OGH 2Ob289/03v

OGH2Ob289/03v1.7.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon.-Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Franz P*****, vertreten durch Dr. Thomas Wagner, Rechtsanwalt in Mattighofen, gegen die beklagten Partei Günther Herbert B*****, vertreten durch Mag. Josef Hofinger und Dr. Roland Menschik, Rechtsanwälte in Grieskirchen, wegen EUR 9.556,16 sA infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 3. September 2003, GZ 6 R 33/03w-25, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis vom 5. Dezember 2002, GZ 5 Cg 150/01p-15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision der beklagten Partei wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird eine neuerliche Entscheidung nach allfälliger Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten der Rechtsmittelverfahren bleiben der Endentscheidung vorbehalten.

Text

Begründung

Der Kläger betreibt in H***** eine Kfz-Reparaturwerkstätte. Am 5. 9. 2001 gab der Beklagte seinen PKW Peugeot 604 zur Reparatur eines Blechschadens in die Werkstätte des Klägers. Da er für die Dauer der Reparatur ein Ersatzfahrzeug benötigte, stellte ihm der Kläger dessen PKW Peugeot 306 - erstmals zugelassen am 12. 2. 2001 - zur Verfügung. Dieser PKW war nicht vollkaskoversichert. Der Beklagte sollte das Ersatzfahrzeug vereinbarungsgemäß nach Reparaturende vollgetankt zurückstellen.

Am 7. 9. 2001 war der Beklagte mit dem Ersatzfahrzeug in Deutschland in einen Verkehrsunfall verwickelt, bei dem der PKW des Klägers beschädigt wurde. Das Alleinverschulden traf den Beklagten, weil er eine Vorrangverletzung begangen hatte.

Der Schaden des Klägers aus diesem Verkehrsunfall in Höhe von EUR 9.139,02 ist nicht mehr strittig.

Der Kläger begehrt den Zuspruch von EUR 9.556,16 sA; er habe dem Beklagten anlässlich der Reparatur dessen Fahrzeuges ein Ersatzfahrzeug leihweise zur Verfügung gestellt und ihn ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das Fahrzeug nicht vollkaskoversichert sei. Das Ersatzfahrzeug sei aus Alleinverschulden des Beklagten beschädigt worden. Er hafte daher auf Grund dieses Verkehrsunfalles für den dem Kläger entstandenen Schaden. Selbst wenn der Kläger den Beklagten nicht darauf hingewiesen haben sollte, dass das Ersatzfahrzeug nicht vollkaskoversichert sei, führe dies nicht zur Haftungsfreistellung; eine Vollkaskoversicherung von Ersatzfahrzeugen sei nicht selbstverständlich, ebenfalls bestehe keine diesbezügliche Aufklärungspflicht.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens; der Kläger habe erklärt, die Kosten eines Ersatzwagens gemeinsam mit der Reparatur zu verrechnen, ihn aber nicht darauf hingewiesen, dass das Ersatzfahrzeug nicht vollkaskoversichert sei. Sowohl bei der entgeltlichen als auch bei der unentgeltlichen Gebrauchsüberlassung von Fahrzeugen bestehe eine Aufklärungspflicht darüber, dass der übergebenen Sache Eigenschaften fehlten, die nach der Verkehrsauffassung vorausgesetzt werden könnten, deren Fehlen den Gebrauch der Sache aber gefährlich machten. Da das in Reparatur gegebene Fahrzeug des Beklagten kaskoversichert gewesen sei und es sich beim Ersatzwagen um einen Vorführwagen gehandelt habe, habe er das Bestehen einer Kaskoversicherung vorausgesetzt. Wäre der Beklagte entsprechend aufgeklärt worden, hätte er den Ersatzwagen nicht verwendet. Durch Unterlassung der Aufklärung habe der Kläger eine ihm obliegende Schutzpflicht verletzt, weshalb er für den durch den Verkehrsunfall entstandenen Schaden selbst einzustehen habe.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren - mit Ausnahme der begehrten Kosten des Klägers für das eingeholte Sachverständigengutachten und des über die gesetzlichen Verzugszinsen hinausgehenden Zinsenmehrbegehrens - statt.

