OGH 4Ob241/03z

OGH4Ob241/03z16.12.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und durch die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß und Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel und Dr. Jensik als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Stadt W*****, 2. Bezirksabfallverband W*****, beide vertreten durch Haslinger/Nagele & Partner Rechtsanwälte GmbH in Linz, gegen die beklagte Partei O*****gmbH, ***** vertreten durch Siemer-Siegl-Füreder & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wegen Anfechtung eines Generalversammlungsbeschlusses (Streitwert 43.000 EUR), infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 16. September 2003, GZ 3 R 113/03p-13, mit dem infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Linz vom 3. April 2003, GZ 30 Cg 2/03b-6, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Kläger sind zur ungeteilten Hand schuldig, der Beklagten die mit 1.950,08 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 325,01 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Erstklägerin und der Zweitkläger sind zusammen mit der Stadt S*****, der Bezirksabfallverbände H***** GmbH sowie insgesamt 14 Bezirksabfallverbänden Gesellschafter der Beklagten. Das Stammkapital der am 15. 9. 2001 registrierten Beklagten beträgt 70.000 EUR.

Der aufsichtsbehördlich genehmigte Gesellschaftsvertrag der Beklagten enthält ua folgende Bestimmungen:

„2. Gegenstand des Unternehmens

Gegenstand des Unternehmens ist insbesondere:

2.1 Die Abwicklung eines Vergabeverfahrens mit dem Ziel einen für alle Gesellschafter tätigen Entsorger jener kommunalen Abfälle zu finden, für deren Entsorgung die Gesellschafter verpflichtet sind, und die selbige in die gemeinsame Abfallbehandlung einbringen;

2.2 die Wahrung der Rechte und Pflichten der Gesellschafter diesem Entsorger gegenüber;

2.3 die Herbeiführung des notwendigen Interessenausgleichs zwischen den Gesellschaftern;

2.4 der Betrieb einer der Gesellschaft zufallenden Anlage zur Abfallbehandlung oder die Betrauung eines Dritten mit demselben;

2.5 der Betrieb von, die Geschäftsführung von und die Beteiligung an inländischen und ausländischen Unternehmungen und Gesellschaften aller Art zu führen oder sonst wie zu bewerkstelligen, die den Gesellschaftszweck fördern oder für denselben erforderlich sind. Der Betrieb von Bank- und Börsegeschäften ist ausgeschlossen.

...

9. Gesellschafterbeschlüsse

...

9.6 Zur Beschlussfähigkeit von Generalversammlungen ist es erforderlich, dass 75 % (fünfundsiebzig Prozent) des Stammkapitals anwesend oder rechtswirksam vertreten ist. Andernfalls ist unter Hinweis auf die Beschlussunfähigkeit eine weitere Versammlung einzuberufen, die auf die Behandlung der Gegenstände der ersten einberufenen Versammlung beschränkt und ohne Rücksicht auf die Höhe des anwesenden oder vertretenen Stammkapitals beschlussfähig ist.

9.7 Abgesehen von den gesetzlich vorgesehenen qualifizierten Mehrheitserfordernissen können folgende Beschlussfassungen der Gesellschafter nur mit einer Mehrheit von 75 % (fünfundsiebzig Prozent) des bei der Beschlussfassung vertretenen Stammkapitals gefasst werden:

(a) Beschlussfassungen über die Erlassung oder Änderung der Geschäftsordnung für die Geschäftsführung samt Geschäftsverteilungsplan;

(b) Beschlussfassungen über den Abschluss von Arbeitsverträgen mit Geschäftsführern;

(c) Beschlussfassungen über die Hinauf- oder Herabsetzung des Stammkapitals.

9.8 Für sämtliche Beschlussfassungen gewähren jeweils Euro 10 (Euro zehn) eine Stimme; Bruchteile davon werden nicht gezählt.

..."

Am 4. 7. 2001 haben die Bezirksabfallverbände H***** GmbH, der Zweitkläger sowie 12 weitere Bezirksabfallverbände einen Syndikatsvertrag geschlossen, der auszugsweise wie folgt lautet:

„Präambel

1.1. Die vorgenannten Parteien sind Gesellschafter der sich in Gründung befindlichen 'O*****gmbH' (= Beklagte) (in weiterer Folge Gesellschaft genannt) und werden in weiterer Folge gemeinsam auch Gesellschafter genannt.

