OGH 2Ob177/02x

OGH2Ob177/02x30.10.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon.-Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Alois Autherith, Rechtsanwalt, 3500 Krems, Utzstraße 13, als Masseverwalter im Konkurs der Norbert K***** GesmbH & Co KG, gegen die beklagte Partei Volksbank K***** Aktiengesellschaft, vertreten durch Dr. Peter Wilhelm, Rechtsanwalt in Krems, wegen EUR 17.078,12 sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 19. März 2002, GZ 3 R 45/02p-11, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Krems an der Donau vom 2. Jänner 2002, GZ 27 Cg 42/01t-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Mit Beschluss des Landesgerichtes Krems an der Donau vom 14. 11. 2000, GZ 9 S 51/00y-1, wurde über das Vermögen der Norbert K***** GesmbH & Co KG der Konkurs eröffnet und der Kläger zum Masseverwalter bestellt.

Die Gemeinschuldnerin unterhielt bei der beklagten Partei unter anderem ein Konto Nr 5101759 0000, das einen Kontokorrentkredit, und das Konto Nr 5101759 2203, das einen Abstattungskredit betraf. Bis zur Konkurseröffnung wurde der Abstattungskredit ordnungsgemäß bedient; es bestanden keine Rückstände, der Kredit war nicht fällig gestellt worden. Der Rahmen des Kontokorrentkredites wurde bei weitem nicht ausgeschöpft.

Am 13. 11. 2000 behob der Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin S 235.000,- vom Kontokorrentkreditkonto (wodurch der Kontokorrentkreditrahmen nicht überzogen wurde). 19 Minuten später zahlte er S 547.000,- auf das Abstattungskreditkonto ein. Hintergrund dieser Vorgangsweise war, dass Norbert K***** der Beklagten als Bürge haftete, wenn der offene Rest des Abstattungskredits zuzüglich des Kreditrahmens (unabhängig von dessen Ausnützung) den Betrag von S 8,000.000,- übersteigt. Um diese Bürgenhaftung zu vermeiden, weitete K***** durch Behebung von S 235.000,- die Ausnützung des Kontokorrentkredites aus und senkte durch die Einzahlung von S 547.000,- auf den Abstattungskredit (diese Rückzahlung erfolgte vor Fälligkeit) den diesbezüglichen Schuldenstand. Insgesamt betrug nach dieser Transaktion der offene Rest aus dem Abstattungskredit zuzüglich des Kreditrahmens weniger als S 8,000.000,-, weshalb K***** der Beklagten nicht als Bürge haftete. Unmittelbar danach stellte K***** einen Konkursantrag.

Beide Kredite waren gleich besichert. Die Beklagte bezahlte infolge Anfechtung durch den Kläger S 312.000,- (die Differenz von S 547.000,- auf S 235.000,-) an die Masse.

Der Kläger ficht die Rückführung des Abstattungskredites im Umfang von S 547.000,- an und begehrt Zahlung von S 235.000,-. Es handle sich um eine inkongruente Deckung. Die Anfechtung sei befriedigungstauglich, weil durch die Zahlung dieses Betrages die Masse erhöht werde.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Sie sei durch Einzahlung der zunächst behobenen S 235.000,- nicht begünstigt, sondern geschädigt worden, weil sie dadurch die Haftung K***** als Bürge verloren habe. Von der Zahlungsunfähigkeit der Gemeinschuldnerin habe sie weder Kenntnis gehabt noch haben müssen. Die Konkursforderungen der Beklagten gegen die Masse vor und nach der Transaktion seien gleich hoch.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Es traf die eingangs wiedergegebenen Feststellungen und beurteilte diese rechtlich dahingehend, die Zahlung von S 547.000,- zur Verringerung des (nicht fälligen) Abstattungskredites sei zwar bei isolierter Betrachtung inkongruent, eine wirtschaftliche und zeitliche Gesamtschau ergebe aber, dass durch die - 19 Minuten vorher erfolgte - Behebung des Teilbetrages von S 235.000,-, zufolge der sofortigen Einzahlung des behobenen Betrages auf das Abstattungskreditkonto, das Gesamtobligo der Gemeinschuldnerin gegenüber der Beklagten gleichgeblieben sei. Eine Begünstigung der beklagten Bank im Umfang des Zahlungsbegehrens von S 235.000,- liege daher nicht vor.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei.

