OGH 9Ob120/03t

OGH9Ob120/03t31.3.2004

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Melanie S*****, geboren am 11. September 1984, wegen Kostenersatz nach § 16 Abs 2 TJW, über den Revisionsrekurs der Bezirkshauptmannschaft K*****, Referat für Jugendwohlfahrt, *****, vertreten durch Dr. Harald Burmann, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen den Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 13. August 2003, GZ 54 R 103/03y-25, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Kitzbühel vom 8. Juli 2003, GZ 5 P 189/02x-21, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Entscheidungen der Vorinstanzen, welche hinsichtlich des Ausspruchs über den Kostenersatz für die Monate August und September 2002 mangels Anfechtung als in Rechtskraft erwachsen unberührt bleiben, werden aufgehoben.

Die Rechtssache wird in diesem Umfang zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Text

Begründung

Mit Beschluss vom 18. 1. 2000 wurde die Obsorge für die damals noch minderjährige Melanie S*****, geboren 11. 9. 1984, von ihrer leiblichen Mutter auf die Großmutter übertragen. Diese schloss am 18. 6. 2002 mit der Bezirkshauptmannschaft K*****, Referat für Jugendwohlfahrt, eine Vereinbarung gemäß §§ 14, 15 Abs 1 lit a TJW, derzufolge Melanie S***** ab sofort bis auf weiteres volle Erziehungshilfe empfing. Über Ersuchen der Minderjährigen wurde die volle Erziehung bis zur Beendigung deren Schulzeit, längstens jedoch bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres verlängert (§ 4 Abs 2 TJW).

Die Bezirkshauptmannschaft K*****, Referat für Jugendwohlfahrt, beantragte am 2. August 2002 beim Erstgericht, die Mutter der damals noch Minderjährigen zu einem monatlichen Kostenersatz von EUR 60 an die Bezirkshauptmannschaft K*****, Referat für Jugendwohlfahrt, zu verpflichten (wenngleich der Antrag auch als ein solcher auf "Unterhaltsfestsetzung" bezeichnet wurde, ist im Rechtsmittelverfahrens jedenfalls unstrittig, dass es sich dabei um einen Antrag auf Kostenersatz nach § 16 Abs 2 TWG iVm § 40 JWG handelt, zumal nicht einmal behauptet wurde, dass die für die Legalzession nach § 16 Abs 3 TJWG erforderliche Anzeige erfolgt ist). Die Bezirkshauptmannschaft begründete ihren Antrag damit, dass die (damals) Minderjährige von einer Diplomsozialarbeiterin betreut werde und das Referat für Jugendwohlfahrt unter anderem für die Miete, die Betriebskosten und die Heizung einer betreuten Wohnung sowie für die Lebenshaltungskosten von Melanie aufkomme. Diese besuche die Handelsakademie und sei somit ohne Einkommen und nicht selbsterhaltungsfähig. Die Mutter treffe nach dem bürgerlichen Recht eine Unterhaltspflicht gegenüber ihrer Tochter. Wenngleich sie verheiratet und für einen neunjährigen Sohn sorgepflichtig sei, sei ihr durchaus zuzumuten, wieder einen Beruf, allenfalls im Gastgewerbe, wo sie tätig gewesen sei, zu ergreifen und aus dieser Tätigkeit ein Einkommen zu erzielen, das ihr die Leistung des Kostenersatzes in der beantragten Höhe ermögliche.

Die Mutter beantragte (ON 12), den Antrag auf Kostenersatz abzuweisen. Sie sei mit Mathias S***** verheiratet und habe mit diesem gemeinsam einen neunjährigen Sohn. Sie führe den Haushalt und habe darüber hinaus die Pflege und Erziehung des Sohnes zu besorgen. Dessen geringes Alter erfordere seine nahezu ganztägige Beaufsichtigung, zumal die Schule bereits öfters vor 12.00 Uhr mittags ende. Die Aufnahme einer Tätigkeit im Gastgewerbe, wo die Antragsgegnerin früher tätig gewesen sei, sei ihr nicht zuzumuten. Abgesehen von ihrer Pflege- und Erziehungstätigkeit, welche sie während der Woche voll beanspruche, könnten ihr auch Tätigkeiten in den Abendstunden bzw an Feiertagen nicht zugemutet werden.

Die Antragstellerin brachte ergänzend vor (ON 17), dass die Antragsgegnerin nicht nur arbeitsfähig sei, sondern auch gegenüber ihrem Ehegatten Anspruch auf "entsprechenden Unterhalt" habe.

