OGH 3Ob220/02b

OGH3Ob220/02b26.9.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Karl P*****, vertreten durch Dr. Engelhart, Dr. Reininger Rechtsanwälte OEG sowie Mag. Daniel Lampersberger und Mag. Klemens Richter, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei R***** GmbH, *****, vertreten durch Rechtsanwaltskanzlei Dr. Helmut Binder Rechtsanwalts GmbH in Villach, wegen Leistung (Streitwert 178.048,44 EUR sA), infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 6. Juni 2002, GZ 2 R 70/02k-25, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 18. Februar 2002, GZ 20 Cg 52/01a-19, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben.

Die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an

das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Kosten des Rechtsmittelverfahrens.

Text

Begründung

Der Kläger stellt das Klagebegehren, die beklagte Partei möge ihm das lastenfreie Eigentum einer Liegenschaft mit näher bezeichneten Eigenschaften und das unentgeltliche Eintrittsrecht für 60 Personen täglich in den Schwimmbereich, Sauna und Solarium der von der beklagten Partei betriebenen Therme B***** verschaffen sowie im Zusammenhang damit weitere näher bezeichnete Leistungen erbringen. Der Kläger stützt das Klagebegehren auf eine entsprechende Vereinbarung, welche die beklagte Partei nicht eingehalten habe. In eventu wurden mehrere Feststellungsbegehren erhoben. Die beklagte Partei wendete ein, Grundlage dieser Vereinbarung aus dem Jahr 1991 sei gewesen, der Kläger erbringe eine verdienstliche Vermittlungstätigkeit dahin, dass die beklagte Partei den Zuschlag für das Projekt dieser Therme erhalte. Tatsächlich habe der Kläger keine kausale und verdienstliche Tätigkeit erbracht und sich nicht für dieses Projekt bemüht, sodass ihm keine Ansprüche aus dieser Vereinbarung zustünden. Der Vertrag werde auch wegen arglistiger Irreführung angefochten; weiters werde Verjährung eingewendet. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt; es ging davon aus, dass eine verdienstliche Vermittlungstätigkeit nicht Anspruchsvoraussetzung gewesen sei. Der Kläger sollte beim Land S***** in der Weise intervenieren, dass die beklagte Partei den Zuschlag für dieses Projekt erhalte. Auf welche Weise diese Intervention erfolgen sollte, sei dem Kläger überlassen gewesen. Die beklagte Partei habe nach massiven Anstrengungen des Klägers tatsächlich den Zuschlag erhalten. Das Erstgericht verneinte auf Grundlage der von ihm getroffenen Tatsachenfeststellungen die Möglichkeit der Anfechtung wegen arglistiger Irreführung. Wegen des vorliegenden Anerkenntnisses und wegen Vergleichsverhandlungen, die eine Hemmung bzw Unterbrechung der Verjährung bewirkten, sei der Verjährungseinwand nicht berechtigt.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil im klagsabweisenden Sinn ab; es sprach aus, der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteige insgesamt 20.000 EUR, die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil eine Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zu beantworten gewesen sei. In rechtlicher Hinsicht führte die zweite Instanz aus, die Vereinbarung sei unter Zugrundelegung des Tatsachenvorbringens beider Parteien als verbotene Intervention gemäß § 308 Abs 1 StGB zu beurteilen, weil die vereinbarte Intervention nicht als Überzeugung mit sachlichen Argumenten, sondern als Beeinflussung durch besondere Beziehungen des Klägers geplant gewesen sei. Der geforderte Vermögensvorteil für den Kläger liege schon durch die Vereinbarung einer potentiellen Abstandszahlung auf der Hand und werde nicht zuletzt durch die in ansehnlicher Höhe bewertete Klagsführung dokumentiert. Möge nun auch infolge Zeitablaufs die Strafbarkeit gemäß § 57 StGB verjährt sein, so ändere dies nichts an der Gesetzwidrigkeit der vereinbarten Interventionstätigkeit des Klägers. Die daraus abzuleitende Konsequenz sei die Nichtigkeit des vorliegenden Rechtsgeschäfts gemäß § 879 Abs 1 ABGB. Im vorliegenden Verfahren habe sich nun zwar auch die beklagte Partei nicht auf diese Nichtigkeit berufen, dies ändere aber nichts daran, dass nach den durch die Parteibehauptungen gedeckten Urteilsfeststellungen ein Sachverhalt vorliege, der rechtlich als nichtige Vereinbarung zu qualifizieren sei. Dieser Umstand sei infolge der gehörig ausgeführten Rechtsrüge zu beachten. Daher sei in rechtlicher Hinsicht auch die Konsequenz daraus zu ziehen, dass der Kläger aus einer nichtigen Vereinbarung keine Ansprüche gegen die beklagte Partei auf Zuhaltung dieser Vereinbarung ableiten könne.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision des Klägers ist zulässig und iS des Aufhebungsantrags berechtigt.

