OGH 4Ob115/03w

OGH4Ob115/03w24.6.2003

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ö***** , vertreten durch Dr. Heinz-Peter Wachter, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Mag. H*****, vertreten durch Mag. Lothar Schulmeister, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 30.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Klägers gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 19. März 2003, GZ 13 R 211/02y-11, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 30. September 2002, GZ 27 Cg 81/02b-4, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung - einschließlich des bestätigten Teils - insgesamt wie folgt zu lauten hat:

„Einstweilige Verfügung

Zur Sicherung des Anspruchs des Klägers gegen den Beklagten wird dem Beklagten für die Dauer dieses Rechtsstreits verboten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs selbst oder durch Dritte unter der Bezeichnung 'P***** GmbH', ***** oder unter einer anderen Bezeichnung selbst oder durch Dritte, wie beispielsweise Mitglieder von Keilertrupps, Geschädigte von Katastrophen, insbesondere Geschädigte der Hochwasserkatastrophe 2002, aufzusuchen und anzubieten, dass ein Rechtsanwalt sie an einem Tag der Woche, vormittags oder nachmittags, anrufen wird, sowie sich von diesen Personen sinngemäß bestätigen zu lassen, dass es ihrem Wunsch entspricht, dass ein von der P***** GmbH bzw dem Beklagten selbst oder einem Dritten vermittelter Rechtsanwalt zwecks Geltendmachung von allfälligen Schadenersatzansprüchen, insbesondere aus der Hochwasserkatastrophe 2002, sich bei ihnen melden wird, dies insbesondere unter der Ankündigung, dass die P***** GmbH (oder der Beklagte oder ein Dritter) dafür garantiere, dass den Geschädigten der (Hochwasser)Katastrophe eine Erstberatung durch einen auf Abwicklung von Schadenersatzansprüchen nach Katastrophenfällen spezialisierten Rechtsanwalt als Unterstützungshilfe unentgeltlich zur Verfügung gestellt wird und/oder solche oder derartiges ganz oder teilweise enthaltende Formulare von Geschädigten unterfertigen zu lassen, insbesondere dann, wenn gleichzeitig mit diesem Anbot/dieser Zusicherung ua (personenbezogene) Daten (Generalien der Geschädigten) erhoben werden, unabhängig davon, ob diese Daten in der Folge ausschließlich bei der angestrebten Mandatsausübung Verwendung finden oder nicht, und in diesem Zusammenhang beispielsweise auch gefragt wird, ob eine Rechtsschutzdeckung vorhanden ist, ob eine Haushaltsversicherung oder andere Versicherung den Schaden zu decken hat oder wie hoch der Wasserstand gewesen ist.

Das Mehrbegehren, dem Beklagten zu untersagen, im Zusammenhang mit dem im stattgebenden Teil der einstweiligen Verfügung untersagten Verhalten darauf hinzuweisen, dass der Rechtsanwalt schon in Lassing vertreten habe, sowie das Mehrbegehren, Geschäftsunterlagen und Geschäftsausstattung unter der Bezeichnung 'P***** GmbH' zu verwenden, sofern eine Gesellschaft unter dieser Firma entweder nicht im Firmenbuch registriert ist oder nicht existent ist oder aus Anlass der Verwendung derartiger Unterlagen nicht der Sitz des Registers der Gesellschaft sowie die Firmenbuchnummer angegeben wird, wird abgewiesen.

Der Kläger ist schuldig, dem Beklagten die mit 487,95 EUR bestimmten anteiligen Äußerungskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Der Kläger hat die halben Kosten des Rechtsmittelverfahrens vorläufig selbst zu tragen; die halben Kosten hat er endgültig selbst zu tragen.

Der Kläger ist schuldig, dem Beklagten die mit 1.608,93 EUR bestimmten anteiligen Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin 268,15 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Zweck der klagenden Rechtsanwaltsvereinigung ist es (ua), Unterlassungsansprüche nach dem UWG geltend zu machen.

Der Beklagte ist Angestellter der am 9. 10. 2001 im Firmenbuch des Landesgerichts Wiener Neustadt eingetragenen D***** GmbH. Am 10. 9. 2002 wurde die Änderung der Firma in „P***** GmbH" eingetragen.

