OGH 16Os38/90

OGH16Os38/9014.12.1990

Der Oberste Gerichtshof hat am 14.Dezember 1990 durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Melnizky als Vorsitzenden sowie durch die Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Dr. Müller und Dr. Kießwetter und den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Siegl als Schriftführer, in der Strafsache gegen Karl Heinz K*** wegen des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Steyr als Schöffengericht vom 5.April 1990, GZ 11 Vr 179/89-80, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Bassler, des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Weiß zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der nunmehr 45-jährige Justizwachebeamte Karl K*** des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er als Justizwachebeamter der Strafvollzugsanstalt Garsten mit dem Vorsatz, dadurch die R*** Ö*** an ihrem Recht auf Strafvollzug und am Vermögen zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich mißbraucht, indem er 1. vom Strafgefangenen Gerhard B*** unerlaubt besessene Geldbeträge entgegennahm, wobei er es pflichtwidrig unterließ, den unerlaubten Besitz als Ordnungswidrigkeit der Anstaltsleitung zu melden und die Geldbeträge zur Sicherung des staatlichen Verfallsanspruches nach § 37 StVG abzunehmen, und zwar a) am 31.März 1989 durch Annahme eines Geldbetrages von 5.000 S als Entlohnung für Bemühungen zur Beschaffung einer Meldebestätigung des Gerhard B***, b) Anfang April 1989 durch Annahme eines Geldbetrages von 6.000 S als Ersatz für einen verlorenen Ring;

2.) Anfang April 1989 dem Strafgefangenen Gerhard B*** zumindest in einer Lieferung cirka 10 bis 20 Stangen Zigaretten der Marke Old Splendor, mindestens 10 Gläser Nescafe a 200 Gramm sowie Toilettartikel und ein Feuerzeug der Marke Dupont im Gesamtwert von mindestens 8.000 S in die Strafvollzugsanstalt brachte und dem Strafgefangenen deren unerlaubten Besitz ermöglichte. Von der weiteren Anklage, einen vom Strafgefangenen Gerhard B*** besessenen weiteren Geldbetrag in der Höhe von 145.000 S am 25.März 1989 zur teilweisen Tätigung von Geldüberweisungen für B*** an dritte Personen, ferner zur Beschaffung von Waren und als Entgelt für seine Bemühungen angenommen und auch dadurch das Verbrechen des Mißbrauchs der Amtsgewalt begangen zu haben, wurde Karl K*** unter einem gemäß § 259 Z 3 StPO (rechtskräftig) freigesprochen. Den Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Nach Auffassung des Beschwerdeführers verwirkliche der festgestellte Sachverhalt weder den Tatbestand des Mißbrauchs der Amtsgewalt noch den einer anderen gerichtlich strafbaren Handlung.

Davon ausgehend, daß nach Bertel (WK § 302 insb Rz 6 und 65) Amtsmißbrauch nur durch mißbräuchliche Vornahme von Hoheitsakten oder, sofern es sich um bloß tatsächliche Verrichtungen handelt, nur durch Mißbrauch beim Zustandekommen von Hoheitsakten begangen werden könne, und daß nach der "jüngsten Judikatur des Obersten Gerichtshofes" Mißbräuche eines Beamten tatsächlicher Art bei der Erfüllung von Aufgaben der Bundes-, Landes- oder Gemeindeverwaltung (§ 74 Z 4 2. Fall StGB), sollen sie das Verbrechen nach § 302 Abs 1 StGB herstellen, den im § 74 Z 4 1. Fall StGB bezeichneten Rechtshandlungen zumindest einigermaßen gleichwertig sein müssen (EvBl 1990/5; JBl 1990, 597), fehle es vorliegend an einem Befugnismißbrauch, zumal weder die Annahme von Geld eines Strafgefangenen noch die Lieferung von Nahrungs- und Genußmittel sowie sonstiger Gebrauchsgegenstände an einen Strafgefangenen als ein Amtsgeschäft (im Sinn der Vornahme eines Hoheitsaktes oder der Mitwirkung am Zustandekommen eines solchen) zu beurteilen seien; eine Tatbegehung durch Unterlassung komme deshalb nicht in Betracht, weil der Beschwerdeführer in der Außenstelle Strassergut der Strafvollzugsanstalt Garsten keine Dienstpflichten zu erfüllen hatte und das inkriminierte Tatverhalten außerhalb seiner Dienstszeit, mithin bloß als Privatperson und nicht als Beamter setzte, womit ihm keine ihn im besonderen treffende Rechtspflicht zu aktivem Tun oblegen sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Rüge kommt keine Berechtigung zu.

