OGH 2Ob311/03d

OGH2Ob311/03d15.1.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. Ernst B*****, vertreten durch Mag. Klaus Michael Fürlinger, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei E*****-GmbH, *****, vertreten durch Saxinger Chalupsky Weber & Partner Rechtsanwälte GmbH in Linz und des Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei Dr. Stephan Riel, Rechtsanwalt in Wien, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des O***** GmbH, *****, wegen EUR 8.000 sA infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 24. September 2003, GZ 1 R 98/03t-53, womit das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 8. April 2003, GZ 1 Cg 237/00v-47, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

Die Revisionsbeantwortung der beklagten Partei wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

Der Kläger trägt seit 1991 eine Beinprothese links. Im Oktober 1999 wurde erstmals ein hydraulisch-pneumatisches Kniegelenk der T***** Prosthetic und Orthopaedic Inc., Südkorea eingesetzt. Importeur dieses Kniegelenks war die Beklagte; der Einbau in die Prothese erfolgte durch die Nebenintervenientin, über deren Vermögen am 2. 5. 2002 der Konkurs eröffnet wurde.

Der Kläger kam am 22. 10. 1999 zu Sturz, als das Prothesengelenk plötzlich einknickte.

Auslöser des Sturzes war eine unsachgemäße Verstellung einer Stellschraube durch "extremes" Anziehen. Der Gelenkteil war ansonsten mängelfrei.

Nicht festgestellt werden konnte, wer diese Einstellung vorgenommen hatte. In der Regel wird der Aufbau der Prothese von einem Orthopädietechniker vorgenommen; hier muss "durch regelrechtes Kurbeln" eine Extremsituation geschaffen worden sei, weshalb es zum Herausfallen des Gummipuffers kommen konnte. Zum Grundwissen eines Erthopädietrechnikers gehört auch die Kenntnis, dass die Verstellung der Einstellschraube nur soweit erfolgen darf, als die Schraube leichtgängig ist, die Aufbaulinie eingehalten wird und ein sicherer Stand bzw sicheres Gehen gewährleistet ist. Über diese Grundkenntnis muss ein Orthopädietechniker auch ohne Produktbeschreibung verfügen. Die Produktbeschreibung zum Kniegelenk war nur in englischer Sprache beigelegt.

Der Kläger begehrt zuletzt Zahlung von EUR 8.000 an Schmerzengeld, Ersatz für seelische Alteration und Spesen. Das Kniegelenk sei von der Nebenintervenientin eingebaut worden, wobei die ursprüngliche Werkseinstellung nicht verändert worden sei. Im Kniegelenk sei ein unpassender und defekter Gummipuffer eingebaut gewesen, der sich verkeilt und dazu geführt habe, dass sich das Kniegelenk nicht gestreckt habe und eingeknickt sei. Die Beklagte habe auch einen Darbietungsfehler zu verantworten, weil die Produktbeschreibung nur in englischer Sprache beiliege und gerade in einem so spezifischen Bereich wie der Medizintechnik die Beschreibung in englischer Sprache nicht ausreiche. In der Beschreibung werde nicht ausreichend hingewiesen, dass die Anschlagdämpfung nicht zur Einstellung oder Korrektur einer Fehlstellung der Prothese verwendet werden dürfe. Es handle sich dabei auch um einen Verstoß gegen die §§ 8, 9 Medizinproduktegesetz, das auch ein Schutzgesetz darstelle. Den von der Beklagten vorgelegten Urkunden sei kein Warnhinweis zu entnehmen, mit dem auf die Folgen der Verstellung der entsprechenden Schraube des Kniegelenks hingewiesen werde. Der Kläger habe jedenfalls einen derartigen Hinweis nicht enthalten; er selbst habe keinerlei Manipulationen am Kniegelenk vorgenommen.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Das von ihr der Nebenintervenientin zum Einbau in eine Prothese gelieferte Gelenk sei mängelfrei gewesen. Unfallursache sei der Versuch der Nebenintervenientin gewesen, eine Überstreckung des Kniegelenks durch eine Änderung desselben zu korrigieren. Es liege im Erfahrungsbereich der in Betracht kommenden Anwender, dass Schrauben nicht beliebig verändert werden könnten.

Das Erstgericht hat das Klagebegehren abgewiesen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Zur Begründung seines Zulassungsauspruches führte das Berufungsgericht aus, es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu einem vergleichbaren Sachverhalt mit den Problemen des Umfanges der Instruktionspflicht des Teileherstellers sowie der Behauptungs- und Beweislast des Klägers.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichtes sind die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO für die Zulässigkeit der Revision nicht gegeben.

