OGH 4Ob137/03f

OGH4Ob137/03f8.7.2003

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Edith G*****, 2. Peter G*****, beide vertreten durch Prader & Plaz OEG, RechtsanwältInnen in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. Charlotte P*****, 2. Gerald P*****, beide vertreten durch Winkler Reich-Rohrwig Elsner Illedits Rechtsanwälte Partnerschaft in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 20.100 EUR), über den Rekurs der Beklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 19. Februar 2003, GZ 15 R 178/02k-11, mit dem infolge Berufung der Kläger das Urteil des Landesgerichts St. Pölten vom 12. April 2002, GZ 4 Cg 233/01t-7, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Kläger sind je zur Hälfte Eigentümer einer Liegenschaft in T*****. Alleineigentümerin der Nachbarliegenschaft ist die Erstbeklagte. Der Zweitbeklagte betreibt auf der Liegenschaft der Erstbeklagten eine KFZ-Werkstatt.

Mit Schreiben vom 5. 5. 2000 suchte der Zweitbeklagte bei der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung um die gewerbebehördliche Genehmigung der Errichtung und des Betriebs eines KFZ-Mechanikerbetriebs auf die Liegenschaft der Erstbeklagten an. Zur mündlichen Verhandlung am 5. 7. 2000 wurden neben dem Zweitbeklagten und dem Zweitkläger je ein Amtssachverständiger aus dem Fachgebiet für Bautechnik, Maschinenbau und Lärmtechnik sowie das Arbeitsinspektorat geladen. Durch Anschlag an der Amtstafel der Gemeinde wurde bekanntgegeben, dass die Projektunterlagen innerhalb von zwei Wochen bei der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung eingesehen werden können. Bei der mündlichen Verhandlung waren (ua) die Kläger als Anrainer anwesend. Sie schlossen sich den Einwendungen der Gemeinde an, wonach die Betriebsanlage mit der Flächenwidmung „Bauland Wohngebiet" nicht in Einklang zu bringen sei und eine wasserrechtliche Bewilligung erforderlich wäre. Den Klägern wurde keine Ausfertigung der Verhandlungsschrift vom 5. 7. 2000 zugestellt.

Der Amtssachverständige für Lärmtechnik kam zum Ergebnis, dass zur Einhaltung der gemäß ÖAL-Richtlinie Nr 3/Blatt 1 beschriebenen Grenzwerte für Immissionen gewisse Auflagen vorzuschreiben seien. Das lärmtechnische Gutachten wurde zwar dem Zweitbeklagten, nicht aber den Klägern zur Stellungnahme zugeschickt. Die Gewerbebehörde beauftragte den Sachverständigen, das Gutachten dahin zu ergänzen, mit welchen Lärmimmissionen in der Nachbarschaft (bei den Klägern) zu rechnen sei, wenn die Lärmschutzmaßnahmen berücksichtigt würden. Am 8. 2. 2001 suchte der Amtsarzt die Räumlichkeiten der Beklagten auf, wobei besonderes Augenmerk auf die örtliche Lage und die Lage der Nachbarliegenschaft gerichtet wurde.

Mit - mittlerweile rechtskräftigem - Bescheid vom 22. 2. 2001, GZ 12-B-0048, stellte die Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung fest, dass die der Betriebsanlage (KFZ-Werkstatt) zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten und sonstigen Betriebsflächen auf der Liegenschaft der Erstbeklagten insgesamt nicht mehr als 1.000 m² betragen und die elektrische Anschlussleistung der zur Verwendung gelangenden Maschinen und Geräte 100 kW nicht übersteige. Dieser Bescheid gelte als Genehmigungsbescheid für die Anlage. Im Anschluss daran führte die Gewerbehörde wie folgt aus:

„Die Betriebsanlage muss mit den Projektunterlagen und mit der Beschreibung in der Verhandlungsschrift vom 5. 7. 2000, den darin abgegebenen Gutachten der Amtssachverständigen und den Gutachten des Amtssachverständigen für Lärmtechnik vom 14. 11. 2000 und der Amtsärztin vom 13. 2. 2001 übereinstimmen. Diese Unterlagen bilden daher einen wesentlichen Bestandteil dieses Bescheides und sind beigelegt."

