OGH 15Os12/04

OGH15Os12/045.3.2004

Der Oberste Gerichtshof hat am 4. März 2004 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker, Dr. Zehetner, Dr. Danek und Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kainz als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Regina Z***** und einen anderen Angeklagten wegen der Verbrechen nach § 28 Abs 2 zweiter, dritter und vierter Fall, Abs 3 erster Fall SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Andreas Paulus G***** und die Berufung der Angeklagten Regina Z***** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 16. Juli 2003, GZ 8 Hv 69/03s-55, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten G***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Regina Z***** und Andreas Paulus G***** wurden der Verbrechen (A/I/1 und A/I/2) nach § 28 Abs 2 zweiter, dritter und vierter Fall, Abs 3 erster Fall SMG und (B) nach § 32 Abs 2 zweiter, dritter und vierter Fall SMG, teils in der Entwicklungsstufe des Versuchs nach § 15 StGB sowie der Vergehen (Regina Z***** zu A/II/2) nach § 27 Abs 1 vierter, fünfter und sechster Fall, Abs 2 Z 2 erster Fall SMG und (Andreas Paulus G***** zu A/II/1) nach § 27 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG schuldig erkannt.

Danach hat - soweit für die Behandlung der Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung - Andreas Paulus G*****

A/ den bestehenden Vorschriften zuwider ein Suchtgift I/ gewerbsmäßig ein-, ausgeführt und in Verkehr gesetzt und zwar 1/ im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Regina Z***** als unmittelbare Täter in einer großen Menge (§ 28 Abs 6 SMG), indem sie

a) von November 2001 bis Oktober 2002 insgesamt zumindest rund 400 bis 430 Gramm Kokain zumindest durchschnittlicher Straßenqualität (zumindest 40 % Reinheitsgehalt, vgl US 16) in zahlreichen Angriffen von Deutschland nach Österreich schmuggelten und in der Folge in Graz an die im Urteil genannten Abnehmer gewinnbringend verkauften, wobei Andreas Paulus G***** das Suchtgift in der Bundesrepublik Deutschland, und zwar in Frankfurt und Hamburg zuvor "organisierte",

b) er von Anfang Mai bis August 2002 insgesamt weitere 122 Gramm Kokain in mehreren Angriffen ebenfalls von Deutschland nach Österreich schmuggelte und in der Folge in Graz an Rene Gr***** gewinnbringend verkaufte, Regina Z***** im Wissen und Wollen dieser Umstände das von den Suchtgiftabnehmern per Postanweisung übermittelte Geld für die Drogenankäufe zumindest teilweise entgegennahm, wobei die Geldüberweisungen auf ihr und auf das dem Zweitangeklagten gehörende Konto erfolgten, Gelder behob, dem Zweitangeklagten aushändigte und Teile des Geldes für den Lebensunterhalt sowie zur Begleichung von offenen Forderungen behielt;

II/ mit Ausnahme der zu I/ genannten Mengen erworben und besessen, und zwar von November 2001 bis Mitte Oktober 2002 in Graz, Lübeck und anderen Orten, indem er unbekannte Mengen Kokain in zahlreichen Angriffen von bislang unbekannten Personen kaufte und in der Folge konsumierte und

B/ Andreas Paulus G***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Regina Z***** am 11. Jänner 2003 einen Vorläuferstoff, von dem sie wussten, dass er bei der vorschriftswidrigen Erzeugung eines Suchtmittels in einer großen Menge (§ 28 Abs 6 SMG) verwendet werden soll, ein-, ausgeführt und in Verkehr zu setzen versucht, indem sie 15,433 Liter Safrol von Deutschland nach Österreich schmuggelten und in der Folge in Schladming einem verdeckten Ermittler des Bundesministeriums für Inneres gewinnbringend verkaufen wollten.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen vom Angeklagten aus Z 3, 5, 5a, 9 lit a, 10 und 11 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt ihr Ziel. Die Verfahrensrüge (Z 3) verkennt, dass nur die Nichtaufnahme eines Protokolls, nicht aber dessen Inhalt unter Nichtigkeitssanktion steht (§ 271 Abs 1 erster Satz, § 281 Abs 1 Z 3 StPO), es sei denn, der Beschwerdeführer hätte (was hier nicht der Fall war) - sachgerecht - bereits in der Hauptverhandlung erfolglos dessen Klarstellung beantragt (§ 271 Abs 1 dritter Satz, § 281 Abs 1 Z 4 StPO; vgl 11 Os 80/95, 14 Os 44/96, 13 Os 6/00, 11 Os 124/03).

Soweit die Beschwerde die Nichterledigung des Protokollsberichtigungsantrages moniert, genügt dazu der Hinweis auf den über diesen Antrag absprechenden, zwischenzeitig ergangenen Beschluss des Vorsitzenden von 19. Dezember 2003 (ON 72/II), der dem zu diesem Zeitpunkt vom Angeklagten bevollmächtigten Verteidiger (vgl ON 62/II iVm ON 69/II) zugestellt wurde (vgl Fabrizy StPO9 § 271 RN 8).

Die (undifferenziert ausgeführte) Mängel- (Z 5) und Tatsachenrüge (Z 5a) wendet sich gegen die Nichtannahme der Gewöhnung des Angeklagten an ein Suchtmittel und behauptet diesbezüglich mangelhafte Begründung bzw unvollständige Verwertung von Beweisergebnissen, weil das Erstgericht nicht den auf eine derartige Gewöhnung hinweisenden Depositionen der Mitangeklagten Ehefrau und den in der Hauptverhandlung erörterten Möglichkeiten einer Entwöhnungsbehandlung (Therapieplatzzusage des Vereins "Grüner Kreis") Rechnung getragen habe. Weiters wird auf ein nach der Urteilsfällung eingeholtes, mit dem Rechtsmittel vorgelegtes psychologisches Gutachten verwiesen, woraus sich - entgegen den getroffenen Konstatierungen - eine mittelschwere Kokainabhängigkeit des Angeklagten ableiten lasse. Damit vermag die - im Übrigen das Neuerungsverbot verkennende - Beschwerde keine Mängel der den Grundsätzen der Logik und empirischen Erkenntnissen nicht zuwider laufenden Begründung für die Nichtannahme einer Gewöhnung des Angeklagten an ein Suchtmittel (US 14 und 15) aufzuzeigen, sondern bekämpft, wie sich schon aus dem Verweis auf den Grundsatz "in dubio pro reo" ergibt, in Wahrheit lediglich unzulässig die Beweiswürdigung der Tatrichter nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung. Insoweit sich die Beschwerdekritik allein gegen die Feststellung richtet, dass der Angeklagte bei Begehung der Tat nicht an ein Suchtmittel gewöhnt war, spricht sie letztlich auch keine entscheidende Tatsache an, weil auch ein selbst an ein Suchtmittel gewöhnter Täter nur dann durch den zweiten Satz des § 28 Abs 3 SMG privilegiert wird, wenn er diese Taten vorwiegend deshalb begeht, um sich für den eigenen Gebrauch ein Suchtmittel oder die Mittel zu dessen Erwerb zu verschaffen (13 Os 145/02).

Auch unter dem Blickwinkel der Tatsachenrüge (Z 5a) versucht die Beschwerde das den Tatrichtern nach § 258 Abs 2 zweiter Satz StPO gesetzlich zustehende Beweiswürdigungsermessen in einer unter diesem Nichtigkeitsgrund ebenfalls nicht vorgesehenen Art einer Schuldberufung in Frage zu stellen, vermag damit aber keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen zu wecken.

Indem die Rechtsrüge (Z 9 lit a) die Einordnung von Safrol als Vorläuferstoff iSd § 32 SMG mit dem bloßem Verweis auf dessen Nichtsubsumierbarkeit unter die Psychotropenstoffe (§ 30 SMG) und ohne inhaltliche Argumentation bestreitet, ist sie nicht methodisch vertretbar aus dem Gesetz abgeleitet, weil sie nicht darlegt, aus welchen Gründen Safrol nicht unter die Vorläuferstoffe (vgl dazu § 4 SMG) fallen solle, und damit nicht prozessordnungsgemäß ausgeführt (Ratz aaO Rz 588 und 589).

Die Subsumtionsrüge (Z 10) vernachlässigt die zur (fehlenden) Privilegierung getroffenen Feststellungen (US 7, 13, 14, 15) und verfehlt damit ebenfalls eine Ausrichtung am Verfahrensrecht. Die Sanktionenrüge (Z 11) erblickt, erneut auf urteilsfremder Basis vom Vorliegen sämtlicher Voraussetzungen des § 28 Abs 3 zweiter Satz SMG ausgehend, in der Nichtanwendung des Strafrahmens des § 28 Abs 2 SMG eine Gesetzwidrigkeit, verweist in diesem Zusammenhang wieder auf die mit der Nichtigkeitsbeschwerde vorgelegte gutachterliche Stellungnahme und vermeint, dass im Sinn der Bestimmung des § 3 StPO das Erstgericht dazu verhalten gewesen wäre, ein Gutachten betreffend die Abhängigkeit des Angeklagten einzuholen.

Mit diesem Vorbringen wird aber keiner der Fälle des § 281 Abs 1 Z 11 StPO auf Urteilsbasis geltend gemacht, sondern lediglich zum Teil selbst beweiswürdigend, zum Teil unter Umgehung des Neuerungsverbotes unter Bezugnahme auf ein nachträglich beigebrachtes Beweismittel argumentiert und damit der Nichtigkeitsgrund mangels Bezugnahme auf den durch den Schuldspruch bedingten Strafrahmen ebenfalls nicht prozessordnungskonform zur Ausführung gebracht. Letztlich legt die Rüge nicht dar, wodurch der Angeklagte an seinem diesbezüglichen Antragsrecht gehindert war und daher hätte belehrt werden müssen (§ 3 StPO), um so die Ermittlung der Wahrheit zu fördern (§ 232 Abs 2, 254 StPO).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der die Argumente der Nichtigkeitsbeschwerde im Wesentlichen wiederholenden sowie unbeachtliche Neuerungen enthaltenden Äußerung der Verteidigung gemäß § 35 Abs 2 StPO - teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt, teils als offenbar unbegründet bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO, zum Teil in Verbindung mit § 285a Z 2 StPO), woraus die Kompetenz des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO). Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a StPO.

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