Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass die einstweilige Verfügung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Die klagende und gefährdete Partei hat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens vorläufig selbst zu tragen.
Text
Begründung
Der Kläger ist Staatsbürger der Elfenbeinküste. Er brachte im Wesentlichen vor, dass er im Jahr 2003 nach Österreich eingereist sei und am 2. 10. 2003 einen Asylantrag gestellt habe. Das Asylverfahren sei nach wie vor anhängig. Er bzw Mitarbeiter der Caritas hätten sich intensivst um seine Aufnahme in die Bundesbetreuung bemüht. Er sei jedoch nicht in die Bundesbetreuung aufgenommen worden, obgleich die Voraussetzungen hiezu vorliegen würden, und befinde sich derzeit notdürftigst in einem "Notquartier" der Caritas untergebracht.
Der Kläger begehrte in der Hauptsache die Fällung des Urteiles, die Beklagte sei schuldig, ihm Leistungen im Sinne des § 1 BBetrG iVm BBetrVO idgF ab sofort zu gewähren, insbesondere Unterbringung, Verpflegung mit zumindest drei Mahlzeiten täglich, Krankenversicherung und EUR 40,-- Taschengeld monatlich ab dem ersten ganzen Monat sowie sonstige notwendige Betreuungsmaßnahmen.
Verbunden mit der Klage begehrte der Kläger weiters die Erlassung der einstweiligen Verfügung, der Gegnerin der gefährdeten Partei möge zur Sicherung des Anspruches der gefährdeten Partei auf Gewährung von Bundesbetreuung geboten werden, der gefährdeten Partei Bundesbetreuung im Umfang des § 1 BBetrG iVm BBetrVO idgF (insbesondere Unterbringung, Verpflegung mit zumindest drei Mahlzeiten täglich, Krankenversicherung und EUR 40,-- Taschengeld monatlich ab dem ersten ganzen Monat sowie sonstige notwendige Betreuungsmaßnahmen) ab sofort zu gewähren, dies jedenfalls bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Hauptverfahren, sofern nicht zuvor einer der Beendigungsgründe der auf Grund des § 6 BBetrG erlassenen Bundesbetreuungsverordnung eintritt. Er brachte hiezu vor, dass ihm durch die Verweigerung der Betreuung ein unwiederbringlicher Schaden drohe, zumal die Kapazitäten sämtlicher karitativer Organisationen erschöpft seien. Unter diesen Bedingungen sei er nicht in der Lage, den Ausgang des Hauptverfahrens abzuwarten, weil er keine Möglichkeit hätte, in Österreich sein Leben zu fristen. Durch die Nichtgewährung von Bundesbetreuung würde somit die gerichtliche Verfolgung des gegenständlichen Anspruches tatsächlich vereitelt werden.
Die Beklagte sprach sich gegen die Erlassung der einstweiligen Verfügung aus und wendete ua ein, dass der Antragsteller am 8. 10. 2003 in die Bundesbetreuung aufgenommen worden sei. Anlässlich seiner Verlegung sei er aber zum Überstellungstransport nicht erschienen, was nur als Verzicht auf die Leistungen aus der Bundesbetreuung gewertet werden könne.
Das Erstgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung. Es gelangte rechtlich im Wesentlichen zum Ergebnis, dass der Anspruch des Klägers auf Gewährung der Bundesbetreuung sowie eine konkrete Gefährdung bescheinigt seien. Die in § 1 Abs 1 BBetrG genannten Naturalleistungen seien ausreichend bestimmt und exequierbar. Andererseits könne das Nichterscheinen des Antragstellers zum Überstellungstransport nicht als eine schlüssige Willenserklärung hinsichtlich eines freiwilligen Verzichtes auf die Leistungen aus der Bundesbetreuung beurteilt werden.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der beklagten Partei Folge und änderte den erstgerichtlichen Beschluss dahin ab, dass der Sicherungsantrag abgewiesen wurde. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 4.000,- -, nicht jedoch EUR 20.000,-- übersteige und der Revisionsrekurs zulässig sei, und vertrat im Wesentlichen die Auffassung, das zu sichernde Klagebegehren sei nicht ausreichend bestimmt, weshalb die Sicherungsfähigkeit fehle. Der Hinweis auf eine abstrakte Regelung des Gesetzes vermöge das Erfordernis eines konkret angestrebten Leistungszieles nicht zu ersetzen, zumal die begehrte Leistung "im Sinne der BBetrVO" nicht einmal durch das Anführen einer konkreten Bestimmung dieser Verordnung in ihrem Umfang substantiiert werde. Weiters sei die Formulierung von "notwendigen Betreuungsmaßnahmen" im Urteilsantrag völlig unbestimmt. Insoweit der Antragsteller aber "insbesondere" gewisse Leistungen auf der abstrakten Grundlage der BBetrVO anstrebe, ändere dieses Begehren im Hinblick auf die geforderte "Unterbringung und Krankenversicherung" nichts an der mangelnden Bestimmtheit, denn hier wäre eine genaue Beschreibung der geschuldeten Leistung möglich, sodass sie auch der Exekutionstitel enthalten müsste. Es müsse nämlich in unverwechselbarer Weise feststehen, was geschuldet werde.
