OGH 8ObS18/03k

OGH8ObS18/03k23.1.2004

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer und Dr. Spenling sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr. Reinhard Drössler und Gerhard Loibl als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Konrad B*****, vertreten durch Dr. Thomas Stampfer und Dr. Christoph Orgler, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei IAF-Service GmbH, Geschäftsstelle Graz, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17-19, wegen EUR 42.093,27 netto sA, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 18. Mai 2000, GZ 8 Rs 42/00h-12, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 25. November 1999, GZ 37 Cgs 281/99w-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

1.) Das mit Beschluss des Obersten Gerichtshofes vom 13. September 2001, 8 ObS 223/00b, unterbrochene Verfahren wird fortgesetzt.

2.) Der Revision wird Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen, die hinsichtlich der Abweisung eines Mehrbegehrens von ATS 21.144,50 als unangefochten unberührt bleiben, werden darüber hinaus dahin abgeändert, dass das Klagebegehren abgewiesen wird.

Text

Begründung

Der Kläger war zu 25 % Gesellschafter einer seinen Familiennamen als Firmenbestandteil tragenden GmbH, deren Geschäftsführer er gemeinsam mit seiner Gattin bis 3. 6. 1991 war. Ab 1991 übernahm der Sohn des Klägers die Funktion des Geschäftsführers, der Kläger selbst war nur mehr als Außendienstmitarbeiter tätig. Den Zahlungsverkehr und die Bankgeschäfte wickelte der Sohn des Klägers ab, der Kläger unterschrieb die Datenträger für Überweisungen.

1992 nahm das Unternehmen einen Kredit in der Höhe von über 1 Mio ATS auf, für den sich auf Grund des Wunsches des Bankinstituts alle Gesellschafter verbürgen mussten. Der Kredit wurde bis 1997 regelmäßig bedient. Der Kläger und ein weiterer Mitarbeiter erhielten seit Dezember 1997 keine Lohnzahlungen von der GmbH mehr; bei anderen Mitarbeitern war dies ab März bzw April 1998 der Fall. Seit 1997 erhielt der Kläger auch die von ihm verrechneten Diäten nicht mehr ausbezahlt. Im November oder Dezember 1997 wurde auf Grund der schwierigen finanziellen Lage mit Gesellschafterbeschluss vereinbart, dass die ausständigen Gehälter mit den nicht zur Gänze einbezahlten Stammeinlagen gegenverrechnet werden. Die Ehegattin des Klägers brachte wegen der finanziellen Schwierigkeiten am 29. 10. 1997 S 270.000 und am 5. 11. 1997 S 110.000 aus Privatmitteln als Darlehen in das Unternehmen ein. Dies war dem Kläger bekannt; die finanzielle Situation wurde im Familienkreis ständig besprochen.

Am 19. 6. 1998 trat der Kläger mit den anderen Arbeitnehmern des Betriebes wegen Entgeltvorenthaltung nach Setzen einer Nachfrist aus dem Dienstverhältnis aus. Am 14. 8. 1998 wurde über das Vermögen der GesmbH das Konkursverfahren eröffnet.

Nachdem die Beklagte den Antrag des Klägers auf Gewährung von Insolvenz-Ausfallgeld mit Bescheid vom 6. 9. 1999 zur Gänze abgelehnt hatte, begehrte der Kläger mit seiner am 23. 9. 1999 beim Erstgericht eingebrachten Klage für beendigungsabhängige Ansprüche (Urlaubsentschädigung für 64 Werktage, Kündigungsentschädigung vom 20. 6. 1998 bis 31. 12. 1998, gesetzliche Abfertigung) zuletzt ATS 600.360,50 netto. Er sei Dienstnehmer gewesen und habe infolge seiner Dienstnehmereigenschaft keinen Einfluss auf die Unternehmensführung gehabt. Die Überschuldung bzw Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens sei frühestens mit Beginn Mai 1998 eingetreten, sodass der Kläger rechtzeitig seinen Austritt erklärt habe. Ein Eigenkapitalersatz sei jedenfalls hinsichtlich der Beendigungsansprüche auszuschließen. Diese Ansprüche wären umfangmäßig gleich hoch gewesen, wenn der Kläger bereits im Jänner 1998 ausgetreten wäre. Die Höhe der begehrten Abfertigung ergebe sich aus den vertraglich angerechneten Vordienstzeiten von 10 Jahren zuzüglich der Zeiten reiner Angestelltentätigkeit im Betrieb des insolvent gewordenen Arbeitgebers.