1.2. Gegenstand des Unternehmens der Gesellschaft ist insbesondere die Abwicklung eines Vergabeverfahrens mit dem Ziel, einen für alle Gesellschafter tätigen Entsorger zur Behandlung der den Gesellschaftern gehörenden und von diesen zu entsorgenden kommunalen Abfälle zu finden; diesem gegenüber die Rechte und Pflichten der Gesellschafter zu wahren; den Interessenausgleich zwischen den Gesellschaftern herbeizuführen; nach Auslaufen der Vertragszeit mit dem Dritten eine der Gesellschaft dann zufallende Anlage zur Restabfallbehandlung zu betreiben oder wiederum einen Dritten mit deren Betrieb zu betrauen oder sonst wie über eine solche Anlage zu verfügen, den Betrieb von, die Geschäftsführung von und die Beteiligung an inländischen und ausländischen Unternehmungen und Gesellschaften aller Art zu führen oder sonst wie zu bewerkstelligen, die den Gesellschaftszweck fördern oder für denselben erforderlich sind.

...

7.4 Vor Beschreiten des ordentlichen Rechtswegs verpflichten sich die Gesellschafter einen Schlichtungsversuch zu unternehmen.

..."

Die Erstklägerin ist dem Syndikatsvertrag am 17. 10. 2001 beigetreten; sie hat mit Abtretungsvertrag vom selben Tag von der Bezirksabfallverbände H***** GmbH einen Geschäftsanteil von 3.690 EUR übernommen.

Die Beklagte hat den Baukonzessionsvertrag europaweit ausgeschrieben. Danach sollte die Müllbehandlungsanlage von einer Betreibergesellschaft errichtet und betrieben werden. Die Beklagte sollte sich an der Betreibergesellschaft zunächst mit 1 % beteiligen. Nach Ablauf der Konzessionsdauer von 17,5 Jahren sollte die Beklagte die restlichen Anteile an der Betreibergesellschaft erwerben.

Einer der Bieter war die Bietergruppe B***** GmbH. Sie bot die stufenweise Errichtung einer mechanisch-biologischen Behandlungsanlage an, die nach Auslaufen des Konzessionsvertrags an den Konzessionsgeber heimfallen sollte. Der Konzessionsgeber sollte an der Betriebsgesellschaft mit 1 % beteiligt sein; nach Auslaufen des Konzessionsvertrags sollten die restlichen 99 % gegen Zahlung von 8,883.788 EUR auf den Konzessionsgeber übergehen.

Am 20. 11. 2002 fand die erste ordentliche Generalversammlung der Beklagten statt. Tagesordnungspunkt 3 war das Vergabeverfahren für die Baukonzession. Im Zusammenhang damit wurde über die Abwicklung und das Ergebnis des Vergabeverfahrens in einer umfassenden Power Point Präsentation berichtet. Danach präsentierten die Fachberater die Inhalte der Letztangebote der beiden verbliebenen Bietergemeinschaften. Die Bewertungskriterien und Bewertungsergebnisse wurden in einer Unterlage dargestellt, welche im Anschluss an die Sitzung an die Teilnehmer verteilt wurde. Die Fachberater beendeten ihren Vortrag mit der Darlegung des Reihungsvorschlags als Grundlage für die Vergabeentscheidung. Das Angebot der Bietergruppe B***** GmbH wurde an erster Stelle gereiht. In der Folge wurden umfassende Fragen an die Berater gestellt und die Bewertungsgrundsätze diskutiert. Letztlich wurde der Reihungsvorschlag als nachvollziehbar zur Kenntnis genommen.

