OGH 9ObA15/03a

OGH9ObA15/03a25.6.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Hradil sowie durch die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Wolfgang Höfle und Gerhard Prochaska als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Univ. Prof. Dr. Maximilian G*****, vertreten durch Hon. Prof. Dr. Gottfried Korn ua, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Universität*****, vertreten durch Burgstaller & Preyer, Partnerschaft von Rechtsanwälten in Wien, wegen EUR 36.294,99 brutto sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 17. Oktober 2002, GZ 10 Ra 259/02k-40, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 6. März 2002, GZ 10 Cga 70/00m-34, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 1.754,82 (darin EUR 292,47 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die behauptete Aktenwidrigkeit wurde geprüft, sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 3. Satz ZPO). Da das Berufungsgericht keine eigenen Feststellungen getroffen, sondern diejenigen des Erstgerichtes übernommen hat, ist, wie sich nicht zuletzt aus den Hervorhebungen der Seiten 25 - 27 des angefochtenen Urteils ergibt, die im Rahmen der rechtlichen Beurteilung gewählte Formulierung "... hat aber der Kläger dennoch die Schreiben in Kopie an Dr. K***** übermittelt ..." so zu interpretieren, dass sich diese Wertung nur auf das Schreiben vom 14. 1. 2000 bezieht.

Im Übrigen hat das Berufungsgericht die Frage, ob der Kläger durch sein Verhalten einen wichtigen Grund setzte, welcher die beklagte Partei entsprechend dem schriftlichen (freien) Dienstvertrag zur Kündigung berechtigte, zutreffend bejaht. Es reicht daher insoweit aus, auf die Richtigkeit der eingehenden Begründung der angefochtenen Entscheidung hinzuweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Ergänzend ist den Ausführungen des Revisionswerbers entgegenzuhalten:

Rechtliche Beurteilung

Der Einwand einer angeblichen Verfristung der Kündigung ist schon deshalb unbeachtlich, weil er erstmals im Revisionsverfahren erhoben wurde und somit gegen das Neuerungsverbot verstößt (§ 504 ZPO).

Die Rechtsprechung (SZ 70/52 uva) ist der herrschenden Lehre in ihrer Beurteilung dahin gefolgt, dass die Bestimmungen der §§ 1159, 1159a und b aber insbesondere auch der §§ 1162 bis 1162d ABGB auf freie Arbeitsverhältnisse analog anzuwenden sind. Da die sondergesetzlichen Tatbestände (hier insbesondere die nur demonstrativ aufgezählten Entlassungsgründe des § 27 AngG) und die hiezu ergangene Rechtsprechung der Konkretisierung des "wichtigen Grundes" nach § 1162 ABGB dienen (Krejci in Rummel ABGB I3 Rz 1 zu § 1162), besteht kein vernünftiger Grund, der eine analoge Anwendung auch dieser Sonderbestimmungen und der darauf bezüglichen Rechtsprechung hindern würde, soweit davon nicht nur ganz arbeitnehmerspezifische Umstände umfasst sind. Für die Beurteilung des im vorliegenden Fall ausschlaggebenden Vertrauensverlustes sowie der Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Vertragsverhältnisses kann daher, wie vom Berufungsgericht zutreffend erkannt, auf die Bestimmungen des § 27 Z 1, 3. Tatbestand und Z 6 AngG zurückgegriffen werden.

Sowohl der auf den Präsidenten des Universitätszentrums abzielende Vorwurf des "fragwürdigen Sponsor-Ansinnens" (Schreiben des Klägers an Dr. K***** sowie Übermittlung einer Kopie des an den Präsidenten gerichteten Schreibens an Dr. K*****, jeweils vom 14. 1. 2000) als auch die ehrverletzende Bezeichnung des Präsidenten als "unverantwortlich agierende Universitätsspitze" (Schreiben des Klägers an Dr. K***** vom 9. 2. 2000) erreichen als eindeutige Solidaritätsbekundungen zugunsten des Konfliktgegners des eigenen Vertragspartners ein nicht mehr zu duldendes, über vertretbare Vermittlungsversuche weit hinausgehendes Ausmaß an Indiskretion, welches geeignet ist, das für den Fortbestand des Dauerschuldverhältnisses erforderliche Ausmaß gegenseitigen Vertrauens zu erschüttern. Eine sachliche Rechtfertigung muss schon daran scheitern, dass der Kläger ja nach eigenen Angaben über den Inhalt des angeblichen "Deals" (Verleihung der Ehrensenatorwürde) gar nicht informiert war.