Die Beklagte wendete dagegen ein, das "Stehenlassen" von sieben Gehältern eines Minderheitsgesellschafters über die ihm zustehende Überlegungsfrist von 60 Tagen (§ 69 KO) sei als Eigenkapital ersetzendes Gesellschafterdarlehen zu qualifizieren. Der Kläger habe durch das lange Zuwarten mit seinem Austritt nicht nur seine Gehaltsansprüche, sondern auch seine Beendigungsansprüche verwirkt. Die Arbeitnehmereigenschaft des Klägers werde bestritten. Vordienstzeiten könnten schon deswegen nicht angerechnet werden, weil sie nicht unmittelbar vor Beginn des Arbeitsverhältnisses bei der GmbH gelegen seien.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren - bei rechtskräftiger Teilabweisung von ATS 21.144,50 - mit dem Betrag von ATS 579.216 netto sA statt. Nach Neufassung des Dienstvertrags vom 3. 6. 1991 sei der Kläger als Arbeitnehmer anzusehen. Da der Kläger lediglich beendigungsabhängige Ansprüche geltend mache, stelle sich die Frage nicht, ob das "Stehenlassen" der Gehälter und Diäten als Eigenkapital ersetzendes Darlehen anzusehen sei. Der Abfertigungsanspruch entstehe zwar erst mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, die Anwartschaftsrechte würden aber schon im Laufe des Arbeitsverhältnisses erworben. Wäre der Kläger bereits im November oder Dezember 1997 ausgetreten, hätte sich die Höhe der begehrten Abfertigung nicht geändert. Gleiches gelte für Urlaubs- und Kündigungsentschädigung. Die Abfertigung gebühre allein auf der Basis der Dienstzeit beim insolventen Unternehmen ohne Organmitgliedschaft, somit ab 3. 6. 1991 zuzüglich der dienstvertraglich angerechneten 10 Jahre Vordienstzeiten. Dass nur unmittelbar vorangegangene Vordienstzeiten anrechenbar seien, sei dem Gesetz nicht zu entnehmen. Der Kläger habe die ihm angerechneten Zeiten auch tatsächlich zurückgelegt, sodass von einer Dienstzeit von 17 Jahren auszugehen sei. Die Abfertigung stehe in der Höhe von sechs Monatsentgelten unter Beachtung der Begrenzung des § 1 Abs 4a IESG zu.

Das Gericht zweiter Instanz gab der dagegen erhobenen Berufung der Beklagten nicht Folge und sprach aus, dass die Revision nicht nach § 46 Abs 1 ASGG zulässig sei. Seit der Neufassung des Dienstvertrages zum 3. 6. 1991 sei auch unter Berücksichtigung eines sogenannten "Fremdvergleichs" kein Hinweis auf eine atypische Gestaltung des Arbeitsverhältnisses des Klägers erkennbar. Wie sich aus § 3a IESG entnehmen lasse, führe das Zuwarten durch mehr als sechs Monate grundsätzlich nur zum Verlust der Sicherung für das davor liegende laufende Entgelt, nicht aber zum grundsätzlichen Entfall aller nach dem IESG gesicherten Ansprüche.

Die dagegen erhobene Revision ist zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof hat in dem ebenfalls einen Gesellschafter-Arbeitnehmer betreffenden Verfahren 8 ObS 249/00a mit Beschluss vom 26. April 2001, dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften gemäß Art 234 EG folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

"1. Widerspricht es den Zielen der Richtlinie 80/987/EWG des Rates vom 20. Oktober 1980 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers, wenn ein Gesellschafter ohne beherrschenden Einfluss auf die Gesellschaft unter Berücksichtigung der auch von der österreichischen Rechtsprechung angewandten Grundsätze über das Eigenkapital ersetzende Darlehen seinen Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld dann verliert, wenn er als Arbeitnehmer der Gesellschaft nach Eintritt deren ihm erkennbarer Kreditunwürdigkeit nicht mehr bezahltes laufendes Arbeitsentgelt durch mehr als 60 Tage nicht ernsthaft einfordert und/oder wegen Vorenthaltens des Entgelts nicht vorzeitig austritt?

