OGH 5Ob112/03m

OGH5Ob112/03m17.6.2003

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann, Dr. Baumann und Dr. Hradil sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Constantin D*****, vertreten durch Dr. Robert Kugler, Rechtsanwalt in Klagenfurt, gegen die beklagten Parteien 1.) R***** reg.GenmbH, 2.) Dr. Klaus P*****, beide vertreten durch Dr. Gert Seeber, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen EUR 4,360.370,05 sA und Feststellung, über den Revisionsrekurs der beklagten Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgericht vom 13. Februar 2003, GZ 4 R 249/02y-39, womit der Beschluss des Landesgerichtes Klagenfurt vom 23. September 2002, GZ 26 Cg 52/00v-35, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien sind schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 8.944,97 (darin EUR 1.490,83 USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Kläger begehrte von beiden Beklagten zur ungeteilten Hand die Zahlung von EUR 4,360.370,85 sA sowie die Feststellung ihrer Ersatzpflicht für sämtliche aus der Zwangsverwaltung bzw dem Zwangsversteigerungsverfahren, dem anhängigen Konkursverfahren und aus der Nichteinhaltung von getroffenen Vereinbarungen resultierenden Schäden. Im Wesentlichen macht der Kläger damit Schadenersatz aus Kreditverhältnissen und damit zusammenhängenden, von den beiden Beklagten angeblich nicht eingehaltenen Abreden geltend.

Die Beklagten wendeten Unzuständigkeit ein. Sie beriefen sich auf § 27 der Satzung der erstbeklagten Genossenschaft, die für den Kläger auf Grund seiner am 24. 4. 1981 unterfertigten Beitrittserklärung und deren ordnungsgemäßer Zustellung verbindlich sei. Der Kläger habe sich auch allen Beschlüssen der Generalversammlung unterworfen. Er müsse daher auch die in der außerordentlichen Generalversammlung vom 16. 4. 1993 beschlossene Satzungsänderung gegen sich gelten lassen. Dort sei die Zuständigkeit des Schiedsgerichtes für sämtliche Streitigkeiten aus Bankgeschäften zwischen den Streitteilen vereinbart worden; die dem Kläger gewährten Kredite seien den Bankgeschäften zuzuordnen.

Der Kläger bestritt die Wirksamkeit der Schiedsklausel mangels Schriftlichkeit und deshalb, weil die in diesem Prozess erhobene Forderung nicht vom Begriff "gemeinsame Bankgeschäfte" umfasst sei.

Nach Einschränkung der Verhandlung auf die Erörterung der erhobenen Einrede wies das Erstgericht die Klage wegen Unzuständigkeit zurück, weil es sich um von § 27 der Statuten umfasste gemeinsame Bankgeschäfte handle. Es ging hiebei ua von folgenden Feststellungen aus:

Der Kläger hat am 24. 4. 1981 eine Beitrittserklärung unterfertigt und ist mit einem Geschäftsanteil von S 1.000,-- der Erstbeklagten beigetreten, wobei er sich mit seiner Unterschrift den "ihm genau bekannten" Satzungen der Genossenschaft, sowie auch den Beschlüssen der Generalversammlungen unterworfen hatte. Zu den Befugnissen der Generalversammlung gehört ua die Änderung der Satzung.

Die Satzung enthält eine Schiedsgerichtsvereinbarung, welche bis zu ihrer Änderung mit Beschluss der außerordentlichen Generalversammlung vom 16. 4. 1993 wie folgt lautete:

"Zur Entscheidung sämtlicher Streitigkeiten aus dem Genossenschaftsverhältnis ist ein Schiedsgericht zuständig. Jeder der beiden Streitteile wählt einen Schiedsrichter, diese wieder einen Obmann. Können sich die Schiedsrichter über die Person des Obmannes nicht einigen, so wird derselbe vom allgemeinen Verband für das landwirtschaftliche Genossenschaftswesen ernannt. Der Schiedsspruch hat unter den Parteien die Wirkung eines rechtskräftigen gerichtlichen Urteils. Im Übrigen finden auf das Schiedsgericht die Bestimmungen der §§ 577 bis 599 der Zivilprozessordnung Anwendung".

