OGH 3Ob126/03f

OGH3Ob126/03f25.2.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer, Dr. Zechner, Dr. Sailer und Dr. Jensik als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Dr. Hans Hafner und Dr. Karl Bergthaler, Rechtsanwälte in Altmünster, wider die beklagte Partei G***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. August Lahnsteiner und Dr. Karl Heinz Lahnsteiner, Rechtsanwälte in Ebensee, wegen Aufkündigung, infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels als Berufungsgericht vom 20. Jänner 2003, GZ 22 R 424/02p-22, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Gmunden vom 8. August 2002, GZ 2 C 1131/00b-14, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 812,52 EUR (darin 135,42 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die klagende Partei kündigte als Vermieterin ein von der beklagten Partei gemietetes Geschäftslokal aus dem Grund des § 30 Abs 2 Z 1 MRG auf, weil trotz Mahnung ein Zahlungsrückstand aus der Betriebskostenabrechnung bestehe.

Die beklagte Partei erhob Einwendungen gegen die Aufkündigung und brachte vor, die Betriebskostenabrechnung sei nicht ordnungsgemäß erstellt. Laut Vereinbarung mit den Rechtsvorgängern der klagenden Partei seien keine Verwaltungskosten zu zahlen; weiters sei Verwirkung dieses Anspruchs eingetreten. Ebenso sei vereinbart, dass sich die beklagte Partei an den Kosten des Liftes, den sie auch nicht benütze, nicht beteilige. Auch Stromkosten für das von der beklagten Partei nicht benützte Treppenhaus dürften nicht verrechnet werden. Darüber hinaus seien mehrere Positionen der Betriebskostenabrechnung nicht berechtigt.

Das Erstgericht hob die Aufkündigung auf und wies das Räumungsbegehren ab; eine Beteiligung der beklagten Partei an den Liftkosten komme nicht in Frage, weil sie den Lift nicht benützen könne; im Übrigen sei die klagende Partei an die Nebenabreden der beklagten Partei mit den Rechtsvorgängern gebunden, weil sie sie bei Erwerb der Liegenschaft gekannt habe oder kennen hätte müssen. Darüber hinaus sei die Betriebskostenabrechnung nicht ordnungsgemäß.

Das Berufungsgericht hob das Ersturteil auf und trug dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens und Beschlussfassung gemäß § 33 Abs 2 MRG auf; es verneinte die Berechtigung der Vorschreibung der Verwaltungskosten von 6.682,64 S und der Liftkosten von 5.713,89 S, weil die klagende Partei dem Hinweis der beklagten Partei, sie müsse aufgrund der Vereinbarung mit den Rechtsvorgängern der klagenden Partei keine Verwaltungskosten zahlen, zugestimmt habe. Im konkreten Fall bestehe für die beklagte Partei keine objektiv nachvollziehbare vernünftige Möglichkeit, den Lift zu benützen, weshalb sich die beklagte Partei an den Kosten, die mit der Betreibung des Liftes in Zusammenhang stehen, nicht zu beteiligen habe. Weitere 989,60 S beträfen Vorschreibungen von Beträgen, die nach § 21 MRG nicht als Betriebskosten zu qualifizieren seien. Welche Stromkosten auf den Liftbetrieb und die Beleuchtung des Hauses entfallen und daher von der beklagten Partei nicht zu tragen seien, müsse das Erstgericht noch klären. Da die zur Beurteilung stehenden Streitfragen rechtlich kompliziert seien und aus der Betriebskostenabrechnung nicht zu entnehmen sei, welche Stromkosten tatsächlich auf Liftbetrieb und Stiegenhausbeleuchtung entfallen, sei davon auszugehen, dass die beklagte Partei kein grobes Verschulden am verbleibenden Zinsrückstand treffe, weshalb nach § 33 Abs 2 MRG vorzugehen sein werde. Es sei insb noch der offene Betriebskostenrückstand 1999 festzustellen und zu klären, in welcher Höhe Betriebskosten-Akontozahlungen entrichtet worden seien.

Das Berufungsgericht ließ den Rekurs an den Obersten Gerichtshof mit der Begründung zu, es könne zu den Anforderungen an die klagende Partei in Bezug auf das Kennenmüssen der ungewöhnlichen Nebenabreden durchaus auch ein weniger strenger Standpunkt vertreten werden. Gleiches gelte für die Frage, wie das Schweigen der klagenden Partei auf das Schreiben Beilage 11 zu beurteilen sei, insbesondere im Hinblick darauf, dass sich das Schweigen nur auf die minimalen, die klagende Partei aus der Betriebskostenabrechnung 1998 treffenden Betriebskosten für gut zwei Monate beziehe, während die aus dem Schweigen abgeleitete Akzeptanz des Verzichts der Voreigentümer auch für die Zukunft wirke und somit sehr weitreichend sei.