Mit Beschluss des Rechtspflegers des Bezirksgerichtes K***** (ON 18) wurde die Mutter für schuldig erkannt, für die Monate August und September 2002 je EUR 60, insgesamt sohin EUR 120 als Kostenersatz zu zahlen (dieser Teil erwuchs in Rechtskraft). Das darüber hinausgehende Begehren auf Verpflichtung der Mutter zur Bezahlung von monatlich EUR 60 (gemeint: für die Zeit ab Oktober 2002) wurde mit der Begründung abgewiesen, dass die mj. Melanie am 11. 9. 1984 volljährig geworden sei und daher keine weitere Kostenersatzpflicht bestimmt werden könne. Der Richter gab der gegen den abweisenden Teil dieses Beschlusses erhobenen Vorstellung (ON 19) des Jugendwohlfahrtsträgers Folge (ON 20) und legte die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und Entscheidung wieder dem Rechtspfleger vor. Dieser habe die Möglichkeit der Verlängerung gemäß § 4 Abs 2 TJWG übersehen.

Mit Beschluss vom 8. 7. 2003 verpflichtete das Erstgericht die Mutter, ab September 2002 an Kostenersatz für die Tragung der Kosten der vollen Erziehungshilfe der Melanie S***** den Betrag von monatlich EUR 60 an die Bezirkshauptmannschaft K***** bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit der Melanie, längstens jedoch bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, zu zahlen. Weiters wurde bestimmt, dass die bis zur Rechtskraft des Beschlusses fälligen Beträge binnen 14 Tagen, die in Zukunft fällig werdenden Beträge bis zum Ersten eines jeden Monats im Voraus zu bezahlen seien. Das Erstgericht traf keine eigenen Feststellungen, sondern vertrat die Auffassung, dass für den Zeitraum August und September 2002 Kostenersatz rechtskräftig zuerkannt worden sei und sich seitdem keine Veränderung ergeben habe. Der Unterhaltsanspruch der Mutter gegenüber ihrem Ehegatten decke jedenfalls den mit EUR 60 pro Monat festgesetzten Kostenersatzbetrag.

Das Rekursgericht gab dem gegen diese Entscheidung erhobenen Rekurs der Mutter Folge und änderte den angefochtenen Beschluss dahin ab, dass es den Antrag des Jugendwohlfahrtsträgers für den Monat September 2002 wegen eines "Doppelzuspruches" zurückwies sowie betreffend Kostenersatz ab 1. 10. 2002 abwies, und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Es vertrat die Rechtsauffassung, dass der Mutter als haushaltsführender Ehegattin grundsätzlich nur ein Naturalunterhalt zustehe. Darauf, gegenüber ihrem Ehegatten einen Taschengeldanspruch geltend zu machen, könne ein nicht verdienender, unterhaltspflichtiger Ehegatte nur dann angespannt werden, wenn gehobene Einkommensverhältnisse vorlägen. Dies sei hier auszuschließen. Ergänzende Erhebungen zu einer allfällig zumutbaren Berufstätigkeit könnten aus rechtlichen Gründen unterbleiben. Das Rekursgericht vertrat die Ansicht, dass die Heranziehung der Anspannungstheorie im Anwendungsbereich der §§ 33, 40 JWG nicht in Frage komme. Die Antragstellerin habe den Weg des Ersatzes nach § 16 Abs 2 TJWG beschritten. Dort sei ausdrücklich normiert, dass der nach dem bürgerlichen Recht Unterhaltspflichtige dem Land Tirol die Kosten der vollen Erziehung nur dann zu ersetzen habe, wenn er "nach seinen Lebensverhältnissen dazu imstande sei und der Kostenersatz für ihn keine besondere Härte bedeute". Dieser eindeutige Wortlaut schließe eine Anspannung der Mutter auf einen möglichen Verdienst aus. Ihre konkreten Lebensverhältnisse seien so, dass sie den von ihr begehrten Kostenersatz nicht leisten könne. Den Zulassungsausspruch begründete das Rekursgericht damit, dass gesicherte Rechtsprechung zur Frage fehle, ob im Umfang der Kostenersatzpflicht eines Unterhaltspflichtigen nach §§ 33, 40 JWG die Anspannungstheorie zur Anwendung gelangen könne. Darüber hinaus bedürfe es einer Klarstellung dahin, ob ein durchsetzbarer Anspruch auf "Taschengeld" auch bei durchschnittlichen Lebensverhältnissen wie denen der Mutter bestehe.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der ordentliche Revisionsrekurs der Bezirkshauptmannschaft K***** aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass die Mutter zum Kostenersatz ab 1. 10. 2002 von monatlich EUR 60 verhalten werde, wobei die bis zur Rechtskraft des Beschlusses fälligen Beträge binnen 14 Tagen, die in Zukunft fällig werdenden Beträge bis zum Ersten eines jeden Monats im Voraus zu zahlen seien; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die zur allfälligen Äußerung zum Revisionsrekurs des Jugendwohlfahrtsträgers aufgeforderte Mutter beantragte, den Revisionsrekurs zurückzuweisen.

