Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs der beklagten Partei und Gegners der gefährdeten Partei wird gem. §§ 402 Abs 4, 78 EO, iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Der Antrag auf Zuspruch von Kosten der Revisionsbeantwortung wird gemäß § 508a Abs 2 letzter Satz ZPO abgewiesen.
Text
Begründung
Rechtliche Beurteilung
Das Rekursgericht, das dem Rekurs des Beklagten gegen die erstinstanzliche einstweilige Verfügung gemäß § 382b EO nicht Folge gab, hat ausgesprochen, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands nicht EUR 20.000,- übersteige und dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Zwar weist der Entscheidungsgegenstand, eine Regelung nach § 382b EO, auch geldwerte Aspekte auf, doch wird er im wesentlichen durch den nicht geldwerten Gehalt, der in der Änderung der Lebensgestaltung der betroffenen Familienangehörigen (hier: Eheleute) liegt, charakterisiert (SZ 71/118; 1 Ob 244/01s u.a.). Der Bewertungsausspruch ist daher als nicht beigesetzt anzusehen, weshalb ein Fall gemäß § 528 Abs 2 Z 1a ZPO, der ein Vorgehen gemäß § 508 ZPO erforderlich machte, nicht gegeben ist.
Mit der durch das Gewaltschutzgesetz, BGBl 1996/759, novellierten Regelung der einstweiligen Verfügung, mit der dem Gewalttäter das Verlassen der Wohnung aufgetragen wird, sollten ua die bis dahin zu strengen Voraussetzungen entschärft und die Durchsetzung erleichtert werden (RV, 252 BlgNR 20. GP 5; Hopf/Kathrein, Eherecht, § 382b EO Anm 1; Kodek in Angst, EO, § 382b Rz 7). Anders als nach § 382 Abs 1 Z 8 lit b EO setzen die Verfügungen gegen Gewalt in der Familie nicht voraus, dass der Täter dem nahen Angehörigen das Zusammenleben "unerträglich" macht (RV aaO 6; Hopf/Kathrein aaO Anm 3); es genügt bereits die Unzumutbarkeit. Die nähere Umschreibung des Verhaltens beruht auf einer Abwägung. Klar ist, dass ein effektiver physischer Angriff oder die Drohung mit einem solchen die Ausweisung des Antragsgegners aus der Wohnung rechtfertigt. Neben der physischen soll aber auch die psychische Integrität geschützt werden (Hopf/Kathrein aaO Anm 2; Zechner, Sicherungsexekution und Einstweilige Verfügung, § 382b EO Rz 3). Es soll deshalb auch ein sonstiges Verhalten ("Psychoterror") die Ausweisung ermöglichen, wenn es eine Schwere erreicht, die die strenge Maßnahme der einstweiligen Verfügung angemessen erscheinen lässt (RV aaO 8; Kodek aaO Rz 7).
Maßgeblich für die Beurteilung der Unzumutbarkeit eines weiteren Zusammenlebens nach § 382b EO sind Ausmaß, Häufigkeit und Intensität des die psychische Gesundheit beeinträchtigenden Verhaltens (vgl RIS-Justiz RS0110446). Der "Psychoterror" ist, weil die Zumutbarkeitsfrage entscheidet, nicht nach objektiven, sondern nach subjektiven Kriterien zu beurteilen (Konecny, Der Anwendungsbereich der einstweiligen Verfügung 226 f; Zechner aaO Rz 3). Von Bedeutung ist daher nicht ein Verhalten, das der Durchschnittsmensch als "Psychoterror" empfände, sondern die Wirkung eines bestimmten Verhaltens gerade auf die Psyche des Antragstellers (Zechner aaO Rz 3). Entscheidend sind dabei stets die Umstände des Einzelfalls (Hopf/Kathrein aaO Anm 4). Die mit dem Gewaltschutzgesetz angestrebte "Entschärfung" der Voraussetzungen für die Erlassung einer einstweiligen Verfügung legt es aber nahe, bei der Prüfung der Voraussetzung der Zumutbarkeit des weiteren Zusammenlebens zugunsten der Opfer von Gewalttätigkeiten im Familienkreis einen großzügigeren Maßstab anzulegen. Hat der Antragsteller eine erhebliche psychische Beeinträchtigung glaubhaft gemacht, so kann diese Verhaltensweise als Indiz für die Unzumutbarkeit des weiteren Zusammenlebens sprechen (Hopf/Kathrein aaO Anm 4; 9 Ob 286/01a).
Die Frage, ob ein bestimmtes Verhalten einer Person den an sie gerichteten Auftrag zum Verlassen der Wohnung gemäß § 382b EO rechtfertigt, stellt grundsätzlich keine Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO dar (9 Ob 37/01h; 6 Ob 311/02g). Eine zur Korrektur Anlass gebende grobe Fehlbeurteilung des hier als bescheinigt angenommenen Sachverhaltes durch die Vorinstanzen ist nicht erkennbar:
Nach den erstinstanzlichen Feststellungen ist die Klägerin in dem vom Erstgericht näher beschriebenen Umfang psychisch angegriffen, was nach Ansicht des behandelnden Arztes auf die Ehesituation zurückzuführen ist. Der Beklagte verfasst zahlreiche Schreiben, die er auch im Wohnhaus der Klägerin öffentlich aushängt, in denen er der Klägerin etwa damit droht, dass er sie "solange hin - und herziehen kann (und zwar nur auf dem Rechtsweg)", dass ihr und ihrer Tochter "nur noch eine leere Wohnung bleibt". Vergegenwärtigt man sich, dass der Beklagte erst nach der Heirat am 6. 9. 2002 in diese Wohnung der Klägerin einzog und dort nur rund drei Monate wohnte, ist die Annahme, die Klägerin fühle sich durch solche Äußerungen sowie das weiters festgestellte Verhalten des Beklagten existentiell bedroht, nicht von der Hand zu weisen. Der Beklagte versuchte mehrmals täglich in die Wohnung der Klägerin zu gelangen und hat zwei bis drei Mal in einem Abstellraum neben der Wohnungstür genächtigt. Schließlich hat er am 23. 6. 2003 die Wohnungstür durch einen Schlosser aufsperren lassen und hat die Klägerin zur Seite gedrückt, um in die Wohnung zu gelangen. Die vom Beklagten verständigten Polizisten sprachen ihm gegenüber die Wegweisung aus, weil der Beklagte nervös und aufgeregt war und die Klägerin anschrie. Er schrie unter anderem, dass dies seine Wohnung sei und dass die Teppiche ihm gehörten.
Der Senat verkennt nicht, dass die Klägerin am 29. 11. 2002 das Schloss zur Ehewohnung auswechseln ließ und dass der Beklagte in einem deswegen von ihm angestrengten Besitzstörungsverfahren rechtskräftig obsiegte. Es ist aber nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanzen davon ausgingen, dass auch dieser Umstand das Verhalten des Beklagten nicht rechtfertigen kann, geht es doch in seiner Intensität weit über die angemessene Rechtsverfolgung hinaus. Wenn im Revisionsrekurs auf die Notwendigkeit hingewiesen wird, vor Einbringung von Exekutionsanträgen das weitere Vorliegen titelwidrigen Verhaltens festzustellen, werden damit die erstinstanzlichen Feststellungen über das mit diesem Zweck nicht mehr erklärbare Verhalten des Beklagten ignoriert.
Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).
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