OGH 1Ob35/03h

OGH1Ob35/03h25.3.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** Gesellschaft m. b. H., *****, vertreten durch Dr. Klaus-Dieter Strobach und Dr. Wolfgang Schmidauer, Rechtsanwälte in Grieskirchen, wider die beklagte Partei Mario S*****, vertreten durch Dr. Karl Wagner, Rechtsanwalt in Schärding, wegen 26.028,28 EUR sA infolge Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse 22.455,91 EUR sA) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 12. November 2002, GZ 6 R 219/02x-21, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Wels vom 25. Juli 2002, GZ 3 Cg 251/01y-17, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.189,44 EUR (darin 198,24 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu zahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Zwischen 20 Uhr und 20 Uhr 30 des 6. 2. 2001 wurde dem Beklagten von einem Verkäufer der klagenden Partei, einer Kfz-Vertragshändlerin, ein etwa fünf Monate alter PKW BMW 530d mit einer Fahrleistung von knapp unter 10.000 km zumindest bis zum Morgen des nächsten Tags unentgeltlich für eine Probefahrt übergeben. Das Fahrzeug, das über eine Antischlupfregelung (ASR) und ein Antiblockiersystem (ABS) verfügte, war mit einem (blauen) Probefahrt-Kennzeichen versehen und so zum Verkehr zugelassen. Die klagende Partei verwendet bei der Überlassung von Fahrzeugen für Probefahrten (gewöhnlich) ein vom Kunden zu unterfertigendes Formular, in dem auf den Mangel einer Kaskoversicherung hingewiesen wird. Dem Beklagten wurde das Formular nicht zur Unterschrift vorgelegt. Das Fahrzeug war nicht (voll-)kaskoversichert. Noch am 6. 2. 2001 verursachte der Beklagte bei einer Probefahrt einen Verkehrsunfall. Er war im Ortsgebiet zwischen 23 Uhr und 23 Uhr 30 mit einer objektivierbaren Geschwindigkeit von zumindest 45 bis 55 km/h auf eisglatter, nicht gestreuter Fahrbahn ins Schleudern geraten. Der PKW der klagenden Partei prallte sodann gegen eine Betonsäule und einen Zaunpfeiler. Am Unfallort war an sich eine Geschwindigkeit von 50 km/h erlaubt. Der Schleudervorgang wurde mit hoher Wahrscheinlichkeit entweder durch ein "Verlenken" oder die Einhaltung einer wesentlich höheren als der objektivierbaren Geschwindigkeit verursacht. Vor dem Unfall zeigte der Bordcomputer des Fahrzeugs "plus 1,5 bis 2,0°" an. Vor dem Unfall schlug auch mehrmals die akustische Eiswarnung ("Gong") im Fahrzeug an. Der Beklagte erfasste jedoch deren Bedeutung nicht. Der PKW wurde beim Unfall erheblich beschädigt. Sein Wiederbeschaffungswert vor dem Schadensereignis betrug 42.440,94 EUR. Die Reparatur hätte einen Aufwand von 26.028,28 EUR erfordert. Die klagende Partei verkaufte das Fahrzeug jedoch im beschädigten Zustand um 19.985,03 EUR. Deren Differenzschaden beträgt somit 22.455,91 EUR.

Nicht feststellbar ist eine Aufklärung des Beklagten anlässlich der Fahrzeugübergabe über die fehlende (Voll-)Kaskoversicherung. Ebenso ist nicht feststellbar, dass der Beklagte bereits im Sommer 2000 anlässlich einer Probefahrt mit einem PKW der klagenden Partei über das Fehlen von Kaskosversicherungen bei den für Probefahrten zugelassenen Fahrzeugen informiert worden wäre. Wäre der Beklagte über den Mangel einer Kaskoversicherung aufgeklärt worden, so hätte er den PKW der klagenden Partei am 6. 2. 2001 - angesichts des ihm bekannten hohen Fahrzeugwerts - entweder nicht übernommen oder jedenfalls nicht für eine Fahrt im späteren Unfallbereich verwendet.

