OGH 8Ob221/02m

OGH8Ob221/02m28.8.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer, Dr. Spenling und Dr. Kuras sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Lovrek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Martin Karbiener, Rechtsanwalt, 4690 Schwanenstadt, Stadtplatz 17, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der Firma W***** Gesellschaft mbH (20 S 404/00p des Landesgerichtes Wels), wider die beklagte Partei Anton M*****, vertreten durch Dr. August Rogler, Rechtsanwalt in Vöcklabruck, wegen Feststellung einer Konkursforderung (Streitwert EUR 33.234,35), infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 17. Juli 2002, GZ 1 R 75/02h-11, womit das Urteil des Landesgerichtes Wels vom 23. Jänner 2002, GZ 1 Cg 52/01v-7, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Über das Vermögen der Gemeinschuldnerin wurde mit Beschluss des Landesgerichtes Wels vom 17. 8. 2000 das Konkursverfahren eröffnet. Der Kläger wurde zum Masseverwalter bestellt. Der Beklagte arbeitete bei der Gemeinschuldnerin als Angestellter und übernahm im März 1998 50 % der Geschäftsanteile. Auf Grund eines rechtskräftigen und vollstreckbaren Versäumungsurteils des Landesgerichtes Wels als Arbeits- und Sozialgericht wurden ihm in der Hauptsache S 423.825 sowie S 26.058,20 an Prozesskosten zuerkannt. Diese Forderung einschließlich Zinsen in Höhe von S 7.431,45, insgesamt also S 457.314,56 hat er im Konkursverfahren angemeldet.

Der klagende Masseverwalter hat diese Forderung in der Prüfungstagsatzung vom 12. 7. 2001 mit der Begründung bestritten, dass es sich dabei um eine Eigenkapital ersetzende Forderung handle. Der Beschluss des Konkursgerichtes über die Festlegung der Frist von einem Monat zur Klagseinbringung wurde dem klagenden Masseverwalter am 18. 7. 2001 zugestellt.

Mit seiner Klage begehrt der klagende Masseverwalter die Feststellung, dass die Forderung des Beklagten im Ausmaß von S 457.314,65 als Konkursforderung nicht zu Recht bestehe; in eventu begehrt er die Feststellung, dass dieser Forderung eine Rangordnung in der Klasse der allgemeinen Konkursgläubiger nicht zustehe. Er stützt dies zusammengefasst darauf, dass der Beklagte seine im arbeitsgerichtlichen Verfahren geltend gemachten Lohnansprüche eineinhalb Jahre habe stehen lassen. Bereits am 17. 8. 1999, als an alle Gläubiger wegen eines Moratoriums herangetreten worden sei, habe dem Beklagten die Zahlungsunfähigkeit bekannt sein müssen. Es wäre an dem Beklagten gelegen, nach einer angemessen Überlegungsfrist von 60 Tagen auszutreten. Der Beklagte sei entgegen seinen Ausführungen auch nicht nur "Strohmann" gewesen, vielmehr sei dies ohne Relevanz. Die Ansprüche des Beklagten seien als Eigenkapital ersetzende Gesellschafterdarlehen zu beurteilen, die hinter die Ansprüche der übrigen Gläubiger zurückzutreten hätten.