Durch die von der jüngeren oberstgerichtlichen Judikatur herausgestellte sogenannte "Gleichwertigkeitsthese" ist - entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers - keine signifikante Änderung der bisherigen Rechtsprechung zu § 302 StGB bewirkt worden. Hatte der Oberste Gerichtshof zunächst allein auf die im § 302 Abs 1 StGB vorausgesetzte Befugnis des Beamten zur Vornahme von Amtsgeschäften als Organ des Rechtsträgers abgestellt und daraus abgeleitet, daß unter den Begriff "Amtsgeschäft" im Sinn des § 302 Abs 1 StGB nicht nur Rechtshandlungen, sondern auch Verrichtungen tatsächlicher Art fallen, sofern letztere "wie Organhandlungen zu werten sind" (vgl etwa SSt 55/85 und JBl 1989, 260; siehe hiezu auch Steininger ÖJZ 1980, 481 sowie insoweit zustimmend Bertel WK § 302 Rz 7), so wird nunmehr "auf den in der Auslegung des § 302 StGB bisher vielfach verwendeten, verschwommenen Ausdruck 'Organhandeln', der nicht als Begriff angesprochen werden kann, weil er sich einer exakten Definition stets entzogen hat", verzichtet; stattdessen wird darauf abgestellt, daß die im § 302 Abs 1 StGB angeführten "Amtsgeschäfte" (eines Beamten) den Oberbegriff für "Rechtshandlungen" (§ 74 Z 4 erster Fall StGB) und für "sonstige Aufgaben der Bundes-, Landesoder Gemeindeverwaltung" (§ 74 Z 4 zweiter Fall StGB) bilden, wobei sowohl aus der - im Konnex der §§ 74 Z 4 und 302 StGB hergestellten - Zusammenfassung unter einem Oberbegriff als auch aus der Gleichordnung in der Zitierweise des § 74 Z 4 StGB sowie der Notwendigkeit, einen Wertungswiderspruch zu vermeiden, folgt, daß die sonstigen Aufgaben der Bundes-, Landesoder Gemeindeverwaltung den Rechtshandlungen wenigstens einigermaßen gleichwertig sein müssen (EvBl 1990/5 = RZ 1990/35; JBl 1990, 597).

Für den Rechtsstandpunkt des Beschwerdeführers ist daraus aber nichts zu gewinnen. Denn das dem Beschwerdeführer (zu Punkt 2 des Urteilsspruches) angelastete Ausfolgen von zusätzlichen Nahrungsund Genußmittel an den Strafgefangenen Gerhard B*** in einem Ausmaß, das eklatant über das hinausgeht, was gemäß §§ 30 Abs 3, 34 StVG zulässig ist, stellt wegen seiner Auswirkungen auf die Zwecke des Strafvollzugs und der Sicherheit und Ordnung der Vollzugsanstalt eine Manipulation dar, die jenen Rechtshandlungen, zu welchen ein Justizwachebeamter in Ausübung seiner ihm als solchem obliegenden spezifischen Amtsbefugnisse berufen ist, jedenfalls einigermaßen gleichwertig ist (vgl hiezu abermals SSt 55/85; ebenso OGH 19.11.1987, 13 Os 112/87). Da Strafvollzugsbedienstete innerhalb der Grenzen der zitierten Bestimmungen des StVG an sich befugt sind, Nahrungs- und Genußmittel (geringen Wertes) sowie Bedarfsgegenstände einem Strafgefangenen auszufolgen (vgl Kunst, StVG Anm 3 zu § 30), handelt es sich bei der Übergabe solcher Sachen an Strafgefangene auch nicht - wie dies der Beschwerdeführer vermeint - um Verrichtungen, die niemals ein Amtsgeschäft eines Justizwachebeamten sein können, womit sich der vorliegende Sachverhalt von jenen Fällen unterscheidet, in welchen Beamte Handlungen vornehmen, zu denen sie schon in abstracto nicht befugt sind.