Der Revisionsrekurs ist aus den vom Rekursgericht genannten Gründen, aber auch deshalb zulässig, weil das Rekursgericht die Bestimmung des § 94 Abs 3 erster Satz ABGB nicht in seine Erwägungen einbezogen hat; er ist im Umfang des Aufhebungsantrages auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

§ 33 des als Grundsatzgesetz geltenden (Bundes-)Jugendwohlfahrtsgesetzes 1989 in der hier anzuwendenden Fassung bestimmt, dass die Kosten der vollen Erziehung der Minderjährige und seine Unterhaltspflichtigen nach bürgerlichem Recht zu tragen haben, gegebenenfalls rückwirkend für drei Jahre zu ersetzen haben, soweit sie nach ihren Lebensverhältnissen dazu imstande sind. Die Unterhaltspflichtigen haben die Kosten auch insoweit zu ersetzen, als sie nach ihren Lebensverhältnissen zur Zeit der Durchführung der vollen Erziehung dazu imstande gewesen sind. Die meisten Ausführungs-Landesgesetze (Oberösterreich, Niederösterreich, Steiermark, Wien, Kärnten, Salzburg, Burgenland und auch Tirol) haben die Wendung des "nach ihren Lebensverhältnissen dazu Imstandeseins" übernommen. Lediglich hinsichtlich der zusätzlichen Härteklausel unterscheidet sich das Tiroler Jugendwohlfahrtsgesetz von den Jugendwohlfahrtsgesetzen bzw -ordnungen der anderen erwähnten Bundesländer: Während im Tiroler Jugendwohlfahrtsgesetz die weitere Einschränkung "....und der Kostenersatz für sie keine besondere Härte bedeutet" sowohl für den Ersatz durch den (ehemaligen) Minderjährigen als auch durch unterhaltspflichtige Dritte gilt, sehen die anderen Regelungen eine solche Härteklausel nur für die Ersatzpflicht des (ehemaligen) Minderjährigen vor.

Nach der Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0078933) kann überhaupt kein Zweifel daran bestehen, dass für die Bemessung des Ersatzes nach § 33 JWG (bzw nach den korrespondierenden Bestimmungen der Ländergesetze) die Regelungen des Unterhaltsrechts (§§ 140 f ABGB) maßgeblich sind, wobei, wenngleich es sich beim Kostenersatzanspruch um keinen Unterhaltsanspruch handelt, dieselben Grundsätze wie für die Bemessung des gesetzlichen Unterhalts zu gelten haben (siehe insbesondere 7 Ob 586/95 = ÖA 1996, 135; 4 Ob 147/98s). In den Materialien zum (Bundes-)JWG (RV ErlBem 171 der BlgNR XVII. GP, 28) heißt es ausdrücklich: "Zu § 33...Die Unterhaltspflichtigen bürgerlichen Rechts - nicht der Minderjährige selbst - sollen nunmehr auch dann zum Ersatz der Kosten der vollen Erziehung herangezogen werden, wenn sie - unter Anwendung der sogenannten "Anspannungstheorie" - wenigstens im Zeitpunkt der Durchführung der vollen Erziehung dazu imstande gewesen sind. Damit wird aber klar, dass mit "...soweit sie nach ihren Lebensverhältnissen dazu imstande sind ..." nicht, wie vom Rekursgericht angenommen, der Ausschluss, sondern vielmehr die Anwendung der Anspannungstheorie beabsichtigt war. Aufgrund der wörtlichen Übernahme dieser Formulierung ins Tiroler Jugendwohlfahrtsgesetz gibt sich kein Anlass zu einer abweichenden Interpretation. Daraus folgt, dass zunächst im Rahmen eines ersten Schrittes zu prüfen ist, ob die ersatzpflichtige Person ein solches Einkommen erzielt, welches ihr die Erfüllung ihrer Unterhaltspflichten erlaubt bzw ob sie ohne triftigen Grund die Erzielung eines solchen Einkommens unterlässt. Erst in einem zweiten Schritt ist dann zu prüfen, ob der Kostenersatz im Einzelfall eine besondere Härte für den grundsätzlich Kostenersatzpflichtigen bedeuten würde.

