OGH 6Ob165/03p

OGH6Ob165/03p27.11.2003

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 4. März 2001 verstorbenen Leopold M*****, wegen Feststellung der Erbhofeigenschaft nach § 1 AnerbenG, über den Revisionsrekurs des erbserklärten Erben Karl M*****, vertreten durch Dr. Peter Eigenthaler, Rechtsanwalt in Lilienfeld, gegen den Beschluss des Landesgerichtes St. Pölten als Rekursgericht vom 14. Mai 2003, GZ 10 R 44/03b-67, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichtes St. Pölten vom 5. März 2003, GZ 4 A 17/01g-62, ersatzlos aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der am 4. 3. 2001 verstorbene Erblasser war Eigentümer eines landwirtschaftlichen Betriebes. Seine vier Kinder gaben je zu einem Viertel des Nachlasses bedingte Erbserklärungen aufgrund des Gesetzes ab. Ihnen wurde die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses übertragen. Die Söhne Leopold und Karl M***** beantragten jeweils ihre Bestellung zum Anerben, sollte das Anwesen einen Erbhof darstellen. Mit Beschluss vom 8. 8. 2001 stellte das Erstgericht fest, dass der landwirtschaftliche Betrieb ein Erbhof im Sinn des § 1 AnerbenG sei. Dieser Beschluss erwuchs in Rechtskraft. Ein Übernahmspreis steht noch nicht fest. Karl M***** zog inzwischen seinen Antrag auf Bestellung zum Anerben zurück. Im Rahmen der Erhebungen zur Festsetzung des Übernahmspreises vertrat der Gerichtskommissär die Ansicht, dass nach Wegfall des dem Hof zugeteilten Milchkontingents nur mehr mit einem zu erwirtschaftenden jährlichen Einkommen von maximal 20.800 EUR zu rechnen sei und daher keine Erbhofeigenschaft mehr vorliege.

Das Erstgericht stellte daraufhin mit Beschluss vom 5. 3. 2003 fest, dass es sich beim landwirtschaftlichen Betrieb des Erblassers um keinen Erbhof im Sinn des Anerbengesetzes handle. Die Einnahmequelle aus dem Milchkontingent, aus dem jährlich 18.800 EUR zu realisieren gewesen seien, sei mangels eines entsprechenden Viehbestandes weggefallen. Dadurch sei nunmehr der Ertrag des Hofes derart niedrig, dass die Erbhofeigenschaft zu verneinen sei. Dass durch künftige Investitionen die Erbhofeigenschaft wieder hergestellt werden könnte, sei nicht zu berücksichtigen, weil auf den Todestag des Erblassers abzustellen sei.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Sohnes Leopold M***** Folge und hob diesen Beschluss ersatzlos auf. Der neuerlichen Entscheidung über die Frage der Erbhofeigenschaft stehe die Rechtskraft des Beschlusses entgegen, mit dem die Erbhofeigenschaft bejaht worden sei. Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs im Hinblick auf die Rechtsprechung zulässig sei, dass schwerwiegende Verzerrungen zufolge nicht bedachter Veränderungen auszuschalten seien (RIS-Justiz RS0050267). Deshalb sei es denkbar, dass eine Neubeurteilung der Erbhofeigenschaft stattzufinden habe, wenn sich bedingt durch die längere Verfahrensdauer die Verhältnisse derart änderten, dass der Hof nicht mehr wirtschaftlich zu führen sei. Zu dieser Frage liege keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vor. Es stelle sich auch die Frage, wie der Übernahmspreis zu bemessen sei, wenn sich die Verhältnisse zwischen dem Todeszeitpunkt des Erblassers und der tatsächlichen Zuweisung an den Anerben erheblich veränderten.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Karl M***** ist entgegen diesem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch mangels erheblicher Rechtsfrage unzulässig.

Auch im Verfahren außer Streitsachen ist die materielle Rechtskraft einer Entscheidung in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu beachten (RIS-Justiz RS0007477; RS0007171). Wie der Oberste Gerichtshof bereits ausgeführt hat, gilt dies auch für den im Rahmen des Verlassenschaftsverfahrens zu fassenden Beschluss über die Frage der Erbhofeigenschaft eines landwirtschaftlichen Betriebes (6 Ob 102/01w). Die Erbhofeigenschaft wurde hier bereits rechtskräftig bejaht. Wie das Rekursgericht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ausgeführt hat, ist die Leistungsfähigkeit des zu beurteilenden Hofes nach objektiven Kriterien zu prüfen (SZ 58/206; RIS-Justiz RS0050260). Es kommt auf eine durchschnittliche Wirtschaftsführung und nicht auf die konkrete Bewirtschaftungsart des Erblassers oder des präsumtiven Hofübernehmers an. Maßgeblich ist, welches landwirtschaftliche Nettoeinkommen (als rechnerische Größe) aus dem Betrieb zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers von einem durchschnittlichen Landwirt bei ortsüblicher Bewirtschaftung erzielt werden kann (SZ 73/104). Der Wegfall des Milchkontingents (nach den übereinstimmenden Behauptungen der erbl. Söhne wurde die Milchquote im Einvernehmen aller Erben verkauft) hat daher keinen Einfluss auf die Frage der Erbhofeigenschaft. Dieser Umstand vermag daher einen gegenüber der letzten Beschlussfassung geänderten Sachverhalt, der zur neuerlichen Entscheidung über diese Frage Anlass geben könnte, nicht zu begründen. Die Rechtskraft des Beschlusses, mit dem die Erbhofeigenschaft bejaht wurde, hindert ein neuerliches Aufrollen dieser Frage unabhängig davon, ob in dem diesen Beschluss vorangehenden Verfahren bei Prüfung der Ertragslage der mögliche Entfall des Milchkontingents bereits berücksichtigt wurde.

Die Entscheidung, ob ein Erbhof vorliegt, ist von jener darüber, wie hoch der Übernahmspreis ist, zu unterscheiden (6 Ob 30/85). Dass über den Übernahmspreis noch nicht entschieden wurde, steht der Rechtskraft und der Bindungswirkung des Beschlusses über die Erbhofeigenschaft nicht entgegen.

Der vom Rekursgericht zur Begründung seines Zulässigkeitsausspruches herangezogene Rechtssatz (RIS-Justiz RS0050267) bezieht sich nicht auf Veränderungen bei den Bewirtschaftungsmöglichkeiten und der Ertragslage des Hofes zwischen der Feststellung der Erbhofeigenschaft und der Zuweisung des Erbhofes an den Anerben oder der Einantwortung, sondern auf die Frage der Auslegung des Bestimmungsmerkmales für die Untergrenze des Ertrages gemäß § 1 Abs 1 Z 2 AnerbenG in der Stammfassung, nämlich ob hiebei die Änderungen der betriebswirtschaftlichen und sozialen Gegebenheiten seit Inkrafttreten des Gesetzes zu berücksichtigen seien. Ein Widerspruch zur Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ist in der Ansicht des Rekursgerichtes, dass nach der Beschlussfassung über die Erbhofeigenschaft eingetretene wirtschaftliche Veränderungen in Bezug auf das landwirtschaftliche Anwesen grundsätzlich keinen Anlass für eine neuerliche Entscheidung über die Erbhofeigenschaft bieten, nicht zu erkennen.

Der Revisionsrekurs zeigt somit keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 14 Abs 1 AußStrG auf und ist daher zurückzuweisen.

Stichworte