Diese Bestimmung wurde durch den in der außerordentlichen Generalversammlung vom 16. 4. 1993 gefassten Beschluss derart abgeändert bzw erweitert, dass der erste Satz nunmehr lautet:

"Zur Entscheidung sämtlicher Streitigkeiten aus dem Genossenschaftsverhältnis und aus gemeinsamen Bankgeschäften ist ein Schiedsgericht zuständig .... Diesem Schiedsgericht können sich Mitglieder auch für Streitigkeiten untereinander unterwerfen".

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers Folge und änderte den erstgerichtlichen Beschluss dahin ab, dass die Unzuständigkeitseinrede der Beklagten verworfen und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahren unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen wurde. Es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei und führte ua folgendes aus:

Der Kläger mache mit seinen Schadenersatzsansprüchen Individualrechte geltend, die nicht im Verbandsverhältnis wurzelten, weshalb der vorliegende Rechtsstreit von der Schiedsklausel in ihrer ursprünglichen, zur Zeit des Beitritts des Klägers geltenden Fassung nicht erfasst sei.

Fraglich sei nun, ob von der Erweiterung bzw Neufassung der Schiedsklausel mit Beschluss der außerordentlichen Generalversammlung vom 16. 4. 1993 um die Formulierungen "aus gemeinsamen Bankgeschäften" und dass "sich diesem Schiedsgericht Mitglieder auch für Streitigkeiten untereinander unterwerfen können", der vorliegende Rechtsstreit betroffen sei. Die gebotene Heranziehung des § 83b JN zur Interpretation der im Anlassfall zu beurteilenden Schiedsklausel mache deutlich, dass unter gemeinsamen Geschäften nur jene zu verstehen seien, die die Genossenschaft mit allen oder zumindest einem Teil ihrer Mitglieder abgeschlossen habe. Darunter fielen nicht Kreditgeschäfte mit einem einzelnen Mitglied, wie dem Kläger.

Im Übrigen sei die Schiedsgerichtsfähigkeit nur unter der Voraussetzung zu bejahen, dass alle Betroffenen an der Schiedsgerichtsvereinbarung beteiligt seien. Diese Vorgabe sei nach der Judikatur dann erfüllt, wenn die Schiedsklausel in den dem betroffenen Mitglied bekannten Statuten enthalten sei. Die nachträgliche Aufnahme einer Schiedsklausel durch einen in der außerordentlichen Generalversammlung gefassten Beschluss in die Satzung bedürfe zu ihrer Wirksamkeit der Zustimmung sämtlicher Mitglieder, weil kein Mitglied gegen seinen Willen einer Schiedsklausel unterworfen werden dürfe. Dies gelte auch für den Kläger, dessen in der Beitrittserklärung enthaltene Zustimmung zu Beschlüssen der Generalversammlungen eine gesonderte Zustimmung zu der in der außerordentlichen Generalversammlung vom 16. 4. 1993 vereinbarten Schiedsklausel nicht zu ersetzen vermöge. Da sich der Kläger der geänderten Schiedsklausel nicht schriftlich unterworfen habe - ein derartiges Verhalten sei von den Beklagten auch nicht behauptet worden - und die in der außerordentlichen Generalversammlung vorgenommene Neufassung einer Neuvereinbarung einer Schiedsklausel gleichkomme, könne deren Wirksamkeit für den vorliegenden Rechtsstreit nicht bejaht werden.

An diesem Ergebnis könne die Tatsache, dass sich der Kläger mit seiner Beitrittserklärung aus dem Jahre 1981 auch "den Beschlüssen der Generalversammlungen" - gemeint seien wohl die künftigen - unterworfen habe, nichts ändern, weil andernfalls der Schutzzweck der Schriftform (Übereilungsschutz) nicht verwirklicht werden könnte. Außerdem könnte der Kläger gegen seinen Willen - die Beschlussfassung in der Generalversammlung müsse nicht einstimmig erfolgen - einer umfangreicheren Schiedsklausel unterworfen werden, die nicht mehr von seiner Zustimmung umfasst sei. Insofern würde sogar eine im Sinne des § 879 ABGB unzulässige Knebelung des Klägers vorliegen, wobei zu beachten sei, dass die Schiedsvereinbarung einen eigenen Vertrag darstelle, der zwar in der Genossenschaftssatzung enthalten sei, aber dennoch nicht den besonderen Regeln über Gesellschaftsverträge unterliege.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zuzulassen gewesen, weil zur Frage der Wirksamkeit einer durch Generalversammlungsbeschluss abgeänderten Schiedsklausel in den Satzungen einer Genossenschaft keine oberstgerichtliche Judikatur vorliege.

