OGH 12Os54/03

OGH12Os54/0311.9.2003

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. September 2003 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Holzweber, Dr. Habl, Dr. Philipp und Dr. Schwab als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Bauer als Schriftführer, in der Strafsache gegen Hans Werner W***** wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 26. Februar 2003, GZ 29 Hv 208/02t-14, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Solé, des Angeklagten Hans Werner W***** und seines Verteidigers Mag. Bammer zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird dahingehend Folge gegeben, dass die Anzahl der Tagessätze auf 180 (hundertachtzig) und demnach die Ersatzfreiheitsstrafe auf 90 (neunzig) Tage herabgesetzt wird. Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Hans Werner W***** wurde des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt, weil er am 10. Juli 2002 in Innsbruck als Beamter der kriminalpolizeilichen Abteilung der BPD Innsbruck mit dem Vorsatz, den Staat an seinem konkreten Recht auf Heranziehung des RI Markus L***** zu ausschließlich dienstlichen Aufgaben zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, dadurch, dass er RI Markus L***** dazu veranlasste, ihn während dessen Dienstes mit dem Dienstfahrzeug, pol. Kennzeichen BP-7049, von der BPD Innsbruck nach Hall zum Café C***** zu chauffieren, wissentlich missbrauchte.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte bekämpft diesen Schuldspruch mit auf § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 9 lit a StPO gestützter Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt.

Den erstgenannten Nichtigkeitsgrund sieht der Beschwerdeführer zunächst durch die Ablehnung des Beweisantrags auf Vernehmung des Leiters der Bundespolizeidirektion Innsbruck und mehrerer Behördenangehöriger (S 165 f) verwirklicht. Mit diesen Zeugen sollte (zusammengefasst wiedergegeben) nachgewiesen werden, dass der Angeklagte wegen Gepflogenheiten der Dienstfahrzeugverwendung und Modalitäten seines Diensteinsatzes keine tataktuellen Überlegungen über eine Schädigung des Staates angestellt habe und allgemein ein Bewusstsein der Interessenbeeinträchtigung nicht gegeben gewesen sei. Das - schon durch die gegen den Angeklagten nach Bekanntwerden seines Verhaltens eingeleiteten Polizeierhebungen in Frage gestellte - Beweisbegehren wurde vom Schöffengericht mit Recht unter Hinweis darauf abgelehnt, dass die bezeichneten Personen keine Wahrnehmungen über die Tat gemacht haben. Die Willensbildung und der Bewusstseinsinhalt eines Menschen anlässlich eines konkreten Geschehens ist nämlich einem Zeugenbeweis anderer Personen nur ausnahmsweise zugänglich, wenn aus Wahrnehmungen bei der betreffenden Gelegenheit Schlussfolgerungen auf fremde Gedankenvorgänge möglich sind. Da die als Zeugen namhaft gemachten Personen keine Wahrnehmungen über das Verhalten des Angeklagten anlässlich der Tat bekunden sollten, musste dem Beweisbegehren von vornherein die Tauglichkeit abgesprochen werden, ein dem Beweisthema entsprechendes Ergebnis zu erzielen.

Gleiches gilt für die Ablehnung des Antrags auf Einholung des Befundes eines Sachverständigen für gerichtliche Medizin (S 169), weil es aller Lebenserfahrung widerspricht, dass einzig und allein auf Grund des aktuellen medizinischen Status des Angeklagten "rückwirkend" für eine ganz bestimmte, über 7 Monate zurückliegende Nacht das Auftreten von Atemnot, Kreislaufproblemen, Panikattacken und Schweißausbrüchen bestätigt werden kann. Bei dieser Sachlage hätte der Antragsteller durch ein ergänzendes Vorbringen darzulegen gehabt, weshalb dennoch von einer Erfolgsaussicht des Beweisverlangens ausgegangen werden könne. Mangels einer derartigen Untermauerung war der Antrag ohne Verkürzung von Verteidigungsrechten abzuweisen. Hinzu kommt, dass eine - allenfalls entschuldigende - akute medizinische Notsituation weder vom Angeklagten behauptet wurde noch nach der Aktenlage anzunehmen ist, weil sich der Beschwerdeführer nach den - aktenkonformen (S 151 f, 163) - tatrichterlichen Feststellungen (US 4) nicht zu einem Arzt, sondern zu einem Café bringen ließ.

