OGH 10ObS270/03h

OGH10ObS270/03h16.12.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Neumayr sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Manfred Matzka (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Günther Degold (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Horst H*****, vertreten durch Mag. Markus Hager, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, Friedrich Hillegeist-Straße 1, 1021 Wien, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Berufsunfähigkeitspension, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 23. Oktober 2003, GZ 11 Rs 107/03i-28, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Wels als Arbeits- und Sozialgericht vom 4. April 2003, GZ 17 Cgs 197/01a-24, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Der am 28. 1. 1950 geborene Kläger hat eine Lehre als Einzelhandelskaufmann (1964 - 1968) mit der Kaufmannsgehilfenprüfung abgeschlossen. Von 1971 bis 2000 war der Kläger als Handelsangestellter im Außendienst tätig. Die zuletzt vom Kläger von 1983 bis 2000 ausgeübte Tätigkeit entspricht der Beschäftigungsgruppe 4 des Kollektivvertrags der Handelsangestellten. Diese Tätigkeit kann der Kläger aufgrund der Einschränkungen seines medizinischen Leistungskalküls nicht mehr verrichten. Auch sonstige Tätigkeiten der Beschäftigungsgruppen 3 und 4 des Kollektivvertrags für Handelsangestellte kann der Kläger nicht ausüben, weil ihm die dafür notwendigen qualifizierten kaufmännischen Kenntnisse zur Gänze fehlen. Der Kläger hat zwar eine Einzelhandelskaufmannslehre abgeschlossen und dabei eine gewisse einfachere administrative bzw schriftliche Ausbildung erhalten; im Wesentlichen war die Arbeit aber auf den Verkauf gerichtet. Der Kläger hat auch immer nur im Verkauf und im Außendienst gearbeitet. Um einzelne Tätigkeiten der Beschäftigungsgruppe 3 ausüben zu können, wäre eine drei- bis sechsmonatige Nachschulung notwendig, die dem Kläger aber aufgrund seiner Einschränkungen im psychiatrischen Leistungskalkül nicht mehr möglich ist.

Der Kläger kann nur mehr einfache Tätigkeiten verrichten, wie etwa Tätigkeiten in einer innerbetrieblichen Poststelle, Tätigkeiten in Ablage und Evidenz sowie Arbeiten mit Statistiken, Karteien, Dateien etc. Bei diesen Verweisungsberufen handelt es sich um Tätigkeiten der Beschäftigungsgruppe 2 des Kollektivvertrags der Handelsangestellten.

Das Erstgericht wies die auf Gewährung der Berufsunfähigkeitspension ab 1. 12. 2000 gerichtete Klage ab; das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. In rechtlicher Hinsicht gingen die Vorinstanzen davon aus, dass ein Versicherter nicht den Berufsschutz einer Berufsgruppe in Anspruch nehmen könne, deren Voraussetzungen er nach seinen Kenntnissen und Fähigkeiten nicht oder nur in einem Teilbereich erfülle. Die letzte Tätigkeit des Klägers als Außendienstmitarbeiter möge zwar einer solchen der Gruppe 4 entsprochen haben; er könne aber jedenfalls nicht den Berufsschutz eines Angehörigen einer solchen Beschäftigungsgruppe oder der Gruppe 3 beanspruchen, da seine Ausbildung, seine Kenntnisse und Fähigkeiten üblicherweise nur zur Ausführung der in Beschäftigungsgruppe 2 fallenden einfachen Angestelltentätigkeiten ausreichen.

In seiner Zulassungsbeschwerde führt der Kläger aus, eine oberstgerichtliche Entscheidung, wonach einem Versicherten, der nach einer Einzelhandelskaufmannslehre jahrzehntelang als Verkäufer im Außendienst tätig gewesen sei, nur ein Berufsgruppenschutz nach Kollektivvertragsstufe II der Handelsangestellten zukäme, nicht evident sei. Insbesondere sei keine Entscheidung ersichtlich, nach welcher ein Versicherter trotz qualifizierter Berufsausbildung und jahrzehntelanger hoch qualifizierter Berufsausübung seinen Berufsgruppenschutz verliere, weil gewisse Teilkenntnisse verblasst seien bzw zum Zeitpunkt der Berufsausbildung noch nicht gelehrt worden seien.

Rechtliche Beurteilung

Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes stellt die Pensionsversicherung der Angestellten eine Berufs(gruppen)versicherung dar, deren Leistungen einsetzen, wenn der Versicherte in Folge seines körperlichen und/oder geistigen Zustandes einen Beruf seiner Berufsgruppe nicht mehr ausüben kann. Dabei ist von jenem Angestelltenberuf auszugehen, den der Versicherte zuletzt ausgeübt hat. Dieser Beruf bestimmt das Verweisungsfeld, also die Summe aller Berufe, die derselben Berufsgruppe zuzurechnen sind, weil sie eine ähnliche Ausbildung und gleichwertige Kenntnisse und Fähigkeiten verlangen (SSV-NF 2/73 mwN, 2/92 uva; RIS-Justiz RS084904).

Zutreffend haben die Vorinstanzen dargestellt, dass aus dem Umstand, dass die vom Kläger zuletzt ausgeübte Tätigkeit in die Beschäftigungsgruppe 4 des Kollektivvertrags für Handelsangestellte einzureihen ist, noch nicht abgeleitet werden kann, dass der Kläger auch den Berufsschutz dieser Berufsgruppe genießt. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (SSV-NF 4/17, 7/34, 8/38; RIS-Justiz RS0084440) kann ein Versicherter nicht den Berufsschutz einer Berufsgruppe in Anspruch nehmen, deren Voraussetzungen er nach seinen Kenntnissen und Fähigkeiten nicht erfüllt. Entscheidend für die Zuerkennung eines der Beschäftigungsgruppe 4 entsprechenden Berufsschutzes ist, dass beim Versicherten diejenigen Kenntnisse vorhanden sind, über die die in der kollektivvertraglichen Beschäftigungsgruppe 4 eingestuften Angestellten üblicherweise verfügen. Hat ein Versicherter zwar Tätigkeiten der Beschäftigungsgruppe 4 in einer spezialisierten Form ausgeführt, obwohl ihm das üblicherweise bei Angestellten dieser Beschäftigungsgruppe vorhandene kaufmännische Fachwissen fehlt, kann er nur den Berufsschutz derjenigen Beschäftigungsgruppe in Anspruch nehmen, die seinen Kenntnissen und Fähigkeiten entspricht.

Bei Abstrahierung der kaufmännischen Kenntnisse und Fähigkeiten des Klägers ergibt sich, dass diese lediglich der Beschäftigungsgruppe 2 entsprechen. Zutreffend sind die Vorinstanzen daher bei der Prüfung der Verweisungsmöglichkeiten von dieser Beschäftigungsgruppe ausgegangen und haben eine Verweisbarkeit des Klägers bejaht. Vom Verlust des Berufsgruppenschutzes "trotz jahrzehntelanger hoch qualifizierter Berufsübung ..., weil gewisse Teilkenntnisse verblasst" seien bzw zum Zeitpunkt der Berufsausbildung noch nicht gelehrt worden seien, kann keine Rede sein, würde doch durch die bloße Absolvierung einer Einzelhandelskaufmannslehre nicht "automatisch" die Einreihung in die kollektivvertragliche Beschäftigungsgruppe 4 begründet.

Da eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht vorliegt, ist die außerordentliche Revision zurückzuweisen.

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