Der Kläger macht als Nichtigkeit geltend, dass das Berufungsgericht die materielle Rechtskraft eines Urteils nicht beachtet habe, mit dem einer Klage der K***** GmbH, deren geschäftsführender Gesellschafter der Kläger ist, stattgegeben wurde, die auf denselben rechtserzeugenden Sachverhalt gestützt gewesen sei, nämlich den im März 1991 geschlossenen Vertrag. Nach Ansicht des Klägers schade nicht, dass diese GmbH den Kläger vereinbarungsgemäß zur Ausübung der Rechte aus dieser Vereinbarung namhaft gemacht habe. Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden. Eine Bindungswirkung an eine Vorentscheidung ist nur dann anzunehmen, wenn sowohl die Identität der Parteien als auch des rechtserzeugenden Sachverhalts (verbunden mit notwendig gleicher rechtlicher Qualifikation) gegeben sind, aber anstelle der inhaltlichen und wörtlichen Identität der Begehren ein im Gesetz gegründeter Sachzusammenhang zwischen beiden Begehren besteht. Ein solcher ist anzunehmen, wenn die Entscheidung über den neuen Anspruch vom Inhalt der bereits rechtskräftig entschiedenen Streitsache abhängig ist (Präjudizialität der rechtskräftigen Entscheidung) oder wenn das Begehren das begriffliche Gegenteil des rechtskräftig entschiedenen Anspruchs darstellt (RIS-Justiz RS0041572). Nach ihren subjektiven Grenzen erfassen die Wirkungen der materiellen Rechtskraft die Prozessparteien, deren Rechtsnachfolger und bestimmte andere Personen, auf die ein Gesetz die Entscheidungswirkungen erstreckt (grundlegend verstärkter Senat 1 Ob 2123/96d = SZ 70/60; RIS-Justiz RS0107340).

Der Umstand, dass im Vorprozess dieselbe beklagte Partei geklagt wurde, reicht für die Annahme einer Bindung des Gerichts an die dort ergangene Entscheidung nicht aus. Zwischen der GmbH und deren Geschäftsführer, der gegen die beklagte Partei eigene Ansprüche geltend macht, besteht keine Identität. Daran ändert der Umstand, dass die Vereinbarung zwischen dem Kläger, der im Vorprozess klagenden GmbH und der in beiden Verfahren beklagten Partei getroffen wurde, nichts. Der beklagten Partei wurde im Vorprozess schon insofern nicht ausreichend rechtliches Gehör gewährt, als dort Ansprüche des nunmehrigen Klägers überhaupt nicht Gegenstand waren. Schon aus diesem Grund ist mangels Parteienidentität die geltendgemachte Nichtigkeit wegen Verstoßes gegen die Bindungswirkung der materiellen Rechtskraft (RIS-Justiz RS0074226) zu verneinen. Auf die in der außerordentlichen Revision weiters relevierten Fragen der objektiven Grenzen der Rechtskraft, wie weit auch mangels Identität der Begehren eine Bindung an ein rechtskräftiges Urteil eines Vorprozesses anzunehmen ist, ist somit nicht einzugehen. Der Kläger macht als wesentlichen Mangel des Berufungsverfahrens geltend, dass das Berufungsgericht die Parteien mit seiner Rechtsansicht, die Vereinbarung vom März 1991 sei wegen Verstoßes gegen § 308 StGB gemäß § 879 Abs 1 ABGB nichtig, überrascht habe. Die beklagte Partei hat ein Vorbringen in dieser Richtung nicht erstattet. Eine Erörterung durch das Berufungsgericht in der Berufungsverhandlung ist dem Protokoll nicht zu entnehmen. Das Gericht darf jedoch die Parteien in seiner Entscheidung nicht mit einer Rechtsauffassung überraschen, die sie nicht beachtet haben und auf die sie das Gericht nicht aufmerksam gemacht hat; dies gilt vor allem auch im Berufungsverfahren (RIS-Justiz RS0037300). Dieser Verletzung der in § 182 Abs 1 ZPO normierten Anleitungspflicht und der Aufklärungspflicht (auch) des Berufungsgerichts kommt erhebliche Bedeutung zu, weil hier tragende Grundsätze des Verfahrensrechts auf dem Spiel stehen (RIS-Justiz RS0041032).

Das Urteil des Berufungsgerichts ist daher aufzuheben; das Berufungsgericht wird nach Erörterung seiner Rechtsansicht mit den Parteien eine neue Entscheidung zu treffen haben.

Im nunmehrigen Verfahrensstadium ist auf die Richtigkeit der vom Berufungsgericht vertretenen Rechtsansicht noch nicht einzugehen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 Abs 2 ZPO.

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