OGH 9Ob58/04a

OGH9Ob58/04a9.6.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Adoptionssache der Antragsteller

1. Rasima R*****, geboren am 12. Jänner 1953, Pensionistin, *****, und 2. Adnan R*****, geboren am 14. September 1975, medizinisch-technischer Assistent, derzeit ohne Beschäftigung, *****, Bosnien-Herzegowina, derzeit ***** W*****, beide vertreten durch Dr. Herta Schreiber, Rechtsanwältin in Wels, über den Revisionsrekurs der Antragsteller gegen den Beschluss des Landesgerichtes Wels als Rekursgericht vom 31. März 2004, GZ 21 R 77/04d-8, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Wels vom 28. Jänner 2004, GZ 25 P 197/03p-5, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Text

Begründung

Die Antragsteller schlossen am 19. 11. 2003 einen Adoptionsvertrag, mit welchem der am 14. 9. 1975 geborene Zweitantragsteller, welcher bosnischer Staatsbürger ist, von der am 12. 1. 1953 geborenen Erstantragstellerin, welche seine leibliche Tante und österreichische Staatsbürgerin ist, an Kindestatt angenommen wird.

Die Antragsteller brachten vor, dass die leibliche Mutter des Zweitantragstellers im Jahre 1982, als er sieben Jahre alt gewesen ist, gestorben sei. Die Erstantragstellerin, die Schwester des Vaters des Zweitantragstellers, habe diesen häufig im Haushalt des Vaters in Bosnien besucht, wo er nach dem Tod der Mutter weiter gelebt habe. Dadurch sei schon in jungen Jahren eine enge Beziehung zwischen der Wahlmutter und dem Wahlkind entstanden, welche auch in finanziellen Zuwendungen der Wahlmutter ihren Niederschlag gefunden habe. Insbesondere sei der Zweitantragsteller während seines (nicht vollendeten) Medizinstudiums finanziell unterstützt worden. Adnan R***** habe nunmehr die Absicht, sein in Sarajevo begonnenes Medizinstudium in Wien fortzusetzen. Maßgeblich für diesen Entschluss sei das bereits zwischen ihm und der Wahlmutter bestehende familiäre Naheverhältnis, welches sich insbesondere darin zeige, dass Adnan R***** bemüht sei, seiner kränklichen Tante in gesundheitlichen Belangen mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Er wolle während der Studienzeit zwar in Wien wohnen, die Wochenenden und die Ferien jedoch bei seiner künftigen Adoptivmutter in Wels verbringen. Die beabsichtigte Adoption stelle ein gerechtfertigtes Anliegen beider Teile dar. Die Wahlmutter erhoffe sich, im Alter ein gewisses Maß an Betreuung zu erhalten, der Zweitantragsteller strebe durch einen Studienabschluss in Wien eine Verbesserung seiner künftigen Berufsaussichten an. Die Adoption biete in rechtlicher Hinsicht die größtmögliche Absicherung der derzeit bestehenden familiären Beziehungen zwischen Wahlmutter und Wahlkind.

