OGH 10ObS187/03b

OGH10ObS187/03b2.9.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Jörg Krainhöfner und Mag. Martin Oedendorfer (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Helmut R*****, Fleischhauer, ***** vertreten durch Dr. Reinhard Tögl Rechtsanwaltgesellschaft mbH in Graz, gegen die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84-86, vertreten durch Dr. Paul Bachmann, Dr. Eva Maria-Bachmann und Dr. Christian Bachmann, Rechtsanwälte in Wien, wegen Erwerbsunfähigkeitspension, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 23. April 2003, GZ 8 Rs 25/03p-49, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 25. September 2002, GZ 31 Cgs 198/99w-45, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Nach dem im ersten Rechtsgang ergangenen Aufhebungs- und Zurückverweisungsbeschluss des Obersten Gerichtshofes vom 12. 6. 2001, 10 ObS 124/01k (= SSV-NF 15/71) erkannte das Erstgericht im zweiten Rechtsgang das Klagebegehren auf Gewährung der Erwerbsunfähigkeitspension ab 1. 10. 2001 - im Hinblick auf die insoweit maßgebende Bestimmung des § 133 Abs 3 GSVG - als dem Grunde nach zu Recht bestehend und trug der beklagten Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft die Erbringung einer vorläufigen Zahlung von EUR 1.400 monatlich auf. Das auf die Gewährung der Erwerbsunfähigkeitspension für den Zeitraum vom 1. 7. 1999 bis 30. 9. 2001 gerichtete - und nach der Bestimmung des § 133 Abs 2 GSVG zu beurteilende - Mehrbegehren wies es ab. Das Erstgericht ging bei seiner Entscheidung aufgrund der vom Obersten Gerichtshof überbundenen Rechtsansicht davon aus, dass bei der Prüfung der Frage, ob die persönliche Arbeitsleistung des Klägers zur Aufrechterhaltung des Betriebes notwendig war, auch die Notwendigkeit und Möglichkeit einer Umstrukturierung des Betriebes sowie die Rentabilität und Zumutbarkeit der Weiterführung bei einer solchen Umorganisation zu prüfen sei, etwa auch im Sinne einer Delegierung einzelner Arbeitsgänge an Mitarbeiter, Aufnahme von Hilfskräften und Ersatzkräften, um festzustellen, ob trotz des eingeschränkten medizinischen Leistungskalküls des Klägers bei solchen Maßnahmen noch eine wirtschaftlich vertretbare Betriebsführung möglich sei. Dabei müsse, soweit ein Betrieb wirtschaftlich rentabel, also gewinnabwerfend ("positiv") geführt werden könne, vom selbständig Erwerbstätigen vor Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen für eine Erwerbsunfähigkeitspension billigerweise auch eine gewisse Einkommensminderung hingenommen werden. Das Erstgericht erachtete die notwendige Einstellung einer zusätzlichen Arbeitskraft mit der Qualifikation eines Fleischhauer-Meisters dem Kläger als zumutbar, weil ihm nach Abzug der Kosten dieser notwendigen Fremdarbeitskraft zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes ein Nettoeinkommen von S 16.583 monatlich (für das Wirtschaftsjahr 1996) bzw von durchschnittlich S 15.563 (für die Wirtschaftsjahre 1992 bis 1996) verblieben wäre. Da der Kläger unter diesen Bedingungen seinen Betrieb ohne Überschreitung seines Leistungskalküls weiterführen hätte können, lägen die Voraussetzungen für die Gewährung einer Erwerbsunfähigkeitspension entsprechend der Bestimmung des § 133 Abs 2 GSVG für den Zeitraum vom 1. 7. 1999 bis 30. 9. 2001 nicht vor.

Das Berufungsgericht gab der gegen den klagsabweisenden Teil dieser Entscheidung gerichteten Berufung des Klägers keine Folge und schloss sich der Rechtsansicht des Erstgerichtes an. Das Berufungsgericht erachtete die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer ordentlichen Revision nach § 502 Abs 1 ZPO im konkreten Fall als gegeben, weil die überschaubare Judikatur des Obersten Gerichtshofes, in der von einer zumutbaren "gewissen Verschmälerung" der Einkommenssituation bei Selbständigen argumentiert werde, sehr allgemein gehalten sei, die veröffentlichten Entscheidungen konkrete Ziffern nicht enthielten und der Anlassfall geeignet sei, eine allgemeine Abgrenzung anhand konkreter Daten verdeutlichend vorzunehmen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer vollinhaltlichen Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht zulässig.

Der Oberste Gerichtshof ist gemäß § 508a Abs 1 ZPO an einen Ausspruch des Berufungsgerichtes über die Zulässigkeit der Revision nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO nicht gebunden. Die Zulässigkeit der Revision ist vom Vorliegen einer im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO qualifizierten Rechtsfrage abhängig. Die im Zulassungsausspruch des Berufungsgerichtes umschriebene Rechtsfrage erfüllt diese Voraussetzungen nicht.