Die Voraussetzungen für die Zulässigkeit des Revisionsrekurses lägen vor, weil zu den Anforderungen an das Klagebegehren auf Leistungen nach dem Bundesbetreuungsgesetz keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes bestehe und dieser Frage über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme.
Gegen diese Rekursentscheidung richtet sich der Revisionsrekurs des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den erstgerichtlichen Beschluss wiederherzustellen.
Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsrekursbeantwortung, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig, er ist auch berechtigt.
Der Rechtsmittelwerber macht im Wesentlichen geltend, das Klage- und Sicherungsbegehren sei ausreichend bestimmt. Er dürfe gar nicht mehr verlangen als ihm nach Gesetz und Verordnung zustehende notwendige Betreuungsmaßnahmen.
Hiezu wurde erwogen:
Gemäß § 1 Abs 1 BBetrG BGBl 405/1991 idF BGBl I 101/2003 (BBetrG) umfasst die Bundesbetreuung Unterbringung, Verpflegung und Krankenhilfe sowie sonstige notwendige Betreuungsmaßnahmen. Die einzelnen Leistungen können unter Berücksichtigung des Grades der Hilfsbedürftigkeit auch teilweise gewährt werden.
Gemäß § 6 Abs 1 BBetrG sind die näheren Bestimmungen über die Aufnahme, die Ausstellung von Bescheinigungen, das Höchstmaß des für eine private Unterkunft oder für Verköstigung durch Private zur Verfügung stehenden Entgeltes, die Mindestanforderungen für die Beschaffenheit solcher Unterkünfte und die näheren Regelungen über weitere der Sozialhilfe entsprechende Leistungen für Asylwerber unter Bedachtnahme auf die Grundsätze menschenwürdiger Behandlung, auf die besondere Situation von Asylwerbern sowie auf spezifische Verhältnisse im Beherbergungsgewerbe durch Verordnung des Bundesministers für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen zu regeln.
Auf Grund dieser Bestimmung ist die Bundesbetreuungsverordnung BGBl 31/1992 idF BGBl II 441/2001 (BBetrVO) ergangen.
Gemäß § 3 dieser Verordnung kommen als Leistungen der Bundesbetreuung in Betracht: 1.) Verpflegung (Verpflegskostenbeitrag), 2.) Unterbringung, 3.) Krankenversicherung, 4.) Taschengeld, 5.) Bekleidung, 6.) Schulbedarf, 7.) Fahrtbeihilfen, 8.) soziale Betreuung, 9.) Bestattungskosten, 10.) Rückkehrhilfe (Abs 1). Im Einzelfall werden jene Leistungen nach Abs 1 erbracht, die zur ausreichenden Deckung des Lebensbedarfes notwendig sind. Der Umfang dieser Leistungen ist unter Bedachtnahme auf allfällige Leistungen Dritter, sowie auf Leistungen, deren Erbringung vom Asylwerber selbst erwartet werden kann, festzusetzen. Über Art und Umfang dieser Leistungen wird der Asylwerber informiert (Abs 2).
Gemäß § 4 BBetrVO sind Betreute zu verpflichten, jede Änderung der für die Beurteilung der Hilfsbedürftigkeit maßgebenden Umstände unverzüglich mitzuteilen. Tritt während der Bundesbetreuung eine für die Beurteilung der Hilfsbedürftigkeit maßgebliche Änderung ein, so wird der Umfang der zu erbringenden Leistungen entsprechend neu festgelegt.
Gemäß § 7 Abs 1 BBetrVO wird Taschengeld nach Ablauf des ersten vollen Kalendermonates in der Bundesbetreuung ausbezahlt. Das Taschengeld beträgt für alle Betreuten EUR 40,-- monatlich.
