OGH 8Ob137/03k

OGH8Ob137/03k25.11.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer, Dr. Spenling und Dr. Kuras sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Lovrek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*****, Infrastruktur und Stadtteilentwicklungsgenossenschaft reg.Gen.mbH, *****, vertreten durch Dr. Georg-Christian Gass und Dr. Alexander M. Sutter, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei S***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Kleinszig-Puswald-Wolf-Kassin, Rechtsanwälte in St. Veit an der Glan, wegen EUR 35.098,94 sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 4. September 2003, GZ 4 R 118/03k-29, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Den Ausführungen der Beklagten hinsichtlich der Mangelhaftigkeit des Verfahrens wegen Unterlassung der erneuten Einvernahme des beantragten Zeugen sowie der Beiziehung eines Sachverständigen ist schon entgegenzuhalten, dass nach ständiger Rechtsprechung angebliche Mängel des Verfahrens erster Instanz, die vom Berufungsgericht verneint wurden, nicht erneut nach § 503 Z 2 ZPO geltend gemacht werden können (vgl RIS-Justiz RS0042963 mit zahlreichen weiteren Nachweisen zuletzt 6 Ob 21/03m; Kodek in Rechberger ZPO2 § 503 Rz 3). Aber auch im Übrigen vermag die Beklagte keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO darzulegen. Im Wesentlichen ging es doch darum, dass die Beklagte im Sommer 1999 einen bereits seit April 1999 laufenden Vertrag betreffend die Durchführung von Bewachungs-, Kassier-, Revier- und Parkplatzbewirtschaftungsdiensten für Messeveranstaltungen übernommen hat. Bereits bei der Herbstmesse 1999 bzw der Frühjahrsmesse 2000 gab Probleme wegen des ineffizienten Personaleinsatzes durch die Beklagte und weil sie die Mitarbeiter nur teilweise bezahlte. Im August 2000 erklärte dann die Beklagte, nachdem sie noch bis 25. 7. 2000 zugesichert hatte, die Herbstmesse 2000 vertragskonform durchzuführen, wegen der hohen Verluste, die sie tragen musste, nicht mehr bereit zu sein, die Herbstmesse zu den gleichen Bedingungen zu betreuen; dies obwohl der Vertrag bis zum 31. 3. 2002 abgeschlossen war. In weiterer Folge kündigte dann die Beklagte nachdem verschiedene Gespräche gescheitert waren, den Betreuungsvertrag vom 25. 8. 2000 ohne Einhaltung einer Frist aus "wichtigen Grund" auf.

Grundsätzlich zutreffend ist nun, dass Dauerschuldverhältnisse durch einseitige Erklärung aufgelöst werden können, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, der die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses für einen der Vertragsteile als unzumutbar erscheinen lässt (vgl allgemein RIS-Justiz RS0027780 mit zahlreichen weiteren Nachweisen, zuletzt 3 Ob 42/03b). Entscheidend ist, ob die Fortsetzung der Vertragsverhältnisses unter Berücksichtigung der Eigenart des Schuldverhältnisses, des gesamten Verhaltens des Vertragspartners und der Interessen beider Vertragsteile nicht mehr weiter zugemutet werden kann, wobei den Umständen des Einzelfalles besondere Bedeutung zukommt (vgl RIS-Justiz RS0018842 mwN zuletzt etwa OGH 9 Ob 233/01g). Die Bewertung dieser konkreten Umstände im Einzelfall stellt aber regelmäßig keine zur Rechtsentwicklung oder Rechtseinheit wesentliche Frage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO dar (vgl Kodek in Rechberger ZPO2 § 502 Rz 3). Eine vom Obersten Gerichtshof allenfalls zur Wahrung der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung des Berufungsgerichtes vermag die Beklagte nicht nachzuweisen. Soweit sie vermeint, dass diese in der mangelnden Übermittlung von Dienstplänen für die Herbstmesse liegen könnte, hat sie weder dargestellt noch nachgewiesen, woraus sich diese Verpflichtung ergeben sollte und dass sie die Übermittlung solcher Dienstpläne überhaupt einforderte. Die Ausführungen der Beklagten, dass die Klägerin bereits mit dem Zweitanbieter handelseinig gewesen sei, entfernen sich von den konkreten Feststellungen. Dass die Klägerin im Hinblick auf den Zeitdruck wegen der anstehenden Herbstmesse und die erwiesenen Probleme bei Vertragsabwicklung mit der Beklagten sowie der von der Beklagten ja auch angekündigten mangelnden Bereitschaft, die Herbstmesse durchzuführen, schließlich auch mit anderen Anbietern Kontakt aufnahm, vermag einen Auflösungsgrund nicht darzustellen. Gleiches gilt auch soweit die Beklagte releviert, dass sie von der Klägerin auf das Vorliegen eines groben Kalkulationsirrtums hätte hingewiesen werden müssen. Dem ist entgegenzuhalten, dass die Beklagte ja bereits den laufenden Vertrag übernommen hat und auch gar nicht dargestellt wird, worin der konkrete grobe Kalkulationsirrtum gelegen sein sollte. Eine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung kann die Beklagte jedenfalls nicht darlegen. Gleiches gilt soweit die Beklagte den "Kalkulationsirrtum" auch als wesentlichen Irrtum im Sinne des § 871 ABGB geltend macht. Dem Kalkulationsirrtum wird dann Beachtlichkeit zuerkannt, wenn die Kalkulation bei den Vertragsverhandlungen dem Partner gegenüber in Erscheinung trat und als Grundlage für die Willenserklärung erkennbar war (vgl RIS-Justiz RS0014894 mwN zuletzt 1 Ob 307/01f). Worin nun aber der konkrete Irrtum bei der Kalkulation, der gegenüber dem Partner in Erscheinung getreten ist, gelegen sein sollte, vermag die Beklagte nicht darzustellen. Alleine der Umstand, dass andere Unternehmen die "Ertragsfähigkeit" der Parkplatzbewirtschaftung anders eingeschätzt haben weist einen solchen Kalkulationsirrtum noch nicht nach (vgl zur zugesagten Ertragsfähigkeit RIS Justiz RS0016178 mwN insb OGH 1 Ob113/02b zur Tragung des Risikos des Geschäftserfolges).

Soweit die Beklagte auch noch geltend macht, dass nach den Ausschreibungsbedingungen "offensichtlich unterpreisige Anbote" von der Auftragserteilung ausgeschlossen waren, ist sie schon darauf hinzuweisen, dass sie sich selbst an der Ausschreibung ja gar nicht beteiligte. Auch geht hier nicht mehr um die im Rahmen der vergaberechtlichen Regelungen relevante Frage, unter welchen Voraussetzungen an welchen Bieter der Auftrag zu erteilen war, sondern es wurde ein bereits abgeschlossener Vertrag übernommen (vgl allgemein zur Vertragsübernahme RIS-Justiz RS0032623 mwN zuletzt OGH 1 Ob 152/02p).

Insgesamt kann den Ausführungen der Beklagten vor dem Hintergrund des konkret festgestellten Sachverhaltes jedenfalls keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO entnommen werden.

Stichworte