Der Beklagte bestritt, beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete zusammengefasst ein, dass er nur als Strohmann für einen anderen Mitgesellschafter fungiert habe. Es sei zu befürchten gewesen, dass der Masseverwalter in dessen Konkurs auch auf die Anteile an der Gemeinschuldnerin greifen werde. Die geltend gemachten Ansprüche seien kein Eigenkapital ersetzendes Darlehen. Bei einem früheren Austritt hätte er ebenfalls nichts bezahlt bekommen. Auch sei er den maßgeblichen Mitarbeitern der Gemeinschuldnerin gemeinschaftlich verbunden gewesen und habe gar keine Möglichkeit gehabt, in einem anderen Unternehmen unterzukommen. Vielmehr mache der Masseverwalter gar keine Umstände geltend, die nicht bereits im Titelverfahren hätten vorgebracht werden können.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es folgerte rechtlich, dass grundsätzlich derjenige die Prüfungsklage zu erheben habe, der einen Anspruch oder eine bestimmte Rangordnung geltend mache. Davon sei nur insoweit abzugehen, als der Bestand der Forderung bereits in einem früheren Verfahren anerkannt worden sei. Dies gelte aber nicht für die Rangordnung im Konkurs, die nicht Gegenstand des früheren Verfahrens gewesen sei. Hier liege ein Streit über die Richtigkeit der Rangordnung vor, da es sich bei den behaupteten Eigenkapital ersetzenden Forderungen nur um nachrangige Forderungen handle. Daher müsse nicht der Kläger den von ihm bestrittenen Rang bekämpfen, sondern der Beklagte die Feststellung seiner Forderung einklagen. Mangels rechtlichen Interesses sei daher das Klagebegehren abzuweisen.

Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung des Klägers Folge, hob die angefochtene Entscheidung auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Es sei entsprechend der ständigen Judikatur des Obersten Gerichtshofes davon auszugehen, dass die Forderungen aus Eigenkapital ersetzenden Gesellschafterdarlehen hinter die Ansprüche der übrigen Gläubiger zurückzutreten hätten. Es sei jedoch ungeklärt, ob diese Forderungen dann noch im Konkursverfahren oder erst nach dessen Aufhebung im allgemeinen Liquidationsverfahren zu berücksichtigen seien. Mit dem Insolvenzrechts-Änderungsgesetz 1982 sei § 105 Abs 2 KO dahin geändert worden, dass die angemeldeten Forderungen nach ihrer Rangordnung, bei gleicher Rangordnung nach der Reihenfolge der Anmeldung zu prüfen sind. Aus den Gesetzesmaterialien ergebe sich, dass der Ausdruck "Rangordnung" sich nur noch auf die in Nebengesetzen vorgesehenen Spezialkonkurse beziehe. Da hier aber kein Spezialkonkurs vorliege, könne das "Zurücktreten" der Gläubiger von Eigenkapital ersetzenden Gesellschafterdarlehen nur dahin verstanden werden, dass diese nicht als Konkursforderungen anzusehen seien. Dies bestätige auch der vorliegende Ministerialentwurf zum Eigenkapitalersatzgesetz. Aus den Erläuterungen sei abzuleiten, dass Eigenkapital ersetzende Leistungen nicht als Konkursforderungen anzusehen seien. Daher seien sie auch nicht nach den §§ 102 ff KO anzumelden. Dementsprechend sei auch die Klagslegitimation gemäß § 110 Abs 2 KO gegeben.

Den Rekurs an den Obersten Gerichtshof erachtete das Berufungsgericht als zulässig, da keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Qualifikation von Eigenkapital ersetzenden Ansprüchen im Insolvenzverfahren als Konkursordnung vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Beschluss erhobene Rekurs der beklagten Partei ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.

Seit der Grundsatzentscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 8. 5. 1991 zu 8 Ob 9/91 (= SZ 64/53 = EvBl 1991/179) geht der Oberste Gerichtshof davon aus, dass dann, wenn ein Gesellschafter einer kreditunwürdigen Gesellschaft ein Darlehen gewährt, in analoger Anwendung der Rückzahlungsvoraussetzungen für Nachschüsse nach § 74 GmbHG und dem darin enthaltenen Rückzahlungsverbot diese Darlehen bis zur nachhaltigen Sanierung der Gesellschaft weder mittelbar noch unmittelbar zurückbezahlt werden dürfen. Diese Grundsätze führen in der Insolvenz und der Liquidation der Gesellschaft dazu, dass die Ansprüche aus Eigenkapital ersetzenden Gesellschafterdarlehen hinter die Ansprüche der übrigen Gläubiger zurücktreten. Erst wenn die übrigen Gläubiger befriedigt sind und in der Liquidation noch zur Verteilung geeignetes Vermögen vorhanden ist, sind die Forderungen aus Eigenkapital ersetzenden Gesellschafterdarlehen vor der Berechnung der allgemeinen Verteilungsquote zu befriedigen (vgl allgemein auch RIS-Justiz RS0060076 mwN; zu der Voraussetzung der "Kreditunwürdigkeit" RIS-Justiz RS0060065 mwN insbesondere auch zum "Stehenlassen" von Fremdmittel vgl 8 Ob 28/93 sowie 8 Ob 254/97d = SZ 70/232; RIS-Justiz RS0105983; zum zustimmenden Schrifttum Koppensteiner GmbHG2 § 74 Rz 11, kritisch jedoch derselbe aaO Rz 21 mwN).

