OGH 2Ob213/03t

OGH2Ob213/03t25.9.2003

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien Josef und Marianne Z*****, vertreten durch DDr. Manfred Nordmeyer ua Rechtsanwälte in Wels, gegen die beklagte Partei Reinhard H***** , wegen Wiederaufnahme des Verfahrens 2 C 440/00x des Bezirksgerichtes Kremsmünster, 6 C 146/03i des Bezirksgerichtes Kirchdorf an der Krems, infolge Rekurses der klagenden Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 26. August 2003, GZ 4 Nc 11/03d-2, womit der Ablehnungsantrag der klagenden Parteien gegen alle Richter des Landesgerichtes Steyr zurückgewiesen wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Kläger begehren die Wiederaufnahme eines vor dem Bezirksgericht Kremsmünster anhängigen Besitzstörungsverfahrens, weil sich ihr Prozessgegner einer falschen Beweisaussage und der Verhandlungsrichter Mag. Reinhold K***** des Amtsmissbrauches schuldig gemacht hätten.

Der genannte Verhandlungsrichter verhängte über die Kläger Ordnungsstrafen, worauf die Kläger diesen ablehnten und gegen die Ordnungsstrafe Rekurs an das Landesgericht Steyr erhoben. Das Landesgericht Steyr als Rekursgericht hob den Beschluss über die Verhängung der Ordnungsstrafe als nichtig auf und wies mit Beschluss vom selben Tag die Rechtssache gemäß § 537 ZPO der Stellvertreterin von Mag. K***** zu.

In der Folge erklärte sich das Bezirksgericht Kremsmünster für unzuständig und überwies die Wiederaufnahmsklage dem Landesgericht Steyr. Einem dagegen erhobenen Rekurs gab das Landesgericht Steyr wieder Folge.

Die Staatsanwaltschaft Steyr teilte mit, dass die Strafanzeigen gegen Mag. K***** und den Beklagten nach § 90 StPO zurückgelegt worden seien, weil die Vorwürfe jeglichen strafrechtlich relevanten Substrates entbehrten. Das Bezirksgericht Kirchdorf an der Krems wies daraufhin die Wiederaufnahmsklage mit Beschluss vom 26. 5. 2003 als unzulässig zurück.

Die Kläger erhoben gegen diese Entscheidung Rekurs und lehnten gleichzeitig das "Landesgericht Steyr als Rekursgericht" wegen Befangenheit ab. Die "Sache Z*****" habe im gesamten Landesgericht Steyr "derartige Polarisierung" hervorgerufen, dass zumindest konkrete und begründete Zweifel an vollkommener Objektivität, Unparteilichkeit und Sachlichkeit bestünden; dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass es um allenfalls strafrechtlich relevantes Verhalten des Mag. K***** gehe, der selbst Richter des Bezirksgerichtes Steyr und dessen Frau Gerichtsbedienstete des Landesgerichtes Steyr sei.

Mit Beschluss vom 30. 6. 2003 wies das Bezirksgericht Kirchdorf an der Krems diesen Rekurs als verspätet zurück. Dagegen erhoben die Kläger Rekurs, wiederholten ihren Ablehnungsantrag und beantragten die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Rekursfrist.

Mit Beschluss vom 21. 7. 2003 wies das Bezirksgericht Kirchdorf an der Krems den Wiedereinsetzungsantrag ab. Dagegen erhoben die Kläger neuerlich Rekurs und wiederholten ihre Ablehnung sämtlicher Richter des Landesgerichtes Steyr.

Von den Richtern des Landesgerichtes Steyr erklärten sich drei für befangen, einer konnte wegen Krankheit nicht befragt werden. Die Übrigen gaben kollegiale Kontakte mit Mag. K***** oder dienstliche Kontakte mit dem Kläger an, erklärten sich aber nicht für befangen. Das Oberlandesgericht Linz wies den Ablehnungsantrag zurück und führte zunächst aus, eine Partei könne einen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit nicht mehr ablehnen, wenn sie sich bei diesem, ohne den ihr bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen, in die Verhandlung eingelassen und Anträge gestellt habe, tue sie es dennoch, dann habe sie glaubhaft zu machen, dass der Ablehnungsgrund erst später entstanden oder ihr erst später bekannt geworden sei. Die Kläger hätten zweimal Rekurs an das Landesgericht Steyr erhoben, ohne dieses abzulehnen. Es sei weder behauptet noch ersichtlich, dass die vorgebrachten Ablehnungsgründe erst danach entstanden wären, weshalb die Ablehnung verspätet sei. Soweit man die Ablehnung der Kläger aller Richter des Landesgerichts Steyr nicht ohnehin als unzulässige Pauschalablehnung werte, seien keine tauglichen Ablehnungsgründe vorgebracht und bescheinigt. Die Behauptung, alle Richter des Landesgerichtes Steyr seien wegen Freundschaft mit Mag. K***** oder dessen Ehefrau befangen, habe sich aufgrund der Äußerungen der betroffenen Richter, an deren Richtigkeit zu zweifeln kein Anlass bestehe, als unrichtig herausgestellt. Gleiches gelte für die weitere Behauptung der Kläger, ihre Sache habe eine "Polarisierung" hervorgerufen; es sei nicht näher erläutert worden, wer die beiden Gegenpole seien.

Dagegen richtet sich der Rekurs der Kläger mit dem Antrag, dem Ablehnungsantrag stattzugeben und alle Richter des Landesgerichtes Steyr als zur Verhandlung und Entscheidung in dieser Sache befangen zu erkennen und die Erledigung des Rekurses den Richtern eines anderen Landesgerichtes zuzuweisen.