2. Umfasst dieser Anspruchsverlust alle unberichtigten Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis oder nur solche, die nach jenem fiktiven Zeitpunkt entstanden sind, zu welchem ein unbeteiligter Arbeitnehmer wegen Vorenthaltens des Lohnes den Austritt aus dem Arbeitsverhältnis erklärt hätte?"

Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hat mit seinem Urteil vom 11. September 2003 diese Fragen wie folgt beantwortet:

"1. Es verstößt gegen die Richtlinie 80/987/EWG des Rates vom 20. Oktober 1980 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers in der durch die Akte über die Bedingungen des Beitritts der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden und die Anpassung der die Europäische Union begründenden Verträge geänderten Fassung, dass ein Arbeitnehmer, der an der Gesellschaft mit beschränkter Haftung, bei der er angestellt ist, eine erhebliche Beteiligung hält, ohne jedoch über einen beherrschenden Einfluss auf diese Gesellschaft zu verfügen, aufgrund der österreichischen Rechtsprechung zu Eigenkapital ersetzenden Gesellschafterdarlehen seinen Garantieanspruch für unter Art 4 Abs 2 der Richtlinie fallende wegen Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers nicht erfüllte Ansprüche auf Arbeitsentgelt verliert, wenn er nach Eintritt der ihm erkennbaren Kreditunwürdigkeit der Gesellschaft das ihm zustehende laufende Arbeitsentgelt während mehr als 60 Tagen nicht ernsthaft einfordert.

2. Ein Mitgliedstaat darf grundsätzlich zur Vermeidung von Missbräuchen Maßnahmen ergreifen, durch die einem solchen Arbeitnehmer ein Garantieanspruch für Entgeltforderungen versagt wird, die nach dem Zeitpunkt entstanden sind, zu dem ein Arbeitnehmer, der nicht die Stellung eines Gesellschafters hat, wegen Vorenthaltens des Entgelts aus dem Arbeitsverhältnis ausgetreten wäre, sofern nicht nachgewiesen ist, dass kein missbräuchliches Verhalten vorliegt. Im Rahmen der Garantie für unter Art 4 Abs 2 der geänderten Richtlinie 80/987 fallende Ansprüche darf ein Mitgliedstaat nicht unterstellen, dass ein Arbeitnehmer, der nicht die Stellung eines Gesellschafters hat, in der Regel aus diesem Grund aus dem Arbeitsverhältnis ausgetreten wäre, bevor die nicht erfüllten Entgeltsansprüche einen Zeitraum von drei Monaten betreffen."