Der Rekurs der klagenden Partei, die ihre fehlende Berechtigung zur Geltendmachung von 989,60 S als Betriebskosten nicht bekämpft, ist entgegen diesem Ausspruch des Berufungsgerichts, an den der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist (3 Ob 163/02w mwN), mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung (§ 502 Abs 1, § 519 Abs 1 Z 2, Abs 2 ZPO) nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

a) Unterliegt das Bestandverhältnis dem MRG, so tritt der Erwerber gemäß § 2 Abs 1 MRG ohne Kündigungsmöglichkeit in das Mietverhältnis ein; er ist aber an Nebenabreden "ungewöhnlichen Inhalts", die er weder kannte noch kennen müsste, nicht gebunden. Ob der Erwerber die Nebenabrede (kannte oder) kennen musste, hängt von den Umständen des konkreten Falls ab; die Beurteilung dieser Frage hat keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung (4 Ob 267/97m; RIS-Justiz RS01108472). Von einer auffallenden Fehlbeurteilung durch die zweite Instanz, die einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedürfte, kann hier keine Rede sein.

b) Soweit der Rekurs eine unrichtige rechtliche Beurteilung der zweiten Instanz in der Frage des Stillschweigens der klagenden Partei zum Schreiben der beklagten Bestandnehmerin vom 14. April 1999 Beilage 11 ins Treffen führt, wird gleichfalls keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt. In diesem Schreiben führte die beklagte Partei aus, für die abermals [von der Bestandgeberseite] in Rechnung gestellten Verwaltungskosten bestehe kein Anspruch, verweist auf das Schreiben ihres Rechtsfreunds vom 14. August 1998 und den Umstand, dass die Bestandgeberseite sodann die Betriebskostenrechnung pro 1997 mit Schreiben vom 21. August 1998 berichtigt habe. Wenn aber die nun in den Bestandvertrag eintretende klagende Partei an die ungewöhnliche Nebenabrede - fehlende Verpflichtung der beklagten Partei zur Zahlung von Verwaltungskosten bei den Betriebskosten - wegen Kennen und zumindest Kennenmüssen bereits gebunden war, kommt es auf einen nochmaligen Verzicht nicht mehr an. Eine stillschweigende Erklärung iSd § 863 ABGB besteht im Übrigen in einem Verhalten, das primär etwas anderes als eine Erklärung bezweckt, dem aber dennoch auch ein Erklärungswert zukommt, der vornehmlich aus diesem Verhalten und den Begleitumständen geschlossen wird. Sie kann in einer positiven Handlung (konkludente oder schlüssige Willenserklärung) oder auch in einem Unterlassen (Schweigen) bestehen. Nach den von Lehre und Rsp geforderten Kriterien muss die Handlung - oder Unterlassung - nach der Verkehrssitte und nach den im redlichen Verkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuchen eindeutig in einer Richtung zu verstehen sein, also den zwingenden Schluss zulassen, dass die Parteien einen Vertrag schließen, ändern oder aufheben wollten. Es darf kein vernünftiger Grund bestehen, daran zu zweifeln, dass ein ganz bestimmter Rechtsfolgewille vorliegt, wobei stets die gesamten Umstände des Einzelfalls zur Beurteilung heranzuziehen sind (1 Ob 2297/96t = ÖBA 1998, 798 mwN u.v.a.; RIS-Justiz RS0109021). Ob nun eine solche Erklärung im Einzelfall als abgegeben angesehen werden kann, stellt aber regelmäßig keine Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar (9 Ob 93/02w, 8 Ob 132/02y = ZIK 2003, 69 u.a.; RIS-Justiz RS0043253). Dies wäre nur dort der Fall, wo es die Rechtssicherheit erfordert, eine unrichtige, mit der Rsp des Obersten Gerichtshofs zur Bedeutung eines Verhaltens im Widerspruch stehende rechtliche Beurteilung der Sache durch das Berufungsgericht zu korrigieren. Eine solche Rsp zeigt der Rekurs jedoch nicht auf.

Da die klagende Partei auch sonst in ihrem Rechtsmittel keine erheblichen Rechtsfragen aufzeigt, ist der Rekurs zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die beklagte Partei hat in der Rekursbeantwortung die Unzulässigkeit des Rekurses der klagenden Partei aufgezeigt.

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