Wie der Oberste Gerichtshof zur Frage der Instruktionspflicht bzw eines Instruktionsfehlers wiederholt ausgesprochen hat, macht eine unzureichende Darbietung das Produkt fehlerhaft im Sinne des § 5 PHG. Zur Instruktionspflicht des Herstellers gehört es daher, den Benützer auf gefährliche Eigenschaften des Produktes hinzuweisen (SZ 65/149; RIS-Justiz RS0071549 uva). Die Pflicht zur Warnung vor gefährlichen Eigenschaften des Produkts besteht aber nur bei einem Schutzbedürfnis des Verbrauchers. Ein solches ist nur dann gegeben, wenn der Hersteller/Importeur damit rechnen muss, dass ein Produkt in die Hände von Personen gerät, die mit den Produktgefahren nicht vertraut sind. Beurteilungsmaßstab ist dabei der Idealtypus des durchschnittlichen Produktbenützers (7 Ob 245/02h mwN). Inhalt und Umfang der Instruktionen sind nach der am wenigsten informierten und damit gefährdetsten Benützergruppe auszurichten; was im Erfahrungswissen eines solchen potentiellen Abnehmers liegt, muss nicht zum Inhalt einer Warnung gemacht werden (RS0071543mwN). Ausdrücklich ausgesprochen wurde bereits, dass eine fehlende Montageanleitung dann nicht haftungsbegründend ist, wenn der Hersteller (Importeur) damit rechnen kann, dass das Gerät durch einen Fachmann montiert wird (SZ 67/105).

Mit diesen Grundsätzen steht die Entscheidung des Berufungsgerichtes im Einklang.

Nach den Feststellungen war das importierte Kniegelenk selbst mängelfrei. Die Beklagte konnte damit rechnen, dass das Gelenk von einem Fachmann in eine Fußprothese eingebaut wird, was der Fall war. Sie konnte aber nicht damit rechnen, dass der Einbau durch einen Fachmann selbst unsachgemäß erfolgte und eine Stellschraube entgegen dem allgemein bekannten Grundwissen der damit befassten Fachleute "extrem" angezogen wird, weshalb es zum Herausfallen eine Gummipuffers kommen konnte. Daher schadet es nicht, dass die Produktbeschreibung nur in englischer Sprache abgefasst war. Da letztlich der Kläger selbst eine Manipulation am (in der Prothese eingebauten) Kniegelenk bestreitet, ist es ebenfalls nicht von Bedeutung, ob er selbst eine Montageanleitung oder Produktbeschreibung erhalten hat. Die Beklagte musste weiters nicht damit rechnen, dass ein Prothesenbenützer selbst Manipulationen an einem eingebauten Teil vornimmt, weshalb auch eine ausdrückliche Instruktion des Endverbrauchers entfallen konnte.

Letztlich kann die Frage, ob Produktinstruktionen erforderlich sind, nur nach der Kasuistik des Einzelfalles beurteilt werden. Auf Grund dieser Einzelfallbezogenheit läge ein Grund, die Revision zuzulassen, nur dann vor, wenn dem Berufungsgericht eine Fehlbeurteilung unterlaufen wäre, die einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof erforderte (7 Ob 245/02h, ecolex 2001, 523 [Thaler] mwN). Dies ist hier nicht der Fall.

Ein Verfahrensmangel liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 dritter Satz ZPO).

Die Revisionsbeantwortung der Beklagten war zurückzuweisen. Sie wäre nach § 507a Abs 3 Z 3 ZPO beim Erstgericht einzubringen gewesen. Da sie aber beim Obersten Gerichtshof eingebracht wurde, ist für die Rechtzeitigkeit der Tag des Einlangens beim Erstgericht maßgebend. Dieser liegt nach dem Ablauf der der Beklagten für die Revisionsbeantwortung offenstehenden Frist, weshalb die Revisionbeantwortung als verspätet zurückzuweisen war (vgl JBl 1995, 376). Nach der Rechtsprechung werden nämlich die Tage des Postenlaufees eines befristeten Schriftsatzes nur dann für die Einhaltung der Frist außer Betracht gelassen, wenn die Postsendung an das zuständige Gericht adressiert war (SZ 52/155). Andernfalls ist die Frist nur dann gewahrt, wenn der Schriftsatz innerhalb der Frist dem zuständigen Gericht zugekommen ist (RZ 1990/109).

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