OGH 10Ob35/04a

OGH10Ob35/04a21.6.2004

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Hon. Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Michael G***** , vertreten durch Dr. Günter Tews, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei Gerlinde P*****, vertreten durch WKG Wagner-Korp-Grünbart Rechtsanwälte GmbH in Andorf, wegen Unterhalt (Streitwert nach § 58 JN EUR 10.464,84, nach § 9 RATG EUR 3.488,28), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis als Berufungsgericht vom 9. Dezember 2003, GZ 6 R 249/03i-17, womit infolge Berufungen beider Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Schärding vom 30. August 2003, GZ 1 C 58/03k-11, zum Teil bestätigt und zum Teil abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 333,12 (darin enthalten EUR 55,52 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Ehe der Streitteile wurde am 8. 2. 1996 gemäß § 55a EheG geschieden. Der Ehe entstammen zwei - 1992 und 1994 geborene - Kinder. Der Kläger verpflichtete sich gegenüber der Beklagten mit gerichtlichem Vergleich, ihr ab 1. 3. 1996 einen monatlichen Unterhaltsbetrag von S 4.000,-- (= EUR 290,69) zu bezahlen. Im Vergleich ist festgehalten, dass Grundlage hiefür ein monatliches Nettoeinkommen des Klägers von S 20.100,-- (inklusive Sonderzahlungen) ist und die Beklagte bis voraussichtlich Juni 1996 ein Karenzurlaubsgeld von S 7.000,-- monatlich bezieht. Seit 29. 9. 1997 ist der Kläger für ein weiteres Kind unterhaltspflichtig. Unter Hinweis auf diese neu hinzugekommene Unterhaltspflicht begehrt der Kläger die Feststellung, derzeit aus dem am 8. 2. 1996 abgeschlossenen Scheidungsvergleich nicht zur Zahlung eines Unterhaltes verpflichtet zu sein. Er brachte weiters vor, dass der Beklagten eine Berufstätigkeit mit einem Beschäftigungsausmaß von ca 30 Wochenstunden und einem daraus erzielbaren Einkommen von EUR 1.131,23 monatlich zumutbar sei. Die Beklagte erhalte für die beiden gemeinsamen ehelichen Kinder die (nach Abzug des für die steuerliche Entlastung des Klägers erforderlichen Teilbetrages verbleibende) Familienbeihilfe von insgesamt rund EUR 100,-- und den Kinderabsetzbetrag von insgesamt EUR 101,80. Darüber hinaus habe sie auch Anspruch auf den Alleinerzieherabsetzbetrag in Höhe von jährlich EUR 364,-- bzw erhalte sie diesen Betrag als Negativsteuer ausbezahlt. Diese Transferleistungen seien als Einkommen der Beklagten zu berücksichtigen. In Anbetracht der Unterhaltspflichten für drei Kinder und die Beklagte sei ein Sonderabschlag von 2 % vorzunehmen, sodass sich ein Unterhaltsanspruch der Beklagten in Höhe von 26 % des Familieneinkommens ergebe. Bei einer Unterhaltsbemessungsgrundlage des Klägers von EUR 1.400,-- bestehe daher kein Unterhaltsanspruch der Beklagten.

