Spruch:
Der Revision wird teilweise Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie zu lauten haben:
“Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei EUR 44.022,87 brutto und EUR 3.674,92 netto zuzüglich 8,75 % Zinsen seit 15. 11. 2001 binnen 14 Tagen zu zahlen.
Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei den weiteren Betrag von EUR 10.174,20 brutto samt 8,75 % Zinsen seit 15. 11. 2001 zu zahlen, wird abgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei EUR 9.405,82 (darin enthalten EUR 1.425,06 USt und EUR 855,44 Barauslagen) an anteiligen Kosten des Verfahrens erster Instanz und EUR 1.612,24 (darin enthalten EUR 268,71 USt) an anteiligen Kosten des Verfahrens zweiter Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei EUR 286,56 (Barauslagen) an anteiligen Kosten des Verfahrens zweiter Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen."
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei EUR 1.160,29 (darin enthalten EUR193,38USt) an anteiligen Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei EUR 382,14 (Barauslagen) an anteiligen Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war vom April 1998 bis September 2000 bei der E***** GmbH & Co KG (im Folgenden: E*****) angestellt. In einem gerichtlichen Vergleich vom 8. 11. 2001 zu 7 Cga 123/01y des Erstgerichts wurde zwischen dem Kläger und der E***** ein “alles bereinigender" Vergleich abgeschlossen.
Ab 1. 10. 2000 war der Kläger für die Beklagte tätig. Die E***** ist eine von mehreren Gesellschafterinnen der neuen Arbeitgeberin des Klägers. Der Geschäftsführer der Komplementärgesellschafterin der E*****, Mag. Johann M*****, versicherte dem Kläger im Zusammenhang mit seinem Arbeitgeberwechsel, dass er von der Beklagten “mit allen Rechten und Pflichten übernommen" werde. Die Beklagte erachtete sich durch diese Zusage der früheren Arbeitgeberin des Klägers allerdings nicht gebunden.
Am 14. 11. 2001 wurde der Kläger von der Beklagten “wegen Vorliegens wichtiger Gründe, insbesondere der in § 27 Z 1 AngG angeführten", entlassen.
Der Kläger stellt gegen die Beklagte mit der Behauptung, er sei unbegründet entlassen worden, unter Zugrundelegung eines Bruttomonatsgehaltes von ATS 70.000 folgende Ansprüche:
1. Kündigungsentschädigung (15. 11. 2001 bis 31. 3. 2002), ATS 315.000 brutto,
2. aliquote Weihnachts- und Urlaubsremuneration (1. 7. 2001 bis 31. 3. 2002), ATS 105.000 brutto,
3. Ersatzleistung nach § 10 UrlG (3 Wochen 2001, 5 Wochen 2002), ATS 129.230 brutto,
4. Urlaubsersatzleistung Sonderzahlungen, ATS 21.538 brutto,
5. Abfertigung (zwei Monatsgehälter), ATS 140.000 brutto,
6. ausständiges Gehalt (1. bis 14. 11. 2001), ATS 35.000 brutto, und
7. Reisekosten und Telefonspesen, ATS 50.568,60 netto.
Zusammenfassend begehrt der Kläger mit der vorliegenden Klage die Beträge von ATS 745.768 (EUR 54.197,07) brutto und ATS 50.568,60 (EUR 3.674,92) netto, jeweils samt Anhang. Ihm sei zugesichert worden, dass seine Dienstzeit bei der E***** auf das neue Arbeitsverhältnis mit der Beklagten angerechnet werde.
Die Beklagte bestritt das Klagevorbringen, beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, dass die Entlassung des Klägers insbesondere wegen seiner Konkurrenzverstöße, nicht abgeführter Gelder und weisungswidrigen Verhaltens zurecht erfolgt sei. Es sei keine Anrechnung von Vordienstzeiten aus dem früheren Arbeitsverhältnis des Klägers mit der E***** vereinbart worden. Der Geschäftsführer der Komplementärin der E*****, Mag. M*****, wäre auch gar nicht vertretungsbefugt gewesen, im Namen der Beklagten derartige Verpflichtungen einzugehen. Da das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten nicht einmal ein Jahr gedauert habe, stehe dem Kläger keine Abfertigung zu.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es ging davon aus, dass der Kläger mit allen Rechten und Pflichten seines alten Arbeitsverhältnisses in das neue Arbeitsverhältnis mit der Beklagten übernommen werden sei. Die Entlassung sei unbegründet gewesen und überdies verspätet ausgesprochen worden.
Das Berufungsgericht trat der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes bei. Die Entlassung des Klägers sei nicht berechtigt. Mangels substantiierter Bestreitung der Höhe des Klagebegehrens sei dessen Richtigkeit zugrundezulegen. Die ordentliche Revision nach §502 Abs 1 ZPO sei nicht zulässig, weil vorwiegend Fragen der Beweiswürdigung zu lösen gewesen seien.
Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne der Klageabweisung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Kläger beantragte, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Die Revision ist zufolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Voraussetzungen wirksamer Stellvertretung zulässig; sie ist auch teilweise berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Die Berechtigung der Entlassung des Klägers wurde vom Berufungsgericht - auf der Grundlage der von ihm übernommenen Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes - zutreffend verneint, sodass auf dessen Begründung verwiesen werden kann (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO).
Zum Vorbringen der Parteien, soweit es über das Entlassungsthema hinausgeht, ist zu berücksichtigen, dass es neben dem ausdrücklichen Geständnis iSd § 266 Abs 1 ZPO gemäß § 267 Abs 1 ZPO auch das schlüssig abgegebene Geständnis gibt. Danach hat das Gericht unter sorgfältiger Berücksichtigung des gesamten Inhalts des gegnerischen Vorbringens zu beurteilen, ob tatsächliche Behauptungen einer Partei mangels eines ausdrücklichen Geständnisses des Gegners als zugestanden anzusehen sind.
Aus der prozessualen Wahrheits- und Vollständigkeitspflicht (§ 178 Abs 1 ZPO), nach der sich jede Partei insbesondere über die Prozessbehauptungen der anderen bestimmt zu erklären hat, folgt, dass es an den Parteien liegt, dem Gericht bekanntzugeben, welche Tatsachenbehauptungen des Gegners sie - durch hinreichend deutliches Bestreiten - zum Gegenstand eines Beweisverfahrens machen wollen. Bloß pauschales, unsubstantiiertes Bestreiten reicht regelmäßig nur dort, wo von der betreffenden Partei - etwa, weil sie in die Sphäre der anderen keinen Einblick hat - konkretere Tatsachenbehauptungen nicht erwartet werden können (9 ObA 7/03z mwN). In der Judikatur wird daher die Auffassung vertreten, dass im Regelfall unsubstantiiertes Bestreiten jedenfalls dann als Zugeständnis der vom Prozessgegner behaupteten Tatsachen anzusehen ist, wenn es der Partei leicht möglich wäre, mit konkreten Tatsachenbehauptungen zu replizieren (SZ 47/3, SZ 55/116, NRsp 1991/38, RIS-Justiz RS0039927, RS0039977 ua). Dies gilt insbesondere dort, wo eine Partei bloß einzelnen Tatsachenbehauptungen des Gegners mit einem konkreten Gegenvorbringen entgegentritt, zu den übrigen jedoch inhaltlich nicht Stellung nimmt (9 ObA 7/03z mwN). Dies ist hier der Fall. Letztlich hängt die Wertung des fehlenden substantiierten Bestreitens als schlüssiges Tatsachengeständnis aber immer von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab (RIS-Justiz RS0040078 ua).
Soweit das Berufungsgericht unter den gegebenen Umständen davon ausgegangen ist, die Beklagte habe die Höhe des Klagebegehrens nicht substantiiert bestritten, sodass von ihrer Richtigkeit ausgegangen werden könne, ist dies vor dem Hintergrund des selektiven Vorbringens der Beklagten einerseits und der zitierten Rechtsprechung andererseits grundsätzlich richtig und es kann hierin keine fehlerhafte Anwendung des § 267 Abs 1 ZPO erkannt werden. Das Berufungsgericht ließ jedoch bei seiner Entscheidung außer Acht, dass die Beklagte - abgesehen von ihrem primären Einwand in erster Instanz, der Kläger wäre zurecht entlassen worden - von den einzelnen Ansprüchen des Klägers die Abfertigung besonders herausgriff und dem Grunde nach substantiiert bestritt. Wie bereits erwähnt, machte sie nämlich insoweit geltend, dass der Geschäftsführer der Komplementärin der E***** nicht bevollmächtigt gewesen wäre, die Beklagte zu vertreten, sodass keine die Beklagte verpflichtende Vereinbarung über die Anrechnung von Vordienstzeiten des Klägers zustandegekommen sei.
Was aber zugunsten des Klägers hinsichtlich der einzelnen neben der Abfertigung erhobenen Teilansprüche und deren Höhe mangels substantiierter Bestreitung der Beklagten gilt, muss umgekehrt auch zugunsten der Beklagten berücksichtigt werden, soweit der Kläger kein substantiiertes Vorbringen erstattete, obwohl ihm das möglich gewesen wäre. Der Kläger ließ nämlich das Vorbringen der Beklagten bezüglich der fehlenden Bevollmächtigung des Geschäftsführers der Komplementärin der E***** gänzlich unbestritten, was seinen Grund offenbar darin haben dürfte, dass auch er auf Grund der Beweisergebnisse erkennen musste, dass dieser Beklagteneinwand richtig ist. Die stützende Annahme des Berufungsgerichts, der Geschäftsführer der Komplementärin der E***** wäre (immerhin) bei der Beklagten “beschäftigt", findet im Akt keine Deckung. Im Übrigen begründet die bloße Beschäftigung beim Geschäftsherrn noch keine Vertretungsmacht des Geschäftsherrn an den Beschäftigten.
Mangelt es aber an einer wirksamen Vereinbarung der Anrechnung von Vordienstzeiten, dann ist zu beachten, dass kein gesetzlicher Anspruch auf die Anrechnung von bei einem anderen Arbeitgeber verbrachten Zeiten besteht (Martinek/Schwarz/Schwarz, AngG7 445 mwN). Ein Betriebsübergang iSd § 3 AVRAG wurde von keiner Partei behauptet; für einen solchen bestehen hier auch keine Anhaltspunkte. Dass bei Auflösung eines noch der Regelung der “Abfertigung alt" unterliegenden Beschäftigungsverhältnisses, das nicht ununterbrochen drei Jahre gedauert hat, ungeachtet der Beendigung durch ungerechtfertigte Entlassung nach § 23 Abs 1 AngG keine Abfertigung gebührt, bedarf keiner besonderen Erörterung. Zusammenfassend konnte sohin die Stattgebung des Klagebegehrens durch die Vorinstanzen zwar großteils bestätigt werden, das Abfertigungsbegehren des Klägers war jedoch als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens beruht auf den §§ 43 Abs 1, 50 Abs1 ZPO. Bei der Kostenentscheidung waren die Verhältnisse des Obsiegens und Unterliegens vor und nach der Klageausdehnung zu berücksichtigen. Die in allen drei Instanzen aufgelaufenen Gerichtsgebühren waren verhältnismäßig jeweils mit dem Teil zuzusprechen, der dem Ausmaß des Obsiegens beider Parteien entspricht. Bei den vom Kläger verzeichneten Kosten war noch zu beachten, dass die erste Tagsatzung vom 21. 1. 2002 (ON 5) lediglich nach TP 2 (an Stelle von TP 3) zu honorieren ist. Für die Berufungsbeantwortung des Klägers gebührt lediglich der dreifache (und nicht der vierfache) Einheitssatz (§ 23 Abs 9 RATG).
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