Im konkreten Fall bedeutet dies Folgendes:

Zunächst wird das Vorbringen des antragstellenden Jugendwohlfahrtsträgers zu prüfen sein, dass es der Mutter möglich und zumutbar wäre, neben ihrer Tätigkeit als Hausfrau auch einem Erwerb nachzugehen, welcher ihr ein Einkommen bringt, mit welchem sie den begehrten Kostenersatz leisten kann. Erfüllt nach der Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0047337) der den Kindern (aus erster Ehe) zum Geldunterhalt verpflichtete Elternteil seine Unterhaltsverpflichtung den Kindern aus der zweiten Ehe durch deren vollständige Betreuung im Haushalt, muss er seine Lebensverhältnisse grundsätzlich derart gestalten, dass er sowohl seinen Geldalimentationspflichten wie auch seiner Betreuungspflicht angemessen nachkommen kann. Der nicht durch besondere berücksichtigungswürdige Umstände erzwungene Verzicht auf Erzielung eines höheren Einkommens darf daher nicht zu Lasten eines anderen Unterhaltsberechtigten gehen (RIS-Justiz RS0047337 [T 2]). Da das Erstgericht keine Feststellungen getroffen hat (- der Hinweis auf eine frühere Entscheidung reicht hiezu jedenfalls nicht aus -), wird zunächst festzustellen sein, ob es der Mutter möglich wäre, ein Einkommen zu erzielen. In der Folge werden nicht nur die faktischen Einkommenserzielungsmöglichkeiten sondern auch der Einwand der Mutter zu prüfen sein, dass sie aufgrund einer ausgeprägten Lernschwäche ihres Sohnes für dessen Betreuung unabkömmlich sei. Erst dann, wenn die Erzielung eines eigenen Erwerbseinkommens nicht möglich oder nicht zumutbar sein sollte, wird zu prüfen sein, inwieweit der Mutter ein Geldanspruch gegenüber ihrem Ehegatten zusteht (auch hiezu mangelt es an Feststellungen). In diesem Zusammenhang ist bereits jetzt darauf hinzuweisen, dass die Erwägungen des Rekursgerichtes zur "Taschengeld"-Judikatur nicht mehr aktuell sind, weil § 94 Abs 3 ABGB durch Einfügung eines ersten Satzes mit dem Eherechts-Änderungsgesetz 1999, BGBl I Nr 125/99, eine wesentliche Änderung erfahren hat. § 94 Abs 3 erster Satz ABGB lautet: "Auf Verlangen des unterhaltsberechtigten Ehegatten ist der Unterhalt auch bei aufrechter Haushaltsgemeinschaft ganz oder zum Teil in Geld zu leisten, soweit nicht ein solches Verlangen, insbesondere im Hinblick auf die zur Deckung der Bedürfnisse zur Verfügung stehenden Mittel, unbillig wäre." Wörtlich heißt es hiezu in den Materialien (ErlBem der RV zu Art I Z 3 (1653 der BlgNR XX. GP): "Nach geltendem Recht ist der Ehegattenunterhalt grundsätzlich - nämlich vor allem vorbehaltlich einer Aufhebung der Haushaltsgemeinschaft und einer Unterhaltsverletzung - in natura zu leisten. Die Rechtsprechung und der überwiegende Teil der Lehre billigen dem Unterhaltsberechtigten außerhalb der erwähnten Ausnahmefälle nur einen Anspruch auf Taschengeld zu. Dies bedeutet besonders für den nicht erwerbstätigen und deshalb unterhaltsberechtigten Ehegatten - zumeist ist dies die Ehefrau -, dass sie sich mit diesem Taschengeld zufrieden geben muss, wenn der Unterhaltspflichtige Wohnung, Kleidung und Nahrung zur Verfügung stellt und auch die sonstigen Unterhaltsbedürfnisse unmittelbar deckt. Das führt zuweilen zu einer unangemessenen, in manchen Fällen geradezu unwürdigen Abhängigkeit des unterhaltsberechtigten Ehegatten von seinem Partner. Deshalb soll dem Unterhaltsberechtigten grundsätzlich die Möglichkeit gegeben werden, die Erfüllung des ihm zustehenden Unterhaltsanspruchs - auch bei aufrechter Haushaltsgemeinschaft - ganz oder teilweise auch in Geld zu verlangen. Dies gilt aber nur insoweit, als nicht ein solches Verlangen unbillig wäre. Nach der vorgeschlagenen Formulierung ist bei der Beurteilung der Unbilligkeit besonders auf die zur Deckung der Bedürfnisse zur Verfügung stehenden Mittel Bedacht zu nehmen. Dies kann mehrerlei bedeuten: Wenn beispielsweise bei sehr schlechten wirtschaftlichen Verhältnissen die Leistungsfähigkeit eines gegenüber seinem Ehegatten und seinen Kindern Unterhaltspflichtigen gerade dazu ausreicht, um die Aufwendungen für die Ehewohnungen und den Einkauf der notwendigsten Bedarfsgüter für die Familie abzudecken, so kann die Forderung des Alimentationsberechtigten, der gerade ihm rechnerisch zustehende Unterhalt möge in Geld beglichen werden, zumindest partiell unbillig sein, weil dies darauf hinausliefe, dass für die Finanzierung der dringendsten Lebensbedürfnisse der Familie nicht mehr die erforderlichen Mittel zur Verfügung stünden. Aber auch unabhängig von derart schwierigen ökonomischen Gegebenheiten wird es als eine Unbilligkeit zu beurteilen sein, wenn der Unterhaltspflichtige auch den auf sein Wohnbedürfnis entfallenden Unterhaltsanspruch in Geld fordert, obwohl der Unterhaltspflichtige ohnedies sämtliche Kosten der gemeinsamen Wohnung regelmäßig begleicht. Schließlich ist aber auch etwa an jene Fälle zu denken, in denen ein Teil der Unterhaltsbedürfnisse mit den Produkten aus dem eigenen Betrieb befriedigt werden kann, wie dies typischerweise bei Landwirten der Fall ist ..." Weiter heißt es in den Materialien, dass es eine Zielrichtung der Neuregelung ist, dem unterhaltsberechtigten Ehegatten nach Maßgabe der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen Geldmittel zukommen zu lassen, über deren Verwendung er autonom (und daher auch nicht eingeengt durch Sachzwänge, die der Unterhaltspflichtige hervorgerufen hat) bestimmen kann. Ausgehend von diesen Erwägungen des Gesetzgebers ist § 94 Abs 3 Satz 1 ABGB auch nicht restriktiv zu handhaben, weil der Gesetzgeber mit dieser Unterhaltsregelung deutlich über das in der Rechtsprechung bis dahin zuerkannte "Taschengeld" hinausgehen wollte (Stabentheiner in Rummel ABGB I³ Rz 12 zu § 94).