Begründend führte der Gerichtshof unter anderem aus, die Richtlinie 80/987 stehe nach ihrem Art 10 Buchstabe a nicht der Befugnis der Mitgliedstaaten entgegen, die zur Vermeidung von Missbräuchen notwendigen Maßnahmen zu treffen. Diese Bestimmung gestatte auch Maßnahmen, die von dem in Art 4 der Richtlinie vorgesehenen Mindestschutz abweichen (Rz 36). Nach Wiedergabe der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zum Eigenkapital ersetzenden Gesellschafterdarlehen stellte der Gerichtshof fest: Das Verhalten eines Gesellschafter-Arbeitnehmers, der unter solchen Umständen Insolvenz-Ausfallgeld für seine Forderungen beantrage, könne nicht als missbräuchliche Verhaltensweise zu Lasten einer Garantieeinrichtung angesehen werden. Der Betroffene habe nämlich die Voraussetzungen für die Gewährung von Insolvenz-Ausfallgeld nicht ohne sachlichen Grund herbeigeführt. Er habe lediglich wie ein gewöhnlicher Arbeitnehmer gehandelt, der mangels Aussicht auf Erfolg davon absieht, eine Forderung gegen einen offenbar zahlungsunfähigen Arbeitgeber geltend zu machen (Rz 44). Allerdings könne die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über den Zeitpunkt hinaus, zu dem der Arbeitnehmer die finanzielle Krise der Gesellschaft erkennen konnte, eine missbräuchliche Verhaltensweise zu Lasten von Garantieeinrichtungen darstellen, wenn ohne sachlichen Grund die Voraussetzungen für die Gewährung des Schutzes herbeigeführt werden, den die Richtlinie 80/987 für die Opfer der Zahlungsunfähigkeit eines Arbeitgebers vorsehe (Rz 46). Die bloße Tatsache, dass ein Gesellschafter-Arbeitnehmer sein Arbeitsverhältnis über den Zeitpunkt hinaus fortsetze, zu dem ein Arbeitnehmer, der nicht die Stellung eines Gesellschafters hat, in derselben Lage wegen Vorenthaltens des Entgelts aus dem Arbeitsverhältnis ausgetreten wäre, sei ein Indiz für missbräuchliche Absichten (Rz 47). Deshalb seien Maßnahmen eines Mitgliedstaats, die die Vermeidung von Missbräuchen bezwecken und darin bestehen, dem Gesellschafter-Arbeitnehmer ein Recht auf Garantie für nach diesem Zeitpunkt entstandene nicht erfüllte Entgeltsansprüche zu versagen, als Maßnahme zur Vermeidung von Missbräuchen im Sinne von Art 10 Buchstabe a der Richtlinie 80/987 anzusehen (Rz 48). Es lasse jedoch der Umstand, dass ein Gesellschafter-Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis über den Zeitpunkt hinaus fortgesetzt habe, zu dem ein Arbeitnehmer, der nicht die Stellung eines Gesellschafters hat, wegen Vorenthaltens des Entgelts aus dem Arbeitsverhältnis ausgetreten wäre, nicht zwangsläufig auf einen Missbrauch schließen (Rz 49). Außerdem ergebe sich aus Art 4 Abs 2 erster und zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 80/987 , dass der Gemeinschaftsgesetzgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer nicht als ungewöhnlich angesehen hat, wenn das unbezahlte Arbeitsentgelt einen Zeitraum von weniger als drei Monaten betreffe. Es wäre daher mit dem Zweck der Richtlinie 80/987 nicht zu vereinbaren, zu unterstellen, dass ein Arbeitnehmer, der nicht die Stellung eines Gesellschafters hat, in der Regel vor Ablauf dieser Frist wegen Vorenthaltung des Entgelts aus dem Arbeitsverhältnis ausgetreten wäre (Rz 50).

Nach diesem Erkenntnis können somit die im Vorlagebeschluss 8 ObS 249/00a im Einzelnen dargestellten Überlegungen zur Qualifikation nicht eingeforderter Entgeltansprüche des Gesellschafter-Arbeitnehmers als Eigenkapital ersetzende Darlehen für den Bereich des IESG aus europarechtlicher Sicht nicht aufrecht erhalten werden. Während der Gesellschafter-Arbeitnehmer nach der österreichischen Rechtslage seine durch längere Zeit unberichtigten Gehaltsansprüche wegen der Qualifikation als Eigenkapitalersatz etwa im Konkurs seines Arbeitgebers nicht durchsetzen könnte (vgl 9 ObA 53/00k = ZIK 2000, 138 = RdW 2000, 537 = DRdA 2000, 423) und auch ein Rückgriffsanspruch des Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds gemäß § 11 IESG gegen die Konkursmasse des ehemaligen Arbeitgebers in diesem Umfang nicht gegeben wäre (8 ObS 249/00a), sind die Ansprüche aus europarechtlicher Sicht im vom EuGH beschriebenen Umfang gesichert, obwohl ein sonst nach nationalem Recht gegebener Anspruch nicht besteht.