Geschäftsgegenstand der P***** GmbH war ursprünglich nur die Vermarktung von Zeitschriftenabonnements. Angesichts der großflächigen Überschwemmungen im August 2002 entwickelte der Beklagte gemeinsam mit den beiden Geschäftsführern der P***** GmbH einen Fragebogen, mit dessen Hilfe die persönlichen Daten von Hochwasseropfern erfragt werden sollten. Die Hochwasseropfer konnten sich durch Unterzeichnung eines vorgedruckten Vermerks damit einverstanden erklären, dass sich „ein von der P*****vermittelter Rechtsanwalt zwecks Geltendmachung allfälliger Schadenersatzansprüche aus der Hochwasserkatastrophe 2002" bei ihnen meldet. Im Zusammenhang damit bestätigte die P***** GmbH, eine „Erstberatung durch einen auf Abwicklung von Schadenersatzansprüchen nach Katastrophenfällen spezialisierten Rechtsanwalt als Unterstüzungshilfe unentgeltlich zur Verfügung zu stellen".

Zweck der Fragenbogenaktion war es, möglichst viele Fragebogen ausgefüllt zurückzubekommen, um sie an den - namentlich nicht genannten - ständigen Rechtsfreund der P***** GmbH zu übergeben, damit dieser die Unterzeichnenden zu einem (für sie) kostenlosen Erstgespräch einlade und auf diese Weise Mandate erhalte. Die Aktion war mit dem ständigen Rechtsfreund der P***** GmbH abgesprochen. Es steht nicht fest, dass Entgelte vom Rechtsfreund an die P***** GmbH oder von der P***** GmbH an deren Rechtsfreund geleistet wurden. Ebenso wenig steht fest, dass der Rechtsfreund den Beklagten auf die Unvereinbarkeit der Aktion mit den Standesvorschriften hingewiesen hat.

Der Beklagte beauftragte im Namen der P***** GmbH eine persönliche Bekannte, gemeinsam mit einem weiteren Bekannten am Wochenende 24./25. August 2002 im Kamptal 50 Fragebogen zu verteilen. Auf den Fragebogen war weder die Firmenbuchnummer noch das Firmenbuchgericht der P***** GmbH angegeben. Ob dies auch für den vom Beklagten entwickelten Originalfragebogen zutrifft oder ob die Angaben erst durch das Kopieren „verloren" gegangen sind, steht nicht fest. Die Fragebogen wurden jedenfalls nicht nachträglich geändert.

20 Fragebogen wurden den Werbern ausgefüllt retourniert und an den ständigen Rechtsfreund der P***** GmbH weitergegeben. Der Beklagte stand am Telefon Interessenten Frage und Antwort. Einer der Anrufer war ein Journalist, der in der Folge über die Aktion einen Zeitungsartikel verfasste. Wegen dieses Artikels stellte der Beklagte beim Landesgericht für Strafsachen Wien am 18. 9. 2002 einen Antrag nach §§ 6, 8 MedienG. Er machte geltend, dass die im Artikel aufgestellten Behauptungen unrichtig seien und den Tatbestand der üblichen Nachrede im Sinne des § 111 StGB begründeten.

Es steht nicht fest, dass weitere Fragebogenaktionen geplant waren oder tatsächlich durchgeführt wurden. Ebenso wenig steht fest, dass die Aktion dazu gedient hätte, die Adressen auch für andere Zwecke zu sammeln.

Der Kläger begehrt zur Sicherung seines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs, dem Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs

1. selbst oder durch Dritte unter der Bezeichnung „P***** GmbH", ***** oder unter einer anderen Bezeichnung selbst oder durch Dritte, wie beispielsweise Mitglieder von Keilertrupps, Geschädigte von Katastrophen, insbesondere Geschädigte der Hochwasserkatastrophe 2002, aufzusuchen und anzubieten, dass ein Rechtsanwalt, im besonderen ein solcher, der schon in Lassing vertreten hat, sie an einem Tag der Woche, vormittags oder nachmittags, anrufen wird, sowie sich von diesen Personen sinngemäß bestätigen zu lassen, dass es ihrem Wunsch entspricht, dass ein von der P***** GmbH bzw dem Beklagten selbst oder einem Dritten vermittelter Rechtsanwalt zwecks Geltendmachung von allfälligen Schadenersatzansprüchen insbesondere aus der Hochwasserkatastrophe 2002 sich bei ihnen melden wird, dies insbesondere unter der Ankündigung, dass die P***** GmbH (oder der Beklagte oder ein Dritter) dafür garantiere, dass den Geschädigten der (Hochwasser)Katastrophe eine Erstberatung durch einen auf Abwicklung von Schadenersatzansprüchen nach Katastrophenfällen spezialisierten Rechtsanwalt als Unterstützungshilfe unentgeltlich zur Verfügung gestellt wird und/oder solche oder derartiges ganz oder teilweise enthaltende Formulare von Geschädigten unterfertigen zu lassen, insbesondere dann, wenn gleichzeitig mit diesem Anbot/dieser Zusicherung ua (personenbezogene) Daten (Generalien der Geschädigten) erhoben werden, unabhängig davon, ob diese Daten in der Folge ausschließlich bei der angestrebten Mandatsausübung Verwendung finden oder nicht, und in diesem Zusammenhang beispielsweise auch gefragt wird, ob eine Rechtsschutzdeckung vorhanden ist, ob eine Haushaltsversicherung oder andere Versicherung den Schaden zu decken hat oder wie hoch der Wasserstand gewesen ist;