Der Beklagte stellte das beschädigte Fahrzeug nahe dem Unfallort ab und klingelte bei dem Haus, dessen Zaunpfeiler unfallbetroffen war. Dort meldete sich niemand. In der Folge unterließ er es, die örtlich zuständige oder eine andere Gendarmeriedienststelle vom Unfallgeschehen zu benachrichtigen. Die Gendarmerie wurde jedoch von einem Nachbarn verständigt. Als die Beamten am Unfallort eintrafen, war der Beklagte nicht mehr dort. Über den Beklagten wurde deshalb mit Strafverfügung vom 13. 3. 2001 wegen Begehung der Verwaltungsübertretungen nach § 99 Abs 2 lit a iVm § 4 Abs 1 lit c StVO (Entfernen von der Unfallstelle ohne Mitwirkung an der Feststellung des Sachverhalts) und nach § 99 Abs 3 lit b iVm § 4 Abs 5 erster Satz StVO (Unterlassen der Verständigung der nächsten Gendarmeriedienststelle trotz Unterbleibens eines Austausches der Personaldaten mit dem Geschädigten) eine Geldstrafe von 5.000 S verhängt. Art 7 der Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrzeug-Kaskoversicherung (AKKB 2001) hat ua folgenden Wortlaut:

"3. Als Obliegenheit, deren Verletzung nach Eintritt des Versicherungsfalles die Freiheit des Versicherers von der Verpflichtung zur Leistung bewirkt (§ 6 Abs 3 VersVG), werden bestimmt:

...

3.2. nach Möglichkeit zur Feststellung des Sachverhalts beizutragen."

Die klagende Partei begehrte den Zuspruch von 26.028,28 EUR sA. Sie brachte vor, sie habe dem Beklagten ihren Vorführwagen für eine Probefahrt überlassen. Dieser habe einen Verkehrsunfall verschuldet und danach Fahrerflucht begangen. Er hafte für den Ersatz der Fahrzeugreparaturkosten. Bei Übernahme des Fahrzeugs sei er über das Fehlen einer Kaskoversicherung informiert worden. Die Verpflichtung zum Abschluss einer Kaskoversicherung habe nicht bestanden. Deshalb sei auch eine Aufklärung des Beklagten als Entlehner über den Mangel einer solchen Versicherung nicht erforderlich gewesen. Eine Kaskoversicherung wäre für den Beklagten überdies nutzlos gewesen, hätte doch der Versicherer in Ermangelung einer unverzüglichen Verständigung der Gendarmerie nach dem Unfall eine Versicherungsleistung nicht erbringen müssen. Selbst im Fall einer Leistung hätte der Beklagte aber jedenfalls den Selbstbehalt tragen müssen.

Der Beklagte wendete ein, er sei über den Mangel einer Kaskoversicherung nicht aufgeklärt worden. Bei Fahrzeugen hohen Werts sei eine solche Versicherung branchenüblich. Die klagende Partei habe durch die unterlassene Aufklärung Schutz- und Sorgfaltspflichten verletzt. Wäre er informiert worden, so hätte er die Probefahrt wegen des hohen wirtschaftlichen Risikos nicht angetreten. Ihn treffe ferner kein Verschulden am Unfall.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit 22.455,91 EUR sA - d.i. die Differenz zwischen dem Wiederbeschaffungswert vor dem Schadensereignis und dem für das beschädigte Fahrzeug erzielten Kaufpreis - statt und wies das Mehrbegehren von 3.572,37 EUR sA ab. Der Beklagte habe den Unfall verschuldet. Er habe die Fahrgeschwindigkeit nicht den örtlichen Verhältnissen angepasst, obgleich konkrete Umstände auf eine Vereisung der Fahrbahn hingewiesen hätten. Die klagende Partei hätte als Verleiherin den Beklagten nur über Eigenschaften, die den Gebrauch des PKWs riskant gemacht hätten, aufklären müssen. Das sei beim Fehlen einer Kaskoversicherung zu verneinen. Es habe somit keine Pflicht zur Aufklärung über den Mangel einer Kaskoversicherung bestanden.