"Ehrverletzungen" iSd § 27 Z 6 AngG sind alle Handlungen, die geeignet sind, das Ansehen und die soziale Wertschätzung des Betroffenen durch Geringschätzung, Vorwurf einer niedrigen Gesinnung, üble Nachrede, Verspottung oder Beschimpfung herabzusetzen und auf diese Weise das Ehrgefühl des Betroffenen zu verletzen. Es sind dies vor allem gegen die Ehre gerichtete strafbare Handlungen, doch können auch nicht strafbare derartige Handlungen tatbestandsmäßig sein (StRSpr, insbes RIS-Justiz RS0109363; RS0029876). Die Kritik des Revisionswerbers an der zitierten Rechtsprechung, welche sich auf die zu Art 10 EMRK bzw zu § 1330 ABGB und zum UWG gestützte Judikatur stützt, vermag nicht zu überzeugen. Während nämlich beim deliktischen Verhalten der Schutz des Grundrechtes auf Meinungsfreiheit zu beachten ist, kommen hier gerade für die Aufrechterhaltung eines Dauerschuldverhältnisses unerlässliche gegenseitige vertragliche, aber auch besondere, aus dem persönlichen Naheverhältnis entspringende Pflichten zum Tragen. Dass die maßgebliche Vertrauenswürdigkeit eines (- auch freien -) Dienstnehmers nicht nur an der Strafbarkeit seines Verhaltens zu messen ist, ergibt sich indes aus der - teils taxativen, teils demonstrativen - Anführung von Entlassungsgründen in den schon erwähnten Sondergesetzen. Ähnliches ist dem auf die Entscheidung 5 Ob 5/02z gestützten Argument des Vorrangs der Meinungsfreiheit entgegenzuhalten: Dort ging es nämlich um die nicht vergleichbare Frage des Ausschlusses eines Genossenschafters, der sich kritisch gegenüber dem Vorstand geäußert hatte. Nach ständiger Rechtsprechung ist aber bei der gerichtlichen Prüfung der Rechtmäßigkeit des Ausschlusses eines Genossenschafters ein besonders strenger Maßstab anzulegen (RIS-Justiz RS004593). Dazu kommt, dass von der arbeitsrechtlichen Rechtsprechung ehrenrührige Tatsachen dann nicht als Entlassungsgrund gesehen werden, wenn diese nicht mit Beleidigungsvorsatz, sondern in Wahrung berechtigter Interessen oder in Ausübung berechtigter Kritik unter angemessener Schonung vorgebracht werden (RIS-Justiz RS0029646). Derartige Rechtfertigungsgründe hat das Berufungsgericht hier aber zu Recht verneint.

Entscheidend für die Beurteilung der Tatbestandsmäßigkeit einer Ehrverletzung und der Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung sind die Umstände des Einzelfalls, wie die Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb, sein Bildungsgrad, die Art des Betriebes, der dort herrschende Umgangston, die Gelegenheit, bei der die Äußerung gefallen ist sowie das bisherige Verhalten des Arbeitnehmers (RIS-Justiz RS0029630). Überträgt man diese Grundsätze - mit den notwendigen Einschränkungen - analog auf das vorliegende freie Dienstverhältnis, zeigt sich - in Übereinstimmung mit der Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes -, dass der Vorwurf der "unverantwortlich agierenden Universitätsspitze" (s oben) daher den Tatbestand der Ehrverletzung genauso erfüllt wie die Bezeichnungen des Präsidenten (= Vertretungsorgans) der beklagten Partei bzw seines Verhaltens als "wenig professionell agierende Universitätsspitze" (Schreiben vom 9. 2. 2000), "vom moralischen Standpunkt aus inakzeptabel" bzw "miserables Krisenmanagement" (Schreiben vom 22. 2. 2000). Das Berufungsgericht hat - entgegen dem diesbezüglichen Einwand des Revisionswerbers - das Gesamtverhalten des Klägers im Zusammenhang mit dem hier zu beurteilenden Schriftverkehr ausreichend berücksichtigt und insbesondere im Hinblick auf die Wiederholungen der erhobenen Vorwürfe auch die Erheblichkeit der damit begangenen Ehrverletzungen zutreffend bejaht.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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