OGH 6Ob95/03v

OGH6Ob95/03v26.6.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei T***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Josef Pfurtscheller und Dr. Markus Orgler, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei U***** AG, *****, vertreten durch Wolf Theiss & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung und Widerrufs ehrverletzender Äußerungen sowie Veröffentlichung des Widerrufs, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 27. Februar 2003, GZ 5 R 198/02b-9, mit dem das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 19. Juli 2002, GZ 18 Cg 70/02m-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Entscheidungen der Vorinstanzen divergieren nicht in der Ansicht, ob auch eine juristische Person kreditschädigende Äußerungen im Sinn des § 1330 ABGB zu verantworten hat, sondern dahin, ob § 1330 Abs 1 ABGB den Schutz der Ehre nur für physische Personen normiere. Dass eine juristische Person von kreditschädigenden Äußerungen nach § 1330 Abs 2 ABGB betroffen sein kann, haben beide Instanzen ohnehin übereinstimmend bejaht, das Berufungsgericht - durchaus im Sinn der Klägerin - zudem, dass auch eine juristische Person durch eine Äußerung nach § 1330 Abs 1 ABGB in ihrer Ehre beeinträchtigt sein könne. Diese Frage ist aber für den vorliegenden Rechtsstreit ohne Relevanz, weil die Ansicht des Berufungsgerichtes, dass weder eine ehrverletzende Äußerung noch eine kreditschädigende Tatsachenbehauptung vorliegt, von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht abweicht:

Rechtliche Beurteilung

Bei der Beurteilung, ob ein Werturteil oder eine Tatsachenbehauptung vorliegt, kommt es insbesondere auf den Zusammenhang an, in den die Äußerung gestellt wurde (SZ 62/208 ua). Werturteile können als Ehrenbeleidigung gegen § 1330 Abs 1 ABGB verstoßen, aber auch unter § 1330 Abs 2 ABGB fallen, wenn sie als sogenannte "konkludente" Tatsachenbehauptungen auf entsprechende Tatsachen schließen lassen, somit dem eine rein subjektive Auffassung wiedergebenden Werturteil entnommen werden kann, dass es von bestimmten Tatsachen ausgeht (SZ 68/97 ua). Auch die Frage, ob jemand, der Rechtsnormen (hier: Versicherungsbedingungen) auslegt und sich über die Rechtsfolgen eines bestimmten Sachverhaltes äußert, damit Tatsachen behauptet oder aber eine subjektive Meinung wiedergibt, hängt von den Umständen des jeweiligen Falles ab. Je weniger die zu beurteilende Rechtsfolgenbehauptung nicht einfach aus einer bestimmten Norm abzulesen ist, sondern auf einem Vorgang der persönlichen Erkenntnisgewinnung beruht, je eingehender die Grundlagen dieses Erkenntnisprozesses dargestellt werden und je deutlicher zum Ausdruck kommt, dass eine subjektive Überzeugung im geistigen Meinungsstreit vertreten wird, umso eher wird ein reines Werturteil vorliegen (SZ 72/118 = MR 1999, 290 [Korn]).

Die strittigen Äußerungen des Mitarbeiters der Beklagten fielen im - in der Rundfunkaussendung und im Zeitungsbericht zum Ausdruck kommenden - Zusammenhang mit den in die Öffentlichkeit gedrungenen Meinungsverschiedenheiten der Streitteile über die Fälligkeit der Versicherungsleistungen der Beklagten auf Grund eines bei ihr versicherten Brandschadens der Klägerin, worüber auch ein Rechtsstreit anhängig ist. In der Ansicht des Berufungsgerichtes, dass die zu beurteilenden Äußerungen (die Versicherungsleistungen seien als Vorleistung erbracht worden, wozu eine rechtliche Verpflichtung nicht bestanden habe; die Klägerin habe mehr geleistet als ihrer Verpflichtung entsprochen habe) als bloße Wiedergabe des subjektiven Rechtsstandpunktes der Beklagten, somit als reines Werturteil, nicht aber als kreditschädigende Tatsachenbehauptung zu qualifizieren seien, kann keine zur Korrektur Anlass gebende Fehlbeurteilung erblickt werden. Auch bietet die Frage, ob der Klägerin mit diesen Äußerungen ein unehrenhaftes Verhalten im Geschäftsverkehr unterstellt wird und ob ein Wertungsexzess vorliegt, infolge ihrer Einzelfallbezogenheit zu einer näheren Befassung keinen Anlass. Ob eine andere Beurteilung der Äußerungen vertretbar ist, hat keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung (6 Ob 304/01a ua). Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Stichworte