Mit der Frage, ob nun die Eigenkapital ersetzenden Gesellschafterdarlehen im Konkursverfahren selbst nach Befriedigung der übrigen Gläubiger zu beurteilen und allenfalls aliquot zu befriedigen sind, oder ob vorweg die Aufhebung des Konkurses zu erfolgen hat und erst danach die Befriedigung der Eigenkapital ersetzenden Gesellschafterdarlehen allenfalls im Rahmen eines Liquidationsverfahrens vorzunehmen ist, haben sich zuletzt vor allem Karollus (Zur Behandlung Eigenkapital ersetzender Forderungen im Konkursverfahren, ZIK 1996, 37 ff) und Berger (Rechtsfolgen Eigenkapital ersetzender Finanzierungsleistungen, ÖBA 1996, 837) befasst.

Karollus spricht sich für eine Einbeziehung in das Konkursverfahren aus, da auch hier das Problem der quotenmäßigen Befriedigung mehrerer Gläubiger vorhanden sein kann. Andernfalls würde es auch zu einem Hintereinanderschalten zweier Konkursverfahren und einem ungeordneten Wettlauf der Gläubiger kommen. Dem könne auch eine "Sperre" des Stammkapitals nicht entgegengehalten werden, da ja der Konkurs wie das Liquidationsverfahren auf die Beendigung der Gesellschaft abziele. Es gebe trotz dem mit dem Insolvenrechtsänderungsgesetz 1982 grundsätzlich geschaffenen Konzept des "klassenlosen Konkurses" immer noch Rechtsgebiete, in denen eine Rangordnung innerhalb der Konkursgläubiger vorgesehen sei. Konkret sei eine Tilgung der Eigenkapital ersetzenden Forderungen erst nach Befriedigung sämtlicher Masse- und Konkursforderungen vorzunehmen. Der Masseverwalter habe die Eigenkapital ersetzende Forderung nicht zur Gänze, sondern nur hinsichtlich ihres Ranges zu bestreiten. Ein allfälliger Zwangsausgleich müsse auch diese Forderungen umfassen. Ein Stimmrecht sei analog § 148 KO bei der Abstimmung für den Zwangsausgleich zu verneinen.

Berger beurteilt insgesamt die Frage des Eigenkapitalersatzrechtes unter dem Aspekt der Vertrauenshaftung (vgl dazu auch Berger, Grundlagen des Eigenkapitalersatzrechts, Wien 1996). Er geht davon aus, dass diese Forderungen zwar im Überschuldungsstatus zu passivieren, jedoch bei der Fortbestehungsprognose nicht zu berücksichtigen seien. Sie seien auch nicht als Konkursforderungen anzusehen und daher zu bestreiten. Ihre Befriedigung als Eigenkapital ersetzender Anspruch sei nicht Aufgabe des Masseverwalters, weshalb sie auch nicht nachrangig als Konkursforderung zu behandeln seien. Sie seien auch von einem allfälligen Zwangsausgleich nicht erfasst. In Deutschland hat der Gesetzgeber im Rahmen der Regelungen über die Eigenkapital ersetzenden Gesellschafterdarlehen vorweg vorgesehen gehabt, dass diese im Insolvenzverfahren überhaupt nicht zu berücksichtigen wären. Er hat dies aber nunmehr dahin geändert, dass es sich dabei um nachrangige Insolvenzforderungen handle. Dort werden diese nur insoweit im Insolvenzverfahren berücksichtigt, als nach Befriedigung sämtlicher vorhergehender Insolvenzgläubiger noch eine zu verteilende Insolvenzmasse verfügbar ist. Auch sind sie erst dann anzumelden, wenn das Insolvenzgericht dazu auffordert (vgl dazu etwa Dauernheim in Wimmer [Hrsg], Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung3, § 135 Rz 66 ff; ebenso Pentz in Rowedder/Schmidt-Leithoff [Hrsg], Gesetz betreffend die Gesellschaft mit beschränkter Haftung4, 940; oder Heidinger in Michalski [Hrsg], Kommentar zum Gesetz betreffend die Gesellschaft mit beschränkter Haftung, Band I, 1857).