Das Berufungsgericht erkannte der klagenden Partei bloß 363,36 EUR sA zu und wies das Mehrbegehren - unter Einschluss des bereits vom Erstgericht unbekämpft abgewiesenen Teils - von insgesamt 25.664,92 EUR sA ab. Es sprach ferner aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Nach dessen Ansicht ist die unentgeltliche Überlassung eines Fahrzeugs zur Vornahme einer Probefahrt als Leihe gemäß § 974 ABGB anzusehen. Der Entlehner habe die entlehnte Sache nach Vertragsende unversehrt zurückzustellen. Daher müsse er für eine von ihm verschuldete, die gewöhnliche Abnützung übersteigende Wertminderung Geldersatz leisten. Werde das entlehnte Objekt beschädigt, so habe der Entlehner nach § 1298 ABGB sein mangelndes Verschulden zu beweisen. Auch bei einem Leihvertrag seien Schutz- und Sorgfaltspflichten als vertragliche Nebenpflichten zu beachten. So sei der Entlehner über Eigenschaften, die den Gebrauch der entlehnten Sache gefährlich machten, aufzuklären. Der Mangel einer Kaskoversicherung für ein Fahrzeug mache dessen Gebrauch nicht gefährlich. Allerdings vertraue ein Kunde des Kraftfahrzeughandels vor Antritt einer Probefahrt auf das Vorliegen eines umfassenden Versicherungsschutzes zur Haftungsbegrenzung. Der Händler habe an einer Probefahrt in Erwartung des Abschlusses eines Kaufvertrags ein überwiegendes Interesse. Kunden rechneten daher "nicht mit der Bürde des vollen wirtschaftlichen Risikos der Probefahrt". Die deutsche Rechtsprechung unterstelle einen konkludenten Haftungsausschluss für Schäden, die der Entlehner eines neuen PKWs leicht fahrlässig verursacht habe, wenn dieser über das Fehlen einer Kaskoversicherung nicht aufgeklärt worden sei. Demnach dürfe ein Kraftfahrzeughändler von einem Kaufinteressenten, der das zur Probefahrt überlassene Kraftfahrzeug leicht fahrlässig beschädigt habe, keinen Ersatz verlangen, wenn der Schaden im Zusammenhang mit den der Probefahrt eigentümlichen Gefahren eingetreten sei. Bei Probefahrten bestehe gewöhnlich ein dem Kraftfahrzeughändler bekanntes und im Interesse des erwarteten Verkaufs in Kauf genommenes erhöhtes Unfallrisiko. Auch der Kunde wisse um die besondere Gefährlichkeit der Probefahrt. Es sei ihm in der Regel jedoch nicht bekannt, dass er dafür "im Schadensfall auch einstehen" soll. Der Fahrzeughändler könne dem erörterten Risiko durch den Abschluss einer Kaskosversicherung vorbeugen. Somit entfalle die Haftungsbeschränkung für den Kunden nur dann, wenn er über den Mangel einer Vollkaskoversicherung aufgeklärt worden sei. Der Händler müsse daher den Kunden vor Antritt einer Probefahrt über das Fehlen einer Kaskoversicherung informieren. Habe der Händler diese Aufklärungspflicht verletzt, so dürfe er den Ersatz des Sachschadens, den der Kunde an dem ihm für eine Probefahrt überlassenen Fahrzeug leicht fahrlässig verschuldet habe, nicht fordern. Der Beklagte habe den maßgebenden Verkehrsunfall nicht grob fahrlässig verschuldet. Er habe nach der Verkehrssitte aber im Fall einer Kaskoversicherung mit einem von ihm zu tragenden Selbstbehalt rechnen müssen. Dieser werde nach § 273 Abs 1 ZPO mit 363,36 EUR geschätzt. Der klagenden Partei sei nur dieser Betrag zuzuerkennen. Auch deren Ansicht, wegen der Fahrerflucht des Beklagten wäre diesem der Versicherungsschutz auch bei Vorliegen einer Kaskoversicherung nicht zu gute gekommen, könne dem Klagebegehren nicht zum Erfolg verhelfen: Einerseits sei nicht jeder Verstoß gegen § 4 Abs 5 StVO als Verletzung einer dem Versicherungsnehmer obliegenden Aufklärungspflicht anzusehen; andererseits hätte der Beklagte die konkrete Fahrt, wäre er über den Mangel einer Kaskoversicherung aufgeklärt worden, gar nicht angetreten. Dann hätte es zu einer Verletzung des § 4 Abs 5 StVO gar nicht kommen können. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil der Oberste Gerichtshof zu Fragen der Aufklärungspflicht eines Kraftfahrzeughändlers bei Überlassung eines Neu- oder Vorführwagens für eine Probefahrt noch nicht Stellung genommen habe.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig; sie ist jedoch nicht berechtigt.