Dem Zweitbeklagten wurden mehrere Auflagen erteilt, von denen sich die folgenden Auflagen auf die Geräuschentwicklung beziehen:

„2) Bei den beiden raumdiagonalen Belüftungsöffnungen sind Schalldämpfer mit einer Einfügedämpfung von mindestens 25 dB im Rauminnern einzubauen. Damit soll sichergestellt werden, dass in 1 m Entfernung von der Mündungsöffnung im Freien bei Vollbetrieb des Metallwinkelschleifers (Rauminnenpegel von 103 dB) ein A-bewerteter Schalldruckpegel von 55 dB nicht überschritten wird. Über die Einhaltung dieses Emissionsgrenzwertes ist nach Fertigstellung ein messtechnischer Nachweis eines qualifizierten Fachunternehmens entsprechend der ÖNorm S 5004 im Betrieb zur Einsichtnahme aufzulegen.

3) Beim im Einreichplan dargestellten Fenster der Werkstätte ist raumseitig ein weiteres Fenster in zweischaliger Konstruktion (Schallschutzfenster) oder in einschaliger Konstruktion mit einer Scheibendicke von mindestens 8 mm einzubauen. Die Fensterlaibung zwischen den beiden Fenstern ist schallabsorbierend mit einem Material zu verkleiden, welches einen Schallabsorptionsgrad von mindestens 0,6 bei 500 Hz aufweist. Über den entsprechenden Einbau und die Ausführung der beschriebenen Fensterkonstruktion ist eine Bestätigung der Lieferfirma im Betrieb aufzulegen.

4) Während der Durchführung von sämtlichen Arbeiten in der Werkstätte ist das Fenster der Werkstätte und das Tor der Werkstätte geschlossen zu halten. Das Tor der Werkstätte darf ausschließlich für die notwendigen Fahrbewegungen geöffnet werden.

5) Das Fenster des Aufstellungsraumes des Kompressors ist während des möglichen Betriebes des Kompressors geschlossen zu halten.

6) Im Freien vor der Betriebsanlage ist die Durchführung von Reparaturarbeiten nicht zulässig."

Mit Bescheid vom 17. 4. 2001 wies die Gewerbebehörde den Antrag der Kläger, ihnen Parteistellung zuzuerkennen, als unzulässig zurück.

Die Kläger begehren, die Beklagten schuldig zu erkennen, die wesentliche Beeinträchtigung der ortsüblichen Nutzung ihres Grundstücks durch Lärmimmissionen der KFZ-Werkstatt auf dem Grundstück der Erstbeklagten, die das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Ausmaß von 55 dB[A] bei Tag und 45 dB[A] bei Nacht überschreiten, zu unterlassen. Der Zweitbeklagte habe vor rund 10 Jahren begonnen, in einer kleinen Garage Reparaturarbeiten, Karosseriearbeiten sowie Spengler- und Lackierarbeiten durchzuführen. Dies sei mit einer für die Kläger unzumutbaren Lärm- und Geruchsbelästigung verbunden gewesen. 1996 sei die Garage durch den Einbau einer Hebebühne, einer Reifenwuchtmaschine, eines Trennschleifers und ähnlicher Geräte erweitert worden, ohne dass der Zweitbeklagte über eine gewerbe- oder baurechtliche Genehmigung verfügt hätte. Die Kläger hätten die Behörden vom konsenslosen Betrieb informiert. Die Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung habe ein gewerberechtliches Genehmigungsverfahren nach § 359b GewO durchgeführt und die gewerberechtliche Bewilligung zum Betrieb der Kfz-Werkstatt erteilt. Durch den Betrieb der Kfz-Werkstatt komme es zu unzumutbaren und die ortsübliche Nutzung der Liegenschaft der Kläger wesentlich beeinträchtigenden Lärmimmissionen. Das Unterlassungsbegehren sei trotz der gewerbebehördlichen Bewilligung der Betriebsanlage zulässig, weil die Kläger im gewerberechtlichen Bewilligungsverfahren nur ein Anhörungsrecht und keine Parteistellung gehabt hätten.