Gegen diese Rekursentscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den erstgerichtlichen Beschluss wiederherzustellen.

Der Kläger beantragt in seiner Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs zurückzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig, er ist aber nicht berechtigt.

Die Rechtsmittelwerber machen im Wesentlichen geltend, die Heranziehung des § 83b JN zur Interpretation der Schiedsklausel entbehre jeder Grundlage; der Kläger habe sich vorweg den Beschlüssen der Generalversammlung unterworfen, diese könne mit Mehrheit die Erweiterung einer Schiedsvereinbarung beschließen.

Hiezu wurde erwogen:

Schiedsverträge bedürfen gemäß § 577 Abs 3 ZPO grundsätzlich der Schriftform und müssen von beiden Parteien unterfertigt sein (RIS-Justiz RS0017285; Rechberger/Melis in Rechberger2 § 577 ZPO Rz 9; um den Wechsel von Telegrammen, Fernschreiben uä geht es im vorliegenden Fall nicht). Die Ergänzung eines Schiedsvertrages oder einer Schiedsklausel ist dann in gleicher Weise formgebunden.

Für statutarische Schiedsgerichte gilt § 577 Abs 3 ZPO gemäß § 599 Abs 1 ZPO nur sinngemäß. Der Oberste Gerichtshof hat hiezu bereits ausgesprochen, dass es zum wirksamen Zustandekommen einer Schiedsvereinbarung zwischen Genossenschaft und Mitglied genügt, wenn sowohl dass die Schiedsklausel enthaltende Statut als auch die Beitrittserklärung des Mitgliedes schriftlich sind (3 Ob 543/94 = JBl 1995, 596 [Rummel]; 1 Ob 2193/96y = HS 27/1; RIS-Justiz RS0053172, RS0044994).

Zur Zeit des (schriftlichen) Beitrittes des Klägers erfasste die statutarische Schiedsklausel lediglich Streitigkeiten aus dem Genossenschaftsverhältnis, also nicht Streitigkeiten aus einem Kreditverhältnis wie die hier anhängige Schadenersatzklage (vgl auch RIS-Justiz RS0053167). Da der Kläger sich in seiner Beitrittserklärung Beschlüssen der Generalversammlung unterworfen hat, mag es sein, dass er damit auch künftige Statutenänderungen, die sich auf die Schiedsgerichtsbarkeit in Streitigkeiten aus dem Genossenschaftsverhältnis beziehen, akzeptiert hat. Hingegen kann seine Beitrittserklärung nicht so verstanden werden, er wäre damit vorweg auch mit einer Ausdehnung der Schiedsgerichtsbarkeit über das Genossenschaftsverhältnis hinaus auf individuelle Rechtsgeschäfte mit der Genossenschaft einverstanden gewesen; mit einer Erweiterung auf Kreditgeschäfte durch Mehrheitsbeschluss der Generalversammlung musste er nicht rechnen. Die statutarische Änderung der Schiedsklausel ist somit durch die Beitrittserklärung des Klägers nicht abgedeckt (vgl auch RIS-Justiz RS0044997 T4).

Dass der Kläger der geänderten Schiedsklausel in irgendeiner Weise zugestimmt hätte, wurde von den Beklagten nicht behauptet. Es kann daher auf sich beruhen, ob hier eine schriftliche Erklärung erforderlich gewesen wäre oder ob auch eine (protokollierte) pro-Stimme in der Generalversammlung genügt hätte.

Da die Ausdehnung der Schiedsklausel auf "gemeinsame Bankgeschäfte" gegenüber dem Kläger nicht wirksam wurde, kommt es auf die Auslegung dieser Klausel (mit oder ohne Orientierung an § 83b JN) nicht mehr an.

Das Rekursgericht hat die Unzuständigkeitseinrede der Beklagten somit zu Recht verworfen, weshalb dem Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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