Neben dem eingangs wiedergegebenen Sachverhalt stellte es noch fest, der Kläger habe dem Beklagten das Ersatzfahrzeug leihweise für die Dauer der Reparatur seines Fahrzeuges zur Verfügung gestellt; eine Leihgebühr sei dafür nicht vereinbart worden.

Das Erstgericht ließ ausdrücklich dahingestellt, ob der Kläger den Beklagten anlässlich der Zurverfügungstellung des Ersatzfahrzeuges darauf aufmerksam machte, dass dieses lediglich haftpflicht- und nicht vollkaskoversichert war.

Rechtlich erörterte das Erstgericht, die unentgeltliche Überlassung eines Kraftfahrzeuges durch einen Kraftfahrzeughändler und Inhaber eines Reparaturbetriebes an seinen Kunden sei als Leihvertrag zu qualifizieren. Daraus ergebe sich die Pflicht des Empfängers, die entliehene Sache unbeschädigt wieder zurückzustellen. Dieser hafte gleich einem Verwahrer für die durch sein Verschulden an der geliehenen Sache entstandenen Schäden. Der Beklagte habe den Verkehrsunfall verschuldet. Eine Aufklärungspflicht des Klägers über den Umfang des Versicherungsschutzes des Ersatzwagens bestehe nicht; eine solche könne nur dann angenommen werden, wenn das Fehlen bestimmter Eigenschaften den Gebrauch der Sache für den Übernehmer gefährlich oder sonst riskant mache. Davon könne dann, wenn eine Kaskoversicherung fehle, eine Haftpflichtversicherung aber aufrecht bestehe, keine Rede sein. Es wäre am Beklagten selbst gelegen, sich vor Übernahme des Fahrzeuges über den allfälligen Bestand einer solchen Kaskoversicherung Gewissheit zu verschaffen. Der Kläger sei nicht verpflichtet, dem Beklagten dessen Ersatzpflicht durch Abschluss einer Vollkaskoversicherung gleichsam abzunehmen. Die Unterlassung des Abschlusses einer derartigen KFZ-Versicherung begründe weder ein Mitverschulden noch eine Obliegenheitsverletzung. Die unentgeltliche Überlassung eines lediglich haftpflichtversicherten Leihwagens ohne Vollkaskoschutz sei nicht ungewöhnlich. Eine gegenteilige Branchenüblichkeit bestehe nicht.

Das vom Beklagten angerufene Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei.

Es übernahm die Feststellungen, dass das Ersatzfahrzeug dem Beklagten unentgeltlich überlassen worden sei und teilte auch die Rechtsmeinung des Erstgerichtes, diese unentgeltliche Überlassung sei als Leihe im Sinne des § 974 ABGB zu qualifizieren. Der Entlehner sei aus dem Leihvertrag verpflichtet, das überlassene Objekt nach Vertragsende in unversehrtem Zustand zurückzustellen. Von ihm verschuldete, über gewöhnliche Abnützungserscheinungen hinausgehende Wertminderungen habe er mittels Geldersatz auszugleichen. Diese Obliegenheit des Entlehners ergebe sich unmittelbar aus dem Leihvertrag, für deren schuldhafte Verletzung er dem Verleiher hafte, wobei leichte Fahrlässigkeit genüge. Werde das überlassene Objekt beschädigt, trage der Entlehner nach § 1298 ABGB die Beweislast, dass er die Beschädigung nicht verschuldet habe. Auch der Leihvertrag entfalte neben den vertraglichen Haupt- auch Nebenpflichten; darunter fielen insbesondere auch allgemeine Schutz- und Sorgfaltspflichten sowie Aufklärungspflichten. Eine Aufklärungspflicht des Verleihers einer Sache sei insbesondere dann anzunehmen, wenn dieser Eigenschaften fehlten, die nach der Verkehrsauffassung ohne weiteres vorausgesetzt würden, deren Fehlen aber den Gebrauch der Sache gefährlich oder sonst riskant machten. Verletze der Übergeber die ihn treffende Aufklärungspflicht, werde er ersatzpflichtig.