Dass das "Stehenlassen" von Entgelt durch rund sieben Monate in Anbetracht der 25 %-igen Beteiligung des Klägers an der GmbH eigenkapitalersetzenden Charakter hat, kann nach der im Anfragebeschluss 8 ObS 249/00a ausführlich dargestellten nationalen Rechtsprechung nicht zweifelhaft sein. Der Kläger bestreitet dies auch nicht ausdrücklich, vermeint aber, diese rechtliche Qualifikation treffe jedenfalls auf - von ihm allein geltend gemachte -beendigungsabhängige Ansprüche nicht zu, weil diese auch bei einem fiktiv anzunehmenden früheren Ende des Arbeitsverhältnisses in gleicher Höhe entstanden wären. Er übersieht damit - ebenso wie die Vorinstanzen -, dass die zum Eigenkapital ersetzenden Darlehen eines Gesellschafters auf nationaler Ebene entwickelten Grundsätze auch auf beendigungsabhängige Ansprüche anzuwenden sind und eine Trennung von Ansprüchen des Klägers aus einem einheitlichen Beschäftigungsverhältnis in einen Anteil, in dem er als Gesellschafter durch Stehenlassen von Entgeltforderungen ein Eigenkapital ersetzendes Gesellschafterdarlehen der insolventen Arbeitgeberin gewährte und in einen Teil, in dem er als Arbeitnehmer hinsichtlich eines einem "Fremdvergleich" standhaltenden Verhaltens seinen fingierten Austritt erklärt hätte, unzulässig ist (8 ObS 4/00x; 8 ObS 5/00v; DRdA 2000, 535 je mwH). Dies schon deshalb, weil der Kläger durch sein Verhalten in Wahrheit seiner Arbeitgeberin nicht nur das laufende Entgelt, sondern auch die beendigungsabhängigen Ansprüche kreditiert hat. Wäre der Kläger nämlich innerhalb des vom EuGH als angemessen erachteten Zeitraumes von drei Monaten ausgetreten, hätte die Gesellschaft mbH. auch diese Ansprüche befriedigen müssen (8 ObS 5/00v).

Insoweit der Kläger die Finanzierungsabsicht bestreitet und vermeint, es mangle an Feststellungen zur Kreditunwürdigkeit und deren Kenntnis durch den Kläger, ist ihm zu erwidern, dass der Tatbestand der Kreditunwürdigkeit und damit der eigenkapitalersetzende Charakter zum Zeitpunkt der Kreditvergabe objektiv zu beurteilen ist. Der mit den Eigenkapitalersatzregeln bezweckte Gläubigerschutz würde unterlaufen, wollte man eine Umqualifizierung des Darlehens in Eigenkapital nur dann vornehmen, wenn sich der Gesellschafter des Eigenkapitalcharakters des Darlehens bewusst war und ihm dieses Bewusstsein auch nachgewiesen werden kann. Es muss vielmehr genügen, dass der Gesellschafter den Eigenkapitalcharakter des Darlehens kennen musste (so auch die deutsche Lehre [für alle K. Schmidt in Scholz aaO Rz 40] und Rsp [BGHZ 75, 334 ff, 337; BGHZ 81, 311 ff, 314 f], die zum Teil sogar jedes subjektive Tatbestandsmerkmal für überflüssig halten). Gewährt ein Gesellschafter einer in Schwierigkeiten befindlichen GmbH ein Darlehen und verschleppt er dadurch die Liquidation der Gesellschaft, so soll er auch das Risiko tragen, wenn die Sanierung fehl schlägt. Hat er sich über die wirtschaftliche Situation der Gesellschaft zum Zeitpunkt der Darlehensgewährung nicht hinreichend informiert, so soll dies nicht zu Lasten der Gesellschaftsgläubiger gehen (RIS-Justiz RS0105983).

Da die Frage, ob dem darlehensgewährenden Gesellschafter die Kreditunwürdigkeit der Gesellschaft zur Zeit der Darlehensgewährung bekannt sein musste, somit eine auf Grund der getroffenen Feststellungen zu lösende Frage der rechtlichen Beurteilung ist (8 ObS 2107/96b), kann der Oberste Gerichtshof diese Frage abschließend beurteilen, weil die getroffenen Feststellungen hiefür ausreichend sind. Für den zu ziehenden rechtlichen Schluss spricht insbesondere, dass dem Kläger die Darlehensgewährungen durch seine Gattin im Oktober und November 1997 bekannt waren und dass die schwierige finanzielle Situation des Unternehmens im Familienkreis ständig diskutiert wurde.

