OGH 5Ob187/03s

OGH5Ob187/03s26.8.2003

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann und Dr. Baumann und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Linda Beatrice M*****, geboren am 4. August 2000, derzeit wohnhaft bei den Eltern Stefan M***** und Barbara M*****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der väterlichen Großeltern Christian M***** und Doris M*****, beide vertreten durch Dr. Peter Greil, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen den Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 13. Juni 2003, GZ 54 R 75/03f-17, womit der Rekurs der väterlichen Großeltern gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 12. Mai 2003, GZ 3 P 61/02d-7, zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und dem Rekursgericht eine neuerliche Entscheidung unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Text

Begründung

Die mj. Linda Beatrice ist die am 4. 8. 2000 außer der Ehe geborene Tochter des Stefan M***** und der Barbara M*****. Die Minderjährige wurde aufgrund der Berufstätigkeit der Mutter von den väterlichen Großeltern in I*****, versorgt. Die Obsorge kommt nunmehr den Eltern gemeinsam zu. Am 12. 5. 2003 teilten die Eltern dem Pflegschaftsgericht mit, dass sie seit längerem versuchen würden, die Minderjährige aus der Obhut der väterlichen Großeltern zu sich zu holen. Diese würden sich jedoch weigern, die Minderjährige an die obsorgeberechtigten Eltern herauszugeben.

Mit Beschluss vom 12. 5. 2003 trug das Erstgericht den väterlichen Großeltern auf, die Minderjährige zu einer Tagsatzung vom 16. 5. 2003 mitzuführen, und begründete dies im Wesentlichen damit, dass deren Anwesenheit zur Abklärung der dem Kindeswohl zuträglichen Maßnahmen notwendig sei. Anlässlich dieser Zusammenkunft wurde die Minderjährige von den väterlichen Großeltern in die Obhut der Eltern übergeben. Seither befindet sie sich bei ihren Eltern in ***** T*****.

Das Rekursgericht wies den Rekurs der väterlichen Großeltern gegen den Beschluss des Erstgerichtes vom 12. 5. 2003 als unzulässig zurück, sprach aus, dass der Revisionsrekurs mangels der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG nicht zulässig sei, und führte im Wesentlichen folgendes aus:

Auch im Pflegschaftsverfahren sei Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels ein Eingriff in die geschützte Rechtssphäre. Die Berührung bloß ideeller oder sonstiger Interessen genüge nicht, es müsse vielmehr ein subjektives Recht des Beschwerdeführers betroffen sei, also eine Rechtsmacht, die dem Einzelnen von der Rechtsordnung verliehen sei. Wie sich aus dem Akteninhalt unzweifelhaft ergebe, seien die Eltern für die Minderjährige obsorgeberechtigt, sodass es in ihrer Macht stehe, sämtliche Anordnungen im Zusammenhang mit Pflege und Erziehung der Minderjährigen zu treffen. Den Rekurswerbern werde - abgesehen von der faktischen Obhut über die Minderjährige - keine Rechtsposition eingeräumt, welche sie zur Einflussnahme auf die Wahl des Aufenthaltsortes und die Form der Pflege und Erziehung durch die Obsorgeberechtigten berechtige. Die Rekurslegitimation der nächsten Angehörigen eines Minderjährigen im Pflegschaftsverfahren sei nur dann zu bejahen, wenn ein Rechtsmittel im Interesse des Pflegebefohlenen insbesondere deshalb notwendig sei, um Gefahren abzuwehren, die dem Pflegebefohlenen allenfalls auch von seinem gesetzlichen Vertreter drohten, weil die Angehörigen diese natürlichen Schutzpflichten in bestimmten Fällen nur durch eine Beschwerde gegen Verfügungen der Unterinstanzen zur Geltung bringen könnten. Die Rechtsmittelbefugnis sei insbesondere dann als gegeben anzusehen, wenn die Interessen des Pflegebefohlenen mangels Rekurslegitimation einer anderen Person nicht gewahrt werden könnten. Da nicht einmal im Rekurs von Seiten der Rekurswerber Behauptungen dahingehend aufgestellt würden, dass der Minderjährigen durch die obsorgegemäße Pflege und Erziehung durch die leiblichen Eltern Gefahr drohe, sondern im Wesentlichen nur die Rechtswidrigkeit der vom Erstgericht gewählten Vorgangsweise bei Übergabe des Kindes an die Eltern angeprangert werde, lägen schon nach dem Rekursvorbringen die für eine Rekurslegitimation der Großeltern geforderten Voraussetzungen hier nicht vor.