Das Berufungsgericht referierte in der Folge die Entscheidungen 5 Ob 2015/96a, 7 Ob 270/01h und 1 Ob 35/03h (= EvBl 2003/136 S 646 = ecolex 2003,671), auf die noch einzugehen sein wird, und vertrat die Ansicht, dass auch bei Verleihung eines relativ neuwertigen Ersatzfahrzeuges durch einen Kraftfahrzeugreparateur für die Dauer einer Reparatur an seinen Kunden ohne Aufklärung über den Umfang des Versicherungsschutzes des verliehenen Fahrzeuges auch für leicht fahrlässige Beschädigungen keine Haftungsbeschränkung bestehe, bzw. eine solche im Sinne des § 863 ABGB dadurch konkludent nicht vereinbart werde. Die leihweise Überlassung eines Ersatzfahrzeuges für die Dauer der Reparatur erfolge zumindest nicht im überwiegenden Interesse des Fahrzeugreparateurs, sondern vor allem auch im Interesse des Kunden. Zudem bestehe im Allgemeinen kein erhöhtes Unfallrisiko, weil der Reparaturkunde die Fahreigenschaften seines Ersatzfahrzeuges nicht in der Weise teste, dass er "schneller und schärfer" als sonst fahre. Der Reparaturkunde, dem ein Ersatzfahrzeug zur Verfügung gestellt werde, sei verpflichtet, mit dem überlassenen Fahrzeug besonders sorgfältig umzugehen und riskante Fahrpraktiken auch auf Grund der mangelnden Kenntnis der Fahreigenschaften zu unterlassen. Der besonders gefahrenerhöhende Testzweck der Fahrt bestehe hier gerade nicht. Damit sei sowohl die Interessenverteilung als auch das übliche Unfallrisiko nicht mit der bei Probefahrten durch Kaufinteressenten bestehenden Konstellation vergleichbar. Auch die Verleihung von relativ neuwertigen Ersatzfahrzeugen an Reparaturkunden für die Dauer der Reparatur unter Vollkaskoversicherungsschutz sei nicht schlechthin branchenüblich; dies sei auch nicht vorgebracht worden. Letztlich sei nicht festgestellt worden, dass der Beklagte den Verkehrsunfall zumindest auch auf Grund mangelnder Kenntnis der Fahreigenschaften oder der Handhabung des Ersatzfahrzeuges mitverursacht hätte. Damit lasse sich die Rechtsprechung bei Probefahrten durch Kaufinteressenten nicht analog heranziehen. Zum Vorbringen des Beklagten, er habe auf den Bestand einer Vollkaskoversicherung auch deshalb vertraut, weil das von ihm in Reparatur gegebene Fahrzeug kaskoversichert gewesen sei, sei zu bemerken, dass nicht behauptet worden sei, dieser Umstand wäre dem Kläger bekannt gewesen. Es sei daher der Ansicht des Erstgerichtes zu folgen, es wäre am Beklagten gelegen, sich über den Bestand oder Nichtbestand einer Kaskoversicherung Gewissheit zu verschaffen. Die Feststellung zur Behauptung des Klägers, er habe den Beklagten über das Nichtbestehen der Vollkaskoversicherung aufgeklärt, sei mangels Entscheidungsrelevanz entbehrlich.

Die ordentliche Revision sei zulässig, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage der Aufklärungspflicht über eine fehlende Kaskoversicherung bei relativ neuwertigen für die Dauer einer Kfz-Reparatur leihweise zur Verfügung gestellten Kraftfahrzeugen fehle.