1. Leihvertrag - Vorvertragliches Schuldverhältnis

Die Streitteile gehen im Revisionsverfahren übereinstimmend davon aus, dass der Beklagte den Vorführwagen der klagenden Partei für eine Probefahrt als Kaufinteressent übernommen habe. Sie ziehen ferner die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen, zwischen den Streitteilen sei ein Leihvertrag zustande gekommen, nicht in Zweifel, obgleich sich die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (7 Ob 270/01h; JBl 1999, 47 = ZVR 1999/26; ZVR 1997/70; 5 Ob 2015/96a; SZ 50/137), auf die sich die erörterte Wertung stützt, auf im Kern andersartige Sachverhalte bezieht. Im Regelfall kommt nämlich durch die Überlassung eines Vorführwagens zur Probefahrt im Rahmen von Vertragsverhandlungen über den Kauf eines PKWs kein gesonderter Leihvertrag zustande, sondern Inhalt und Umfang der Rechtspflichten der Vertragspartner bestimmen sich nach den für das vorvertragliche Schuldverhältnis maßgebenden Schutz- und Sorgfaltspflichten (Kollhosser in MünchKomm³ § 598 Rz 20). Die hier bedeutsamen Rechtsfolgen sind jedoch identisch, gleichviel ob sie im Licht eines Leihvertrags oder eines vorvertraglichen Schuldverhältnisses beurteilt werden (Kollhosser aaO § 599 Rz 7).

2. Kaufvertragsverhandlungen - Probefahrt - Haftung

2. 1. Österreichische Rechtsprechung

Der Oberste Gerichtshof hatte bisher, soweit überblickbar, noch keinen Sachverhalt zu beurteilen, bei dem rechtliche Leitlinien, die für die Lösung der im Anlassfall aufgeworfenen Haftungsfrage bedeutsam sind, (näher) erörtert worden wären.

Die Entscheidung 7 Ob 270/01h hatte das Begehren auf Ersatz eines vom Entlehner verschuldeten Schadens an einem sechs Jahre alten, nicht kaskoversicherten Ersatzwagen mit einer Fahrleistung von rund 88.000 km zum Gegenstand. Diesen PKW hatte die klagende Partei jenes Vorverfahrens dem dortigen Beklagten für die Dauer der Reparatur seines Fahrzeugs unentgeltlich überlassen. Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofs hatte die klagende Partei als Übergeberin "der geliehenen Sache" keine Aufklärungspflicht verletzt. Eine solche bestehe nach der Verkehrsauffassung gewöhnlich bloß dann, "wenn das Fehlen bestimmter Eigenschaften den Gebrauch der Sache für den Übernehmer gefährlich oder sonst riskant" mache. Davon könne "beim Fehlen einer Kasko-, jedoch Bestehen einer aufrechten gesetzlichen Haftpflichtversicherung selbstredend ... keine Rede sein". Somit hätte sich der dortige Beklagte vor der Übernahme des Ersatzwagens selbst "über den Bestand oder Nichtbestand einer solchen Kaskoversicherung ... verbindlich Gewissheit" verschaffen müssen.

Nach dem die Entscheidung 5 Ob 2015/96a tragenden Sachverhalt hatte der klagende Fahrzeughändler dem dort beklagten Lebensgefährten einer Kundin, die bereits einen Kaufvertrag über einen Neuwagen abgeschlossen hatte, wegen eines Lieferverzugs "einen Vorführwagen als kostenlosen Leihwagen" für "die Zeit des Zuwartens" bis zur Übergabe des Neuwagens zur Verfügung gestellt. Dabei war dem Entlehner mitgeteilt worden, es bestehe für den Leihwagen eine Vollkaskoversicherung mit einem Selbstbehalt von 2.000 bis 2.500 S. Tatsächlich bestand jedoch nur eine "Händlerkaskoversicherung" mit einer auf 50.000 S beschränkten Versicherungsleistung. Bei einem Verkehrsunfall, den der Entlehner als Lenker des Leihwagens leicht fahrlässig verursacht hatte, entstand am Leihwagen wirtschaftlicher Totalschaden. Der Oberste Gerichtshof stellte das Ersturteil, mit dem der klagenden Partei nur der Kaskoselbstbehalt sowie die Ab- und Anmeldespesen zuerkannt worden waren, wieder her und erläuterte, die Streitteile hätten in Abänderung der gesetzlichen Haftungsregelung für den Leihvertrag "eine betragliche Beschränkung der Haftung des Beklagten vereinbart". Eine solche Beschränkung sei "bei der unentgeltlichen Überlassung von Vorführ- und Leihwagen an Kunden im Kfz-Handel keineswegs ungewöhnlich", vielmehr sei "eine Haftungsbeschränkung im Interesse des Kunden" nach den "örtlichen, zeitlichen und branchenmäßigen Anschauungen" als Beurteilungsmaßstab "geradezu selbstverständlich".