Die Vertreter des Bezirksabfallverbands L***** und des Magistrats der Stadt W***** ersuchten um eine Sitzungsunterbrechung, um das Abstimmungsverhalten vorberaten zu können. Zuvor war das Problem jener sieben Bezirksabfallverbände diskutiert worden, welche teilweise noch durch langfristige Verträge gebunden sind und dort einen deutlich höheren Entsorgungstarif zahlen. Nach der Sitzungsunterbrechung erklärte der Vertreter des Bezirksabfallverbands L***** im Namen der W***** Abfallverbandsbezirke, zu denen auch die Kläger gehören, dass aufgrund des sehr eindeutigen und nachvollziehbaren Reihungsvorschlags der Fachberater an diesem Vergabevorschlag nichts zu rütteln sei und dieser anerkannt werden müsse. Ungeachtet dessen sei die politische Tragweite eines Bestbieterzuschlags für die W***** Abfallverbandsbezirke sehr schwierig und es fehlten jegliche Anzeichen für eine politische Unterstützung für diese Bezirke. Die W***** Abfallverbandsbezirke akzeptierten, dass es zu einer Abstimmung komme, sie stimmten aber dagegen. Er ersuche die anderen Bezirke, welche von dieser Bestbieterlösung profitierten, um politische Unterstützung für eine Lösung, durch die sich auch für die W***** Abfallverbandsbezirke die derzeit außergewöhnlich hohen und nicht mehr marktkonformen Entsorgungskosten minderten. Der Vorsitzende zeigte volles Verständnis für die Sorgen der W***** Abfallverbandsbezirke. Auf Wunsch der anderen Bezirke stellte er den Antrag, gemäß dem Reihungsvorschlag der Fachberater der Bietergruppe B***** GmbH den Zuschlag zu erteilen. Rund 57 % stimmten in offener Abstimmung für den Antrag; die Kläger stimmten dagegen.

Der Vorsitzende hielt fest, dass gemäß Gesellschaftsvertrag und gemäß den gesetzlichen Grundlagen ein Mehrheitsbeschluss notwendig sei und mit diesem Abstimmungsergebnis der Zuschlagsbeschluss ordnungsgemäß zustande gekommen sei. Keiner der Gesellschafter erhob gegen den Beschluss Widerspruch.

Die Kläger begehren, den Generalversammlungsbeschluss der Beklagten vom 20. 11. 2002, mit dem der „Antrag, gemäß dem Reihungsvorschlag der Fachberater der Bietergruppe B***** GmbH den Zuschlag zu erteilen" mit einer Mehrheit von 4036 von 7000 Stimmen als angenommen festgestellt wurde, gegenüber der Beklagten für nichtig zu erklären. Der Gesellschafterbeschluss sei mangelhaft. Gemäß § 35 Abs 1 Z 7 GmbHG sei ein Quorum von 75 % notwendig. Das gelte auch für eine Baukonzession; das Quorum könne durch vorgelagerte Rechtsakte nicht ersetzt oder umgangen werden. Ein ausdrücklicher Widerspruch sei nicht notwendig gewesen. Ein schutzwürdiges Vertrauen darauf, dass sich der Gesellschafter mit einem Missstand abfinde, habe nicht entstehen könne. Es liege ein gemeinsamer Irrtum über das nach dem Gesetz für den Beschluss notwendige Quorum vor. Der Irrtum berechtige zur Anfechtung der allenfalls im Unterlassen des Widerspruchs liegenden Erklärung. Der Irrtum sei beachtlich, er beziehe sich unmittelbar auf den Inhalt des Rechtsgeschäfts selbst und sei durch den selbst irrenden Vorsitzenden veranlasst worden. Der Beschluss sei auch ungenügend vorbereitet worden. Der Prüfbericht der Fachberater als wesentliche Entscheidungsgrundlage sei erst während der Generalversammlung ausgegeben worden. Die Kläger hätten den Misssstand mangelnder Vorbereitungsmöglichkeit sofort gerügt.

Die Beklagte beantragt, das Klagebegehren abzuweisen. Der Rechtsweg sei unzulässig, weil die Kläger kein Schlichtungsverfahren eingeleitet hätten. Der Beschluss sei auch nicht mangelhaft. § 35 Abs 1 Z 7 GmbHG sei auf den Erwerb von Beteiligungen nicht anzuwenden. Die Gesellschafter hätten sich bereits mit dem Abschluss des Gesellschaftsvertrags und auch des Syndikatsvertrags dazu verpflichtet, ein Vergabeverfahren durchzuführen und den Zuschlag dem Bestbieter zu erteilen. Eine weitere Zustimmung zur Zuschlagserteilung sei daher nicht notwendig gewesen. Der Beschluss könne aber auch deshalb nicht bekämpft werden, weil die Kläger keinen Widerspruch zu Protokoll gegeben hätten. Die Voraussetzungen für eine Irrtumsanfechtung lägen nicht vor. Die Vorbereitung sei ordnungsgemäß abgelaufen. Eine Vollversammlung könne selbst dann Beschlüsse fassen, wenn Regeln über die ordnungsgemäße Einberufung verletzt worden seien. Die Kläger hätten auch nicht beantragt, die Abstimmung zu vertagen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Der Rechtsweg sei zulässig, weil der Syndikatsvertrag das Verhältnis zwischen den Streitteilen nicht regle. § 35 Abs 1 Z 7 GmbHG sei anwendbar, weil die Beklagte auch nach dem Konzessionsmodell dauerhaft Anlagen für ihren Geschäftsbetrieb erwerbe. Ein Beschluss sei trotz Syndikatsvertrag und Unternehmensgegenstand jedenfalls notwendig, weil die Generalversammlung als willensbildendes Organ andernfalls ihrer Funktion entkleidet und der einzelne Gesellschafter seines Stimmrechts beraubt würde. Die Kläger hätten die Anfechtungsklage fristgerecht eingebracht; sie seien berechtigt, den mangelhaften Beschluss anzufechten, obwohl sie nicht Widerspruch erhoben hatten. Sämtliche Gesellschafter hätten über das Erfordernis einer 3/4-Mehrheit geirrt. Damit sei der Beschlussmangel nicht erkannt worden und offenbar auch nicht erkennbar gewesen.

Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei. Das GmbH-Gesetz sehe eine Ausnahme vom Widerspruchserfordernis nur für den Fall vor, dass der Gesellschafter unberechtigterweise zur Versammlung nicht zugelassen oder infolge von Einberufungsmängeln am Erscheinen in der Versammlung gehindert worden sei. Nach einem Teil der Lehre schließe das Unterbleiben eines Widerspruchs die Anfechtung dann nicht aus, wenn der geltend gemachte Beschlussmangel in der Generalversammlung nicht erkennbar war. Im vorliegenden Fall lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der geltend gemachte Beschlussmangel in der Generalversammlung nicht erkennbar gewesen wäre. Jedem Teilnehmer sei der Gegenstand der Beschlussfassung und das tatsächliche Abstimmungsverhältnis bekannt gewesen. Selbst wenn die Teilnehmer über die Anwendbarkeit des § 35 Abs 1 Z 7 GmbHG geirrt hätten, ändere dies nichts an der Erkennbarkeit des Umstands, dass der Beschluss nicht mit der erforderlichen 3/4-Mehrheit gefasst wurde. Damit seien die Kläger nicht berechtigt, den Beschluss anzufechten. Auf die Frage, ob der Beschluss tatsächlich einer 3/4-Mehrheit bedurft hätte, brauche ebenso wenig eingegangen zu werden wie auf die Frage, ob überhaupt ein Irrtum aller oder einzelner Generalversammlungsteilnehmer vorgelegen sei und feststehe.

Die gegen dieses Urteil gerichtete Revision der Kläger ist zulässig, weil Rechtsprechung zur Frage fehlt, ob das Widerspruchserfordernis des § 41 Abs 2 GmbHG auch dann besteht, wenn der den Beschluss anfechtende Gesellschafter keinen Widerspruch erhoben hat, weil er der Meinung war, der Beschluss sei mangelfrei zustande gekommen; die Revision ist aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Kläger halten an ihrer Auffassung fest, dass § 35 Abs 1 Z 7 GmbHG im vorliegenden Fall anwendbar sei. Nach dieser Bestimmung bedarf der Abschluss von Verträgen, durch welche die Gesellschaft vorhandene oder herzustellende, dauernd zu ihrem Geschäftsbetrieb bestimmte Anlagen oder unbewegliche Gegenstände für eine den Betrag des fünften Teiles des Stammkapitals übersteigende Vergütung erwerben soll, sowie die Abänderung solcher Verträge zu Lasten der Gesellschaft, sofern es sich nicht um den Erwerb von Liegenschaften im Wege der Zwangsversteigerungen handelt, einer Mehrheit von drei Viertel der abgegebenen Stimmen. Dieses Mehrheitserfordernis ist in den ersten zwei Jahren nach Eintragung der Gesellschaft zwingend (§ 35 Abs 2 GmbHG).