Der Beklagte beantragt in seiner Revision die Abänderung der Entscheidung der Vorinstanzen im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, das Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus den vom Berufungsgericht dargelegten Gründen zulässig und im Sinne des Eventualantrages berechtigt.

Die Parteien ziehen die zutreffende rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen, zwischen den Streitteilen sei ein Leihvertrag zustande gekommen, nicht in Zweifel (7 Ob 270/01h; 5 Ob 2015/96a; 1 Ob 35/03h (= EvBl 2003/136 S 646 = ecolex 2003,671).

Wie bereits vom Berufungsgericht referiert, hatte die Entscheidung 7 Ob 270/01h das Begehren auf Ersatz eines vom Entlehner verschuldeten Schadens an einem sechs Jahre alten, nicht kaskoversicherten Ersatzwagen mit einer Fahrleistung von rund 88.000 km zum Gegenstand. Diesen PKW hatte die damals klagende Partei dem dortigen Beklagten für die Dauer der Reparatur seines Fahrzeuges unentgeltlich überlassen. Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes hatte die klagende Partei als Übergeberin der geliehenen Sache keine Aufklärungspflicht verletzt. Eine solche bestehe nach der Verkehrsauffassung gewöhnlich bloß dann, wenn das Fehlen bestimmter Eigenschaften den Gebrauch der Sache für den Übernehmer gefährlich oder sonst riskant mache. Davon könne beim Fehlen einer Kasko-, jedoch Bestehen einer aufrechten gesetzlichen Haftpflichtversicherung "selbstredend" ... keine Rede sein. Somit hätte sich der dortige Beklagte vor der Übernahme des Ersatzwagens selbst über den Bestand oder Nichtbestand einer solchen Kaskoversicherung verbindlich Gewissheit verschaffen müssen.

Bei dem zu 5 Ob 2015/96a zu beurteilenden Sachverhalt hatte der klagende Fahrzeughändler dem dort beklagten Lebensgefährten einer Kundin, die bereits einen Kaufvertrag über einen Neuwagen abgeschlossen hatte, wegen eines Lieferverzuges einen Vorführwagen als kostenlosen Leihwagen für die Zeit des Zuwartens bis zur Übergabe des Neuwagens zur Verfügung gestellt. Dabei war dem Entlehner mitgeteilt worden, es bestehe für den Leihwagen eine Vollkaskoversicherung mit einem Selbstbehalt von S 2000 bis 2.500. Tatsächlich bestand nur eine "Händlerkaskoversicherung" mit einer auf S 50.000 beschränkten Versicherungsleistung. Bei einem Verkehrsunfall, den der Entlehner als Lenker des Leihwagens leicht fahrlässig verursacht hatte, entstand am Leihwagen wirtschaftlicher Totalschaden. Der Oberste Gerichtshof stellte das Ersturteil, mit dem der klagenden Partei nur der Kaskoselbstbehalt von S 2.500 sowie die Ab- und Anmeldespesen zuerkannt worden waren, wieder her und erläuterte, die Streitteile hätten in Abänderung der gesetzlichen Haftungsregelung für den Leihvertrag eine betragliche Beschränkung der Haftung des Beklagten vereinbart. Eine solche Beschränkung sei bei der unentgeltlichen Überlassung von Vorführ- und Leihwagen an Kunden im Kfz Handel keineswegs ungewöhnlich, vielmehr sei eine Haftungsbeschränkung im Interesse des Kunden nach den örtlichen und zeitlichen und branchenmäßigen Anschauungen als Beurteilungsmaßstab geradezu selbstverständlich.

Letztlich wurde in dem der Entscheidung 1 Ob 35/03h zu Grunde liegenden Sachverhalt dem Beklagten von einer Kfz Vertragshändlerin ein etwa fünf Monate alter PKW mit einer Fahrleistung von knapp unter 10.000 km zumindest bis zum Morgen des nächsten Tages unentgeltlich für eine Probefahrt übergeben. Das Fahrzeug war nicht vollkaskoversichert. Der Beklagte, der auf diesen Umstand nicht hingewiesen wurde, geriet auf einer eisglatten, nicht gestreuten Fahrbahn ins Schleudern und beschädigte das Fahrzeug, weil er mit dem Fahrzeug nicht vertraut war, dessen Fahrverhalten auf eisglatter Fahrbahn falsch einschätzte und die Bedeutung der im Bordcomputer des Fahrzeuges eingebauten Warnhinweise (Temperaturanzeige und akustische Eiswarnung [Gong]) falsch einschätzte. Der Oberste Gerichtshof führte dazu nach Referierung der oben wiedergegebenen österreichischen Rechtsprechung unter Berufung auf deutsche Lehre und Rechtsprechung aus, habe der Kraftfahrzeughändler für zu Probefahrten bestimmte Kraftfahrzeuge, namentlich für Vorführwagen keine - sein wirtschaftliches Risiko begrenzende - Vollkaskoversicherung abgeschlossen, wolle er aber das Risiko einer leicht fahrlässigen Beschädigung des Fahrzeuges anlässlich einer Probefahrt dennoch nicht selbst tragen, so müsse er den Kaufinteressenten über die fehlende Versicherung schon vor Antritt der Probefahrt aufklären. Unterbleibe eine solche Aufklärung, folge daraus als konkludente Vereinbarung im Sinne des § 863 Abs 2 ABGB, dass der Kaufinteressent für leicht fahrlässige Beschädigungen des Kraftfahrzeuges (nur) dann nicht haften solle, wenn der Schaden in Verwirklichung einer für Probefahrten typischen Gefahr eingetreten sei. Bestehe hingegen eine Vollkaskoversicherung und wolle der Händler im Schadensfall auch den Selbstbehalt nicht tragen, müsse er den Kunden auch über diese Risikoverteilung schon vor Antritt der Probefahrt informieren.

Der zur Entscheidung 7 Ob 270/01h führende Sachverhalt entscheidet sich wesentlich von dem hier zur Beurteilung vorliegenden, weil dort dem Beklagten während der Reparaturdauer seines Fahrzeuges ein sechs Jahre altes Ersatzfahrzeug mit einer Fahrleistung von rund 88.000 km zur Verfügung gestellt wurde. Nach der Verkehrserwartung musste für ein derartiges Fahrzeug keine Kaskoversicherung bestehen, weshalb das Fehlen einer solchen auch nicht aufklärungsbedürftig war.

Auch der Entscheidung des fünften Senates (5 Ob 2015/96a) lag ein anders gelagerter Sachverhalt zugrunde, weil dort vom Händler bei der Übergabe des Leihwagens eine - allerdings unrichtige - Aufklärung über das Bestehen einer Kaskoversicherung erteilt wurde, für deren Unrichtigkeit er einstehen musste.

Die Entscheidung des ersten Senates (1 Ob 35/03h) beruht auf der Annahme von besonderen Gefahren einer Probefahrt und leitet daraus die Aufklärungspflicht über das Bestehen oder Nichtbestehen einer Kaskoversicherung vor Übergabe eines Fahrzeuges durch einen Händler an einen Kunden zur Probefahrt ab, gelangt aber deshalb zu dem einschränkenden Ergebnis, dass der im Fall des Unterbleibens der Aufklärung anzunehmende konkludente Verzicht auf Ersatz leicht fahrlässig herbeigeführter Schäden am Vorführwagen (nur) dann wirksam ist, wenn der Schaden in Verwirklichung einer für Probefahrten typischen Gefahr eingetreten ist. Eine solche typische Gefahr ist hier nicht festgestellt, zufolge der festgestellten Vorrangverletzung durch den Beklagten als Unfallsursache aber auch nicht indiziert, sofern die Unaufmerksamkeit des Beklagten ihre Ursache nicht im Betrieb des für ihn ungewohnten Fahrzeuges hatte.

