchschnittlicher Qualität hervorruft. Der niedrige Preis allein ist jedenfalls kein Indiz für mangelnde Aktualität, wie vor allem die "top-aktuellen" und dennoch sehr preisgünstigen Angebote im Textilhandel beweisen.

Entspricht ein Produkt nicht der Qualitätsvorstellung, die sein Angebot erweckt, so ist es in seinem Wert gemindert. Maßgebend ist dabei die subjektive Einschätzung der beteiligten Verkehrskreise, weil sie für den Kaufentschluss maßgebend ist. Danach sind Artikel der dekorativen Kosmetik in ihrem Wert gemindert, wenn sie zwei, drei oder fünf Jahre alt sind, auch wenn sie objektiv gesehen durch die lange Lagerung keine Qualitätseinbußen erlitten haben und bei normalem Gebrauch noch vor Ablauf der Haltbarkeitsdauer aufgebraucht werden können.

Um eine Irreführung der angesprochenen Verkehrskreise zu vermeiden, hätte die Beklagte daher darauf hinweisen müssen, dass es sich bei den Kosmetika um Altware bzw um Restposten handelt. Dass sie das Alter der Produkte mangels Angabe eines Haltbarkeits- oder Herstelldatums nicht erkennen kann, vermag an ihrer Verpflichtung nichts zu ändern. Der Beklagten wird nicht aufgetragen, das genaue Alter der Produkte anzugeben; dass es sich aber um Altware bzw um Restposten handelt, wird ihr bereits aufgrund ihrer Bezugsquelle und des von ihr gezahlten Preises bewusst sein.

2. Zum Verstoß gegen die Kosmetikkennzeichnungsverordnung

Die Beklagte macht geltend, dass das Unterlassungsgebot zu weit gefasst sei. Da die in § 4 Abs 1 Z 9 KKV vorgeschriebenen Angaben auch auf einem Schild in unmittelbarer Nähe des Behältnisses angebracht werden könnten und unter bestimmten Voraussetzungen statt den Bestandteilen die Registriernummer angeführt werden könne, verstoße nicht jedes Fehlen der notwendigen Angaben gegen die Kosmetikkennzeichnungsverordnung.

Gegen die Kosmetikkennzeichnungsverordnung wird verstoßen, wenn - wie bei einigen der hier verfahrensgegenständlichen Kosmetika - die vorgeschriebenen Angaben weder auf der Ware oder ihrer Verpackung noch auf einem Schild in unmittelbarer Nähe des Behältnisses angebracht werden, in dem das kosmetische Mittel feilgehalten wird, wobei eine Angabe auf einem separaten Schild statt auf der Ware oder ihrer Verpackung nur dann zulässig ist, wenn die Angaben gemäß § 4 Abs 1 Z 9 KKV aus Gründen des Umfangs oder der Form weder auf der Ware noch auf ihr beigefügten Packungsbeilagen, Aufkleber etc angebracht werden können (§ 3 Abs 5 KKV). Im Einklang damit wird der Beklagten verboten, Kosmetikprodukte feilzuhalten und in Verkehr zu setzen, die nicht entsprechend der Kosmetikkennzeichnungsverordnung gekennzeichnet sind, indem die Angabe der Bestandteile und/oder die deutschsprachige Angabe des Verwendungszwecks des kosmetischen Mittels fehlen. Gegen dieses Gebot wird nicht verstoßen, wenn die Beklagte - unter den Voraussetzungen des § 3 Abs 5 KKV - die in § 4 Abs 1 Z 9 KKV vorgeschriebenen Angaben auf einem Schild in unmittelbarer Nähe des Behältnisses anbringt, in dem sie das jeweilige Produkt feilhält. Es trifft daher nicht zu, dass das Unterlassungsgebot die Beklagte zu Unterlassungen verpflichtete, zu denen sie nach der Kosmetikkennzeichnungsverordnung nicht verpflichtet wäre.

Das Argument, die Beklagte hätte darauf vertrauen können, die Produkte seien mit den notwendigen Angaben versehen, hat bereits das Rekursgericht unter Hinweis auf § 3 Abs 5 KKV widerlegt. Der dagegen gerichtete Einwand der Beklagten, es sei in der Praxis undurchführbar, neben sämtlichen Artikeln Schilder aufzustellen, und dies werde (auch im Fachhandel) tatsächlich nicht gemacht, ist offenbar unrichtig und auch rechtlich unerheblich. Es ist nämlich nicht nachvollziehbar, warum es nicht möglich sein sollte, neben Behältnissen, wie sie die Beklagte in ihren Geschäften aufstellt, entsprechende Hinweisschilder anzubringen. Rechtlich unerheblich ist die Behauptung einer gesetzwidrigen Praxis auch des Kosmetikfachhandels, weil gleichartige Verstöße von Mitbewerbern an der Verantwortung der Beklagten nichts zu ändern vermögen.

Die Beklagte macht schließlich noch geltend, dass das Unterlassungsgebot auch insoweit zu weit gefasst sei, als ihr verboten werde, Kosmetikprodukte in Verkehr zu bringen, auf welchen die deutschsprachige Angabe des Verwendungszwecks fehle. Nach § 4 Abs 1 Z 3 KKV erübrige sich eine Angabe des Verwendungszwecks, wenn sich der Verwendungszweck aus der Aufmachung oder der sonstigen Kennzeichnung des kosmetischen Mittels ergebe.

Auch in diesem Zusammenhang lässt die Beklagte außer Acht, dass das Unterlassungsgebot von vornherein nur das Feilhalten und Inverkehrsetzen von Kosmetikprodukten erfasst, „die nicht entsprechend der Kosmetikkennzeichnungsverordnung gekennzeichnet sind". Durch das in weiterer Folge angeführte Fehlen der deutschsprachigen Angabe des Verwendungszwecks wird daher nur dann gegen das Unterlassungsgebot verstoßen, wenn das Produkt dadurch nicht entsprechend der Kosmetikkennzeichnungsverordnung gekennzeichnet ist, was wiederum nur dann zutrifft, wenn es die Voraussetzungen des § 4 Abs 1 Z 3 KKV nicht erfüllt.

Der Revisionsrekurs musste erfolglos bleiben.

Die Entscheidung über die Kosten der Klägerin beruht auf § 393 Abs 1 EO; jene über die Kosten der Beklagten auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 40, 50 ZPO.

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