Kommt daher der zum Kostenersatz belangten Mutter ein (teilweiser) Geldunterhaltsanspruch zu, was mangels Feststellungen noch nicht beurteilt werden kann, macht sie davon aber keinen Gebrauch, kann dies, ausgehend von der anzuwendenden Anspannungstheorie, nicht zu Lasten eines geldunterhaltspflichtigen Kindes gehen.

Nur dann, wenn das Erstgericht, ausgehend von entsprechenden Feststellungen, zur grundsätzlichen Bejahung einer Unterhaltspflicht der Mutter kommen sollte, wird zu prüfen sein, ob und inwieweit die in § 16 Abs 2 TJWG genannte Härteklausel Anwendung zu finden hat (- zumindest aus der derzeitigen Aktenlage ist eine besondere Härte nicht ableitbar -).

Sollte das Erstgericht zur Beurteilung kommen, dass eine (teilweise) Kostenersatzpflicht der Mutter besteht, wird noch Folgendes zu beachten sein:

§ 40 JWG in der hier anzuwendenden Fassung sieht zwar vor, dass das Pflegschaftsgericht sowohl über entstandene wie künftig laufend entstehende Kosten, auch vor Fälligkeit des Ersatzanspruches, unabhängig vom Alter des Kindes, zu entscheiden hat; jedoch ist nach der Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0033501 insbesondere [T 1]) auch nach der JWG-Novelle 1998 daran festzuhalten, dass die Regelung des § 1418 zweiter Satz ABGB, wonach "Alimente....wenigstens auf einen Monat im Voraus bezahlt" werden müssen, auf den Ersatzanspruch des Jugendwohlfahrtsträgers gemäß §§ 33, 40 JWG nicht anzuwenden ist. Das bedeutet hier, dass bei einer Bejahung der Kostenersatzpflicht wohl die Verpflichtung zum Ersatz erst künftig fällig werdender Kostenersätze ausgesprochen werden kann, als Fälligkeitstermin aber nicht der Erste eines Monats im Vorhinein, sondern jeweils nur ein angemessener Termin im Nachhinein, dh nach der Erbringung der Leistung durch den Jugendwohlfahrtsträger, in Frage kommt (siehe etwa 3 Ob 70/02v in RIS-Justiz RS0033501).

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