OGH 6Ob297/02y

OGH6Ob297/02y26.6.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Susanne S*****, und 2. Josef S*****, ebenda, beide vertreten durch Dr. Stefan Prokop, Rechtsanwalt in Perchtoldsdorf, gegen die beklagte Partei G***** AG, ***** vertreten durch Preslmayr & Partner Rechtsanwälte in Wien, wegen 9.450,83 EUR sA, infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 9. August 2002, GZ 2 R 61/02h-13, womit das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 17. Dezember 2001, GZ 13 Cg 84/01g-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei die mit 686,47 EUR (davon 114,41 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die beklagte Bank hat den Klägern als Kreditnehmer mit Kreditvertrag vom Juni 1991 einen Kredit über 940.000 S eingeräumt, der in 36 Zinsenpauschalraten zu je 7.050 S ab Jänner 1993 bis Dezember 1995, 36 Zinsenpauschalraten zu je 7.990 S ab Jänner 1996 bis Dezember 1998, 36 Zinsenpauschalraten zu je 8.930 S ab Jänner 1999 bis Dezember 2001 und 192 Kapital- und Zinsenraten zu je 9.494 S ab Jänner 2002 bis Dezember 2017, jeweils bis spätestens 15. eines jeden Monats, zurückgezahlt werden sollte.

Punkt I/2 des Vertrags lautet:

„Weiters berechnen wir Ihnen a) 8,25 % Zinsen p.a. kontokorrentmäßig, vierteljährlich im nachhinein, b) 1/8 % Kreditprovision je angefangenem Kalendermonat, vierteljährlich im nachhinein vom monatlichen Höchstsaldo berechnet.

Wir sind berechtigt, im Falle der Erhöhung der Bankrate der Österreichischen Nationalbank oder bei einer allgemeinen Erhöhung der Refinanzierungskosten sowie bei einer generellen Steigerung der Personal- und Sachkosten Kreditzinsen, Kreditprovision und Verzugszinsen in einem dieser Steigerung entsprechenden Ausmaß für den zu diesem Zeitpunkt noch offenen Schuldbetrag zu erhöhen."

Der Pauschalratenvereinbarung lagen die oben genannten Zinssätze und der vertragliche Zinsberechnungsmodus zu Grunde. Die Bankrate der Österreichischen Nationalbank stieg zwischen August 1991 und März 1993 gegenüber dem Ausgangswert der Kreditzuzählung. Die Kläger zahlten von Jänner 1993 bis Dezember 1995 monatlich je 7.050 S und von Jänner 1996 bis März 1997 monatlich je 7.990 S. Im April 1997 wurde die Zinsenpauschalrate auf 7.400 S gesenkt. Die Kläger zahlten im April 7.400 S und im Mai 1997 den gesamten aushaftenden Saldo zurück.

Mit der am 2. 7. 2001 beim Erstgericht eingelangten Klage begehren die Kläger Zahlung von 130.046,32 S (9.450,83 EUR) samt gestaffelter 4 % Zinsen ab 14. 5. 1993. Die Zinsanpassungsklausel sei sittenwidrig, weil sie nur eine Erhöhung, nicht aber auch eine Absenkung der Zinsen vorsehe. Den Streitteilen sei aber klar gewesen, dass die Zinsen zu senken seien, wenn die Bankrate sinke. Bereits ab Mai 1993 seien die Zinsenpauschalraten überhöht gewesen, weil die Bankrate ab 30. 4. 1993 unter 7 % gelegen sei. Dieser im Juni 1991 bestandene Wert sei der Berechnung der Zinsenpauschalraten zu Grunde gelegen. Wegen weiterer Senkungen der Bankrate bis Juni 1996 wäre die beklagte Partei verpflichtet gewesen, die Zinsenpauschalraten entsprechend dem Sinken der Bankrate laufend zu senken. Der Klagsbetrag sei die Summe der Differenzen zwischen der Höhe der von Mai 1993 bis April 1997 gezahlten Zinsenpauschalraten und der Höhe der in diesem Zeitraum zu zahlen gewesenen Raten.

