OGH 13Os112/87

OGH13Os112/8719.11.1987

Der Oberste Gerichtshof hat am 19.November 1987 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Felzmann, Dr. Brustbauer (Berichterstatter) und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Mitterhöfer als Schriftführers in der Strafsache gegen Egon M*** wegen des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB. über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichts Steyr als Schöffengerichts vom 4.Juni 1987, GZ. 7 b Vr 65/87-20, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Stöger, des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Gittler zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der Justizwachebeamte Egon M*** wurde des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB. schuldig erkannt. Darnach hat er im Juli 1986 in Garsten als Justizwachebeamter der dortigen Strafvollzugsanstalt mit dem Vorsatz, den Staat in Ausübung seiner Strafvollzugshoheit (an seinem konkreten Recht auf strafzweckbedingte Einschränkung des Verkehrs eines Strafgefangenen mit der Außenwelt, des Empfangs von Sendungen und des Besitzes von Gegenständen sowie auf Wahrung von Sicherheit und Ordnung in der Strafanstalt: §§ 20 Abs 2, 33, 86 Abs 1, 91 Abs 1 StVG.) zu schädigen, seine Befugnis, als Organ des Bundes in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, dadurch wissentlich mißbraucht, daß er dem Strafgefangenen Manfred K*** heimlich Utensilien (angeblich) für die Herstellung von Zahnbehelfen überbrachte.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte macht Urteilsnichtigkeit aus § 281 Abs 1 Z. 5 und 9 lit a StPO. geltend.

In seiner Mängelrüge (Z. 5) behauptet der Beschwerdeführer eine dem angefochtenen Urteil anhaftende und die subjektive Tatseite berührende Undeutlichkeit und Unvollständigkeit, weil daraus nicht zu entnehmen sei, aus welchen Umständen das Erstgericht ableite, daß er beim Befugnismißbrauch wissentlich und bei der Schädigung des Staats an dessen den Strafvollzug betreffenden Rechten zumindest bedingt vorsätzlich gehandelt habe.

Mit diesem Einwand übergeht der Beschwerdeführer die Urteilserwägungen, die für die Bejahung der subjektiven Tatseite maßgebend waren. Die - auch durch die insoweit geständige Verantwortung des Angeklagten gestützten (S. 75, 77, 78) - Hinweise im Ersturteil, wonach ihm die Vorschriften für den Strafvollzug bekannt waren, er sich aber darüber bewußt hinweggesetzt (S. 93) und dem K*** zugegebenermaßen unter Mißachtung der bestehenden Vorschriften heimlich Gegenstände ausgehändigt hat, die dieser - wie dem Angeklagten bekannt war (siehe vorher) - nicht besitzen durfte (§ 33 Abs 1 StVO.). Diese Annahme des verbrecherischen Vorsatzes des Egon M*** stützt das Gericht aber nicht nur auf die Verantwortung des Angeklagten, sondern auch auf die Aussagen seines Dienstvorgesetzten Oberstleutnant Hermann K*** (S. 94, 95) und des Zeugen Manfred K***. Auf dessen für glaubwürdig erachteten Bekundungen beruht u.a. die Urteilsfeststellung, daß der Beschwerdeführer das Ansinnen des Strafgefangenen, ihm die gewünschten Gegenstände zu besorgen, mit dem Hinweis, daß das nicht gehe, zunächst abgelehnt hat (S. 86, 95). Schon diese Konstatierung läßt einen denkrichtigen Schluß darauf zu, daß sich der Angeklagte des Unerlaubten seiner Handlungsweise voll bewußt war. Der Hinweis des Rechtsmittelwerbers in der Hauptverhandlung, daß sich Gefangene in der Strafanstalt auf verbotene Weise auch z.B. Fensterkitt zur Herstellung von Schlüsselabdrücken besorgen könnten, ist rein hypothetischer Natur und betrifft keine für den vorliegenden Fall entscheidende Tatsache. Die nach dem Beschwerdevorbringen in diesem Punkt angeblich einander widersprechenden Angaben des Angeklagten und des Zeugen K*** werden in der Mängelrüge nicht näher bezeichnet, sodaß insoweit eine sachbezogene Erledigung nicht möglich war.

In seiner Rechtsrüge (Z. 9 lit a) hält der Beschwerdeführer den Schuldspruch deshalb für verfehlt, weil zu Unrecht eine mit dem erwiesenen Sachverhalt verbundene Beeinträchtigung von wesentlichen Zwecken des Strafvollzugs angenommen wurde. Durch die dem Strafgefangenen K*** gewährte Vergünstigung sei diesem der Strafvollzug nicht fühlbar erleichtert worden.

