OGH 6Ob311/02g

OGH6Ob311/02g20.2.2003

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der gefährdeten Partei Gerda L*****, vertreten durch Mag. Egon Stöger, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen den Gegner der gefährdeten Partei Josef L*****, vertreten durch Dr. Markus Heis, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Erlassung einer einstweiligen Verfügung gemäß § 382b EO, über den Revisionsrekurs der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 19. September 2002, GZ 3 R 214/02w-33, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichtes Imst vom 1. Juli 2002, GZ 3 C 113/01w-26, in der Hauptsache bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die gefährdete Partei hat ihrem Gegner die mit 399,74 EUR (darin enthalten 66,62 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Parteien sind seit 5. 5. 1967 verheiratet. Noch vor Einbringung einer Scheidungsklage begehrte die Frau, ihrem Mann für die Dauer von drei Monaten gemäß § 382b EO das Verlassen der Ehewohnung aufzutragen und ihm die Rückkehr zu verbieten, weil er sie wiederholt bedroht und - vor allem durch abartige, gegen ihren Willen durchgeführte Sexualpraktiken - körperlich verletzt habe. Das Erstgericht erließ die begehrte einstweilige Verfügung ohne Anhörung des Mannes. Dieser erhob Widerspruch und bestritt die Vorwürfe der Frau. Nach Einbringung der Scheidungsklage begehrte die Frau die Verlängerung der einstweiligen Verfügung.

Das Erstgericht hob die einstweilige Verfügung infolge Widerspruchs des Mannes auf. Es nahm nicht als bescheinigt an, dass die Antragstellerin von ihrem Mann bedroht oder verletzt worden sei und dass die von ihr behauptete Sexualpraktiken gegen ihren Willen durchgeführt worden seien. Es stellte lediglich einen Vorfall vom 6. 7. 2001 fest, bei dem der Mann anlässlich eines Streites um finanzielle Angelegenheiten in der Küche auf eine Arbeitsplatte schlug, sodass Kaffee verschüttet wurde und auf dort liegende Kontoauszüge floss, die der Mann in Richtung der Antragstellerin warf und dass der Mann sodann ein Messer gegen sich selbst richtete. Dieses Verhalten sei ebensowenig Anlass für die begehrte Sicherungsmaßnahme wie der ebenfalls vom Erstgericht als bescheinigt angenommene Umstand, dass sich der Mann einen Nachschlüssel für die von der Frau mit einem Schloss versehene Schlafzimmertür anfertigen ließ.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss in der Hauptsache und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil der Frage erhebliche Bedeutung zukomme, ob das Erstgericht, das ein nicht parates Bescheinigungsmittel der einen Partei zulasse, auch weitere von deren Gegner beantragte nicht parate Bescheinigungsmittel zulassen müsse, um ein faires Verfahren (Waffengleichheit) zu garantieren.

Der als "(ordentliche) Revision" bezeichnete Revisionsrekurs der Frau ist jedoch entgegen diesem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruch des Rekursgerichtes mangels erheblicher Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes können behauptete Nichtigkeiten und Verfahrensmängel erster Instanz, die das Berufungs- oder Rekursgericht bereits verneint hat, im Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden (RIS-Justiz RS0042963). Das Rekursgericht hat zur Mängelrüge der Frau, das Erstgericht hätte weitere von ihr beantragte Bescheinigungsmittel, insbesondere die Einholung eines "Obergutachtens" und die Einvernahme zweier Fachärzte, durchführen müssen, ausführlich Stellung bezogen und sowohl das Vorliegen der gerügten Verfahrensmängel als auch des behaupteten Verstoßes gegen den Grundsatz "fair trial" verneint. Auf die im Revisionsrekurs abermals enthaltene Verfahrensrüge, dass das Verfahren infolge der Unterlassung dieser Bescheinigungsmittel mangelhaft sei und gegen den Grundsatz der Waffengleichheit verstoße, ist daher vom Obersten Gerichtshof nicht einzugehen.

Nach der Entscheidung des verstärkten Senates 6 Ob 650/93 (SZ 66/164) ist die Anfechtung von Feststellungen im Sicherungsverfahren insoweit ausgeschlossen, als der Richter den Sachverhalt aufgrund bei ihm abgelegter Zeugen- oder Parteienaussagen als bescheinigt angenommen hat. Die Überprüfung der Beweiswürdigung durch das Rekursgericht ist dann zulässig, wenn das Erstgericht seine Feststellungen nur aufgrund von Urkunden getroffen hat (RIS-Justiz RS0012391). Das Rekursgericht hat unter Hinweis auf diese Rechtsprechung von einer Behandlung der im Rekurs enthaltenen Beweisrüge Abstand genommen. Die vom Erstgericht einvernommenen Personen wurden im Gegensatz zu den Ausführungen im Revisionsrekurs insbesondere zu den strittigen Behauptungen der Frau über die gegen sie gerichteten Aggressionen ihres Mannes und über die ihr angeblich zugefügten Verletzungen einvernommen, worüber die Zeugen allerdings teilweise mangels eigener Wahrnehmungen nichts aussagen konnten. Das Erstgericht gründete seine Feststellungen insbesondere auch auf die Angaben der Parteien selbst und führte aus, dass es die Aussage der Frau, soweit sie im Widerspruch zu den anderen Bescheinigungsmitteln stehe, als nicht entsprechend glaubwürdig erachte, um ihr folgen zu können. Das Erstgericht gründete seine Entscheidung somit im Wesentlichen auf unmittelbar aufgenommene Beweise und nicht auf Urkunden. Das Rekursgericht ist von der Rechtsprechung über die Unüberprüfbarkeit der Beweiswürdigung des Erstgerichtes daher nicht abgewichen. Maßgeblich für die Beurteilung der Unzumutbarkeit eines weiteren Zusammenlebens nach § 382b EO sind Ausmaß, Häufigkeit und Intensität der bereits angedrohten oder gar verwirklichten Angriffe, auch wenn diese schon längere Zeit zurückliegen. Objektiver Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen der Unzumubarkeit sind die jeweiligen Umstände des Einzelfalls (SZ 71/118; 9 Ob 37/01h). Die Frage, ob ein bestimmtes Verhalten einer Person den an sie gerichteten Auftrag zum Verlassen der Wohnung gemäß § 382b EO rechtfertigt, stellt daher grundsätzlich keine Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO dar (9 Ob 37/01h). Eine zur Korrektur Anlass gebende Fehlbeurteilung des hier als bescheinigt angenommenen Sachverhaltes durch die Vorinstanzen ist nicht erkennbar.

Die Entscheidung über die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung gründet sich auf die §§ 402, 78 EO iVm §§ 41 und 50 ZPO. Aufgrund der zutreffenden Ausführungen über die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses mangels erheblicher Rechtsfrage ist die Revisionsrekursbeantwortung als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig anzusehen.

Stichworte