Die Beklagten beantragen, das Klagebegehren abzuweisen. Der Unterlassungsanspruch sei unzulässig, weil die Anlage behördlich genehmigt sei. Die höchst zulässigen Schallimmissionswerte würden aber ohnehin nicht überschritten. Das gegen die Erstbeklagte gerichtete Klagebegehren sei nicht schlüssig, weil die Erstbeklagte die mit dem Betrieb des Zweitbeklagten verbundenen Lärmimmissionen nicht beeinflussen könne.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Eine gemäß § 359b GewO gewerbebehördlich bewilligte Anlage sei eine behördlich genehmigte Anlage im Sinne des § 364a ABGB. Die Nachbarn hätten ein Anhörungsrecht; die Behörde sei auch verpflichtet, auf die Interessen der Nachbarn von Amts wegen Bedacht zu nehmen und zur Sicherung der Nachbarinteressen entsprechende Aufträge und Auflagen im Feststellungsbescheid zu erteilen. Die Nachbarn könnten damit nur verschuldensunabhängige Schadenersatzansprüche geltend machen.

Das Berufungsgericht hob dieses Urteil auf, verwies die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurück und sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Bei der Einführung des § 364a ABGB sei davon ausgegangen worden, dass eine Anlage in einem Verfahren behördlich genehmigt werde, in dem auf die Interessen der Nachbarn ausreichend Bedacht genommen werde. Nach § 25 der damals geltenden GewO 1895 sei die Genehmigung der Betriebsanlage bei allen Gewerben notwendig gewesen, deren Betrieb geeignet war, die Nachbarschaft (ua) durch üblen Geruch oder durch ungewöhnliche Geräusche zu gefährden oder zu belästigen. Im Verfahren hätten die Nachbarn Parteistellung gehabt; es sei daher gerechtfertigt gewesen, ihnen keinen zivilrechtlichen Unterlassungsanspruch, sondern nur einen Ausgleichsanspruch in Geld zuzubilligen. Der Oberste Gerichtshof sei in der Entscheidung 4 Ob 619/74 (= SZ 48/15) zum Ergebnis gekommen, dass der Grundnachbar nur dann auf den Ausgleichsanspruch zu verweisen sei, wenn die Anlage in einem Verfahren genehmigt wurde, in dem die Berücksichtigung der Interessen der Nachbarn in derselben oder doch in gleich wirksamer Weise vorgesehen ist wie im Verfahren zur Genehmigung von Betriebsanlagen nach der Gewerbeordnung. Die Frage, ob das vereinfachte Verfahren nach § 359b GewO diesen Anforderungen entspreche, sei in der Lehre umstritten. Bei weitem überwiegend werde die Meinung vertreten, dass die Genehmigung im vereinfachten Verfahren keine behördliche Genehmigung im Sinne des § 364a ABGB sei. Einig seien sich die Autoren darüber, dass die Beschränkung auf den Ausgleichsanspruch durch § 364a ABGB ein der Enteignung verwandter Tatbestand sei. Der Entfall des Entsagungsrechts sei nur dort gerechtfertigt, wo das öffentliche Recht die nachbarlichen Immissionsschutzinteressen in einer dem privaten Nachbarrecht und dem dort gewährten Rechtsschutz gleichwertigen Weise gewährleiste. Der Oberste Gerichtshof habe in der Entscheidung 3 Ob 508/93 (= SZ 68/180) bereits ausgesprochen, dass auch eine rechtskräftige Betriebsanlagengenehmigung nicht schlechthin alle Eingriffe in das Eigentum an Nachbargrundstücken dem Untersagungsrecht entziehe. Zu dulden seien nur Schäden durch Eingriffe, die von den zuständigen Gewerbebehörden bei der Betriebsanlagengenehmigung in einem Verfahren beurteilt worden sind, in dem dem Nachbarn grundsätzlich das rechtliche Gehör zustand. Das habe nach damaliger Rechtslage bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 79 GewO nicht zugetroffen, weil der Nachbar kein auf die Erteilung neuer Auflagen zielendes Antragsrecht (und damit auch keine Parteistellung) gehabt habe. Das Verfahren sei vielmehr von Amts wegen oder auf Antrag des Bundesministeriums für Umwelt einzuleiten gewesen. Für den Obersten Gerichtshof habe damit eine gravierende Lücke im Rechtsschutz bestanden, die