Aus zahlreichen Bestimmungen für den Freiheitsstrafvollzug (§§ 20 Abs 2, 33, 86, 91 StVG.) ergeben sich konkrete Rechte des Staats, die Gegenstand eines Mißbrauchs der Amtsgewalt sein können. Jedes pflichtwidrige, den Strafhäftling begünstigende Verhalten eines Justizwachebeamten, durch das wesentliche Maßnahmen und Zwecke der Strafhaft vereitelt oder beeinträchtigt werden, schädigt den Staat an einem solchen konkreten Recht (SSt. 45/6, EvBl 1980/160 u. a.). Hiezu zählt namentlich das im § 33 Abs 1 StVO. verankerte Verbot des Besitzes von Gegenständen durch Strafgefangene, soweit sie ihnen nicht bei der Aufnahme oder später ordnungsgemäß überlassen wurden. Die Verhinderung des unerlaubten Besitzes von Gegenständen, der den Zwecken der Anhaltung widerstreitet, gehört zum spezifischen Aufgabenbereich eines Justizwachebeamten bei der ihm obliegenden Überwachung eines Strafgefangenen (9 Os 162/84). Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer dem Strafgefangenen in Kenntnis der Unerlaubtheit zwei Flaschen ausgehändigt, von denen eine mit einer Flüssigkeit und die andere mit einem Pulver gefüllt war. Der Angeklagte hat zugegebenermaßen (S. 39, 76) diese Flaschen dem Strafgefangenen ausgefolgt, ohne sich von dem Verwendungszweck und der Verwendbarkeit ihres Inhalts zu überzeugen. Daß unter diesen Umständen die Gefahr einer mißbräuchlichen Benützung des Flascheninhalts gegeben war, wurde vom Schöffengericht zutreffend hervorgehoben. Es liegt auf der Hand, daß ein solcher Vorgang dem staatlichen Anspruch auf Sicherheit und Ordnung in einer Strafanstalt widerstreitet (siehe § 20 Abs 2 StVG.). Das Urteil ist sonach frei von Rechtsirrtum. Soweit schließlich die Rechtsrüge davon ausgeht, daß der Vorsatz des Täters nicht auf eine Beeinträchtigung der Vollzugszwecke gerichtet gewesen sei, setzt er sich über die anderslautende Urteilsfeststellung zur subjektiven Tatseite hinweg, womit die Rüge insoweit einer gesetzmäßigen Ausführung entbehrt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Egon M*** wurde nach § 302 Abs 1 StGB. unter Anwendung der §§ 37, 41 (siehe jedoch LSK. 1977/157) und 43 Abs 1 StGB. zu einer, für eine Probezeit von drei Jahren, bedingt nachgesehenen Geldstrafe von 150 Tagessätzen (Ersatzfreiheitsstrafe: 75 Tage) zu je 150 S verurteilt.

Das Schöffengericht wertete als erschwerend nichts, als mildernd hingegen den bisher untadelhaften Wandel des Angeklagten und sein Tatsachengeständnis.

Der Angeklagte beruft gegen die Zahl der Tagessätze und deren jeweilige Höhe.

Die unkontrollierte Überlassung von in Flaschen abgefüllten, nicht bekannten Substanzen an Strafgefangene kann keinesfalls mit einem achtenswerten Motiv begründet werden. Ebenso versagt der Berufungshinweis auf das Anstaltsmilieu, weil es unter anderem auch Aufgabe des Angeklagten gewesen wäre, dieses korrekt zu gestalten und nicht - wie geschehen und teilweise auch schon bekannt (S. 9, 28) - durch Delinquenz weiter zu untergraben. Erschreckend in diesem Zusammenhang ist, daß der Angeklagte keine nachteiligen Folgen seiner Tat erkennt und damit deutlich macht, daß er einem geordneten Strafvollzug die Bedeutung abspricht.

Es bestand daher kein Grund die Zahl der Tagessätze zu senken. Aber auch zu einer Reduzierung der Höhe des einzelnen Tagessatzes bestand kein Anlaß, weil dadurch selbst unter Berücksichtigung der Sorgepflichten des Berufungswerbers sein Lebensstandard während der Gesamtdauer der schuldangemessenen Strafe nur maßvoll herabgesetzt wird.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte