Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung
Das Erstgericht wies den Antrag des Beklagten auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung des Einspruchs gegen den Zahlungsbefehl vom 23. 5. 2002) sowie den Antrag auf Aufhebung der Bestätigung der Vollstreckbarkeit und den nachgeholten Einspruch als verspätet zurück (ON 6). Das Rekursgericht bestätigte die Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrages und sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof nicht nach § 528 Abs 1 ZPO zulässig sei; im Übrigen wurde der erstgerichtliche Beschluss aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung über den Antrag des Beklagten auf Aufhebung der Bestätigung der Vollstreckbarkeit aufgetragen (ON 9).
Gegen die Bestätigung der Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrages richtet sich der Revisionsrekurs des Beklagten mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligt werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Mit der Zivilverfahrens-Novelle 2002 (ZVN 2002), BGBl I 2002/76, wurde mit dem Ziel der "Eingliederung des Revisionsmodells des ASGG in die ZPO" zum Zweck der "Entlastung des Obersten Gerichtshofs" (RV 962 BlgNR XXI. GP 15, 20, 45) § 47 ASGG aufgehoben, der bis dahin den Revisionsrekurs an der Obersten Gerichtshof in Arbeits- und Sozialrechtssachen regelte und unter anderem anordnete, dass die Rekursbeschränkungen des § 528 Abs 1, Abs 2 Z 1, 1a und 2 und Abs 2a ZPO nicht anzuwenden sind. Im Hinblick auf dessen Aufhebung gilt, wenn das Datum der Entscheidung zweiter Instanz - wie im vorliegenden Fall - nach dem 31. 12. 2002 liegt, auch für Revisionsrekurse in Arbeits- und Sozialrechtssachen § 528 ZPO mit der Privilegierung solcher Streitigkeiten nach dessen Abs 3 (Art III Z 6, Art XI Abs 6 ZVN 2002; Stohanzl, MTK ZPO9, 525).
Hat das Rekursgericht den angefochtenen erstgerichtlichen Beschluss zur Gänze bestätigt, ist der Revisionsrekurs bereits nach § 528 Abs 2 Z 2 ZPO jedenfalls unzulässig, wenn der Ausnahmefall dieser Gesetzesstelle, nämlich die Zurückweisung einer Klage ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen, nicht vorliegt, ohne dass es noch auf die Zulässigkeitsvoraussetzung nach § 528 Abs 1 ZPO (Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage) ankäme (Kodek in Rechberger, ZPO² § 528 Rz 1 ua). Die Verweigerung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - in welcher Form immer - ist einer Zurückweisung der Klage nicht gleichzuhalten (1 Ob 239/03h mwN).
Für Streitigkeiten in Arbeits- und Sozialrechtssachen, die durch die ZVN 2002 in den Katalog des § 502 Abs 5 ZPO aufgenommen wurden (Z 4), sieht § 528 Abs 2 ZPO - sieht man von der die Streitigkeiten nach § 502 Abs 5 ZPO von § 528 Abs 2 Z 1 ZPO (Grenze von 4.000 Euro) ausnehmenden Regelung ab - keine weitere Sonderregelung (im Sinne einer Ausnahme mit erleichterter Anrufbarkeit des Obersten Gerichtshofes) vor. Der absolute Rechtsmittelausschluss (arg jedenfalls unzulässig) geht daher auch in Arbeits- und Sozialrechtssachen der weiteren Zulässigkeitsvoraussetzung nach § 528 Abs 1 ZPO vor und verhindert damit die Anfechtung eines voll bestätigenden rekursgerichtlichen Beschlusses. Dies wurde vom Obersten Gerichtshof auch schon hinsichtlich anderer in § 502 Abs 5 ZPO genannter Materien bejaht (vgl zu den familienrechtlichen Streitigkeiten nach § 49 Abs 2 Z 1, 2a, 2b und 2c JN: 1 Ob 18/01x; 1 Ob 277/02w; RIS-Justiz RS0112314 ua; zu den Streitigkeiten nach § 49 Abs 2 Z 5 JN: 2 Ob 502/94; 10 Ob 325/99p; 9 Ob 204/02v ua). Dies kam auch schon vor der ZVN 2002 darin zum Ausdruck, dass die in § 502 Abs 5 ZPO geregelten Streitigkeiten, wie schon erwähnt, nur vom Fall der absoluten Unzulässigkeit des Revisionsrekurses nach § 528 Abs 2 Z 1 ZPO ausgenommen wurden (und weiterhin werden).