2. 2. Deutsche Rechtsprechung

Der Bundesgerichtshof befasste sich bereits in der Entscheidung VIII ZR 35/71 (= NJW 1972, 1363 = VR 1972, 863) ausführlich mit der Frage nach der Haftung eines Kaufinteressenten für den Schaden, den er an einem ihm vom Fahrzeughändler für eine Probefahrt überlassenen Vorführwagen leicht fahrlässig verursachte. Er kam dabei zu diesem Ergebnis:

Wolle der Händler für einen Vorführwagen keine Kaskoversicherung abschließen, aber auch das Risiko der leicht fahrlässigen Beschädigung eines Vorführwagens bei einer Probefahrt nicht selbst tragen, so müsse er den Kunden darüber schon vor Antritt der Probefahrt aufklären. Bei Unterlassung eines solchen Hinweises dürfe der Kunde darauf vertrauen, für eine leicht fahrlässig verschuldete Beschädigung des Vorführwagens nicht zu haften, sei doch dann die Einladung zu einer Probefahrt so zu verstehen, dass der "Probefahrer" für leicht fahrlässig verursachte Schäden jedenfalls dann nicht haften solle, wenn "diese Schäden mit den eigentümlichen Gefahren einer Probefahrt im Zusammenhang" stünden. Soweit sei ein "Haftungsausschluss für einfache Fahrlässigkeit" konkludent vereinbart.

Zur Untermauerung dieser Schlussfolgerung führte der BGH aus, dem Händler sei der Abschluss einer Vollkaskoversicherung für Vorführwagen zum Schutz seiner Kunden nach Treu und Glauben zumutbar. Bei Probefahrten bestehe im Allgemeinen ein erhöhtes Unfallrisiko. Der Kaufinteressent sei mit den besonderen Eigenschaften des Vorführwagens meist nicht vertraut, er wolle jedoch auf der Probefahrt die Fahreigenschaften des neuen Modells testen und fahre deshalb "schneller und schärfer" als sonst. Der Kaufinteressent sei kaum in der Lage, sich gegen die Risken einer Probefahrt zu versichern. Für den Händler sei dagegen der Abschluss einer Vollkaskoversicherung für Vorführwagen - in Wahrung seines geschäftlichen Interesses - keine die Fahrzeughaltung in unvertretbarer Weise verteuernde Belastung.

An dieser - im Schrifttum (Kollhosser aaO § 599 Rz 7; Reuter in Staudinger13 § 599 Rz 4) - gebilligten Rechtsprechung hielt der Bundesgerichtshof auch in der Folge fest (NJW 1986, 1099; NJW 1979, 643). Dabei übertrug er die erörterten Grundsätze schließlich auch auf das Verhältnis des Händlers zu einem Fahrzeugeigentümer, der ihm ein - bei einer späteren Probefahrt beschädigtes - nicht kaskoversichertes Gebrauchtfahrzeug zur Verkaufsvermittlung überließ (NJW 1986, 1099).

2. 3. Wertung der Rechtsprechung

Die soeben referierten Erwägungen des deutschen Bundesgerichtshofs überzeugen: Die Beurteilung der Interessenlage der an den Verhandlungen über den Kauf eines Kraftfahrzeugs beteiligten Personen zeitigt nach österreichischem Recht kein anderes Ergebnis als nach deutschem Recht. Der Oberste Gerichtshof gelangte daher schon in der Entscheidung 5 Ob 2015/96a zu einem im Kern gleichen Ergebnis, war doch auch dort die Frage nach einer vereinbarten Haftungsbeschränkung streitentscheidend, nachdem der Händler den Entlehner vor der Übernahme des Leihwagens ausdrücklich auf das Bestehen einer Vollkaskoversicherung mit einem Selbstbehalt von 2.000 bis 2.500 S hingewiesen hatte. In dem hier zu beurteilenden Fall hat sich die für Probefahrten mit Vorführwagen in typischer Weise erhöhte Unfallgefahr realisiert, war doch der Beklagte mangels Vertrautheit mit den Funktionen des Vorführwagens außerstande, die wiederholte akustische Glatteiswarnung vor der Kollision richtig zu deuten. Die bisherigen Erwägungen sind daher wie folgt zusammenzufassen:

Schloss der Kraftfahrzeughändler für zu Probefahrten bestimmte Kraftfahrzeuge, namentlich für Vorführwagen keine - sein wirtschaftliches Risiko begrenzende - (Voll-)Kaskoversicherung ab, will er aber das Risiko einer leicht fahrlässigen Beschädigung des Fahrzeugs anlässlich einer Probefahrt dennoch nicht selbst tragen, so muss er den Kaufinteressenten über die fehlende Versicherung schon vor Antritt der Probefahrt aufklären. Unterblieb eine solche Aufklärung, so folgt daraus als konkludente Vereinbarung im Sinne des § 863 Abs 2 ABGB, dass der Kaufinteressent für leicht fahrlässige Beschädigungen des Kraftfahrzeugs dann nicht haften soll, wenn der Schaden in Verwirklichung einer für Probefahrten typischen Gefahr eintrat. Besteht für das Fahrzeug eine (Voll-)Kaskoversicherung und will der Händler im Schadensfall auch den Selbstbehalt nicht tragen, so muss er den Kunden auch über diese Risikoverteilung schon vor Antritt der Probefahrt informieren.

3. Erörterung der Revisionsgründe

Die klagende Partei betont, der Entlehner dürfe den Vorführwagen "ohne jegliches Entgelt" verwenden. Er müsse nicht einmal "die Betriebskosten ersetzen". Dagegen habe der Eigentümer das Risiko eines nicht vom Entlehner verschuldeten Schadens am Vorführwagen zu tragen. Diese Interessenlage rechtfertige keine Haftungsbefreiung des Entlehners für einen von ihm verschuldeten Schaden am Vorführwagen. Diese Sicht der Rechtslage kann indes die zuvor dargelegten Erwägungen nicht entkräften: Soweit die klagende Partei die Ansicht verficht, der Kaufinteressent habe mit einem Vorführwagen hohen Wertes "besonders vorsichtig umzugehen", wird der eigentliche Zweck von Probefahrten missachtet, die besonderen Eigenschaften eines Fahrzeugs einer bestimmten Type, das das Kaufinteresse wecken oder bestärken soll, unter wechselnden Betriebsbedingungen umfassend zu testen, womit aber das für Probefahrten so typische erhöhte Unfallrisiko verbunden ist. Es war - entgegen der Auffassung der klagenden Partei - auch nicht "Sache des Entlehners", sich "vor Übernahme des Fahrzeugs über den Bestand oder Nichtbestand einer Kaskoversicherung Gewissheit zu verschaffen", wird doch nach den Erwägungen unter 2. 3. konkludent ein Haftungsausschluss vereinbart, wenn der Händler dem Kaufinteressenten nicht schon vor Antritt der Probefahrt erklärte, er wolle das Unfallrisiko für leicht fahrlässig verschuldete Schäden am Vorführwagen nicht tragen. Beizutreten ist indes der Ansicht der klagenden Partei, der Beklagte habe den maßgebenden Verkehrsunfall verschuldet. Es wird jedoch auch in der Revision nicht behauptet, dem Beklagten sei grobe Fahrlässigkeit anzulasten. Die von der klagenden Partei angestrebte Verschuldensteilung scheitert am konkludent vereinbarten Haftungsausschluss. Schließlich kann auch das Argument, ein Kaskoversicherungsschutz für den Vorführwagen hätte dem Beklagten wegen dessen, den Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung befreienden Obliegenheitsverletzung nicht genützt, dem Klagebegehren nicht zum Erfolg verhelfen. Die klagende Partei geht selbst davon aus, dass der Beklagte die Probefahrt nicht angetreten hätte, wenn ihm der Mangel einer (Voll-)Kaskoversicherung bekannt gewesen wäre. Damit hätte der Beklagte gar nicht in die Lage kommen können, einen Schaden am Vorführwagen zu verschulden und danach eine die Leistungspflicht des Versicherers ausschließende Obliegenheitsverletzung zu begehen. Was der Beklagte gemacht hätte, wenn eine (Voll-)Kaskoversicherung für den Vorführwagen bestanden hätte, ist eine nicht streitentscheidende Hypothese, mangelte es doch an einer derartigen Versicherung. Wegen des konkludent vereinbarten Haftungsausschlusses ist auch die - den Prozessstandpunkt des Beklagten sonst in Wahrheit belastende - Replik in der Revisionsbeantwortung nicht von Bedeutung, der Beklagte sei so zu stellen, als wäre der Vorführwagen (voll-)kaskoversichert gewesen.

Da das Berufungsgericht die im Revisionsverfahren noch relevanten Rechtsfragen zutreffend löste, ist der Revision somit ein Erfolg zu versagen.

4. Kosten

Die Entscheidung über die Kosten der Revisionsbeantwortung gründet sich auf § 41 iVm § 50 Abs 1 ZPO.

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