Der Oberste Gerichtshof hat sich mit der Frage des Erfordernisses der persönlichen Arbeitsleistung eines Versicherten zur Aufrechterhaltung des Betriebes nach § 133 Abs 2 GSVG bereits in einer Vielzahl von (überwiegend auch veröffentlichten) Entscheidungen zu befassen gehabt. Es entspricht dabei der ständigen Rechtsprechung des Senates, dass ein Selbständiger dann, wenn er zur Führung des Betriebes in der bisherigen Form nicht mehr in der Lage ist, gehalten ist, eine Umstrukturierung vorzunehmen, wenn auf diese Art der Betrieb wirtschaftlich (rentabel) weitergeführt werden kann. Zu einer solchen Umorganisation gehört unter Umständen auch eine Einschränkung des Umfanges der persönlichen Arbeitsleistung, wenn dies wirtschaftlich vertretbar ist; der Versicherte muss dabei auch eine Einkommenseinbuße in Kauf nehmen (SSV-NF 11/45 mwN ua). Ob dem Versicherten die Umorganisation des Betriebes auch durch Beschäftigung eines weiteren Mitarbeiters, der die Arbeiten des Versicherten zu übernehmen hätte, wirtschaftlich zumutbar ist, ist anhand eines Vergleiches zwischen dem Betriebserfolg bei der bisherigen Mitarbeit des Versicherten (ohne eine solche weitere Fachkraft) und dem Betriebserfolg bei Anstellung eines solchen weiteren Mitarbeiters unter Berücksichtigung dessen Kosten zu beurteilen (RIS-Justiz RS0106510 mwN ua). Die Beurteilung der Frage, ob solche Umorganisationsmaßnahmen dem Versicherten wirtschaftlich zumutbar sind, ist von den Umständen des Einzelfalles abhängig und kann daher in der Regel erst dann verlässlich vorgenommen werden, wenn nähere Feststellungen über den vom Versicherten zuletzt geführten Betrieb, vor allem über Art und Umfang der getätigten Geschäfte, die Betriebsorganisation, insbesondere die näheren Umstände des Einsatzes der Arbeitskraft des Klägers und seiner Mitarbeiter, über die Höhe des Umsatzes und des Gewinnes und die Höhe des (bisherigen) Einkommens des Klägers sowie der für eine allenfalls erforderliche (zusätzliche) Arbeitskraft auflaufenden Kosten vorliegen. Auch zu der hier strittigen Frage, welche Einkommenseinbuße der Versicherte im Rahmen der Beurteilung des Erfordernisses der persönlichen Arbeitsleistung zur Aufrechterhaltung des Betriebes nach § 133 Abs 2 GSVG vor Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen für die Erwerbsunfähigkeitspension billigerweise in Kauf nehmen muss, hat der Oberste Gerichtshof in den in der Revisionsbeantwortung genannten Entscheidungen bereits dahingehend Stellung genommen, dass bei einem monatlichen Nettoeinkommen eines Versicherten von rund S 10.000 im Jahr 1993 (SSV-NF 7/110) sowie einem monatlichen Gesamteinkommen eines Ehepaares von rund S 14.000 netto im Jahr 1990 (SSV-NF 4/159) noch nicht davon ausgegangen werden könne, dass eine Mitarbeit des Versicherten wirtschaftlich gesehen zur rentablen Aufrechterhaltung des Betriebes notwendig sei (vgl auch 10 ObS 285/92). Folgt man den Feststellungen der Vorinstanzen, wonach auch nach Einstellung eines Meisters für den Kläger noch immer ein angemessenes eigenes Einkommen von ca S 15.500 bis S 16.500 netto monatlich erzielbar gewesen wäre, kann unter Berücksichtigung der bisherigen Rechtsprechung nicht davon ausgegangen werden, dass die Vorinstanzen bei ihrer Beurteilung der wirtschaftlichen Zumutbarkeit dieser Umorganisationsmaßnahme den ihnen zustehenden Beurteilungsspielraum verlassen haben.

Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang darauf verweist, dass einem unselbständigen Erwerbstätigen vom Gesetzgeber ein Herabsinken seines Einkommens nur bis zur "Lohnhälfte" (§ 255 Abs 3 ASVG) zugemutet wird, ist darauf hinzuweisen, dass der Berufsschutz nach dem GSVG in anderer Weise geregelt ist als nach dem ASVG. Bei den Versicherungen nach dem ASVG, dem GSVG und den anderen Sozialversicherungsgesetzen handelt es sich jeweils um geschlossene Systeme, die Regelungen für die in die einzelnen Gesetze einbezogenen Riskengemeinschaften treffen; auch die Finanzierung des Aufwandes ist unterschiedlich. Ein Vergleich der Lage der nach dem GSVG Versicherten mit der nach dem ASVG Versicherten in Bezug auf einzelne Rechtsfolgen ist daher nur unter besonderen Umständen zulässig. Solche Umstände treten bei der Festlegung der Voraussetzungen für den Berufsschutz im § 133 Abs 2 GSVG nicht zutage (SSV-NF 12/124 mwN ua). Der Gewerbetreibende muss vielmehr auch nach der Bestimmung des § 133 Abs 2 GSVG im Gegensatz zum Arbeitnehmer nach wie vor eine gänzliche Minderung der Erwerbsfähigkeit nachweisen (vgl Rudda, Gedanken zur Erwerbsunfähigkeit gewerblich Selbständiger, ZAS 1994, 119 ff [122]).

Der Hinweis des Klägers, bei Selbständigen bestehe immer wieder die Notwendigkeit für die Vornahme von Investitionen, lässt außer Acht, dass bei der Ermittlung des dem Kläger verbleibenden Nettoeinkommens erforderliche Investitionen zur Ausgleichung des Wertverlustes bereits berücksichtigt wurden.

Es liegt daher keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO vor.

Soweit in der Revision auch die Entscheidung des Berufungsgerichtes über den Kostenpunkt bekämpft wird, ist das Rechtsmittel ebenfalls unzulässig. Nach ständiger Rechtsprechung kann nämlich die Entscheidung des Gerichts zweiter Instanz über den Kostenpunkt weder im Rahmen der Revision noch mit Rekurs bekämpft werden; dies gilt auch in Sozialrechtssachen (SSV-NF 12/22 mwN ua).

Diese Erwägungen führen zur Zurückweisung des Rechtsmittels.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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