Die Beklagte wendete insbesondere ein, dass ihr eine Berufstätigkeit nicht zumutbar sei, weil der mj Julian an Legasthenie leide und deshalb eine sehr zeitintensive Betreuung benötige. Nach der im Vergleich festgelegten Relation habe die Beklagte Anspruch auf 45 % des Familieneinkommens. Unter Berücksichtigung der weiteren Sorgepflicht des Klägers habe die Beklagte Anspruch auf 31 % des monatlichen Nettoeinkommens des Klägers. Sollte das Gericht davon ausgehen, dass der Beklagten die Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbetrag als Einkommen anzurechnen seien, habe dies insgesamt keine Auswirkungen auf die Höhe ihres Anspruches. Das Erstgericht stellte fest, dass der aus dem Vergleich vom 8. 2. 1996 resultierende Unterhaltsanspruch der Beklagten mit einem Betrag von EUR 145,69 erloschen sei und wies das darüber hinausgehende Begehren auf Feststellung des gänzlichen Erlöschens des Unterhaltsanspruches ab. Nach seinen Feststellungen ist der Kläger gegenüber den beiden ehelichen Kindern Julian, geboren am 8. 7. 1992, und Niklas, geboren am 27. 6. 1994, sorgepflichtig. Er wohnt nunmehr bei seiner Lebensgefährtin und seinem am 29. 9. 1997 geborenen (gemeinsamen) Kind in Klagenfurt. Der Kläger ist seit ca vier Jahren als Landeslehrer tätig und bezog für die volle geleistete Stundenanzahl von 22 Wochenstunden (Vollbeschäftigung als Lehrer für die zu unterrichtenden Fächer) jeweils netto im Jänner 2003 EUR 1.311,62 (inklusive EUR 107,04 für Überstunden), im Februar 2003 EUR 1.359,52 (inklusive EUR 178,04 für Überstunden), im März 2003 inklusive Urlaubs- und Weihnachtsgeld EUR 2.167,43 (inklusive EUR 315,34 für Überstunden), im April 2003 EUR 1.215,29 sowie im Mai 2003 EUR 1.252,71. Weiters war der Kläger bis Ende Februar 2003 als Sportlehrer beim Verein Lebenswertes Leben in Altenhof, Oberösterreich, beschäftigt. Für eine Kursleitung als Behindertentrainer beim Oberösterreichischen Behindertensportverband erhält der Kläger eine (tägliche) Aufwandsentschädigung von EUR 22,-- ausbezahlt.

Die 1960 geborene Beklagte ist Hausfrau und bezieht kein Einkommen. Sie betreut den 11-jährigen Julian, (den 9-jährigen Niklas) und ihre 20-jährige Tochter Verena. Julian ist Legastheniker und muss die 4. Klasse Volksschule wiederholen. Die Beklagte besucht mit ihm viele Therapien, um seine Konzentrationsfähigkeit zu stärken und seine Lese- und Rechtschreibschwäche zu mindern und ihm dadurch einen normalen Hauptschulabschluss zu ermöglichen. Deswegen trainiert die Beklagte mit Julian zusätzlich zu den schulischen Hausübungen täglich ca 2 Stunden. Die Beklagte hat die Fachschule für wirtschaftliche Frauenberufe absolviert und war bereits als Büroangestellte tätig. Sie ist auch ausgebildete Feng-Shui-Beraterin, bewarb sich aber in den letzten zwei Jahren um keinen Arbeitsplatz.

In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Auffassung, es sei eine wesentliche Änderung der der seinerzeitigen Unterhaltsvereinbarung zugrundeliegenden Verhältnisse eingetreten. Der Beklagten sei nunmehr die Aufnahme einer Teilzeitbeschäftigung als Feng-Shui-Beraterin oder Büroangestellte im Ausmaß von 20 Wochenstunden zumutbar, wofür erfahrungsgemäß ein Einkommen von ca EUR 510,-- monatlich erzielt werden könne. Darüber hinaus sei der Beklagten auch die für Julian und Niklas gewährte Familienbeihilfe in Höhe eines Teilbetrages von jeweils EUR 50,-- monatlich als Einkommen anzurechnen. Das monatliche Nettoeinkommen des Klägers betrage ca EUR 1.530,--. Ausgehend von einem monatlichen Gesamteinkommen der Streitteile von EUR 2.140,-- netto ergebe sich unter Berücksichtigung der drei Sorgepflichten des Klägers ein monatlicher Unterhaltsanspruch der Beklagten von EUR 753,28 (= 28 %). Nach Abzug des zumutbaren Einkommens der Beklagten zuzüglich anzurechnender Familienbeihilfe verbleibe ihr ein Unterhaltsanspruch von EUR 145 monatlich.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers keine Folge und änderte über Berufung der Beklagten das Urteil im Sinne einer gänzlichen Abweisung des Klagebegehrens ab. Die Aufnahme einer (Teilzeit-)Beschäftigung sei der Beklagten nicht zumutbar, weil die erforderliche Betreuung der Kinder im Alter von 9 und 11 Jahren im Hinblick auf die beim mj Julian festgestellte Legasthenie das bei gleichaltrigen Kindern ansonsten übliche Ausmaß beträchtlich übersteige.