durch Zubilligung des Untersagungsrechts zu schließen gewesen sei. Die durch das vereinfachte Genehmigungsverfahren geschaffene rechtliche Situation des Nachbarn sei vergleichbar. Seit der Gewerberechtsnovelle 1997 sei das vereinfachte Genehmigungsverfahren durchzuführen, wenn die elektrische Anschlussleistung die Grenzwerte (1.000 m², 100 kW) nicht übersteige. Die Nachbarn hätten nur noch Akteneinsichts- und Anhörungsrechte, aber keine Parteistellung. In der Feststellung, dass eine Betriebsanlage § 359b GewO entspricht, liege schon deren Genehmigung. Im Verfahren nach § 359b GewO sei auch § 356b GewO „sinngemäß" anzuwenden. Dem Nachbarn werde damit auch für die Normen die Parteistellung entzogen, die gemäß § 356b GewO mit zu berücksichtigen seien. Ein Genehmigungsverfahren sei auch dann nicht notwendig, wenn die Gewerbehörde im Feststellungsbescheid Aufträge zum Schutz der gemäß § 74 Abs 2 GewO sowie gemäß § 77 Abs 3 und 4 GewO wahrzunehmenden Interessen erteile. Dabei habe die Behörde zwar auf die eingelangten Äußerungen der Nachbarn Bedacht zu nehmen; die Nachbarn hätten aber keinen Anspruch auf einen Schutz durch Aufträge nach § 359b GewO. Ein im vereinfachten Verfahren ergehender Bescheid gebe die Eigenschaften der Anlage nicht im Einzelnen wieder; es werde nur festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Durchführung des vereinfachten Verfahrens gegeben seien. Eine konkrete Ausgestaltung der Anlage werde nur in jenen Punkten festgelegt, in denen Aufträge erteilt würden. Damit seien Verwendungszweck und Ausrüstung der Betriebsanlage in manchen Fällen völlig egal. Dem stehe gegenüber, dass die Duldungspflicht des Nachbarn so weit reiche wie die behördliche Genehmigung. Sei die Anlage im Genehmigungsbescheid nicht ausreichend beschrieben, so könne auch der Umfang der Duldungspflicht nicht mit der erforderlichen Sicherheit abgegrenzt werden. Das spreche entscheidend dafür, Feststellungsbescheide nicht als behördliche Genehmigung im Sinne des § 364a ABGB zu werten. Die durch § 79a Abs 3 GewO dem Nachbarn eingeräumte Antragsbefugnis, nachträglich Auflagen der bereits genehmigten Anlage zu erreichen, vermöge nichts daran zu ändern, dass die entscheidende Genehmigung in einem Verfahren ohne Parteistellung und ohne Rechtsmittelbefugnis des Nachbarn zustande gekommen sei. Dem Nachbarn sei es dadurch unmöglich, an einer umfassenden Sachverhaltsfeststellung mitzuwirken, dabei unterlaufene Mängel aufzuzeigen und im Rechtsmittelverfahren geltend zu machen. Dies zeige sich im vorliegenden Fall darin, dass die Kläger nun Mängel bei der Befundaufnahme bei Erstellung des Gutachtens über die Lärmbelastung behaupteten. Das pflichtgemäße Bemühen der Behörde sei kein ausreichender Ersatz, weil auch bei Anwendung großer Sorgfalt Verfahrensmängel und Fehlentscheidungen unterlaufen könnten. § 364a ABGB sei verfassungskonform dahin auszulegen, dass ein im vereinfachten Genehmigungsverfahren ergangener Feststellungsbescheid Untersagungsansprüche nicht ausschließe. Art 94 B-VG stehe dieser Beurteilung nicht entgegen, weil das Gericht nur die Befugnis habe, Immissionen und nicht auch den Betrieb der Anlage zu untersagen. Für den Unterlassungsanspruch sei auch die Erstbeklagte als Liegenschaftseigentümerin passiv legitimiert. Im fortgesetzten Verfahren werde das Erstgericht festzustellen haben, ob die Lärmbelästigung durch die Anlage des Zweitbeklagten das von den Klägern behauptete Ausmaß erreiche.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Beschluss gerichtete Rekurs der Beklagten ist zulässig, weil keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage besteht, ob eine im vereinfachten Verfahren nach § 359b GewO genehmigte Anlage eine behördlich genehmigte Anlage im Sinne des § 364a ABGB ist; der Rekurs ist aber nicht berechtigt.

Das Berufungsgericht hat - entgegen § 500 Abs 2 Z 1 ZPO - nicht ausgesprochen, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 4.000 EUR übersteigt; seiner Begründung des Zulässigkeitsausspruchs ist aber zu entnehmen, dass das Berufungsgericht einen diesen Betrag übersteigenden Wert des Entscheidungsgegenstands angenommen hat. Es erübrigt sich daher, dem Berufungsgericht eine Ergänzung seiner Entscheidung aufzutragen.

Die Beklagten halten an ihrer Auffassung fest, dass auch eine im vereinfachten Verfahren genehmigte Anlage eine behördlich genehmigte Anlage im Sinne des § 364a ABGB sei. Sie gestehen zu, dass die Meinungen darüber auseinandergehen, verweisen aber darauf, dass die Konsequenzen für den Betriebsanlageninhaber schwer kalkulierbar seien, wenn die Unterlassungsklage zugelassen werde. Einzelne Nachbarn könnten erreichen, dass ein Betrieb de facto untersagt werde, anderen Nachbarn, die den Weg zum Zivilgericht scheuten, werde dieser Schutz nicht zuteil. Die Rechtsunsicherheit im Zusammenhang mit genehmigten Betriebsanlagen wäre größer, die wirtschaftliche Disposition der Unternehmer verunsichert, wenn einzelne Nachbarn es in der Hand hätten, die Untersagung eines genehmigten Betriebs in Bezug auf die Auswirkungen auf ihre Grundstücke zu erreichen.

Den Beklagten ist zuzustimmen, dass der Ausgleich eines Rechtsschutzdefizits der Nachbarn die Rechtsunsicherheit der Betriebsanlagenbetreiber erhöht. Wie dieser Interessengegensatz zu lösen ist, hängt zuerst davon ab, wie der Ausschluss des Untersagungsanspruchs durch § 364a ABGB gerechtfertigt wird. Nach der Entscheidung 4 Ob 619/74 (= SZ 48/15) soll durch die Regelung des § 364a ABGB ein Ausgleich zwischen dem Interesse an der Entwicklung der Wirtschaft und dem Interesse am Schutz des Nachbarn geschaffen werden. Eine sachliche Abgrenzung des Begriffs „behördlich genehmigte Anlage" könne nur darin gefunden werden, dass der Zweck des § 364a ABGB berücksichtigt und geprüft werde, ob für die Erteilung der Genehmigung zur Errichtung der Anlage die Durchführung eines Verfahrens vorgesehen war, in welchem die Interessen der Nachbarn allgemein und nicht nur nach einem bestimmten Gesichtspunkt zu berücksichtigen waren.

Nach Reischauer (in Rummel, ABGB³ § 364a Rz 4) ist es nicht notwendig, dass die betroffenen Nachbarn im Genehmigungsverfahren Parteistellung hatten. Es sei Sache des öffentlichen Rechts, in welcher Weise es auf die Interessen der Betroffenen Rücksicht nehme. § 364a ABGB gehe aber davon aus, dass die für die Betriebsgenehmigung geltenden Vorschriften eine Interessenabwägung entweder selbst generell vorgenommen haben oder der Behörde für den Einzelfall auftragen.

Oberhammer (Schwimann/Oberhammer, ABGB² § 364a Rz 2) weist darauf hin, dass das öffentliche Anlagenrecht vor allem auch der Verhinderung von Immissionen und Gefährdungen dient. Soweit dies Verfahrensgegenstand des verwaltungsbehördlichen Anlagegenehmigungverfahrens sei, könne dieselbe Rechtsfrage nicht Gegenstand eines zivilgerichtlichen Verfahrens über einen Untersagungsanspruch sein. Aus der Kompetenz der Verwaltungsbehörde folge grundsätzlich die Bindung der Zivilgerichte an die verwaltungsbehördliche Entscheidung. Sie bestehe im Rahmen der zeitlichen, subjektiven und objektiven Rechtskraftgrenzen der verwaltungsbehördlichen Entscheidung; dabei sei auf den Zweck der anzuwendenden öffentlich-rechtlichen Normen ebenso abzustellen wie auf die Gewährung rechtlichen Gehörs an die betroffenen Nachbarn.