Gemäß § 8 Abs 3 BBetrVO werden für die Unterbringung und Verpflegung je Betreutem und Tag höchstens folgende Beträge geleistet: 1.) Frühstück EUR 1,80,- -, 2.) Mittagessen EUR 4,40 EUR, 3.) Abendessen EUR 2,50, 4.) Unterbringung EUR 7,60.
Gemäß § 9 Abs 1 BBetrVO endet die Bundesbetreuung jedenfalls mit dem Wegfall der Hilfsbedürftigkeit, mit dem freiwilligen Verzicht auf die Leistungen der Bundesbetreuung, mit der Zurückziehung des Asylantrages, spätestens aber mit rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens. Weiters kann sie bei Verdacht strafbarer Handlungen und bei einem fortgesetzten Verhalten, das für den Unterkunftgeber oder für andere Betreute eine unzumutbare Belastung darstellt, beendet werden.
Zum Anspruch auf Bundesbetreuung und dessen Durchsetzbarkeit wird auf 1 Ob 272/02k und 9 Ob 71/03m verwiesen.
Die gefährdete Partei hat den behaupteten Anspruch als Voraussetzung einer Provisorialmaßnahme bestimmt zu bezeichnen. In Ermangelung der erforderlichen Bestimmtheit des Begehrens wäre der Sicherungsantrag abzuweisen (RIS-Justiz RS0004864; Zechner, Sicherungsexekution und einstweilige Verfügung, § 378 EO Rz 3 mwN). Zutreffend hat das Rekursgericht erkannt, dass in unverwechselbarer Weise feststehen muss, was geschuldet wird (Jakusch in Angst, EO § 7 Rz 56; vgl RIS-Justiz RS0037874).
Der Umfang der im vorliegenden Fall angestrebten Bundesbetreuung ergibt sich aus Gesetz und Verordnung. Beispielhaft hat der Kläger in Klage und Sicherungsantrag ohnehin Unterbringung, Verpflegung, Krankenversicherung und Taschengeld genannt. Auch die Anführung sonstiger notwendiger Betreuungsmaßnahmen entspricht dem Text des § 1 Abs 1 BBetrG. Im Einzelfall werden jene Leistungen erbracht, die zur ausreichenden Deckung des Lebensbedarfes notwendig sind; der Asylwerber wird über Art und Umfang dieser Leistungen informiert (§ 3 Abs 2 BBetrVO). Eine präzisere Bezeichnung des Anspruches kann von ihm daher vorweg nicht verlangt werden. Auch die Anführung einzelner Paragraphen der Verordnung ist entbehrlich. Im Übrigen wurde die Bestimmtheit eines ähnlichen Begehrens auch in 9 Ob 71/03m nicht beanstandet. Schließlich ist nicht einmal die beklagte Partei in ihrer Revisionsrekursbeantwortung der Rechtsmeinung des Rekursgerichtes beigetreten.
Der erkennende Senat ist somit - anders als das Rekursgericht - der Auffassung, dass die erforderliche Bestimmtheit des Begehrens im vorliegenden Fall gegeben ist.
In ihrer Revisionsrekursbeantwortung beharrt die beklagte Partei darauf, der Kläger habe auf Leistungen aus der Bundesbetreuung verzichtet, indem er zum Überstellungstransport nicht erschienen sei. Der erkennende Senat billigt demgegenüber die Ansicht des Erstgerichtes, aus der Nichteinhaltung des Transporttermines könne nicht mit der erforderlichen Sicherheit auf einen freiwilligen Verzicht auf die Leistungen der Bundesbetreuung (vgl § 9 Abs 1 BBetrVO) geschlossen werden, zumal im Falle eines schlüssigen Verzichtes ein strenger Maßstab anzulegen ist (RIS-Justiz RS0014146). Das behauptete Nichterscheinen könnte aber auch andere Gründe (zB Unkenntnis oder Krankheit) haben.
Soweit die beklagte Partei schließlich geltend macht, der Kläger habe auf die Inanspruchnahme der Bundesbetreuungen neuerlich verzichtet, weil er nach der einstweiligen Verfügung des Erstgerichtes die Betreuungsstelle ohne Angabe von Gründen wieder verlassen habe und "untergetaucht" sei, handelt es sich um eine auch im Rechtsmittelverfahren über eine einstweilige Verfügung unzulässige Neuerung (RIS-Justiz RS0002445).
Die einstweilige Verfügung des Erstgerichtes war somit wiederherzustellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 393 Abs 1 EO.
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