Im vorstehenden Sinn sind auch die nicht näher auf die Fälle der absoluten Unzulässigkeit des Revisionsrekurses nach § 528 Abs 2 ZPO eingehenden Gesetzesmaterialien zur ZVN 2002 zu verstehen. Diese meinen zwar einerseits, dass zur "Übernahme des Revisionsmodells der ZPO für arbeits- und sozialgerichtliche Verfahren" der erheblichen Rechtsfrage für die Zulässigkeit von Revisionsrekursen die "allein entscheidende" Bedeutung zukomme und daher dem Rechtsmittelwerber "stets" der außerordentliche Revisionsrekurs offen stehe (RV 962 aaO 20), verweisen aber andererseits auch auf das "Vorbild der Entscheidungen über den Bestand von Mietverhältnissen" (RV 962 aaO 20, 46) sowie die übrigen Fälle des § 502 Abs 5 ZPO (RV 962 aaO 48) und damit wohl auch auf die dazu bereits ergangene, dem Gesetzgeber bekannte Rechtsprechung zum Vorrang des § 528 Abs 2 ZPO vor dem Abs 1 leg cit auch in den privilegierten Fällen des § 502 Abs 5 ZPO. Dass die absolute Unzulässigkeit des Revisionsrekurses nach § 528 Abs 2 ZPO auch in Arbeits- und Sozialrechtssachen zum Tragen kommt, wird in den Gesetzesmaterialien auch durch den Hinweis dokumentiert, dass die Z 1 und 1a des § 528 Abs 2 ZPO die Anwendung der Wertgrenzen durch entsprechende Verweise auf § 502 ZPO ausschließen und damit der Anrufung des Obersten Gerichtshofs nicht entgegen stehen (RV 962 aaO 46).
Eine andere Auslegung hätte eine Ausweitung des Zugangs zum Obersten Gerichtshof gegenüber dem vorherigen Modell des ASGG zur Folge, weil (durch den Wegfall der unterschiedlichen Behandlung der Fälle des § 528 Abs 2 ZPO durch § 47 ASGG) nunmehr etwa auch im Kostenpunkt (Z 3) oder anderen in § 528 Abs 2 ZPO genannte Fragen, in denen der Revisionsrekurs schon bisher jedenfalls unzulässig war, erstmals eine Anrufung des Obersten Gerichtshofes möglich wäre. Damit würde aber das gesteckte Ziel der Entlastung des Obersten Gerichtshofs durch die Aufgabe der Sonderregelung des Revisions- und Revisionsrekursverfahren im ASGG glatt verfehlt (RV 962 aaO 45). Soweit das Rekursgericht im angefochtenen Beschluss die Zurückweisung mehrerer Anträge des Beklagten überprüfte, von denen jeder ein eigenes rechtliches Schicksal haben kann, ist die Anrufbarkeit des Obersten Gerichtshofs nach § 528 ZPO für jeden Gegenstand gesondert zu beurteilen (vgl Kodek aaO § 528 ZPO Rz 4 mwN; 3 Ob 226/02k ua). Der bestätigende (die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand betreffende) und der aufhebende (die Aufhebung der Bestätigung der Vollstreckbarkeit betreffende) Teil der Entscheidung des Rekursgerichts stehen im vorliegenden Fall in keinem unlösbaren Sachzusammenhang, sondern erlauben eine gesonderte Beurteilung. In dem Umfang, in dem das Rekursgericht sohin den angefochtenen erstgerichtlichen Beschluss zur Gänze bestätigte, ist der Revisionsrekurs daher gemäß § 528 Abs 2 Z 2 ZPO jedenfalls unzulässig.
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