Auch andere Autoren stellen darauf ab, ob die behördliche Genehmigung in einem Verfahren ergangen ist, in dem der Rechtsschutz der betroffenen Nachbarn gewährleistet ist (s ua Illedits/Illedits-Lohr, Nachbarrecht Rz 373; Musger, Verfahrensrechtliche Bindungswirkungen und Art 6 MRK, JBl 1991, 420, 499; E. Wagner, Die Betriebsanlage im zivilen Nachbarrecht 133; dieselbe, Die Gewerberechtsnovelle 1997 und deren Folgen für zivile Nachbarrechte, RdU 1997, 174 [181]; Raschauer, Anlagenrecht und Nachbarschutz aus verfassungsrechtlicher Sicht, ZfV 1999, 506 [514]; Thienel, Verfassungsrechtliche Grenzen für das vereinfachte Genehmigungsverfahren nach § 359b GewO, ZfV 2001/1558; gegenteilig Muzak, Zuständigkeit ordentlicher Gerichte bei Unterlassung der Vorschreibung nachträglicher Auflagen durch die Gewerbehörden?, AnwBl 1997, 19 [30f], der die Bindung der Zivilgerichte an den rechtskräftigen verwaltungsbehördlichen Bewilligungsbescheid ohne Einschränkungen bejaht und betroffene Nachbarn auf allfällige Amtshaftungsansprüche verweist).

Für die von der Mehrzahl der Autoren vertretene Auffassung spricht, dass Abwehransprüche der Nachbarn gegen Immissionen „civil rights" im Sinne des Art 6 EMRK sind (Raschauer aaO 515; Schwimann/Oberhammer aaO § 364a Rz 3, jeweils mwN). Das hat zur Folge, dass über sie jedenfalls nur in einem fairen Verfahren entschieden werden darf, in dem der Betroffene seine Rechte effektiv vertreten kann (s H. Mayer, B-VG², 548 mwN). Soweit daher durch eine Betriebsanlagengenehmigung abschließend über die Abwehransprüche der Nachbarn entschieden wird, weil die Betriebsanlagengenehmigung gemäß § 364a ABGB das Untersagungsrecht ausschließt, liegt eine „behördlich genehmigte Anlage" im Sinne dieser Bestimmung nur vor, wenn die Genehmigung nach Abwägung der widerstreitenden Interessen in einem Verfahren erteilt wurde, in dem das rechtliche Gehör des Nachbarn gewahrt war (s 3 Ob 508/93 = SZ 68/180, wonach ein Genehmigungsbescheid für die Gerichte nicht [mehr] bindend ist und Untersagungsansprüche nicht [mehr] ausschließt, wenn die zuständige Behörde entgegen § 79 GewO untätig geblieben ist; nach der damaligen Rechtslage war der Nachbar, anders als nunmehr nach § 79a GewO, nicht antragsbefugt).

Werden diese Grundsätze auf das vereinfachte Verfahren nach § 359b GewO angewandt, dann ist dem Berufungsgericht beizupflichten, dass eine in diesem Verfahren genehmigte Betriebsanlage keine behördlich genehmigte Anlage im Sinne des § 364a ABGB ist:

Das vereinfachte Verfahren nach § 359b GewO ist - soweit hier von Bedeutung - anzuwenden, wenn das Ausmaß der der Betriebsanlage zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten und sonstigen Betriebsflächen insgesamt nicht mehr als 1.000 m² beträgt und die elektrische Anschlussleistung der zur Verwendung gelangenden Maschinen und Geräte 100 kW nicht übersteigt (§ 359b Abs 1 Z 2 GewO). In diesem Fall hat die Behörde das Projekt durch Anschlag in der Gemeinde und durch Anschlag in den der Anlage unmittelbar benachbarten Häusern mit dem Hinweis bekannt zu geben, dass die Projektsunterlagen innerhalb eines bestimmten, vier Wochen nicht überschreitenden Zeitraumes bei der Behörde zur Einsichtnahme aufliegen und dass die Nachbarn innerhalb dieses Zeitraumes von ihrem Anhörungsrecht Gebrauch machen können; die Eigentümer der betroffenen Häuser haben derartige Anschläge in ihren Häusern zu dulden. Nach Ablauf der im Anschlag angeführten Frist hat die Behörde unter Bedachtnahme auf die eingelangten Äußerungen der Nachbarn die die Anwendung des vereinfachten Verfahrens begründende Beschaffenheit der Anlage mit Bescheid festzustellen und erforderlichenfalls Aufträge zum Schutz der gemäß § 74 Abs 2 GewO sowie der gemäß § 77 Abs 3 und 4 GewO wahrzunehmenden Interessen zu erteilen; dieser Bescheid gilt als Genehmigungsbescheid für die Anlage. § 74 Abs 2 GewO nennt (ua) die Belästigung der Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise; § 77 Abs 3 GewO die Emission von Luftschadstoffen; § 77 Abs 4 GewO die Abfälle. § 359b Abs 1 vorletzter Satz GewO setzt ausdrücklich fest, dass Nachbarn keine Parteistellung haben (zum vereinfachten Verfahren s Öberseder, Das vereinfachte Genehmigungsverfahren nach § 359b GewO, RdU 1997, 168; Wilhelm, Die Un-Rechtsstaatlichkeit des "vereinfachten" Genehmigungsverfahrens, kondensiert, ecolex 2001, 341).

Das rechtliche Gehör des Nachbarn ist damit im vereinfachten Verfahren nach § 359b GewO nicht in vollem Umfang gewahrt. Das Anhörungsrecht bietet keine Gewähr, dass auf die Interessen des Nachbarn ausreichend Bedacht genommen wird. Zwar ist die Behörde verpflichtet, entsprechende Auflagen zu erteilen, wenn die Immissionen das ortsübliche Maß überschreiten, doch ist damit noch nicht gewährleistet, dass dies auch tatsächlich geschieht. Nur das Recht des Nachbarn, durch Antrags- und Rechtsmittelbefugnis den Gang des Verfahrens und insbesondere die Sammlung der Entscheidungsgrundlagen zu beeinflussen, sichert ihm einen seiner Stellung im Zivilverfahren vergleichbaren Rechtsschutz (ausführlich dazu E. Wagner, Die Betriebsanlage im zivilen Nachbarrecht 115ff; Raschauer aaO ZfV 1999, 514f). Das vernachlässigt Aicher (in Stolzlechner/Wendl/Zitta, Gewerberechtliche Betriebsanlage² Rz 234), wenn er die Anwendbarkeit des § 364a ABGB auf vereinfachte Verfahren mit der „Behördenpflicht zur umfassenden und effektiven Berücksichtigung der Immissionsschutzinteressen der Nachbarn" begründet.

Die fehlende Parteistellung des Nachbarn im vereinfachten Verfahren wird nicht dadurch aufgewogen, dass der Nachbar nach § 79a Abs 1 GewO nachträgliche Auflagen beantragen kann und insoweit auch Parteistellung hat (§ 79a Abs 4 GewO). Im Verfahren über nachträgliche Auflagen wird die ursprünglich erteilte Genehmigung nicht mehr überprüft. Die Auflagen treten erst nach Ablauf einer Frist von drei, in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen nach fünf Jahren, in Kraft, wenn der Inhaber der Betriebsanlage nachweist, dass ihm die Einhaltung der Auflagen erst innerhalb dieser Frist wirtschaftlich zumutbar ist. Auflagen sind nicht vorzuschreiben, wenn sie unverhältnismäßig sind (§ 79 Abs 1 GewO). Der Nachbar kann daher mit einem Antrag auf Erteilung nachträglicher Auflagen zwar erreichen, dass für ihn nachträglichen Immissionen entgegengewirkt wird; seine Antragsbefugnis bietet aber keine Gewähr, dass die Anlage nur weiterbetrieben werden kann, wenn - wie für die Erteilung der Genehmigung nach § 77 GewO vorgeschrieben - zu erwarten ist, dass Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen auf ein zumutbares Maß beschränkt werden (s E. Wagner aaO RdU 1997, 182; Thienel aaO ZfV 2001/1558 FN 63).