§ 35 Abs 1 Z 7 GmbHG erfasst, anders als die vergleichbare Bestimmung des § 45 AktG, nicht nur Rechtsgeschäfte mit Gründern und ihnen gleichgestellten Personen (zu § 45 AktG s Doralt/Nowotny/Kalss, Kommentar zum Aktiengesetz § 45 Rz 7; zu § 35 Abs 1 Z 7 GmbHG s Koppensteiner, GmbH-Gesetz Kommentar² § 35 Rz 43 mwN). Es handelt sich aber ebenfalls um eine Nachgründungsvorschrift, wie durch die zeitliche Begrenzung unterstrichen wird. Erfasst werden alle Erwerbsvorgänge, die ihren wirtschaftlichen Auswirkungen nach eine starke Beeinträchtigung der Gesellschafterinteressen bedeuten (Jud, Zur Genehmigungspflicht von Großinvestitionen in einer GmbH, GesRZ 1979, 142 [143]). Das können nicht nur Kaufverträge, sondern (zB) auch Leasingverträge mit Erwerbsoption (Jud aaO 144) oder Beteiligungen sein (Kastner, Bemerkungen zu § 35 Abs 1 Z 7 GmbH-Gesetz, GesRZ 1980, 97 [98]; Koppensteiner aaO § 35 Rz 42; Reich-Rohrwig, Das österreichische GmbH-Recht in systematischer Darstellung 329; aM - ohne nähere Begründung - Gellis, Kommentar zum GmbH-Gesetz § 35 Anm 12; diesem folgend 6 Ob 812, 813/77 = HS 11.474/15).

Der angefochtene Beschluss betrifft die Erteilung des Zuschlags für den Baukonzessionsvertrag zur Errichtung einer Anlage zur Behandlung der den Gesellschaftern gehörenden und von diesen zu entsorgenden kommunalen Abfälle und berührt damit ganz wesentlich die Interessen der Gesellschafter. Der Abschluss des Baukonzessionsvertrags soll letztlich - im Umweg über die Beteiligung an der Betreibergesellschaft - dazu führen, dass die Beklagte die zu errichtende Anlage erwirbt. Damit sind die Tatbestandsvoraussetzungen für die Anwendung des § 35 Abs 1 Z 7 GmbHG erfüllt: Der Beschluss betrifft den Abschluss eines Vertrags, durch den die Beklagte eine dauernd zu ihrem Geschäftsbetrieb bestimmte Anlage erwerben soll, wobei - was unstrittig ist - die Gegenleistung der Beklagten die in § 35 Abs 1 Z 7 GmbHG festgesetzte Grenze bei weitem übersteigt. Der Beschluss hätte daher einer Mehrheit von drei Viertel der abgegebenen Stimmen bedurft.

Die Kläger verlangen, gestützt auf § 41 GmbHG, die Nichtigerklärung dieses Beschlusses. Nach § 41 Abs 2 GmbHG ist - soweit hier von Interesse - jeder Gesellschafter klageberechtigt, der in der Versammlung der Gesellschafter erschienen ist und gegen den Beschluss Widerspruch zu Protokoll gegeben hat.

Die Kläger haben keinen Widerspruch zu Protokoll gegeben. Sie machen einerseits geltend, dass es keines Widerspruchs bedurft habe, weil der Beschluss von vornherein wirkungslos gewesen sei und es sich daher um einen "Scheinbeschluss" gehandelt habe, anderseits berufen sie sich auf die von Teilen der Lehre vertretene Auffassung, wonach sich ein Widerspruch bei unerkennbaren Beschlussmängeln erübrige.

1. Zum Vorliegen eines "Scheinbeschlusses"

Rechtsprechung und Lehre erachten nicht bei allen Arten von Beschlussmängeln eine Anfechtung nach § 41 GmbHG für notwendig, wobei die Abgrenzung zwischen Scheinbeschlüssen/absolut nichtigen Beschlüssen und bloß anfechtbaren Beschlüssen strittig ist (s Koppensteiner aaO § 41 Rz 7ff; Reich-Rohrwig aaO 392f; 4 Ob 527/94 = SZ 67/103, jeweils mwN). Weitgehend einig sind sich Rechtsprechung und Lehre aber darüber, dass Fehler in der "Beschlussergebnisfeststellung" bloß einen Anfechtungsgrund bilden (6 Ob 588/92 = ecolex 1993, 387; 6 Ob 290/98k = wbl 1999/226, jeweils mwN; s auch 6 Ob 575/77 = SZ 50/51; Reich-Rohrwig aaO 393: Nichterreichen des erforderlichen Anwesenheits- oder Mehrheitsquorums bloßer Anfechtungsgrund; Gellis, Kommentar zum GmbH-Gesetz4 § 41 Rz 7: Anfechtbar ist ein Beschluss, der nicht mit der gesetzlich festgelegten oder statutarischen Mehrheit gefasst wurde).