In der Frage der (teilweisen) Anrechnung der Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbeträge auf das Einkommen der Beklagten verwies das Berufungsgericht auf die bisherige Rechtsprechung, wonach die Familienbeihilfe nicht zu den Einkünften des unterhaltsansprechenden Ehegatten zu zählen sei, da dieser über die von ihm bezogene Familienbeihilfe für Kinder, die er in seinem Haushalt betreue, nicht frei verfügen könne, sondern sie den Kindern, für die sie gewährt werde, für deren Unterhalt bzw Pflege zuzuwenden habe. Zu einem Abgehen von dieser Rechtsprechung bestehe auch im Hinblick auf die nach der nunmehrigen Rechtsprechung beim Kindesunterhalt gebotene steuerliche Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen kein Anlass. Durch die Aufhebung der Wortfolge in § 12a FLAG 1967 "und mindert nicht dessen Unterhaltsanspruch" habe sich an der Zweckgebundenheit der Familienbeihilfe nichts geändert, weshalb sie auch weiterhin nicht als Einkommen des unterhaltsansprechenden Ehegatten in Betracht komme. Dieser Grundsatz sei auch auf den von einem Unterhaltspflichtigen für ein in seinem Haushalt lebendes Kind nach § 33 Abs 4 Z 3a EStG bezogenen Kinderabsetzbetrag anzuwenden. Auf Grund der gesetzlich vorgesehenen Zweckwidmung "zur Abgeltung gesetzlicher Unterhaltsverpflichtungen" seien die von der Beklagten für die in ihrem Haushalt lebenden Kinder bezogenen Kinderabsetzbeträge nicht als frei verfügbares Einkommen zu werten und damit ebenfalls nicht als Eigeneinkommen zu berücksichtigen.

Der Unterhalt der geschiedenen einkommenslosen Ehegattin gemäß § 66 EheG (§ 94 ABGB) bestimme sich nach der in der Rechtsprechung entwickelten und vom Schrifttum gebilligten Berechnungsformel mit rund 33 % des Nettoeinkommens des Unterhaltspflichtigen; bei einer konkurrierenden Sorgepflicht für Kinder sei der genannte Prozentsatz um etwa 4 % pro Kind zu verringern. Unter Berücksichtigung der Sorgepflichten für 3 Kinder ergebe sich im vorliegenden Fall somit ein Prozentsatz von 21 %. Ausgehend von dem vom Erstgericht zutreffend unter Berücksichtigung des Überstundenentgeltes errechneten durchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommen des Klägers von EUR 1.530,-- ergebe sich somit ein monatlicher Unterhaltsanspruch der Beklagten von EUR 321,--. Dieser Betrag liege jedenfalls über dem im Vergleich festgesetzten Unterhalt. Daran ändere sich auch nichts, wenn man den Alleinerzieherabsetzbetrag als Einkommen der Beklagten werte. Der Kläger müsse nicht mehr als 21 % seines Nettoeinkommens an Ehegattenunterhalt leisten. Wenn man die Unterhaltsverpflichtungen für die Beklagte und für die drei mj Kinder addiere, verbleibe dem Kläger immer noch ein Betrag von EUR 642,-- im Monat, sodass der vom Kläger geforderte weitere Abschlag von 2 % nicht geboten erscheine. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision nach § 502 Abs 1 ZPO zulässig sei, weil - soweit überblickbar - zur Frage, ob sich der unterhaltsansprechende Ehegatte als Konsequenz aus der zur gebotenen steuerlichen Entlastung des geldunterhaltspflichtigen Elternteils ergangenen Rechtsprechung nunmehr die für in seinem Haushalt lebende Kinder bezogenen Transferleistungen (Kinderabsetzbeträge und Familienbeihilfe) als Einkommen anrechnen lassen müsse, eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes noch nicht vorliege.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer vollinhaltlichen Klagsstattgebung.

Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.

Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass jeder Unterhaltsverpflichtung die Umstandsklausel innewohnt und der Unterhalt im Falle einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse neu zu bemessen ist. Die in einem Vergleich festgelegte Relation zwischen dem Einkommen des Unterhaltspflichtigen und der Unterhaltsleistung tritt dann in den Hintergrund, wenn die Änderung der Verhältnisse nicht bloß in einer Änderung des Einkommens des Unterhaltspflichtigen besteht (1 Ob 123/98i; SZ 70/111; EFSlg 83.698; EFSlg 71.471 = ÖA 1994, 26 mwN; EFSlg 68.423 uva).

Im vorliegenden Fall haben sich die für die Unterhaltsbemessung maßgeblichen Umstände jedenfalls insofern geändert, als der Kläger für ein weiteres Kind unterhaltspflichtig ist. Weiters kann eine wesentliche Änderung der für die Unterhaltsbemessung maßgebenden Verhältnisse auch darin bestehen, dass ein ursprünglich aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht berufstätiger unterhaltsberechtigter Ehegatte nach Wegfall der Hindernisse eine zumutbare Tätigkeit aufnehmen muss (SZ 70/111 ua).

Zur Frage der Zumutbarkeit der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit:

Für die Beurteilung der Frage, wann eine Erwerbstätigkeit von der unterhaltsberechtigten Frau erwartet werden kann, lässt sich eine allgemeine Richtlinie nicht aufstellen. Maßgebend sind jedenfalls Alter, Gesundheitszustand, Berufsausbildung, bisherige, auch länger zurückliegende Berufsausübung, Pflicht zur Pflege und Erziehung von Kindern, Anzahl und Alter der Kinder und die damit zusammenhängende Intensität der erforderlichen Betreuung, die Vermittlungsmöglichkeit am Arbeitsmarkt im Sinne konkreter Arbeitsmöglichkeiten und ähnliches (6 Ob 95/99k uva; Stabentheiner in Rummel, ABGB3 § 66 EheG Rz 3 mwN). Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, wurde in der Rechtsprechung bereits wiederholt die Auffassung vertreten, dass bei einer Betreuung von drei schulpflichtigen Kindern im eigenen Haushalt die Ausübung einer Erwerbstätigkeit schon aus diesem Grund nicht zumutbar ist (6 Ob 599/91 = EFSlg XXVIII/12 ua). Die Auffassung des Berufungsgerichtes, der Beklagten sei die Ausübung einer (Teilzeit-)Beschäftigung derzeit nicht zumutbar, weil sie die beiden mj Kinder im Alter von 9 und 11 Jahren zu betreuen hat, wobei der 11-jährige Julian auf Grund der bei ihm in einem offensichtlich sehr erheblichen Ausmaß bestehenden Legasthenie - der Minderjährige musste die vierte Klasse Volksschule wiederholen - einer weit über das altersentsprechende zeitliche Ausmaß hinausgehenden Betreuung bedarf, steht im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung und ist daher nicht zu beanstanden.

Zur Frage der Berücksichtigung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen als Einkommen der unterhaltsberechtigten Ehegattin:

Wie der Revisionswerber selbst einräumt, mindert der Bezug der Familienbeihilfe durch einen unterhaltsberechtigten Ehegatten nach herrschender Rechtsprechung und Lehre nicht seinen Unterhaltsanspruch. Dies wurde in der Rechtsprechung damit begründet, dass die Familienbeihilfe ihrem Wesen nach Betreuungshilfe sei und damit die Pflege und Erziehung des Kindes als Zuschuss erleichtern sowie die mit dessen Betreuung verbundenen Mehrbelastungen - zumindest zum Teil - ausgleichen solle. Sie sei als Sozialbeihilfe des öffentlichen Rechtes eine besondere Form der Drittzuwendung. Der Staat verfolge mit ihr einen doppelten Zweck: Den Mindestunterhalt des Kindes zu gewährleisten und gleichzeitig die Eltern von ihrer Unterhaltspflicht zu entlasten ("Familienlastenausgleich"). Die Familienbeihilfe werde demgemäß zwar dem Unterhaltspflichtigen ausbezahlt, sei aber ausschließlich für den Unterhaltsberechtigten zu verwenden. Weder aus dem Wortlaut des Gesetzes (FLAG) noch aus dessen Materialien könne abgeleitet werden, dass die Familienbeihilfe dem Bezugsberechtigten als frei verfügbares Einkommen überlassen werde. Könne der unterhaltsansprechende Ehegatte aber über die von ihm bezogene Familienbeihilfe für Kinder, die er in seinem Haushalt betreue, nicht frei verfügen, sondern habe er sie den Kindern, für die sie gewährt werde, für deren Unterhalt bzw Pflege zuzuwenden, so könne sie auch nicht seinen Einkünften zugezählt werden (RZ 1992/69, 208 mwN; 7 Ob 613/95; ÖA 1993, 145; SZ 66/167; Schwimann in Schwimann, ABGB2 § 94 Rz 17; Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 648 ua). Auf Grund der erwähnten mit der Gewährung der Familienbeihilfe verfolgten Zielsetzung wird die Familienbeihilfe auch nicht als Einkommen des unterhaltspflichtigen Ehegatten berücksichtigt (vgl EFSlg 64.921; 61.759; 55.943 ua; vgl auch Schwimann aaO Rz 46 ua). Auch zur Frage der Einbeziehung von Kinderabsetzbeträgen in die Unterhaltsbemessungsgrundlage wird in der Rechtsprechung zum Kindesunterhalt die Auffassung vertreten, dass die einem Unterhaltspflichtigen ausgezahlten Kinderabsetzbeträge - soweit sie der Erfüllung gesetzlicher Unterhaltspflichten dienen - bei der Bemessung des Unterhaltes für ein weiteres, nicht im Haushalt des Unterhaltspflichtigen lebenden Kindes außer Betracht zu bleiben haben. Es wurde in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass für die Frage der Einbeziehung des vom Unterhaltspflichtigen für ein in seinem Haushalt lebendes Kind nach § 33 Abs 3a EStG bezogenen Kinderabsetzbetrages in die Unterhaltsbemessungsgrundlage für ein anderes Kind entscheidend sei, ob dieser Betrag als frei verfügbares Einkommen zu werten sei oder aber zufolge seiner Zweckwidmung dem Ausgleich eines bestimmten Mehraufwandes (für das im Haushalt des unterhaltspflichtigen lebende Kind) diene. Gemäß § 33 Abs 4 Z 3a EStG idF BGBl 1992/312 stehe nun dem Steuerpflichtigen, dem auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt werde, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag von monatlich S 350,-- für das erste und S 525,-- für das zweite (in seinem Haushalt lebende) Kind "zur Abgeltung gesetzlicher Unterhaltsverpflichtungen" zu. Den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (463 BlgNr 18. GP) sei zu entnehmen, dass es sich der Gesetzgeber zum Ziel gesetzt habe, die Familienbesteuerung neu zu ordnen, um einen Ausgleich in der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zwischen unterhaltspflichtigen und nicht unterhaltspflichtigen Eltern gleicher Einkommen zu schaffen und alle Steuerpflichtigen mit gleicher Kinderanzahl einkommensunabhängig "gleich" zu behandeln. Diese Ziele sollen durch Direktzahlungen (bzw Absetzbeträge, die gleichfalls im Wege von Direktzahlungen erfolgen) erreicht werden, wobei der Kinderabsetzbetrag nach § 33 Abs 4 Z 3a EStG gemeinsam mit der Familienbeihilfe in bar ausbezahlt werde, um - wie der Gesetzgeber ausdrücklich formuliere - "gesetzliche Unterhaltsverpflichtungen abzugelten". In diesem Sinn führten die Erläuterungen zur Regierungsvorlage (463 BlgNR 18. GP 6) aus, die Neuregelung berücksichtige Kinderlasten durch eine Kombination von Familienbeihilfe und Absetzbeträge. Der Oberste Gerichtshof habe damit erkannt, dass die einem Unterhaltspflichtigen nach § 33 Abs 4 Z 3a EStG ausgezahlten Kinderabsetzbeträge - soweit sie der Erfüllung gesetzlicher Unterhaltspflichten dienen - bei der Bemessung des Unterhaltes für ein weiteres, nicht im Haushalt des Unterhaltspflichtigen lebendes Kind außer Betracht zu bleiben haben (6 Ob 186/98s = EFSlg 86.193; 6 Ob 16/97i = ÖA 1998, 23 ua; RIS-Justiz RS0106967).

