OGH 3Nc36/03d

OGH3Nc36/03d17.12.2003

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Dr. Sailer, Dr. Fellinger und Dr. Jensik als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Florian R*****, und Lisa Maria R*****, beide vertreten durch Dr. Werner Zaufal, Rechtsanwalt in Wien, GZ 1 P 127/02x des Bezirksgerichts Zell am Ziller, infolge Vorlage zur Genehmigung der Übertragung gemäß § 111 JN an das Bezirksgericht Purkersdorf, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Akten werden dem Bezirksgericht Zell am Ziller zurückgestellt.

Text

Begründung

Gegen den Beschluss des Pflegschaftsgerichtes, mit dem es einen Antrag auf Übertragung der Zuständigkeit ablehnt oder mit dem es seine Zuständigkeit auf (einseitigen) Antrag oder von Amts wegen gemäß § 111 JN einem anderen Gericht überträgt, steht den Parteien

ein Rechtsmittelrecht zu (SZ 42/86 = EvBl 1969/410; RZ 1980/49 = ÖA

1981, 56; 1 Nd 507/85 = EFSlg 52.585; 3 Nd 517/99 ua). Die Zustellung

an die Beteiligten stellt also keinen "reinen Formalakt" dar, sondern ist Voraussetzung der Wirksamkeit der Übertragung gegenüber den Parteien. Der Übertragungsbeschluss ist allerdings nach § 111 Abs 2 JN erst dann wirksam, wenn das andere Gericht die Zuständigkeit (oder die übertragenen Geschäfte) übernimmt. Bis dahin bleibt es also in Schwebe, ob überhaupt ein Zuständigkeitswechsel eintritt (9 Ob 115/99y = EFSlg 90.788; 8 Nc 15/03b). Daraus wird von der Rsp und der Lehre abgeleitet, dass es bis dahin auch keinen Rekurs dagegen und keine Rekursentscheidung darüber geben könne (6 Nd 510/94 = EFSlg 76.010; 8 Nc 15/03b; Mayr in Rechberger² § 111 JN Rz 6). Dieses Hindernis ist hier nicht mehr gegeben, weil das andere Gericht sich geweigert hat, die Zuständigkeit zu übernehmen. Dieses Gericht hat, ohne dass die beiden Beschlüsse auf Übertragung der Zuständigkeit und auf Weigerung der Annahme der Zuständigkeit bisher den Parteien zugestellt wurden, den Akt dem Obersten Gerichtshof als gemeinsam übergeordnetem Gericht zur Entscheidung gemäß § 111 Abs 2 JN vorgelegt.

Rechtliche Beurteilung

Diese Vorlage ist aus folgenden Gründen verfrüht:

In der E 10 Nd 509/01 wurde zwar ausgesprochen, dass zumindest dann, wenn die Voraussetzungen für die Genehmigung der Übertragung der Zuständigkeit nicht gegeben sind, kein Hindernis bestehe, eine Entscheidung schon vor Zustellung und Rechtskraft des Übertragungsbeschlusses zu treffen. In der E 8 Nc 15/03b wurde generell die ggt Rsp (RIS-Justiz RS0047067), dass ohne rechtskräftigen Übertragungsbeschluss nach § 111 Abs 1 JN eine E des Obersten Gerichtshofs nach § 111 Abs 2 JN nicht in Betracht komme, nicht aufrecht erhalten.

Nach Ansicht des erkennenden Senat ist aber - jedenfalls für den Fall, dass das für die Entscheidung über einen Rekurs gegen den Übertragungsbeschluss zuständige Gericht nicht mit dem zur Genehmigung nach § 111 Abs 2 JN berufenen identisch ist - daran festzuhalten, dass eine Entscheidung nach § 111 Abs 2 JN die Rechtskraft des Übertragungsbeschlusses voraussetzt (für die Anfechtbarkeit einer amtswegigen Übertragung auch Fucik in Fasching² I § 111 Rz 8). Sonst würde nämlich uU eine Verschiebung der funktionellen Zuständigkeit eintreten, weil mangels Bestätigung des Übertragungsbeschlusses durch das Rekursgericht gar keine Grundlage für die Genehmigung einer Zuständigkeitsübertragung durch den Obersten Gerichtshof bestünde. Rein prozessökonomische Erwägungen (vgl Mayr in Rechberger² § 111 JN Rz 6) können den Rechtsmittelausschluss und damit die Verschiebung der Entscheidung auf ein anderes (höheres) Gericht nicht rechtfertigen. Ebenso wenig kann die Auffassung gebilligt werden, es fehle den Parteien (die nicht selbst die Übertragung beantragten) bis zur Wirksamkeit der Übertragung die Beschwer. In Wahrheit bildet ja der anzufechtende Übertragungsbeschluss erst die Voraussetzung für eine Genehmigung der Übertragung durch das den beiden Gerichten zunächst übergeordnete gemeinsame höhere Gericht nach § 111 Abs 2 JN; ohne ihn ist eine Genehmigung der Übertragung undenkbar. Eine der Übertragung widersprechende Partei muss daher auch das Recht haben, den Übertragungsbeschluss mit Rekurs anzufechten (zum grunds. Rekursrecht s 9 Ob 115/99y ua En in RIS-Justiz RS0047109).

Daraus folgt für den vorliegenden Fall, dass eine Entscheidung nach § 111 Abs 2 JN durch den Obersten Gerichtshof noch nicht zu ergehen hat. Vielmehr ist der Akt dem übertragenden Gericht zurückzustellen, das den Übertragungsbeschluss den Parteien zuzustellen hat. Nur dann, wenn dieser Beschluss in Rechtskraft erwächst, wird es die Akten erneut vorzulegen haben.

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