Die beklagte Partei beantragte die Klageabweisung. Sie wandte Verjährung ein. Eine Verpflichtung, die Pauschalraten zu erhöhen oder zu senken, sei nicht vereinbart worden und widerspräche der Rückzahlungsvereinbarung. Die Zinsanpassungsklausel sehe lediglich - im Einklang mit der damaligen Rechtslage - die Berechtigung der beklagten Partei zur Erhöhung, nicht aber ihre Verpflichtung zur Senkung der Zinsen vor. Die beklagte Partei habe den Zinssatz des Kredits der Entwicklung ihrer Refinanzierungssituation und des Kapitalmarkts angepasst. Der Zinssatz (unter Einschluss der Kreditprovision) des Kredits sei im September 1991 von 9,75 % auf 10,25 %, im Februar 1992 von 10,50 % und im Juli 1992 auf 10,75 % angehoben, im Oktober 1992 wieder auf 10,50 %, im April 1993 weiter auf 10, 25 %, im Mai 1993 auf 10 %, im Juli 1993 auf 9,75 %, im Jänner auf 8,50 % und im Februar 1997 auf 7 % gesenkt. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Im allein interessierenden Zeitraum Mai 1993 bis April 1997 hätten die Kläger nur die nach Anzahl und Höhe feststehenden Pauschalraten gezahlt; die beklagte Partei habe von ihnen in diesem Zeitraum nie mehr als vereinbart verlangt, sondern habe im Gegenteil die Pauschalrate für April 1997 gesenkt. Die Zinsenvereinbarung sei nur Basis für die Berechnung der Pauschalraten gewesen und in Zeiten des Steigens der Bankrate gar nicht zur Anwendung gekommen, seien doch die Pauschalraten in diesen Zeiten nicht erhöht worden. Die Frage der „rechtlichen Qualität dieser Vertragsformel" stelle sich nicht. Ob die Kläger im Mai 1997 zur Tilgung der gesamten restlichen Kreditverbindlichkeit eine überhöhte Zahlung geleistet hätten, sei nicht zu prüfen, weil dies die Kläger nicht geltend machten.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Die vereinbarte Zinsanpassungsklausel sei zulässig, weil bei Vereinbarung einer Entgeltsanpassungsklausel die Verpflichtung, bei Vorliegen der vereinbarten Voraussetzungen auch eine Entgeltsenkung vorzusehen, erst seit 1. 3. 1997 bestehe. Zuvor sei Sittenwidrigkeit nicht gegeben gewesen, wenn eine solche Verpflichtung nicht vorgesehen gewesen sei. Die Klausel könne nur so verstanden werden, dass die beklagte Partei berechtigt sein solle, den zu verrechnenden Zinssatz den jeweils für derartige Kredite in Österreich verlangten üblichen Sätzen anzupassen. Dass sämtliche, auch die in einer Gesamtsumme bezahlten Raten hätten überprüft werden müssen, treffe nicht zu, hätten die Kläger doch in Bezug auf diese Raten weder Vorbringen erstattet noch aus einer allfälligen Überhöhung ein Klagebegehren abgeleitet. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil "ein gleich gelagerter Fall" vom Obersten Gerichtshof noch nicht behandelt worden sei.

Die Revision der Kläger ist entgegen dem, den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Frage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO abhängt.

Rechtliche Beurteilung

Es kann nämlich offen bleiben, ob die vereinbarte Zinsanpassungsklausel unter dem Blickwinkel des § 6 Abs 1 Z 5 KSchG in der vor der KSchG-Novelle 1997 geltenden Fassung, die im Hinblick auf den Kreditvertragsabschluss im Juni 1991 im vorliegenden Fall anzuwenden ist (§ 41 a Abs 4 Z 3 KSchG), mangels ausreichender Bestimmtheit ungültig oder ob sie auch als die Kreditnehmer gröblich benachteiligend und sittenwidrig zu betrachten ist, weil die beklagte Bank nicht (ausdrücklich) auch die Verpflichtung zur Absenkung des Zinssatzes bei sinkendem Zinsniveau und Verbesserung der Refinanzierungskonditionen übernommen hat (Iro, Einseitige Kreditzinsenanpassung durch die Bank? RdW 1985, 266; Wilhelm, „Bei geänderten Geldmarktverhältnissen kann die Bank den Kreditzinssatz erhöhen" ecolex 2001, 198 mwN). Die beklagte Partei dürfte aber im hier strittigen Vertragsverhältnis ohnehin von einer solchen zweiseitigen Lesart der Klausel (was deren Wortlaut nicht ausschließt) ausgegangen sein, hat sie doch vorgetragen, Zinsanpassungen auch unter den Ausgangszinssatz vorgenommen zu haben. Die Unwirksamkeit der Klausel unterstellt, hätte dies nach dem Normzweck des § 6 KSchG Teilnichtigkeit des Vertrags ex tunc bewirkt:

Es ist nicht der gesamte Vertrag, sondern nur die gesetzwidrige Klausel nichtig (Krejci in Rummel³, ABGB § 879 Rz 250 mwN; § 6 KSchG Rz 10). Es braucht auch nicht erörtert zu werden, ob die Rechtsfolge der Teilnichtigkeit der ersatzlose Wegfall der gesetzwidrigen Klausel, der vereinbarte Zinssatz also ein Fixzinssatz wäre, oder eine - da ein Fixzinssatz von den Parteien nicht gewollt - dem hypothetischen Parteiwillen und den Erfordernissen des § 6 Abs 1 Z 5 KSchG entsprechende Zinsanpassungsklausel wäre. Das Klagebegehren ist allein darauf gestützt, dass die Kläger vom Mai 1993 bis April 1997 zuviel an Zinsen, also zum Teil eine Nichtschuld gezahlt hätten. Dies trifft aber nicht zu, worauf in der Revisionsbeantwortung hingewiesen wird. Der Kredit wurde im Juni 1991 ausgereicht. Erst im Jänner 1993 wurde - vereinbarungsgemäß - mit der ratenweisen Rückzahlung begonnen. Zwischen Krediteinräumung und Rückzahlungsbeginn - jedenfalls 18 Monate - sind Zinsen aufgelaufen. Die Kläger behaupten nicht, dass vor Mai 1993 der Zinssatz zu senken gewesen wäre. Daher kann der Zinsenberechnung jedenfalls der im Kreditvertrag genannte Zinssatz von 8,25 % p.a. zuzüglich der Kreditprovision von 1/8 % monatlich, dh insgesamt 9,75 % p.a., zu Grunde gelegt werden. Vernachlässigt man weiters zu Gunsten der Kläger die vereinbarte kontokorrentmäßige Berechnung, so sind vom 1. 7. 1991 bis 31. 12. 1992 zumindest 137.475 S Zinsen aufgelaufen (940.000 S x 0,0975 x 1,5). Den vertraglichen Abmachungen entsprechend wollten die Kläger mit jeder Ratenzahlung vom Jänner 1993 bis April 1997 Zinsen entrichten, daher auch die bis zum Beginn der Ratenzahlungen entstandenen. Da diese Zinsschuld den Klagsbetrag jedenfalls übersteigt, haben die Kläger in dem Zeitraum, in dem sie nach ihrem Standpunkt um den Klagsbetrag mehr an Zinsen entrichtet haben, tatsächlich nur geschuldete Zinsen gezahlt.

Unbeachtlich ist die Verfahrensrüge, die eine Verletzung der Anleitungspflicht durch das Erstgericht behauptet. Angebliche in erster Instanz unterlaufene Verfahrensmängel, die - wie hier - in der Berufung nicht gerügt wurden, können mit Revision nicht geltend gemacht werden (stRsp zB SZ 68/195; RIS-Justiz RS0074223). Die Nichtberücksichtigung eines in der Berufung ungerügten Verfahrensfehlers durch das Gericht zweiter Instanz bildet keinen Mangel des Berufungsverfahrens (9 ObA 119/01t ua).

Einer weiteren Begründung bedurfte der Zurückweisungsbeschluss nicht (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO). Die Frage, ob das Klagebegehren nicht auch schon wegen Verjährung (vgl 4 Ob 73/03v) abzuweisen gewesen wäre, kann hier offen bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50, 41 ZPO. Die beklagte Partei hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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