Der von den Klägern als Beleg für ihre abweichende Auffassung zitierten Entscheidung 4 Ob 524/91 (= GesRZ 1992, 284) ist nichts Gegenteiliges zu entnehmen. Gegenstand dieser Entscheidung war eine Anfechtungsklage; wenn die Entscheidung daher den - mangels Eintragung der Satzungsänderung über die für den Auflösungsbeschluss erforderliche Stimmenmehrheit in das Firmenbuch - nicht mit der nach der Satzung notwendigen Mehrheit zustande gekommenen Auflösungs- und Liquidationsbeschluss als "nichtig" bezeichnete, so heißt das nur, dass sie das Begehren auf Nichtigerklärung als berechtigt erkannt hat.

Es ist daher davon auszugehen, dass ein nicht mit der erforderlichen Mehrheit zustande gekommener Beschluss kein Scheinbeschluss und auch kein absolut nichtiger Beschluss, sondern bloß anfechtbar ist. Seine Beseitigung ist damit nur im Wege einer Anfechtungsklage nach § 41 Abs 1 Z 1 GmbHG möglich, die wiederum einen Widerspruch voraussetzt.

2. Zum Widerspruchserfordernis bei unerkennbaren Beschlussmängeln

Die Kläger stützen ihre Auffassung, dass nicht erkennbare Beschlussmängel auch ohne Widerspruch zur Anfechtung berechtigten, vor allem auf deutsche aktienrechtliche Literatur; die Rechtslage nach dem deutschen GmbH-Gesetz kann mangels gesetzlicher Regelung der Anfechtungsklage nicht herangezogen werden (zur Anfechtung von Generalversammlungsbeschlüssen nach deutschem Recht s Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz17 Anh § 47 Rz 72 mwN). Nach § 245 Z 1 dAktG ist, ebenso wie nach § 196 Z 1 öAktG, jeder in der Hauptversammlung erschienene Aktionär zur Anfechtung befugt, der (öAktG: wenn er) gegen den Beschluss Widerspruch zur Niederschrift erklärt hat. Diese Bestimmung ist nach überwiegender Auffassung teleologisch zu reduzieren. Danach soll kein Widerspruch notwendig sein, wenn der Anfechtungsgrund nicht erkennbar ist (Zöllner in Zöllner, Kölner Kommentar zum Aktiengesetz § 245 Rz 42 mwN; Hüffer, Aktiengesetz5 § 245 Rz 16; ders in Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, Aktiengesetz § 245 Rz 32; ders in Kropff/Semler, Münchener Kommentar zum Aktiengesetz² § 245 Rz 92; K. Schmidt in Großkomm AktG § 245 Rz 19; aM Henn, Handbuch des Aktienrechts6, 480 Rz 567). Begründet wird diese Auffassung damit, dass der Widerspruch zur Niederschrift als Voraussetzung der Anfechtungsbefugnis auf dem Verbot des venire contra factum proprium beruhe (K. Schmidt aaO). Es ergebe keinen vernünftigen Sinn, die Rüge der Rechtsverletzung zu fordern, obwohl der Aktionär oder der für ihn Erschienene diese Verletzung nicht habe erkennen können; deshalb sei der Widerspruch in diesem Fall entbehrlich (Hüffer aaO).

Die Auffassung, dass das Widerspruchserfordernis bei nicht erkennbaren Beschlussmängeln entfalle, wird auch für das österreichische Aktienrecht vertreten (Diregger in Doralt/Nowotny/Kalss aaO § 196 Rz 29) und von Thöni (Ausnahmen vom Widerspruchserfordernis des GmbH-Gesellschafters in der Generalversammlung, GesRZ 1997, 209 [214f]) für das GmbH-Recht übernommen. Thöni (aaO 215) meint, dass die in § 196 Abs 1 Z 3 AktG zum Ausdruck kommende Wertung, wonach ein Aktionär einen unerkennbaren Mangel nicht mittels Widerspruchs rügen müsse, verallgemeinerungsfähig sei; sie lasse es gerechtfertigt erscheinen, einen Widerspruch immer dann für entbehrlich anzusehen, wenn ein Anfechtungsgrund in der Generalversammlung nicht erkennbar gewesen sei. Anderer Meinung ist Koppensteiner (aaO § 41 Rz 46). Bei unerkennbaren Mängeln sollte ein Widerspruch schon wegen der Verlagerung der diesbezüglichen (uU äußerst komplizierten) Fragen in den Bereich der Aktivlegitimation nicht für entbehrlich erachtet werden.