Das gilt gleichermaßen aber auch für die dem Beschwerdeführer (unter Punkt 1 des Urteilsspruches) angelastete Entgegennahme von Geld aus dem Besitz des Strafgefangenen Gerhard B***, das diesem nicht ordnungsgemäß überlassen worden ist (§ 37 Abs 1 StVG; vgl auch § 33 Abs 1 StVG), in Abwicklung eines Geschäftes zwischen dem Genannten und dem Beschwerdeführer, das generell zwischen Strafgefangenen und Strafvollzugsbediensteten verboten ist (§ 30 Abs 1 StVG). Auch in dieser Beziehung hat der Beschwerdeführer - ausgehend vom festgestellten Sachverhalt - seine Befugnisse als in der Strafvollzugsanstalt Garsten Dienst versehender Justizwachebeamter mißbraucht, wobei es ohne Relevanz ist, daß er im Tatzeitpunkt nicht zur Dienstleistung in der Außenstelle dieser Vollzugsanstalt eingeteilt gewesen ist. Denn der Beschwerdeführer war Strafvollzugsbediensteter in der Strafvollzugsanstalt Garsten, zu welcher auch die Anstaltsökonomie Strassergut gehört; sein - amtliches Handeln auch sachlich begrenzender - Zuständigkeitsbereich (vgl SSt 47/30) erstreckte sich somit auch auf die Anstaltsökonomie, weshalb es unerheblich ist, ob er im Tatzeitpunkt gerade dort oder in einem anderen Teil der Vollzugsanstalt Dienst versehen hat. Ebenso unerheblich für die rechtliche Beurteilung ist es aber auch, ob sich der Beschwerdeführer zur Zeit der Begehung der inkriminierten Taten gerade im Dienst befunden hat oder nicht. Der Befugnismißbrauch des Beschwerdeführers besteht auch im gegebenen Zusammenhang (primär) in einem aktiven Tun, nämlich darin, daß er sich in verbotene Geschäfte mit dem Strafgefangenen Gerhard B*** einließ und in deren Abwicklung insgesamt 11.000 S von dem genannten Strafgefangenen entgegennahm. Davon abgesehen ist ein für eine bestimmte Strafvollzugsanstalt zuständiger Justizwachebeamter während seines Aufenthaltes in der Vollzugsanstalt unbeschadet der jeweiligen Diensteinteilung für den gesamten Bereich der Anstalt zur Erfüllung seiner spezifischen Vollzugsaufgaben verpflichtet; es trifft ihn demnach auf Grund des ihm übertragenen Amtes auch die Rechtspflicht (§ 2 StGB), dann, wenn er feststellt, daß ein Strafgefangener Geld besitzt, das ihm nicht ordnungsgemäß überlassen worden ist, den Verfall dieses Geldes zugunsten des Bundes zu veranlassen (§ 37 Abs 1 StVG). Unterläßt er dies, indem er das entdeckte Geld an sich nimmt und es nicht dem Verfall zuführt, so hat er (auch) dadurch seine ihm obliegenden Befugnisse als Justizwachebeamter der betreffenden Vollzugsanstalt mißbraucht, wobei die solcherart bewirkte Rechtsgutbeeinträchtigung einem Befugnismißbrauch durch aktives Tun gleichwertig ist. Soweit im Gerichtstag von der Verteidigung ins Treffen geführt wurde, daß die §§ 30, 33 und 34 StVG Verhaltensvorschriften für die Strafgefangenen, nicht aber für die Strafvollzugsbediensteten normieren, so genügt es, auf die Vorschrift des § 102 Abs 1 StVG zu verweisen, wonach die Vollzugsbeamten darüber zu wachen haben, daß sich die Strafgefangenen den Bestimmungen des StVG gemäß verhalten. Dem Schuldspruch wegen Mißbrauchs der Amtsgewalt haftet demnach der reklamierte Rechtsirrtum nicht an, weshalb die Nichtigkeitsbeschwerde - übereinstimmend (im Ergebnis) mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - zu verwerfen war. Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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