Es ist daher auch im Fall des Klägers davon auszugehen, dass seine hier geltend gemachten Ansprüche als eigenkapitalersetzend zu qualifizieren und daher nach nationalem Recht nicht gesichert sind.

Gemäß Art 3 Abs 1 der Richtlinie 80/987/EWG haben die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, damit vorbehaltlich des Art 4 Garantieeinrichtungen die Befriedigung der nicht erfüllten Ansprüche der Arbeitnehmer aus Arbeitsverträgen oder Arbeitsverhältnissen, die das Arbeitsentgelt für den vor einem bestimmten Zeitpunkt liegenden Zeitraum betreffen, sicherstellen. Dieser Zeitpunkt kann unter anderem gemäß Abs 2 erster Gedankenstrich des genannten Artikels jener des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers sein. Art 4 Abs 1 der Richtlinie räumt den Mitgliedstaaten die Möglichkeit ein, die in Art 3 vorgesehene Zahlungspflicht der Garantieeinrichtungen zu begrenzen. Machen die Mitgliedstaaten von dieser Möglichkeit Gebrauch, so müssen sie gemäß Abs 2 erster Gedankenstrich des genannten Artikels sicherstellen, dass im Fall des Art 3 Abs 2 erster Gedankenstrich die Befriedigung der das Arbeitsentgelt betreffenden nicht erfüllten Ansprüche für die drei letzten Monate des Arbeitsvertrags oder des Arbeitsverhältnisses, die innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten vor dem Zeitpunkt des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers liegen, erfolgt.

Gemäß § 3a Abs 1 IESG in der hier noch anzuwendenden Fassung BGBl 107/1997 (§ 17a Abs 11 IESG) gebührt Insolvenz-Ausfallgeld für das dem Arbeitnehmer für die regelmäßige Arbeitsleistung in der Normalarbeitszeit gebührende Entgelt einschließlich der gebührenden Sonderzahlungen, das vor mehr als sechs Monaten vor dem Stichtag (§ 3 Abs 1) fällig geworden ist, nur dann, wenn dieses bis zum Stichtag im Verfahren in Arbeitsrechtssachen nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz zulässigerweise geltend gemacht wurde und das diesbezügliche Verfahren gehörig fortgesetzt wird. Aus § 3 Abs 1 IESG ergibt sich als Stichtag der Zeitpunkt der Eröffnung des Konkurses oder eines anderen Insolvenzverfahrens bzw eines Beschlusses nach § 1 Abs 1 Z 3 bis 6 IESG.

Zu § 3a Abs 1 IESG judiziert der erkennende Senat, dass bei "durchschnittlichen" Arbeitnehmern, die in keiner besonderen Nahebeziehung zum Arbeitgeber stehen, der Schluss, der Arbeitnehmer habe durch "Stehenlassen" des Entgelts eine unzulässige Verlagerung des Finanzierungsrisikos auf den Fonds zumindest in Kauf genommen, üblicherweise nur aus deutlich über sechs Monaten liegenden Entgeltrückständen gezogen werden könne (8 ObS 206/00b; 8 ObS 39/01w). Es muss hier nicht weiter untersucht werden, ob durch das Urteil des EuGH der Gesellschafter-Arbeitnehmer tatsächlich in allen Belangen einem "durchschnittlichen" Arbeitnehmer gleichgesetzt wurde, weil - wie bereits dargestellt - der Anspruch des Klägers ausschließlich im Europarecht gründet, sodass es bei der durch die Richtlinie vorgegebenen Mindestsicherung zu bleiben hat.

Während sowohl Art 4 Abs 2 erster Gedankenstrich der Richtlinie als auch § 3a Abs 1 IESG den Sicherungszeitraum vom Stichtag zurückrechnen, ist nach dem Urteil des EuGH die Sicherung bis zu jenem Zeitpunkt zu gewähren, bis zu welchem ein Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis ausgetreten wäre, welcher zumindest drei Monate nach dem Zeitpunkt der letzten Entgeltgewährung anzunehmen ist. Daraus ergibt sich, dass auch die Mindestsicherung grundsätzlich nur dann zusteht, wenn dieser Zeitraum von drei Monaten innerhalb sechs Monaten rückgerechnet vom Stichtag liegt.