Im vorliegenden Fall braucht die Frage, ob die Anfechtungsklage unter bestimmten Voraussetzungen keinen Widerspruch voraussetzt, nicht abschließend geklärt zu werden. Soweit eine Einschränkung des Widerspruchserfordernisses bejaht wird, geschieht dies nämlich immer nur für unerkennbare Beschlussmängel und nicht für Mängel, die bloß nicht erkannt wurden. In diesem Sinn stellt Diregger (aaO) darauf ab, ob ein Aktionär mit durchschnittlicher Aufmerksamkeit und Sachkenntnis bei sorgfältiger Vorbereitung den Mangel während der Hauptversammlung nicht erkennen konnte. Für den Gesellschafter einer GmbH kann nichts anderes gelten. Auch hier muss es darauf ankommen, ob der Gesellschafter den Mangel mit durchschnittlicher Aufmerksamkeit und Sachkenntnis bei sorgfältiger Vorbereitung hätte erkennen können.

Die Kläger bekämpfen den Beschluss über die Erteilung des Zuschlags für den Baukonzessionsvertrag als mangelhaft, weil der Zuschlag an den Bestbieter nur mit einfacher Mehrheit und nicht mit der für Großinvestitionen nach § 35 Abs 1 Z 7 GmbHG vorgeschriebenen 3/4-Mehrheit beschlossen wurde. Dabei war das Abstimmungsergebnis für jeden Gesellschafter ebenso offenkundig wie der Beschlussgegenstand. Die Kläger behaupten insoweit auch nichts anderes; sie machen nur geltend, dass es sich bei der Anwendbarkeit des § 35 Abs 1 Z 7 GmbHG auf den Konzessionsvertrag - und der sich daraus ergebenden Konsequenzen für die Mehrheitserfordernisse - jedenfalls um eine komplizierte Rechtsfrage handle, die von der Beklagten und deren Rechtsvertretern noch bis heute anders beurteilt werde und die sicherlich während einer wichtigen Versammlung, in der mit großem Engagement in der Sache diskutiert wurde und die erst in der Versammlung präsentierten Grundlagen für die Zuschlagsentscheidung zu verarbeiten waren, nicht ohne weiteres ins Auge habe springen müssen.

Die Kläger machen damit geltend, dass die Anwendbarkeit des § 35 Abs 1 Z 7 GmbHG wegen der besonderen Situation, in der sie sich befunden hätten, für sie unerkennbar gewesen sei. Sie seien einem ihnen nicht vorwerfbaren Rechtsirrtum unterlegen. Rechtsunkenntnis und Rechtsirrtum sind aber nur dann nicht vorwerfbar, wenn die (richtige) Gesetzeslage einem Betroffenen trotz zumutbarer Aufmerksamkeit nicht erkennbar war (Bydlinski in Rummel, ABGB³ § 2 Rz 3 mwN). Davon kann hier keine Rede sein:

Von einem GmbH-Gesellschafter ist zu erwarten, dass er sich über den Inhalt des GmbH-Gesetzes Kenntnis verschafft. Das gilt insbesondere für jene Vorschriften, die über die Gesellschafterpflichten und die Ausübung der Gesellschafterrechte bestimmen. Dazu gehört die Regelung jener Gegenstände, die der Beschlussfassung durch die Gesellschafter unterliegen, und die im Zusammenhang damit festgesetzten Mehrheitserfordernisse. Bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte den Klägern daher der Inhalt des § 35 Abs 1 Z 7 GmbHG bewusst sein müssen; damit hätte ihnen auch bewusst sein müssen, dass ein dieser Bestimmung unterliegendes Rechtsgeschäft nur mit einer 3/4-Mehrheit beschlossen werden konnte.