Es erörterte rechtlich, anfechtbar sei nach § 30 Abs 1 Z 1 KO eine nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder nach dem Antrag auf Konkurseröffnung oder in den letzten 60 Tagen vorher vorgenommene Sicherstellung oder Befriedigung eines Gläubigers, wenn der Gläubiger eine solche erlangt habe, die er nicht oder nicht in der Art oder nicht in der Zeit zu beanspruchen hatte, es sei denn, dass er durch diese Rechtshandlung vor den anderen Gläubigern nicht begünstigt worden sei. Eine objektive Begünstigung, also eine inkongruente Deckung liege dann vor, wenn der Gläubiger etwas erhalte, was ihm überhaupt nicht, nicht in dieser Art und Weise oder nicht zum Zeitpunkt des Erhalts zustehe (SZ 63/26). An die die Anfechtbarkeit ausschließende Kongruenz seien im Interesse der Durchsetzung des Zweckes dieser Vorschrift, nämlich der Verhinderung der objektiven Begünstigung eines Gläubigers vor den anderen und damit der Sicherung der Gleichbehandlung aller Gläubiger, strenge Anforderungen zu stellen (ÖBA 2000/848 [Seite 154] = ZIK1999, 134). Kenntnis oder Kennenmüssen der Begünstigung sei nicht erforderlich. Inkongruenz sei auszuschließen, wenn dem Gläubiger auf die Sicherstellung oder Befriedigung ein bei Beginn der im § 30 Abs 1 KO genannten Frist begründeter Anspruch zugestanden sei. “In der Zeit" zu beanspruchen habe ein Gläubiger die Befriedigung dann, wenn der (materiell-rechtliche) Anspruch auf die Leistung vor der kritischen Frist des § 30 Abs 1 KO entstanden und im Zeitpunkt der Befriedigung auch klagbar sei (stRspr). Da der Abstattungskredit regelmäßig und rechtzeitig bedient worden sei, habe die Beklagte keinen Anspruch auf Reduzierung ihrer Forderung um S 547.000 gehabt; die Zahlung sei vor Fälligkeit erfolgt und daher inkongruent. Der Abstattungskredit hätte auch nicht fällig gestellt werden können, weil weder die Zahlungsunfähigkeit des Gemeinschuldners bekannt gewesen, noch sonst ein Grund für die Fälligstellung behauptet worden sei.

Auch ein die Anfechtung ausschließendes “Zug um Zug" Geschäft liege mangels entsprechender Vereinbarung nicht vor. Die Beklagte habe nicht gewusst, dass die Gemeinschuldnerin den behobenen Betrag 19 Minuten später zurückzahlen werde. Die Rückzahlung sei daher nicht Zug um Zug gegen die Gewährung der Auszahlung aus dem Kontokorrentkredit erfolgt.

Eine Anfechtung wegen objektiver Begünstigung scheide aber nach § 30 Abs 1 Z 1 KO, letzter Halbsatz, dann aus, wenn der Gläubiger durch die Rechtshandlung vor den anderen Gläubigern nicht begünstigt sei. Von einer abweichenden Deckung werde zwar stets vermutet, sie sei eine Begünstigung und verletze den Grundsatz der Gleichbehandlung, doch könne diese Vermutung im Einzelfall widerlegt werden. Der Anfechtungsgegner könne dartun, dass er gerade so viel und gerade das erhalten habe, was er auch im Konkurs hätte bekommen müssen. Der Beklagten sei dieser Beweis gelungen, weil die Behebung der S 235.000,- vom Kontokorrentkreditkonto und die - 19 Minuten später erfolgte - Einzahlung auf das Abstattungskreditkonto in einem derart engen zeitlichen, wirtschaftlichen und kausalen Zusammenhang gestanden seien, dass dieser Vorgang nicht in die Behebung einerseits und die Einzahlung andererseits zerlegt werden dürfe. Dem Geschäftsführer sei es gerade darauf angekommen, den behobenen Betrag zur Tilgung einer anderen Schuld zu verwenden. Da beide Kredite gleich besichert gewesen seien, sei die Beklagte durch diese Vorgangsweise nicht begünstigt. Die im Anfechtungsrecht gebotene wirtschaftliche Betrachtungsweise mache es unzulässig, einen als Einheit zu sehenden Gesamtvorgang in seine Einzelteile zu zerlegen und nur einen dieser Teile anzufechten. Durch die tatsächlich eingehaltene Vorgangsweise sei die Beklagte nur so gestellt worden, als ob bloß eine Umbuchung vom Kontokorrentkreditkonto auf das Abstattungskreditkonto durchgeführt worden wäre.

Mangels Begünstigung sei die inkongruente Zahlung von S 235.000 nicht anfechtbar.

Die ordentliche Revision sei zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung “zu einem vergleichbaren Fall nicht vorliege".

Der Kläger beantragt in seinem Rechtsmittel gegen diese Entscheidung, dem Klagebegehren zur Gänze stattzugeben; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Die Beklagte beantragt der Revision nicht Folge zu geben.

Im Rechtsmittel des Klägers wird geltend gemacht, bei der Einzahlung auf das Abstattungskreditkonto habe es sich um eine inkongruente Leistung gehandelt; eine Verknüpfung mit der zuvor erfolgten Behebung aus dem Kontokorrentkreditkonto sei unzulässig, weil das behobene Geld vor Einzahlung an die Bank in die Kasse der Gemeinschuldnerin eingezahlt worden sei.

Eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung liegt entgegen dem nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichtes nicht vor. Dass Rechtsprechung zu einem “vergleichbaren Fall“ nicht vorliegt, begründet für sich allein noch nicht die Zulässigkeit einer ordentlichen Revision.

Zur Frage der Kongruenz bzw Inkongruenz im Zusammenhang mit dem Anfechtungstatbestand nach § 30 Abs 1 Z 1 KO besteht eine gefestigte oberstgerichtliche Judikatur, an die sich das Berufungsgericht gehalten hat. Diese Beurteilung ist im Übrigen stets und typisch einzelfallbezogen und auch bei Kreditgeschäften damit regelmäßig von der Kasuistik der Vertragsgestaltung zwischen Kreditnehmer (Gemeinschuldner) und Kreditgeber (Bank bzw Anfechtungsgegner) geprägt (RIS-Justiz RS0111989; ÖBA 2000/848 uva).

Es mag zutreffen, dass dem Anfechtungsgegner der (schwierige) Einredebeweis des § 30 Abs 1 Z 1 KO, letzter Satzteil, nur in seltenen Fällen gelingt (König, Anfechtung³ Rz 10/84), doch ist dieser Beweis im vorliegenden Fall als erbracht anzusehen. Nach der im Anfechtungsrecht gebotenen “wirtschaftlichen Betrachtungsweise" (König, aaO, Rz 10/3 FN 22) hat die Beklagte nämlich dargetan, dass sie durch die Vorgangsweise (Behebung eines Betrages von S 235.000 im Rahmen des Kontokorrentkredites und unmittelbar darauf folgende [vorzeitige] teilweise Abdeckung des Abstattungskredites), “nur soviel und gerade das erhalten hat, was sie auch im Konkurs hätte bekommen können" (König, aaO Rz, 10/83 FN 305 mwN), weil ihre Gesamtforderung letztlich unverändert blieb (vgl 7 Ob 231/01y zur vorzeitigen Befriedigung einer Forderung; ZIK 1999,134). Die Forderung aus dem Kontokorrentkreditverhältnis hat sich ja um jenen Betrag erhöht, um den sich die Forderung aus dem Abstattungskreditverhältnis verringert hat.

Eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung liegt daher nicht vor.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 40, 50 ZPO; die beklagte Partei hat auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen.

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