2. Geschäftsunterlagen und Geschäftsausstattung unter der Bezeichnung „P***** GmbH" zu verwenden, sofern eine Gesellschaft unter dieser Firma entweder nicht im Firmenbuch registriert ist oder nicht existent ist oder aus Anlass der Verwendung derartiger Unterlagen nicht der Sitz des Registers der Gesellschaft sowie die Firmenbuchnummer angegeben wird.

Eine P***** GmbH sei im Firmenbuch nicht eingetragen. Auf Formularen schienen auch weder ein Sitz noch ein Firmenbuchgericht oder eine Firmenbuchnummer auf. Der Beklagte hafte persönlich, weil er angebe, für die nicht registrierte P***** GmbH zu handeln. Der Einsatz von Keilertrupps verletze Ehre und Ansehen des Rechtsanwaltsstandes und die anerkannten Berufspflichten. Der Hinweis auf Lassing sei marktschreierische Werbung und unzulässige Selbstanpreisung; damit würden auch Mandanten ohne ihre Einwilligung genannt und es werde auf Erfolge Bezug genommen. Wer als Rechtsanwalt bereit sei, auf diese Weise geworbene Mandate anzunehmen, handle standeswidrig und damit auch sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG. Als Fachmann habe der Beklagte die einschlägigen Vorschriften zu kennen; auch er hafte für den Verstoß gegen § 45 RL-BA. Soweit der Anruf eines Anwalts in Wirklichkeit nicht vermittelt werde und die Adressen für andere Zwecke gesammelt würden, liege ein Verstoß gegen § 2 UWG vor. Die P***** GmbH verfüge über keine Gewerbeberechtigung; der Beklagte sei auch an keiner inländischen Gesellschaft beteiligt.