An der Erkennbarkeit des Beschlussmangels vermag auch ein allenfalls (auch) den anderen Gesellschaftern und dem Vorsitzenden der Generalversammlung unterlaufener Irrtum über die Anwendbarkeit des § 35 Abs 1 Z 7 GmbHG nichts zu ändern. Auch in diesem Fall haben die anderen Gesellschafter mangels Widerspruchs der Kläger angenommen, dass diese den Beschluss nicht anfechten würden; dieses Vertrauen konnte sich auch und gerade dann bilden, wenn die anderen Gesellschafter angenommen haben, die einfache Mehrheit genüge. Es trifft daher nicht zu, dass eine Interessenabwägung zur Verneinung der Erkennbarkeit des Beschlussmangels und damit des Widerspruchserfordernisses führen könnte. Das von den Klägerin in diesem Zusammenhang gebrachte Zitat (Hüffer, Aktiengesetz5 § 245 Rz 16) ist unvollständig; Hüffer (aaO) führt an der angegebenen Stelle aus, dass "dasselbe, also Entbehrlichkeit des Widerspruchs, ... in den Irrtumsfällen für den Aktionär gelten (muss), dessen Stimmabgabe in anfechtungsrelevanter Weise (§§ 119, 123 BGB) vom Irrtum beeinflusst ist; denn wer sich irrt und den Beschluss deshalb für in Ordnung hält, kann ihm nicht widersprechen". Hüffers Ausführungen beziehen sich damit nicht auf einen für die Unterlassung des Widerspruchs, sondern auf einen für die Stimmabgabe ursächlichen Irrtum. Dass aber die Kläger bei der Stimmabgabe in irgendeiner Weise geirrt hätten, ist nicht behauptet.

3. Zur behaupteten Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens

Die Kläger rügen als Mangel des Berufungsverfahrens, dass das Berufungsgericht ihnen nicht gemäß § 473a ZPO Gelegenheit gegeben hat, Stoffsammlungsmängel des Erstgerichts zu rügen. Das Erstgericht habe zu der von ihnen behaupteten mangelnden Vorbereitungsmöglichkeit keine Beweise aufgenommen.

Der von den Klägern damit gerügte Mangel ist kein Stoffsammlungsmangel, sondern ein rechtlicher Feststellungsmangel, der - wäre er für die Entscheidung erheblich - zur Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen führen müsste. Die Aufhebung erübrigt sich aber, weil die Anfechtungsklage nach dem Akteninhalt auch erfolglos bleiben muss, soweit sie auf den "Missstand mangelnder Vorbereitungsmöglichkeit" gestützt wird:

Die Kläger behaupten nicht, wegen des von ihnen nunmehr behaupteten Anfechtungsgrunds ausdrücklich Widerspruch zu Protokoll erhoben zu haben. Sie machen geltend, sie hätten den Missstand mangelnder Vorbereitungsmöglichkeit "sofort" gerügt; nachdem die Mehrheit der Gesellschafter auf der Durchführung der Abstimmung bestanden habe, hätten die Kläger und andere betroffene Gesellschafter konsequenterweise gegen den Antrag gestimmt (AS 21).

Die Kläger geben den Inhalt des - von ihnen selbst vorgelegten und von der Beklagten nicht bestrittenen - Protokolls der Generalversammlung (s AS 71) damit nur unvollständig wieder. Nach dem Protokoll haben die "W*****-Bezirke" - und damit auch die Kläger (s AS 72) - ausdrücklich akzeptiert, dass es zu einer Abstimmung kam. Damit kann die behauptete (im Protokoll aber nicht aufscheinende) "sofortige" Rüge des "Missstands mangelnder Vorbereitungsmöglichkeit" nicht mehr als Widerspruch gegen den Beschluss gewertet werden. Ein Widerspruch vor der Abstimmung ist nämlich nur dann beachtlich, wenn er einen zwingenden Schluss auf einen entsprechenden Erklärungswillen danach zulässt (Koppensteiner aaO § 41 Rz 46 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung). Auf den Willen der Kläger, gegen den Beschluss Widerspruch wegen mangelnder Vorbereitungsmöglichkeit zu erheben, kann aus der behaupteten sofortigen Rüge nicht geschlossen werden, wenn die Kläger noch vor der Abstimmung ausdrücklich erklärt haben, die Abstimmung zu akzeptieren.

Haben die Kläger aber nicht Widerspruch erhoben, so sind sie unabhängig davon nicht zur Anfechtungsklage legitimiert, ob die Vorbereitungsmöglichkeit tatsächlich ungenügend war. Die von ihnen als fehlend gerügten Feststellungen sind daher für die Entscheidung unerheblich.

Die Revision musste erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Der Antrag der Beklagten, das Revisionsgericht wolle "der beklagten Partei die Kosten des Revisionsverfahrens auferlegen", beruht auf einem offenkundigen Versehen und kann daher den Kostenzuspruch an die Beklagte nicht hindern.

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