Der Revisionswerber meint nun, die Auffassung, wonach die Familienbeihilfe und die Kinderabsetzbeträge kein Einkommen des unterhaltsberechtigten Ehegatten seien, könne auf Grund der Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom 30. 11. 2000, B 1340/00, vom 27. 6. 2001, B 1285/00, und vom 19. 6. 2002, G 7/02 ua, und der in der Folge zur gebotenen steuerlichen Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen beim Kindesunterhalt ergangenen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht mehr aufrechterhalten werden.

Dieser Ansicht kann jedoch nicht gefolgt werden.

Im Erkenntnis vom 30. 11. 2000, B 1340/00 (= VfSlg 16.026), beurteilte der Verfassungsgerichtshof das Familienpaket 2000, soweit es sich um die Abgeltung von Unterhaltslasten an haushaltszugehörige Kinder durch Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag handelt, als verfassungskonform. Der Verfassungsgerichtshof verwies ua darauf, dass der Gesetzgeber mit der in § 34 Abs 7 Z 1 EStG 1988 idF BGBl I 79/1988 getroffenen Anordnung die steuerliche Berücksichtigung des Kinderunterhaltes in Verbindung mit dem Kinderabsetzbetrag und der Familienbeihilfe (= Transferleistungen) bringe. Wenn es dabei heiße, dass Unterhaltsleistungen für ein Kind durch die Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag "abgegolten" seien, so verstehe der Gerichtshof dies so, dass die von der Verfassung geforderte steuerliche Berücksichtigung der Unterhaltsleistungen für den Regelfall durch die genannten Transferleistungen erfolge bzw erfolgen solle. Der Kinderabsetzbetrag sei - wie sich schon aus seiner Einordnung als Absetzbetrag in § 33 EStG ergebe - eine steuerliche Abgeltung von Unterhaltslasten. Aber auch die Familienbeihilfe wolle zumindest zum Teil die unmittelbare steuerliche Entlastung des Unterhaltspflichtigen bewirken. Die Familienbeihilfe sei für das Kind zu verwenden und solle (erforderlichenfalls) denjenigen entlasten, der die finanziellen Mittel für den Unterhalt des Kindes aufbringe. Der Gerichtshof übersehe dabei nicht, dass damit Prinzipien zweier Rechtsbereiche - nämlich des steuerlichen Eingriffsrechtes einerseits und des sozial- bzw familienpolitisch motivierten Leistungsrechtes des FLAG andererseits - miteinander verknüpft werden und dass die Familienbeihilfe (und der mit ihr verknüpfte Kinderabsetzbetrag) je nach dem, ob und in welchem Ausmaß Unterhaltsleistungen an Kinder eine steuerliche Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen erforderten, ihre Funktion verändere: Während diesen Transferleistungen in unteren Einkommensbereichen (vorwiegend) der Charakter einer Sozialleistung zukomme, werde in den Fällen, in denen infolge der Nichtabzugsfähigkeit der Unterhaltsleistung eine entsprechende Einkommenssteuerbelastung auftrete, durch die Auszahlung der Transferleistungen im Ergebnis lediglich eine Steuer erstattet, die von verfassungswegen nicht hätte erhoben werden dürfen. Diese Abgeltungswirkung trete auch dann ein, wenn nicht der Steuerpflichtige selbst, sondern sein mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebender (Ehe-)Partner Anspruch auf die genannten Transferleistungen habe.