Gemäß Artikel 2 Abs 2 der Richtlinie obliegt die Bestimmung des Begriffes Arbeitsentgelt und die Festlegung seines Inhalts dem nationalen Recht (EuGH Slg 2002, 11915). Dieser Rückgriff auf das nationale Recht zur Bestimmung des Umfangs des Arbeitsentgelts kann allerdings, weil der Kläger - wie bereits mehrfach dargestellt - nur Ansprüche nach dem Inhalt der Richtlinie hat, nicht weiter gehen, als die Richtlinie Sicherung gewährt. Es ist unstrittig, dass bislang die Richtlinie 80/987/EWG - anders als zukünftig die Richtlinie 2002/74/EG vom 23. 9. 2002, die bis Oktober 2005 umzusetzen ist, - beendigungsabhängige Ansprüche, wie die Abfertigung, nicht garantiert hat (Graf, Die Änderung der RL 80/987/EWG zum Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers, ZIK 2003/58; Liebeg, Neue gemeinschaftsrechtliche Vorgaben für den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers, WBl 2003,157). Auch wenn der EUGH die Abfertigung unter dem Blickwinkel des Art 141 EGV als Entgelt ansieht (EuGH RS C-249/97; Friedrich, Halbe Abfertigung für Mütter gemäß § 23a Abs 3 AngG, ASoK 1999,312), vermag das nichts daran zu ändern, dass nach dem Wortlaut des Art 4 Abs 2, erster Gedankenstrich der Richtlinie nur die Befriedigung der das Arbeitsentgelt betreffenden nichterfüllten Ansprüche für die drei letzten Monate des Arbeitsvertrags oder des Arbeitsverhältnisses sicherzustellen ist. Da der Anspruch auf Abfertigung nach nationalem Recht erst mit der rechtlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses erworben wird (ArbSlg 10.407; Martinek/M. Schwarz/W. Schwarz, AngG, § 23, Anm 3), fällt er nicht unter die "nichterfüllten Ansprüche für die drei letzten Monate". Dies gilt ebenso für die geltend gemachten Ansprüche auf Urlaubsentschädigung (vgl 8 ObS 6/96) und Kündigungsentschädigung.

Punkt 2. der Anfragebeantwortung räumt den Mitgliedstaaten zwar die Möglichkeit ein, dem Gesellschafter-Arbeitnehmer den Garantieanspruch zu versagen, wenn er es länger als drei Monate hinnimmt, dass seine Entgeltansprüche nicht erfüllt werden, fügt jedoch an, "sofern nicht nachgewiesen ist, dass kein missbräuchliches Verhalten vorliegt." Die Besonderheit des hier zu beurteilenden Falles besteht allerdings darin, dass - wie bereits dargestellt - Ansprüche des Gesellschafter-Arbeitnehmers gegen seinen in Konkurs verfallenen Arbeitgeber nach nationalem Recht gar nicht bestehen, sodass auch ein im Allgemeinen wegen der Besonderheit des Verfahrens gar nicht zu erbringender (vgl 8 ObS 206/00b) Nachweis, dass missbräuchliches Verhalten nicht vorliege, nach nationalem Recht zu keinem weitergehenden Anspruch führen könnte. Es hat daher bei der sich aus der Richtlinie ergebenden Mindestsicherung zu verbleiben, die aber - wie dargestellt - die hier strittigen Ansprüche nicht umfasst.

Der Revision ist Folge zu geben. Das Klagebegehren ist zur Gänze abzuweisen. An die Stelle des ursprünglich beklagten Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen trat gemäß § 17a Abs 29 IESG mit 1. 8. 2001 ex lege die Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds GmbH, welcher Umstand im Kopf dieser Entscheidung entsprechend zu berücksichtigen war.

Ein Kostenzuspruch an den Kläger hatte nicht zu erfolgen, weil Gründe im Sinne des § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG nicht vorgebracht wurden und auch sonst nicht ersichtlich sind.

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