In Österreich wurde nunmehr im Rahmen der Regierungsvorlage zum sogenannten Eigenkapitalersatz-Gesetz (124 der Blg der XXII. GP) auch eine Änderung der Konkursordnung vorgesehen. Zufolge der nach der RV einzufügenden Bestimmung des § 57a KO handelt es sich um "nachrangige Forderungen", die wie Konkursforderungen durchzusetzen sind, jedoch nur anzumelden sind, wenn das Konkursgericht zu deren Anmeldung auffordert. Diese Aufforderung hat dann zu erfolgen, sobald zu erwarten ist, dass es zu einer wenn auch nur teilweisen Befriedigung nachrangiger Forderungen kommen wird. Die Erläuterungen dazu (vgl S 23 der RV) gehen davon aus, dass die Konkurseröffnung auch hinsichtlch der nachrangigen Forderungen eine Prozess- und Exekutionssperre bedeutet.

Eine abschließende Klärung, ob nun auch bereits vor Inkrafttreten dieses Gesetzes bei Eigenkapital ersetzenden Gesellschafterdarlehen von "nachrangigen Konkursforderungen" oder "Eigenkapital" auszugehen ist, das außerhalb des Konkurses durchzusetzen ist, kann im vorliegenden Fall jedoch unterbleiben.

Kann doch nach ständiger Judikatur Gegenstand des Prüfungsprozesses der Teilnahmeanspruch nur so sein, wie er aufgrund der Anmeldung Gegenstand der Prüfungsverhandlung gewesen ist (vgl RIS-Justiz RS0065601 mwN, zuletzt 8 Ob 114/02a; Konecny in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze § 110 Rz 39 ff uva). Ein Eigenkapital ersetzendes Gesellschafterdarlehen wurde aber gar nicht geltend gemacht. Insoweit ist auch nicht die Frage zu entscheiden, in welchem "Rang" dieses zu berücksichtigen wäre.

Vielmehr wurde eine Forderung an Entgeltansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis samt Kosten und Zinsen angemeldet und war Gegenstand der Prüfungsverhandlung. Insoweit liegt auch eine vollstreckbare Forderung im Sinne des § 110 Abs 2 KO vor. Daher liegt es am Masseverwalter als Bestreitendem, seinen Widerspruch mittels Klage geltend zu machen.

Bei der Frage des Vorliegens eines "Eigenkapital ersetzenden Gesellschafterdarlehens" ist auch davon auszugehen, dass dazu regelmäßig der Titel des beklagten Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber keine relevanten Aussagen enthält, sodass insoweit die Bestreitung durch den Masseverwalter zulässig ist (vgl Konecny aaO § 105 Rz 24; ebenso Petschek/Reimer/Schiemer, Österreichisches Insolvenzrecht, 585). Es geht dabei eben nicht nur um eine Frage der Rangordnung (vgl dazu auch RIS-Justiz RS0065553), sondern darum, dass die angemeldete titulierte Forderung, dann, wenn es sich in Wahrheit um ein Eigenkapital ersetzendes Gesellschafterdarlehen handelt, so wie sie angemeldet wurde, überhaupt nicht besteht und im Konkursverfahren nicht zu berücksichtigen ist.

Im Ergebnis hat das Berufungsgericht daher schon deshalb die Rechtssache zutreffend an das Erstgericht zur Erörterung und Feststellung, ob es sich um Eigenkapital ersetzende Gesellschafterdarlehen handelt, zurückverwiesen.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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