Im Erkenntnis vom 27. 6. 2001, B 1285/00 (= VfSlg 16.226), prüfte der Verfassungsgerichtshof die Rechtslage betreffend die Unterhaltszahlungen an nicht haushaltszugehörige Kinder. Der Gerichtshof führte ua aus, dass die auch in Fällen getrennter Haushaltsführung erforderliche steuerliche Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen nicht im Steuerrecht und nicht im Zuge der Transferleistungen bewirkt werden könne. Die den konkreten Verhältnissen gerecht werdende, im gemeinsamen Haushalt sich praktisch erübrigende Zuordnung der Transferleistungen sei daher im Falle getrennter Haushaltsführung der Eltern eine Frage der Bemessung des anstelle des Naturalunterhaltes zu leistenden Geldunterhaltes. Wenn der Gesetzgeber die Transferleistungen auch bei getrennten Haushalten grundsätzlich dem das Kind betreuenden Elternteil zukommen lasse und (in § 12a FLAG) eine Anrechnung auf den Unterhalt (des Kindes) verbiete, so müsse dies im Lichte der verfassungsrechtlich gebotenen steuerlichen Entlastung so verstanden werden, dass die für das Kind zu verwendenden Transferleistungen zwar in der Regel (soweit als möglich) den Unterhalt des Kindes fördern und nicht den Unterhaltspflichtigen entlasten soll, dass aber der im Einzelfall doch nötige Ausgleich für die überhöhte Steuerbelastung ebensowenig behindert werde, wie im gemeinsamen Haushalt. Ob und in welchem Ausmaß die Transferleistungen über den Unterhaltsabsetzbetrag hinaus zur Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen berücksichtigt werden müssen, sei von den Gerichten bei der Unterhaltsbemessung im Einzelfall zu entscheiden. Das verfassungskonforme Ergebnis werde dadurch erreicht, dass der Geldunterhaltspflichtige einerseits durch eine Kürzung seiner Unterhaltspflicht (teilweise Anrechnung der Transferleistungen) und andererseits durch die Gewährung des Unterhaltsabsetzbetrages insgesamt jene Entlastung erfahre, die erforderlich sei, um die Steuermehrbelastung abzugelten, die im jeweiligen Fall durch die Nichtabzugsfähigkeit der Hälfte des Unterhaltes entstehe.

Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem weiteren Erkenntnis vom 19. 6. 2002, G 7/02 ua (= VfSlg 16.562) seine bereits im Erkenntnis VfSlg 16.226 vertretene Auffassung beibehalten, wonach der Gesetzgeber die steuerliche Mehrbelastung durch (erhöhte) Transferleistungen kompensiert habe und damit auch in Kauf genommen habe, dass ein Teil dieser Transferleistungen in bestimmten Situationen und in unterschiedlicher Höhe nunmehr nicht für die Kinder bestimmt sei, sondern der steuerlichen Entlastung der Unterhaltsverpflichteten diene. Weiters vertrat der Verfassungsgerichtshof die Ansicht, dass auch die Aufhebung der Wortfolge "und mindert nicht dessen Unterhaltsanspruch" in § 12a FLAG 1967 keineswegs zur Folge habe, dass nunmehr die Familienbeihilfe stets zur Gänze dem geldunterhaltspflichtigen Elternteil zugutekomme, also zur Gänze auf dessen Unterhaltsverpflichtung anzurechnen sei. Es werde vielmehr zu berücksichtigen sein, dass es Zweck der Neufassung des § 12a FLAG durch BGBl 1977/646 gewesen sei, die Familienbeihilfe grundsätzlich jenem Haushalt zukommen zu lassen, in dem das Kind betreut werde, sodass eine Anrechnung auf die Geldunterhaltsverpflichtung des nicht haushaltszugehörigen Elternteiles nur dann und insoweit in Betracht zu ziehen sei, als die Familienbeihilfe auf Grund der jüngeren Entwicklung der Familienbesteuerung die Funktion einer Abgeltung der steuerlichen Mehrbelastung von Unterhaltsverpflichteten zu übernehmen habe.