Die Kläger führen einerseits aus, sich nicht "in die Verhandlung eingelassen und Anträge gestellt zu haben", weil es sich bei den von ihnen angefochtenen Entscheidungen, gegen die sie sich an das nunmehr abgelehnte Gericht gewendet hätten, um reine Formalerledigungen gehandelt habe.

Andererseits seien die Ablehnungsgründe erst nach den beiden erwähnten Rekursen entstanden bzw ihnen bekannt geworden. Es sei erst nach der über den Erstbeklagten verhängten Untersuchungshaft zwischen dem 24. 7. und 24. 9. 2002 bewusst geworden, wie "negativ man gegen die Kläger beim Landesgericht Steyr eingestellt sei und sie über Initiative des Mag. K***** zu verfolgen suche". Den Klägern sei auch erst jetzt bekannt geworden, dass der im Besitzstörungsverfahren zuständige Senatsvorsitzende im selben Hause wie Mag. K***** wohne und "aufgrund dessen engste persönliche private Beziehungen" zu diesem unterhalte. Auch sei erst nach den beiden Rekursen der Delegierungsbeschluss des OLG Linz vom 25. 9. 2002 zugestellt worden, wonach die Strafsache dem Landesgericht Steyr abgenommen und dem Landesgericht Wels zugewiesen worden sei. Erst aufgrund dieser Umstände sei die Befangenheit des "Landesgerichts Steyr", also seiner Richter und Staatsanwälte, im vollen Ausmaß bewusst geworden. Das Argument, das Wiederaufnahmeverfahren spiele vor dem Hintergrund allenfalls strafrechtlich relevanten Verhaltens des Mag. K*****, der selbst Richter des Bezirksgerichtes Steyr und dessen Frau Gerichtsbedienstete des Landesgerichtes Steyr sei (fehlt offensichtlich "eine Rolle"), sei ein konkreter Ablehnungsgrund, der alle Richter des Landesgerichtes Steyr treffe bzw treffen könne. Zweifel an vollkommener Objektivität, Unparteilichkeit und Sachlichkeit beträfen alle Richter des Landesgerichtes Steyr. Es sei auch völlig klar, worin die "Polarisierung" bestehe; einerseits habe Mag. K***** Strafanzeige gegen die Kläger erhoben, andererseits hätten diese Strafanzeige gegen Mag. K***** eingebracht. In dieser Auseinandersetzung bestünden aus naheliegenden Gründen ganz konkrete Bedenken, dass sämtliche Richter des Landesgerichtes Steyr die Partei des Mag. K***** ergreifen und so bei Verhandlung und Entscheidung durch unsachliche psychologische Motive gehemmt sein könnten. Auf der Befangenheitsliste des Landesgerichtes Steyr hätten nicht nur drei Richter, sondern wesentlich mehr unterschrieben. Befangenheit müsse auch geltend gemacht werden können, wenn sich ein Richter selbst nicht ausdrücklich für befangen erkläre.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Nach ständiger Rechtsprechung können grundsätzlich immer nur ganz bestimmte Richter, nicht aber pauschal ein ganzer Senat oder das ganze Gericht abgelehnt werden. Nötigenfalls müssen detailliert gegen jeden einzelnen Richter eines Gerichtes konkrete Befangenheitsgründe dargetan werden, es sei denn, dass ausnahmsweise der geltend gemachte Befangenheitsgrund auf alle Richter eines Gerichtes in gleicher Weise zutrifft (Mayr in Rechberger ZPO2 Rz 4 zu § 19 JN; RIS-Justiz RS0045983). Eine unzulässige indifferente Pauschalablehnung etwa eines Gerichtshofes als Institution ist nur dann nicht gegeben, wenn dem Antrag zu entnehmen ist, dass bei jedem einzelnen Richter im Wesentlichen dieselben Ablehnungsgründe vorliegen (3 Ob 2228/96k). Die Kläger haben vorgebracht, dass "alle" Richter des Landesgerichtes Steyr wegen Freundschaft mit Mag. Kögler oder dessen Ehefrau befangen seien bzw ihre Sache hätte "Polarisierung" hervorgerufen. In der Sache haben sich zwar einige Richter des Landesgerichtes Steyr wegen einer über das kollegiale Verhältnis hinausgehende Freundschaft zu Mag. K***** für befangen erklärt, doch nicht sämtliche. Es kann auch nicht unterstellt werden, dass alle Richter des Landesgerichtes Steyr wegen einer einen Richter eines unterstellten Bezirksgerichtes betreffenden Rechtssache befangen wären, d.h., dass sie sich aus anderen als sachlichen Motiven bei der Entscheidungsfindung leiten ließen. Ebensowenig wie der Umstand, dass ein Senatsvorsitzender des Landesgerichtes Steyr im selben Hause wie Mag. K***** wohnt, kann der Umstand, dass den Klägern erst jetzt bewusst sei, "man" sei beim Landesgericht Steyr gegen sie eingestellt, einen konkreten Ablehnungsgrund darstellen. Auch die Tatsache, dass sowohl die Kläger als auch Mag. K***** wechselseitig Strafanzeige erstattet haben, vermag keinen konkreten Ablehnungsgrund bei allen Richtern des Landesgerichtes Steyr zu verwirklichen.

Unter diesen Umständen muss gar nicht mehr darauf eingegangen werden, dass die Kläger selbst zweimal - erfolgreich - das Landesgericht Steyr vor Erstattung des Ablehnungsantrages angerufen haben. Dem Rekurs war daher ein Erfolg zu versagen.

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