Nach ständiger Rechtsprechung seien zudem nur gerichtliche Verfügungen, die auf die Erzeugung von Rechtswirkungen gerichtet seien, im außerstreitigen Verfahren anfechtbar. Einer Anfechtung unterlägen nur solche Akte, die eine "Anordnungs- oder Regelungsabsicht" des Gerichts erkennen ließen und auf die Erzeugung von Rechtswirkungen gerichtet seien. Dagegen seien bloß verfahrensgestaltende Maßnahmen wie beispielsweise Ladungen und auch die gegenständliche Anordnung, zur Tagsatzung die Minderjährige mitzubringen, grundsätzlich als prozessleitende Beschlüsse anzusehen, die nur der zweckmäßigen und erfolgreichen Formung und Ausführung des Verfahrens dienten und insoweit keinen Selbstzweck zu entfalten imstande seien, sodass eine Anfechtung des Beschlusses auch unter diesem Gesichtspunkt von vornherein ausgeschlossen sei.

Gegen diese Rekursentscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der väterlichen Großeltern wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem erkennbaren Antrag auf meritorische Erledigung ihres Rekurses.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und auch berechtigt.

Die Rechtsmittelwerber machen im Wesentlichen geltend, infolge Ermächtigung der Großeltern durch die außereheliche Mutter sei ein Pflegeverhältnis zustandegekommen; der abrupte Pflegeplatzwechsel durch die gerichtliche Verfügung, die zwei Jahre und zehn Monate als Minderjährige vor Gericht vorzuführen und den Eltern zu übergeben, gefährde das Kindeswohl.

Hiezu wurde erwogen:

Nach der Aktenlage wurde von der außerehelichen Mutter als zunächst allein obsorgeberechtigter Person und den väterlichen Großeltern, bei denen die Minderjährige aufwuchs, als Pflegeeltern zumindest konkludent ein Pflegeverhältnis iS des § 186 Abs 1 ABGB begründet (vgl Stabentheiner in Rummel I3 § 186 ABGB Rz 2, 3; Schwimann in Schwimann2 § 186 ABGB Rz 3, 4).

Gemäß § 186 Abs 2 ABGB haben Pflegeeltern in dem die Person des Kindes betreffenden Pflegschaftsverfahren das Antrags- und damit auch das Rekursrecht (Stabentheiner aaO Rz 4; Schwimann aaO Rz 7; 1 Ob 664/89 = SZ 62/164; 7 Ob 58/02h; vgl zur früheren Rechtslage bereits RIS-Justiz RS0006508). Des Rückgriffs auf das ausnahmsweise Rekursrecht naher Angehöriger zur Gefahrenabwehr (RIS-Justiz RS006433, RS0006454) bedarf es daher - entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes - nicht.

Eine Anfechtung des erstgerichtlichen Beschlusses wäre im Übrigen auch dann nicht ausgeschlossen, wenn man ihn als bloß verfahrensleitend qualifizierte, weil auch solche Anordnungen, die in die Rechtssphäre eines Beteiligten (hier: der Pflegeeltern) eingreifen, im Außerstreitverfahren grundsätzlich anfechtbar sind (RIS-Justiz RS0006128, RS0006265, RS0006284, RS0112534).

Das Rekursgericht, dessen Zurückweisungsbeschluss aufzuheben war, wird über den Rekurs der väterlichen Großeltern daher meritorisch zu entscheiden haben (vgl zum Ende des Pflegeverhältnisses Stabentheiner aaO Rz 6 mwN; Schwimann aaO Rz 6).

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