Der Beklagte beantragt, den Sicherungsantrag abzuweisen. Er sei nicht passiv legitimiert, weil er nicht Organ der P***** GmbH sei. Er sei nur im Namen und im Auftrag der P***** GmbH mit dieser Angelegenheit befasst gewesen. Zwischen Rechtsanwälten und der P***** GmbH bestehe kein Wettbewerbsverhältnis. Die Förderung fremden Wettbewerbs sei weder behauptet noch bescheinigt. Die P***** GmbH habe nicht zu Zwecken des Wettbewerbs gehandelt, sondern eine Spendenaktion durchgeführt. Es sei zwar richtig, dass der ständige Rechtsfreund der P***** GmbH beim Grubenunglück in Lassing Mitglied der von der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer aufgestellten Beratergruppe gewesen sei; es sei jedoch unerklärlich, wie diese Information zu allfälligen Interessenten habe gelangen können. Der Beklagte habe die Idee gehabt, den von der Hochwasserkatastrophe Betroffenen als Sachspende die Beratung durch einen Anwalt anzubieten. Da der von ihm konsultierte Anwalt erklärt habe, sich an der Aktion nicht aktiv beteiligen zu können, habe der Beklagte mit der P***** GmbH Kontakt aufgenommen und ihr das Projekt „Sachspende Rechtsanwaltsdienstleistung" vorgestellt. Die P***** GmbH habe darauf die Spendenaktion organisiert und den Beklagten so weit wie möglich eingebunden.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Der Beklagte habe nicht sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG gehandelt, weil er nicht bewusst gegen Standesvorschriften verstoßen habe. Aus dem bescheinigten Sachverhalt lasse sich nicht ableiten, dass die gesammelten Daten auch für andere Zwecke hätten verwendet werden sollen. Damit könne die in diesem Zusammenhang allenfalls problematische Frage der Aktivlegitimation des Klägers offen bleiben. Das Begehren, dem Beklagten die Verwendung von Unterlagen ohne Angabe des Firmenbuchgerichts und der Firmenbuchnummer zu untersagen, könne schon deshalb nicht erfolgreich sein, weil jedes Vorbringen des Klägers zu seiner Aktivlegitimation auch für dieses Begehren fehle. Der Beklagte sei auch nicht Adressat der in § 14 Abs 1 HGB normierten Verpflichtung.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. § 45 RL-BA richte sich ausschließlich an Rechtsanwälte. Ein Dritter handle nur dann sittenwidrig im sinne des § 1 UWG, wenn er in Kenntnis der entgegenstehenden Standesvorschrift mit einer anwaltlichen Erstberatung werbe. Das Bescheinigungsverfahren habe keinen Anhaltspunkt dafür ergeben, dass dem Beklagten die Vorschrift des § 45 RL-BA bekannt gewesen sei oder dass ihn der ständige Rechtsfreund der P***** GmbH über den Inhalt dieser Norm aufgeklärt hätte. Gehörig kundgemachte Gesetze seien zwar ohne Rücksicht auf die Kenntnis des Normadressaten anzuwenden; Normadressaten des § 45 RL-BA seien aber ausschließlich Rechtsanwälte. Dem Beklagten sei der Verstoß gegen anwaltliches Standesrecht daher nicht vorwerfbar. Der Beklagte sei auch nicht Normadressat des § 14 Abs 1 HGB. Nur die Geschäftsführer einer GmbH hätten dafür zu sorgen, dass Rechtsform, Sitz und Firmenbuchnummer der Gesellschaft auf an bestimmte Empfänger gerichteten Geschäftsbriefen und Bestellscheinen angegeben sind. Der als fehlend gerügten Feststellung, wonach bei der Verteilung der Flugblätter darauf hingewiesen worden sei, dass der für eine Erstberatung unentgeltlich zur Verfügung gestellte Rechtsanwalt auch schon Opfer in Lassing vertreten habe, komme rechtlich keine entscheidende Bedeutung zu. Selbst wenn darin ein Verstoß gegen § 45 Abs 3 lit g RL-BA gesehen werde, hätte der Beklagte nur dann sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG gehandelt, wenn er in Kenntnis dieser Bestimmung mit den Erfolgs- und Umsatzzahlen eines Rechtsanwalts geworben hätte. Das Bescheinigungsverfahren habe aber nicht ergeben, dass dem Beklagten die Norm bekannt gewesen sei, so dass ihm ein allfälliger Verstoß subjektiv nicht vorwerfbar sei.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Beschluss gerichtete außerordentliche Revisionsrekurs des Klägers ist zulässig, weil Rechtsprechung zu einem gleichartigen Sachverhalt fehlt; der Revisionsrekurs ist auch teilweise berechtigt.

Anwaltliche Werbung ist nach § 45 Abs 2 der Richtlinien für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufs, für die Überwachung der Pflichten des Rechtsanwalts und für die Ausbildung der Rechtsanwaltsanwärter (RL-BA 1977) zulässig, sofern sie wahr, sachlich, im Einklang mit Ehre und Ansehen des Standes, den Berufspflichten sowie der Funktion des Rechtsanwalts im Rahmen der Rechtspflege ist. Unzulässig ist nach § 45 Abs 3 RL-BA insbesondere a) Selbstanpreisung durch marktschreierische Werbung; b) vergleichende Werbung gegenüber Standesangehörigen; c) Mandatsakquisition unter Ausnützung einer Zwangssituation; d) Überlassung von Vollmachtsformularen an Dritte zwecks Weitergabe an einen unbestimmten Personenkreis; e) Nennung von Mandanten ohne deren Einwilligung; f) das Anbieten oder Gewähren von Vorteilen für Mandatszuführungen; g) Bezugnahme auf Erfolgs- oder Umsatzzahlen. Nach § 46 RL-BA hat der Rechtsanwalt in zumutbarer Weise dafür zu sorgen, dass standeswidrige Werbung für ihn durch Dritte, insbesondere durch Medien, unterbleibt.

Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass auch ein Dritter sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG handelt, wenn er in Kenntnis der entgegenstehenden Standesvorschriften oder eindeutiger Standesauffassung, also bewusst, in standeswidriger Weise für sein Unternehmen im geschäftlichen Verkehr wirbt (4 Ob 311/85 = ÖBl 1986, 154 - Kfz-Schaden-Schätzstelle). Das muss um so mehr gelten, wenn der Dritte nicht für sein eigenes Unternehmen, sondern für denjenigen wirbt, dessen Standesvorschriften durch die Werbung verletzt werden. In diesem Fall wird mit der standeswidrigen Werbung genau jener Tatbestand verwirklicht, den die Standesvorschriften unterbinden wollen.

In dem der Entscheidung 4 Ob 311/85 zugrunde liegenden Fall war die - nicht schriftlich niedergelegte - einheitliche Standesauffassung der Sachverständigen dem Auftraggeber eines Inserats, mit dem mit der Einrichtung einer unabhängigen Kfz-Schaden-Schätzstelle in einem Kfz-Reparaturzentrum geworben wurde, nicht bekannt. Aus diesem Grund hat der Oberste Gerichtshof einen Verstoß gegen § 1 UWG verneint.