Ausgangspunkt für einen konkludenten Verzicht bei leicht fahrlässiger Beschädigung des Leihfahrzeuges durch den Entlehner ist die Verletzung einer allenfalls bestehenden Aufklärungspflicht über das Nichtbestehen einer Kaskoversicherung. Dass eine solche über ein Leihfahrzeug nicht abgeschlossen wurde, macht zwar die Benützung durch den Entlehner noch nicht gefährlich oder sonst riskant (RIS-Justiz RS0018792), doch kann die Erwartung des Entlehners, dass das Leihfahrzeug kaskoversichert sei, dann begründet sein, wenn nach der Verkehrsauffassung derartige Ersatzfahrzeuge üblicherweise kaskoversichert sind. Eine solche Erwartung ist umso mehr berechtigt, wenn es sich dabei um relativ neue Fahrzeuge handelt, deren Verkehrswert noch nahe des Neuwertes liegen. Wenn daher einem Kunden für die Dauer der Reparatur seines Fahrzeuges vom Kraftfahrzeugreparateur (der zugleich Kraftfahrzeughändler ist und über neuwertige Vorführwagen verfügt) ein neuwertiger Vorführwagen (wie hier) zu Ersatzzwecken für die Dauer der Reparatur zur Verfügung gestellt, kann der Kunde nach der Verkehrsauffassung erwarten, dass dieses üblicherweise kaskoversichert ist, weshalb den Verleiher die Aufklärungspflicht über das Nichtbestehen einer solchen trifft. Dem Kunden steht es dann immer noch frei, die Übernahme eines solchen Fahrzeuges abzulehnen oder sich ein anderes Ersatzfahrzeug anzumieten.

Die in der Entscheidung 1 Ob 35/03h vorgenommene Einschränkung des konkludent vereinbarten Ausschlusses der Haftung für leicht fahrlässig herbeigeführte Schäden, die bei Verwirklichung einer für Probefahrten typischen Gefahr eingetreten sind, ist dann nicht geboten.

Diese Rechtsansicht wird im Übrigen auch von der deutschen Lehre vertreten (vgl Kollhosser in MünchKomm³ § 599 Rz 7; Reuter in Staudinger 13 § 599 Rz 7; Palandt63 § 254 Rz 72 mwN).

Entscheidend ist daher, ob der Beklagte über das Bestehen oder Nichtbestehen einer Vollkaskoversicherung aufgeklärt wurde. Wurde er über das Nichtbestehen einer Vollkaksoversicherung aufgeklärt und hat er dennoch das Ersatzfahrzeug in Betrieb genommen, kommt ein konkludent vereinbarter Haftungsausschluss nicht in Frage, weil er dann das Risiko, eine leicht fahrlässig herbeigeführte Schädigung des Leihfahrzeuges selbst tragen zu müssen, auf sich genommen hat.

Wurde er aber über das Nichtbestehen einer Vollkaskoversicherung nicht aufgeklärt, ist eine konkludente Vereinbarung dahin anzunehmen, dass der Entlehner für leicht fahrlässige Beschädigungen des Fahrzeuges - ausgenommen im Rahmen eines üblichen Selbstbehaltes - nicht haften soll.

Das Erstgericht wird daher die Feststellung zu treffen haben, ob der Beklagte über das Nichtvorliegen einer Vollkaskoversicherung durch den Kläger aufgeklärt wurde. Eine Negativfeststellung geht dabei zu Lasten des hiefür beweispflichtigen Klägers. Weiters werden Feststellungen über den Unfallshergang zu treffen sein, um beurteilen zu können, ob der Unfall vom Beklagten grob oder nur leicht fahrlässig verursacht wurde, weil der konkludent vereinbarte Haftungsverzicht nicht die grob fahrlässige Schadensverursachung umfasst, sondern nur die leicht fahrlässige. Zu beachten wird auch sein, dass bei leicht fahrlässiger Schadenszufügung jedenfalls der übliche Selbstbehalt vom Schädiger zu tragen ist.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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