Spruch:
Die mit Beschluss des Bezirksgerichtes Gänserndorf vom 28. März 2003, GZ 1 P 168/01i-59, gemäß § 111 Abs 1 JN verfügte Übertragung der Zuständigkeit zur Führung der Pflegschaftssache des mj. Stefan G***** an das Bezirksgericht Villach wird gem § 111 Abs 2 JN genehmigt.
Text
Begründung
Mit Schriftsatz vom 7. 10. 2002 (ON 53) teilte der im Sprengel des Bezirksgerichts Villach wohnhafte Vater des Minderjährigen dem Bezirksgericht Gänserndorf mit, dass sein Sohn nunmehr bei ihm wohne und in Velden eine Lehrstelle angetreten habe; er beantragt die Übertragung des Pflegschaftsakts an das Bezirksgericht Villach sowie weiters, ihm die gemeinsame Obsorge zuzuteilen und auszusprechen, dass seit 1. 7. 2002 keine Unterhaltsverpflichtung seinem Sohn gegenüber mehr bestehe. Dem Schriftsatz beigelegt ist eine Meldebestätigung sowie eine Dienstnehmer-Anmeldebestätigung. Erhebungen des Bezirksgerichts Gänserndorf führten zur Bekanntgabe, dass der Minderjährige seinen Hauptwohnsitz beim Vater genommen hat (ON 62).
Das Bezirksgericht Villach lehnte die Übernahme des Pflegschaftsakts mit der Begründung ab, der Minderjährige habe seinen Hauptwohnsitz nach wie vor in Wien; auch lägen offene Anträge vor (ON 60). Das Bezirksgericht Gänserndorf legte den Akt dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung über den Zuständigkeitsstreit unter Hinweis auf den Wohnsitz des Minderjährigen mit dem Bemerken vor, noch keine Amtshandlungen zur Erledigung der offenen Anträge gesetzt zu haben. Die vom Bezirksgericht Gänserndorf verfügte Übertragung der Zuständigkeit ist gerechtfertigt.
Rechtliche Beurteilung
Nach § 111 Abs 1 JN kann das Pflegschaftsgericht seine Zuständigkeit einem anderen Gericht übertragen, wenn dies im Interesse des Pflegebefohlenen gelegen erscheint, insbesondere, wenn dadurch die wirksame Handhabung des dem Pflegebefohlenen zugedachten Schutzes voraussichtlich gefördert wird. Diese Voraussetzungen liegen in der Regel vor, wenn die Pflegschaftssache dem Gericht übertragen wird, in dessen Sprengel der Mittelpunkt der Lebensführung des Pflegebefohlenen liegt (EFSlg 82.110; 85.185; 4 Nd 515/00 = EFSlg
94.377 uva). Auch offene Anträge sind kein grundsätzliches Übertragungshindernis (EFSlg 69.764, 72.832, 75.992, 85.186, 1 Nd 501/97 uva; Mayr in Rechberger, ZPO² § 111 JN Rz 4 mwN); es hängt von den Umständen des einzelnen Falls ab, ob die Entscheidung über einen solchen Antrag durch das bisherige Gericht zweckmäßiger ist (EFSlg 66.886, 75.993 uva).
Nach der Aktenlage hat der Minderjährige den Mittelpunkt seiner Lebensführung nunmehr im Sprengel des Bezirksgerichts Villach, weil er dort - nicht nur vorübergehend - wohnt und auch in einem aufrechten Dienstverhältnis steht. Unter diesen Umständen ist es trotz der offenen Anträge zweckmäßiger, die Pflegschaftgssache dem Bezirkgericht Villach zu übertragen, zumal ein Verfahrensaufwand, der vom Bezirksgericht Gänserndorf besser verwertet werden könnte, bisher nicht entstanden ist.
Der Übertragungsbeschluss des Bezirksgerichts Gänserndorf war daher zu genehmigen.
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