Zu prüfen bleibt, ob die Gewährung des Unterlassungsanspruchs trotz Genehmigung der Anlage gegen Art 94 B-VG verstößt. Nach Art 94 B-VG ist die Justiz von der Verwaltung in allen Instanzen getrennt. Gerichte und Verwaltungsbehörden dürfen daher nicht zur Entscheidung in derselben Sache berufen sein (H. Mayer, B-VG², 275 mwN). Das wäre der Fall, wenn die Gewährung des zivilrechtlichen Untersagungsanspruchs dazu führte, dass die im vereinfachten Verfahren erteilte Genehmigung gerichtlich überprüft würde (mit diesem Argument wenden sich H. Mayer [Kontrolle der Verwaltung durch die ordentlichen Gerichte?, ÖZW 1991, 97] und ihm folgend Hecht/Muzak [Umwelthaftung im Nachbarrecht, JBl 1994, 159] sowie Muzak [Zuständigkeit ordentlicher Gerichte bei Unterlassung der Vorschreibung nachträglicher Auflagen durch die Gewerbebehörden?, AnwBl 1997, 19] gegen den von Rummel/Kerschner [Umwelthaftung im Privatrecht 94f] auch bei behördlich genehmigten Anlagen vorgeschlagenen zivilrechtlichen Untersagungsanspruch); das trifft aber nicht zu:

Richtig ist zwar, dass es sowohl im gewerbebehördlichen Genehmigungsverfahren als auch im zivilgerichtlichen Verfahren auf Unterlassung von Immissionen um den Schutz des Nachbarn geht. Im Verwaltungsverfahren richtet sich der Anspruch des Nachbarn aber gegen die Behörde; sie hat seine Interessen bei der Genehmigung der Anlage entsprechend zu wahren. Anspruchsgegner des zivilgerichtlichen Verfahrens ist hingegen der Anlageninhaber. Ihm gegenüber kann (nur) begehrt werden, dass er Immissionen unterlasse. Wie er einem derartigen Unterlassungsgebot nachkommt, bleibt ihm überlassen; ein - mit der Genehmigung der Anlage unvereinbares - Betriebsverbot kann jedenfalls nicht erlassen werden (ausführlich dazu Thienel aaO ZfV 2001/1558 FN 63).

Sind damit verfassungsrechtliche Bedenken wegen Art 94 B-VG nicht gerechtfertigt und wird mit der Feststellung der Tatbestandsvoraussetzungen und der damit bewirkten Genehmigung einer Anlage im vereinfachten Verfahren nach § 359b GewO mangels Parteistellung des Nachbarn nicht in einem im Sinne des Art 6 EMRK fairen Verfahren über nachbarrechtliche Ansprüche entschieden, so muss § 364a ABGB verfassungskonform dahin ausgelegt werden, dass eine im vereinfachten Verfahren nach § 359b GewO genehmigte Anlage keine behördlich genehmigte Anlage im Sinne des § 364a ABGB ist (E. Wagner, Die Betriebsanlage im zivilen Nachbarrecht 133; Raschauer aaO ZfV 1994, 518; s auch Spielbüchler aaO § 364a Rz 5, wonach Feststellungen im vereinfachten Verfahren keine Genehmigungen im Sinne des § 364a ABGB sein werden, soweit sie nur als Genehmigungen „gelten"). Die aus der Beschränkung des rechtlichen Gehörs folgende Beeinträchtigung des Rechtsschutzes des Nachbarn kann nämlich nicht durch das Interesse des Anlageninhabers an Rechtssicherheit aufgewogen werden. Zwar mag es unbefriedigend sein, dass der Anlageninhaber - wenn die Anlage die Tatbestandsvoraussetzungen des § 359b GewO erfüllt - nicht zwischen dem Verfahren nach § 356 GewO mit Augenscheinsverhandlung sowie Parteistellung des Nachbarn und dem vereinfachten Verfahren nach § 359b GewO wählen kann und daher keine Möglichkeit hat, eine Prüfung der Immissionen im Verwaltungsverfahren unter Einbeziehung des Nachbarn als Partei zu erreichen, dem steht aber gegenüber, dass der Anlageninhaber im vereinfachten Verfahren die Genehmigung wesentlich rascher erlangen kann.

Der Rekurs musste erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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