OGH 7Ob159/03p

OGH7Ob159/03p1.10.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W***** Versicherung AG, ***** vertreten durch Dr. Kostelka-Reimer & Dr. Fassl, Rechtsanwälte OEG in Wien, gegen die beklagte Partei H***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr. Rudolf Fuchs, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 30.937,26 samt Anhang, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 24. April 2003, GZ 1 R 20/03y-27, womit das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 2. Dezember 2002, GZ 11 Cg 15/02x-23, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Beklagte verpflichtete sich gegenüber der G***** Aktiengesellschaft, Sanierungsarbeiten am Haus *****, durchzuführen. Im Zuge der Sanierungsarbeiten führte die Beklagte auch Flämmarbeiten in der Nähe der mit Blech verkleideten Fassade dieser Wohnhausanlage durch. Die Fassade ist mit Kupferblech verkleidet, die Unterkonstruktion besteht aus Holz und ist nicht sichtbar. Die Mitarbeiter der Beklagten wurden davon vom Auftraggeber auch nicht in Kenntnis gesetzt. Die Fassade war zu einem Zeitpunkt errichtet worden, als sowohl Holzlattenroste als auch Stahlprofile als Unterkonstruktion für Blechverkleidungen üblicherweise Verwendung fanden. Die Mitarbeiter der Beklagten mussten daher mit der Möglichkeit rechnen, dass die Kupferblechfassade auf einer Holzunterkonstruktion montiert war. Bei der Durchführung der Flämmarbeiten entstand an der Fassade ein Schwelbrand, der zu den klagsgegenständlichen Schäden führte.

Die Parteien vereinbarten, dass die Mitarbeiter der Beklagten die Beschaffenheit der Bauteile genauestens besichtigen müssen und dass vor Beginn der Arbeiten eine Besichtigung an Ort und Stelle mit dem für die Wohnhausanlage zuständigen Techniker zu vereinbaren sei, der für eventuell erforderliche Auskünfte zur Verfügung stehe. Diese Vereinbarung wurde vom Geschäftsführer der Beklagten unterfertigt (unstrittig vgl ON 9, S 2f = AS 35f).

Die Klägerin ist Gebäudeversicherer und ersetzte dem Hauseigentümer den entstandenen Schaden zur Gänze. Die Beklagte zahlte an die Klägerin nur 2/3 des Schadensbetrages.

Die Klägerin begehrt die Bezahlung auch des letzten Drittels des entstandenen Schadens. Die Beklagte treffe das Alleinverschulden am Brand.

Die Beklagte beantragt die Klagsabweisung mit der Begründung, dass sie zwar für das rechtswidrige und schuldhafte Verhalten ihrer Erfüllungsgehilfen einzustehen habe, der Auftraggeberin aber ein Mitverschulden in der Höhe von 1/3 anzulasten sei, da sie nicht aufgeklärt habe, dass sich hinter der Kupferblechfassade eine Holzkonstruktion befinde, die in Brand geraten könne.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Auftraggeberin sei verpflichtet gewesen, die Beklagte auf eine Holzunterkonstruktion im Bereich der Blechfassade hinzuweisen, wenn sie Flämmarbeiten in Auftrag gebe.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Den sachverständigen Besteller treffe die vertragliche Nebenpflicht, dem Unternehmer durch geeignete Aufklärung die Erfüllung seiner Verbindlichkeit zu ermöglichen. Ihm sei ein Mitverschulden vorzuwerfen, wenn er auf Grund seines Sachverstandes die Untauglichkeit seiner Anweisung erkennen könne. Die von der Berufungswerberin vertretene Rechtsansicht, ein Werkbesteller sei generell nicht verpflichtet, den Werkunternehmer von sich aus auf mögliche Gefahren hinzuweisen, die mit der Herstellung des Werkes für einen Fachmann vorhersehbar verbunden seien, werde vom Berufungsgericht nicht geteilt.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin mit einem Abänderungsantrag, in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

In der der Beklagten vom Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsbeantwortung (§ 508a ZPO) beantragt die Beklagte, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zur Wahrung der Einzelfallgerechtigkeit zulässig, sie ist auch berechtigt.

§ 1168a ABGB normiert eine Warnpflicht des Werkunternehmers. Sie ist eine werkvertragliche Interessenwahrungspflicht, die immer dann besteht, wenn das Werk infolge dem Unternehmer bekannter Umstände zu misslingen droht und dem Besteller dadurch ein Schaden entstehen kann (7 Ob 110/01m, 1 Ob 170/01h). "Offenbar" im Sinne der Gesetzesstelle ist alles, was vom Unternehmer bei der von ihm vorausgesetzten Sachkenntnis erkannt werden muss (1 Ob 205/01x, SZ 57/18 je mwN). Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass bei Verletzung der Warnpflicht durch den Werkunternehmer den sachkundigen Besteller ein Mitverschulden treffen kann (3 Ob 262/00a, 6 Ob 107/00b, 10 Ob 371/98a je mwN). Kann der Besteller bei der genügenden Sachkenntnis erkennen, dass die dem Unternehmer erteilte Anweisung oder die vereinbarte Arbeitsweise verfehlt ist, ist ihm ein Mitverschulden anzulasten (10 Ob 371/98a).

Im vorliegenden Fall wurden Flämmarbeiten in der Nähe einer Kupferblechfassade durchgeführt, die auf einer Holzkonstruktion montiert war. Dass Flämmarbeiten grundsätzlich gefährlich sind und besondere Vorsicht bei deren Durchführung zur Vermeidung eines Brandes geboten ist, ist allgemein bekannt. Ebenso muss als allgemein bekannt vorausgesetzt werden, dass eine Kupferblechfassade auf einer Unterkonstruktion montiert sein muss. Nach den Feststellungen des Erstgerichtes waren derartige Fassaden üblicherweise entweder auf einem Holzlattenrost oder auf Stahlprofilen montiert. Die Mitarbeiter der Beklagten mussten daher mit der Möglichkeit rechnen, dass sich unter der Kupferblechfassade eine Holzkonstruktion befinden könnte und hätten selbst dafür Vorsorge treffen müssen, dass die beauftragten Arbeiten gefahrlos und fachgerecht ausgeführt werden. Abgesehen davon vereinbarten die Parteien ausdrücklich in Beilage ./B (die diesbezüglich im erstinstanzlichen Verfahren unbestritten blieb und daher der Entscheidung zugrundezulegen ist), dass die Beklagte selbst die Beschaffenheit der bestehenden Bauteile genauestens besichtigen müsse bzw dass vor Beginn der Arbeiten eine Besichtigung mit dem zuständigen Techniker zu vereinbaren sei, der für erforderliche Auskünfte zur Verfügung stehe. Damit übernahm die Beklagte sogar ausdrücklich die Verpflichtung, sich selbst über die Beschaffenheit der Baustelle zu informieren. Dieser Verpflichtung kamen die Mitarbeiter der Beklagten nach den Feststellungen des Erstgerichtes nicht nach, insbesondere überprüften sie eben nicht, auf welcher Unterkonstruktion die Kupferblechfassade montiert war.

Im Übrigen konnten die Mitarbeiter der Auftraggeberin wiederum davon ausgehen, dass die Mitarbeiter des beklagten Fachunternehmens natürlich vor Beginn von Flämmarbeiten prüfen würden, ob sich entzündbare Stoffe im Gefahrenbereich ihrer Arbeit befinden, dies nicht nur begrenzt auf die Fassade. Da damit zu rechnen war, dass die Kupferblechfassade auf einer Holzkonstruktion befestigt ist, musste von den Mitarbeitern der Beklagten ohne weiteres erwartet werden, dass diese selbst Maßnahmen ergreifen werden, um die Fassade bzw die Unterkonstruktion ebenso wie andere Gegenstände im Gefahrenbereich nicht zu erhitzen. Davon konnten die Mitarbeiter der Klägerin ohne gegenteilige Anhaltspunkte (solche fehlen hier) ausgehen. Es hieße die Obliegenheit des Werkbestellers zur Aufklärung des Werkunternehmers überspannen, wollte man ihm anlasten, ohne Anhaltspunkte für eine Notwendigkeit im Einzelfall den Werkbesteller bei der Beobachtung der werkspezifischen offensichtlichen Sorgfaltspflichten auch noch zu kontrollieren und Warnungen über Zustände in der Umgebung des Werkstoffes abzugeben, von denen er annehmen muss, dass sie von einem sorgfältigen Werkunternehmer selbst kontrolliert werden.

Der Versicherungsnehmerin der Klägerin kann daher kein Mitverschulden am Entstehen des Schadens angelastet werden. Die Beklagte ist zum Ersatz des gesamten Schadens verpflichtet.

Die Rechtssache ist aber noch nicht spruchreif, da noch geeignete Feststellungen des Erstgerichtes zur Schadenshöhe fehlen.

Die Klägerin begehrt neben dem Ersatz der bautechnischen Aufwendungen zur Behebung des Schadens auch den Ersatz von Gutachtenskosten. Sie führt hiezu im Wesentlichen aus, dass die Beauftragung des Sachverständigen notwendig gewesen sei, um den tatsächlichen Zeitwert des beschädigten Gebäudeteils zu ermitteln und die Angemessenheit der von den einzelnen Unternehmen und Handwerkern gelegten Rechnungen zu überprüfen.

Kosten eines Privatgutachtens können dann Gegenstand eines eigenen Schadenersatzanspruches sein, wenn ein besonderes Interesse an der Sachverhaltsermittlung unabhängig von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in einem Prozess besteht (1 Ob 302/02x mwN, RIS-Justiz RS0023583). Das Erstgericht muss daher im fortzusetzenden Verfahren in diesem Sinn Feststellungen zum Zweck und den Kosten des eingeholten Sachverständigengutachten treffen.

Ein Teilurteil konnte nicht erlassen werden, da das Begehren der Klägerin unklar ist. Zieht man vom Klagsbetrag die Gutachtenskosten von EUR 1.290,74 ab, so ergibt dies einen Betrag von EUR 29.696,52 und nicht das aus S 1,228.633 zu errechnende Drittel von EUR 29.762,74. Es ist also unklar, welcher Betrag auf den begehrten Ersatz der aufgewendeten Behebungskosten zu entfallen hat. Dies ist mit der Klägerin zu erörtern.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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