Auch der Verfassungsgerichtshof geht somit in seiner aktuellen Rechtsprechung davon aus, dass die der Familienförderung dienenden Transferleistungen (Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag) grundsätzlich beim kinderbetreuenden Elternteil verbleiben und in der Regel für das Kind verwendet werden sollen. Abgestellt auf die individuellen Verhältnisse werden nur jene Teile der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrages vom kinderbetreuenden zum geldunterhaltspflichtigen Elternteil weitergereicht, die nach der konkreten steuerlichen Situation zur Vermeidung einer überschießenden Besteuerung des Geldunterhaltspflichtigen unverzichtbar sind (vgl auch Zorn, Kindesunterhalt und Verfassungsrecht, SWK 2001, S 799 ff [802]). Auch in der jüngeren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes wird betont, dass die Familienbeihilfe als staatliche Transferleistung nach einem ihrer Wesenskerne weiterhin als Betreuungshilfe, die die Pflege und Erziehung des Kindes als Zuschuss erleichtern und die mit der Betreuung verbundenen Mehrbelastungen zumindest teilweise ausgleichen soll, anzusehen ist. Die Familienbeihilfe darf daher nicht zur Gänze für die steuerrechtlich gebotene Kürzung des Geldunterhaltes herangezogen werden, sondern muss in einem noch angemessenen Ausmaß weiterhin als Betreuungshilfe dienen (vgl 1 Ob 183/02x).

Es ist daher zusammenfassend davon auszugehen, dass Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag, soweit sie nicht ohnehin im Rahmen der steuerrechtlich gebotenen Entlastung des getrennt lebenden Geldunterhaltspflichtigen auf den Geldunterhaltsanspruch anzurechnen sind, weiterhin für den Unterhalt des Kindes zu verwenden sind (vgl auch Neumayr, Der Weg zu § 12a FamLAG neu, ÖA 2003, 153 ff [155]) und daher kein anrechenbares Einkommen des unterhaltsansprechenden Ehegatten, der das Kind in seinem Haushalt betreut, darstellen.

Zur Unterhaltsbemessung:

Die vom Berufungsgericht angewendeten Prozentsätze entsprechen der ständigen Rechtsprechung. Dieses unter Anwendung der Prozentsatzmethode gewonnene Ergebnis ist nur bei besonderen, atypischen Verhältnissen zu korrigieren. Der vorliegende Fall weicht jedoch nicht erheblich vom Durchschnittsfall ab, bei dem die Prozentsatzmethode durchaus sachgerechte Ergebnisse bietet. Das Berufungsgericht hat bei seiner Entscheidung insbesondere auch darauf Bedacht genommen, dass dem Unterhaltspflichtigen bei geringem Einkommen und konkurrierenden Sorgepflichten noch ein zur Deckung der seinen Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse entsprechender Betrag zu verbleiben hat.

Der vom Berufungsgericht daher zutreffend ermittelte Unterhaltsanspruch der Beklagten würde somit die im Scheidungsvergleich festgelegte Höhe selbst dann nicht unterschreiten, wenn man im Sinne des Prozessstandpunkte des Klägers den Alleinerzieherabsetzbetrag in Höhe von EUR 364,-- jährlich, der die besondere Belastung berücksichtigen soll, der alleinstehenden Personen mit Kindern ausgesetzt sind, als Einkommen der Beklagten berücksichtigen würde.

Auf Grund dieser Erwägungen musste der Revision insgesamt ein Erfolg versagt bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO. Gemäß § 9 Abs 3 RATG sind Ansprüche auf Leistung von Ehegattenunterhalt mit dem Einfachen der Jahresleistung zu bewerten. Der Ansatz für die Revisionsbeantwortung nach TP 3 C beträgt daher richtig EUR 173,50. Es war auch nur der einfache Einheitssatz von 60 % zuzusprechen, weil für das Revisionsverfahren keine dem § 23 Abs 9 RATG vergleichbare Regelung besteht.

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