Das Erstgericht wies den Antrag auf Bewilligung des Adoptionsvertrages ab. Es stellte folgenden Sachverhalt fest: Rasima R***** ist unverheiratet, österreichische Staatsbürgerin und hat neben einer verheirateten volljährigen Tochter noch eine am 21. 3. 1987 geborene minderjährige Tochter, welche noch bei ihr wohnt. Beide Töchter stehen der Adoption positiv gegenüber. Adnan R***** war in Bosnien medizinisch-technischer Assistent (Anm: vergleichbar einem Krankenpfleger) und studierte dort zunächst vier Jahre politische Wissenschaften. Nach erfolgloser Arbeitssuche inskribierte er an der Medizinischen Fakultät in Bihac. Diese Ausbildung konnte er nicht beenden. Rasima R***** besuchte ihren Bruder neun- bis zehnmal im Jahr in Bosnien, wo Adnan R***** aufwuchs. In der Zeit von 1995 bis 2003 unterstützte Rasima R***** ihren Neffen durch finanzielle Zuwendungen in der Höhe von 200 DM monatlich. Adnan R***** ist bemüht, seiner kränklichen Tante in gesundheitlichen Belangen mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Er beabsichtigt, nach Möglichkeit als "medinizischer Assistent" im Krankenhaus W***** tätig zu werden und würde dann bei seiner Tante wohnen bzw will er sein begonnenes Medizinstudium in Wien fortsetzen, sich während der Studienzeit zwar in Wien aufhalten, jedoch die Wochenenden bei seiner Tante in W***** verbringen. Diese bewohnt derzeit eine Zwei-Zimmer-Wohnung. Adnan R***** würde sein Medizinstudium mit Zahlungen eines bosnischen Unternehmens finanzieren, darüber hinaus verfügt er über eigene Ersparnisse. Rasima R***** erhoffte sich von der Adoption ein gewissen Maß an Betreuung im Alter, Adnan R***** eine Verbesserung seiner künftigen Berufsaussichten durch ein Medizinstudium in Wien. Erkennbar im Rahmen seiner Beweiswürdigung führte das Erstgericht aus, dass dem Vorbringen des Wahlkindes und der Wahlmutter bezüglich des Vorhandenseins einer engen kindschaftsähnlichen Verbindung kein Glaube geschenkt werde. Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, dass das für die Erwachsenenadoption normierte zusätzliche Erfordernis des gerechtfertigten Anliegens des Annehmenden oder des Wahlkindes nicht gegeben sei. Die Erreichung einer Aufenthalts- oder Beschäftigungsbewilligung in Österreich sei hiefür nicht ausreichend.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Es vertrat (insoweit zutreffend) die Rechtsauffassung, dass das Bestehen einer dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern entsprechenden Beziehung keine Tat-, sondern eine Rechtsfrage sei (2 Ob 254/03x). Entgegen der Auffassung des Erstgerichtes sei im vorliegenden Fall von einer solchen Beziehung auszugehen, zumal im Falle der Erwachsenenadoption keine allzu strengen Anforderungen an diese Eltern-Kind-ähnliche Beziehung gestellt werden dürfen. Es fehle jedoch am gerechtfertigten Anliegen des Annehmenden oder des Wahlkindes im Sinne des § 180a Abs 1 dritter Satz ABGB. Wohl werde in der Judikatur des Landesgerichtes für ZRS Wien die Auffassung vertreten, dass bei Bestand eines Eltern-Kind-Verhältnisses die Verbesserung der Berufsaussichten durch Erreichung einer Aufenthaltsbzw Arbeitsbewilligung ein ausreichendes Interesse darstelle, doch teile das Rekursgericht diese Auffassung nicht. Da es jedoch an Rechtsprechung des Höchstgerichtes hiezu fehle, sei der Revisionsrekurs zuzulassen.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der Antragsteller aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass der zwischen den Antragstellern geschlossene Adoptionsvertrag gerichtlich genehmigt werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht von höchstgerichtlicher Rechtsprechung (SZ 51/131; 2 Ob 134/02y) abweicht; er ist im Rahmen des Aufhebungsbegehrens auch berechtigt. Gemäß § 180a Abs 1 ABGB ist die Annahme an Kindesstatt zu bewilligen, wenn eine dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern entsprechende Beziehung besteht oder hergestellt werden soll. Ist gemäß Satz 3 leg cit das Wahlkind eigenberechtigt, so muss ein gerechtfertigtes Anliegen des Annehmenden oder des Wahlkindes vorliegen. Nach der Rechtsprechung (SZ 59/131; 2 Ob 134/02y) ist bei langem Bestehen einer dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern entsprechenden innigen Beziehung, welche überdies in die Zeit der Minderjährigkeit der Anzunehmenden zurückreicht, schon die Herstellung gesetzlicher familienrechtlicher Bande durch Adoption ein gerechtfertigtes Anliegen der Vertragsschließenden. In einem solchen Fall kann der Umstand, dass mit der Adoption zusätzlich dem Adoptivkind die Möglichkeit geboten werden soll, eine fachliche Berufsausbildung in Österreich zu absolvieren, der Bewilligung der Adoption nicht entgegenstehen (2 Ob 134/02y), zumal dann die bei Erwachsenenadoptionen verstärkt bestehende Missbrauchsgefahr (5 Ob 139/03g) zurücktritt.

Die Vorinstanzen haben zunächst zutreffend darauf hingewiesen, dass das Vorbringen nicht ausreicht, um daraus auf die Absicht der Herstellung einer dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern entsprechenden Beziehung schließen zu können. Noch im Rechtsmittelverfahren vermögen die Antragsteller zur "Kränklichkeit" der Erstantragstellerin nichts anderes vorzubringen, als dass diese eine Invaliditätspension beziehe. Daraus alleine ergibt sich aber noch keine besondere Betreuungs-, geschweige denn Pflegebedürftigkeit. Was eine Betreuung im Alter anlangt, hat bereits das Erstgericht zutreffend darauf verwiesen, dass die Antragstellerin zwei leibliche Kinder hat.

Entgegen der Rechtsauffassung des Rekursgerichtes reichen aber die Feststellungen des Erstgerichtes noch nicht hin, um das Bestehen eines Eltern-Kind-Verhältnisses zwischen den Antragstellern abschließend beurteilen zu können. In der Rechtsprechung wurde bereits mehrmals (zB 9 Ob 8/03x, 2 Ob 254/03x) darauf hingewiesen, dass Verwandtenbesuche allein oder auch im Zusammenhang mit Geldgeschenken (9 Ob 8/03x, 5 Ob 139/03g) nicht hinreichen, um daraus bereits auf ein solches Naheverhältnis schließen zu können. Auch fehlt es an Feststellungen zu den näheren Umständen dieser Besuche (insbesondere der jeweiligen Dauer und der Art der Kontaktnahme zwischen den Beteiligten). Mit den Beziehungen nach § 180a Abs 1 ABGB dachte der Gesetzgeber aber nicht nur an gesellschaftliche, sondern auch die psychischen Verhältnisse zwischen den Beteiligten (Stabentheiner in Rummel ABGB I³ Rz 1 zu § 180a ABGB). Hiezu wurde von den Antragstellern - noch ausreichendes - Vorbringen im Verfahren erster Instanz erstattet. Das Erstgericht hat weder die hiefür als Beweis geführte Erstantragstellerin vernommen, noch nachvollziehbare Feststellungen getroffen.

Die Rechtssache ist daher einer abschließenden Beurteilung noch nicht zugänglich.

Stichworte