Der Einwand der Mängelrüge (Z 5), das Erstgericht habe nicht hinreichend konkret festgestellt, ob der Angeklagte die inkriminierte Aufforderung vor oder nach Dienstende an RI Markus L***** gerichtet hat, bezieht sich - wie zur Rechtsrüge dargelegt werden wird - nicht auf eine entscheidende Tatsache.

Das - nominell verfehlt auch unter dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 5 StPO erstattete - Vorbringen der Rechtsrüge (Z 9 lit a), der Tatbestand des § 302 Abs 1 StGB setze voraus, dass sich der Täter im Dienst befinde, verkennt, dass für die Subsumtion als Amtsmissbrauch ein abstrakter Befugnisbegriff maßgebend ist (13 Os 123/89, SSt 60/83; 16 Os 38/90, EvBl 1991/72; 12 Os 45/96). Daher ist es nicht entscheidungsrelevant, ob der Angeklagte zur Tatzeit dienstfrei gewesen ist (15 Os 10/92, EvBl 1992/182). Die in der Beschwerde zitierte Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 12. Dezember 2001, 13 Os 143/01, widerspricht dem keineswegs, weil diese - soweit hier von Interesse - mit der Begründung zu einem Freispruch gelangt ist, der (in jenem Verfahren) Angeklagte sei nicht Vorgesetzter des außerdienstlich Eingesetzten gewesen, weshalb ihm diesem gegenüber - auch in abstracto - keine Befehlsgewalt zugekommen sei.

Mangelnde Feststellungen zur subjektiven Tatseite behauptend übergeht die Rechtsrüge die Urteilskonstatierungen, wonach der Nichtigkeitswerber gewusst hat, dass er den im Dienst befindlichen RI Markus L***** zu einer außerdienstlichen Verrichtung herangezogen hat, er hiedurch die ihm zustehende, hoheitliche Befugnis wissentlich missbraucht und sich billigend damit abgefunden hat, die Republik Österreich an ihren Rechten zu schädigen (US 5). Solcherart wird die Nichtigkeitsbeschwerde ebenso wenig prozessordnungsgemäß ausgeführt wie durch die urteilsfremde Behauptung, gleichartige Handlungen seien "in der Beamtenschaft üblich".

Der Beschwerdeeinwand schließlich, das Heimbringen eines erkrankten Beamten liege im dienstlichen Interesse, lässt jeden Sachbezug vermissen, weil einerseits eine Erkrankung des Angeklagten zur Tatzeit nicht festgestellt und dieser andererseits nach den tatrichterlichen Konstatierungen (US 5) nicht nach Hause oder zu einem Arzt, sondern zu dem von seiner Ehefrau betriebenen Café chauffiert worden ist.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über Hans Werner W***** nach § 302 Abs 1 StGB unter Anwendung des § 37 StGB (ersichtlich auch des § 41 Abs 1 StGB) eine Geldstrafe von 300 Tagessätzen zu je 25 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 150 Tagen, wobei der Vollzug dieser Strafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren gemäß § 43 Abs 1 StGB bedingt nachgesehen wurde. Bei der Strafbemessung wertete es keinen Umstand als erschwerend und die bisherige Unbescholtenheit als mildernd.

Gegen den Strafausspruch richtet sich die Berufung des Hans Werner W*****, mit welcher er eine Herabsetzung der Anzahl der Tagessätze begehrt.

Dem Berufungsvorbringen zuwider vermag bloß die Tatsache, dass er das Ersuchen an RI Markus L*****, ihn nach Hall zu bringen, nie in Abrede gestellt hat, angesichts der massiven Rechtfertigungsversuche seines Verhaltens keinen weiteren Milderungsumstand herzustellen. Jedoch ist dem Berufungswerber zuzugeben, dass der Unrechtsgehalt der Straftat in Relation zu anderen unter diesem Tatbestand zu subsumierenden strafbaren Handlungen dem untersten Bereich zuzuordnen ist. Dies rechtfertigt eine maßvolle Herabsetzung der Anzahl der Tagessätze und damit auch der korrespondierenden Ersatzfreiheitsstrafe. Zu einer Reduzierung der Höhe des Tagessatzes - wie im Gerichtstag begehrt - bestand allerdings mangels einer verfizierbaren und berücksichtigungswürdigen Kreditbelastung kein Anlass. Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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