Die Standesauffassung der Rechtsanwälte ist in den Richtlinien für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufs, für die Überwachung der Pflichten des Rechtsanwalts und für die Ausbildung der Rechtsanwaltsanwärter festgehalten, die als Verordnung des Österreichischen Rechtsanwaltskammertags (§ 37 RAO) im Sinne des Art 139 B-VG zu werten sind und die auch schon wiederholt vom Verfassungsgerichtshof überprüft wurden (B 291/95 = VfSlg 14328; B 2141/95 = VfSlg 14409; B 3241/96 = VfSlg 14809 uva). Die Werbebeschränkungen sind damit jedermann leicht zugänglich; wer für einen Rechtsanwalt wirbt, dem ist es auch zuzumuten, sich zu vergewissern, dass die Werbung mit den Standesvorschriften für Rechtsanwälte im Einklang steht. Gerade der vorliegende Fall zeigt, dass dies auch leicht möglich ist, hat doch der Beklagte die Aktion - wie dies bei einer derartigen Aktion auch regelmäßig der Fall sein wird - mit dem Rechtsanwalt abgesprochen, dem die Werbeaktion zugute kommen sollte. Der Beklagte kann sich daher nicht darauf berufen, die Werbebeschränkungen nicht gekannt zu haben.

Nach § 45 Abs 3 lit c RL-BA ist die Mandatsakquisition unter Ausnützung einer Zwangssituation unzulässig. Mit der Fragebogenaktion und der als Lockmittel eingesetzten kostenlosen Rechtsberatung haben die vom Beklagten eingesetzten Werber unter Ausnützung der Zwangssituation der Hochwassergeschädigten um Mandate für einen Rechtsanwalt geworben. Als Initiator und Gestalter hat der Beklagte für die Werbeaktion einzustehen; er hat damit gegen § 45 Abs 3 lit c RL-BA verstoßen.

Der Beklagte hat damit im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs gehandelt. Zu Zwecken des Wettbewerbs hat er gehandelt, auch wenn er nicht eigenen, sondern - was offenkundig ist und daher keiner Bescheinigung bedurfte - fremden Wettbewerb gefördert hat. Da ihm der Verstoß gegen die Werbebeschränkungen für Rechtsanwälte auch - wie oben dargelegt - vorwerfbar ist, hat er damit auch sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG gehandelt.

Der weiters geltend gemachte Verstoß gegen § 45 Abs 3 lit e und g RL-BA liegt hingegen selbst dann nicht vor, wenn die Werber mit einer kostenlosen Rechtsberatung durch einen Rechtsanwalt, „der schon in Lassing vertreten hat", geworben haben. Durch diesen Hinweis auf die Vertretung von durch das Grubenunglück in Lassing Geschädigten wird weder auf Erfolgs- noch auf Umsatzzahlen Bezug genommen noch werden dadurch Mandanten ohne deren Einwilligung genannt. Die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht wird dadurch auch nicht in anderer Weise verletzt.

Nicht berechtigt ist auch das zu Punkt 2 des Sicherungsantrags gestellte Begehren. § 14 HGB verpflichtet - soweit hier von Bedeutung - den Vorstand (Geschäftsführer) einer Kapitalgesellschaft, auf allen Geschäftsbriefen und Bestellscheinen, die an einen bestimmten Empfänger gerichtet sind, die Rechtsform, den Sitz und die Firmenbuchnummer der Gesellschaft sowie das Firmenbuchgericht anzugeben.

Die in § 14 HGB normierte Verpflichtung trifft damit nach dem klaren Gesetzeswortlaut nur die Organe einer Gesellschaft und nicht auch deren Angestellte. Als Angestellter hat der Beklagte daher unabhängig davon nicht gegen § 14 HGB verstoßen, ob die vorgeschriebenen Angaben bereits auf dem vom Beklagten mit den beiden Geschäftsführern entwickelten Originalfragebogen fehlten oder ob sie ursprünglich vorhanden waren und erst im Zuge der Herstellung von Ablichtungen „verloren" gegangen sind.

Dem Revisionsrekurs war teilweise Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Kosten des Klägers beruht auf § 393 Abs 1 EO; jene über die Kosten des Beklagten auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat zum Teil obsiegt, zum Teil ist er unterlegen. Obsiegen und Unterliegen sind mangels anderer Anhaltspunkte gleich zu bewerten.

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