Spruch:
Die mit Beschluss des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 25. Juli 2000, 27 P 29/00x-8, verfügte Übertragung der Zuständigkeit zur Führung der Pflegschaftssache an das Bezirksgericht Hallein wird nicht genehmigt.
Text
Begründung
Die Eltern der mj. Obren und Olivera Z***** die mit diesen in Hallein gewohnt haben, sind am 24. 12. 1999 bei einem Verkehrsunfall im Ausland tödlich verunglückt.
Am 28. 1. 2000 legte das Bezirksgericht Hallein, das auch als Verlassenschaftsgericht tätig ist, zu P 32/00v einen Pflegschaftsakt betreffend die Minderjährigen, die die Staatsbürgerschaft von Bosnien-Herzegowina besitzen, an. Am 24. 3. 2000 beantragten die in Bosnien lebenden mütterlichen Großeltern der Kinder beim Amtsgericht Lopare, Bosnien, ihnen die Obsorge für die Minderjährigen zu übertragen. Dieser Antrag wurde am 4. 4. 2000 durch einen in Hallein wohnhaften bevollmächtigten Vertreter der Antragsteller dem Bezirksgericht Hallein zur Kenntnis gebracht. Die Minderjährigen befinden sich seit dem Tod ihrer Eltern in Pflege im Haushalt des Ehepaars Marko und Jela G***** in R***** (Gerichtssprengel Hall/Tirol). Jela G*****, geb. Z*****, ist die Tante der Minderjährigen; auf Grund ihres Antrags wurde sie mit Bescheid des bosnischen Vormundschaftsorgans des Zentrums für die Sozialarbeit in Brcko zum Vormund der Minderjährigen bestellt.
Am 4. 4. 2000 beantragte Marko G***** beim Bezirksgericht Innsbruck unter Vorlage dieses Bescheids die Übertragung der Obsorge auf ihn und seine Gattin; dieser Antrag führte am 10. 4. 2000 zur Eröffnung eines Pflegschaftsakts betreffend die Minderjährigen zu 27 P 29/00x des Bezirksgerichtes Innsbruck. Laut Bericht des Jugendamtes Innsbruck beabsichtigt das Ehepaar G*****, in Innsbruck eine Eigentumswohnung zu erwerben und im Sommer 2000 dorthin zu übersiedeln.
Mit Beschluss vom 25. Juli 2000 übertrug das Bezirksgericht Innsbruck die Zuständigkeit zur Besorgung dieser Pflegschaftssache dem Bezirksgericht Hallein zur Einbeziehung in dessen Akt; dies entspreche dem Grundsatz des Zuvorkommens.
Das Bezirksgericht Hallein sprach mit Beschluss vom 9. 8. 2000 aus, dass die Zuständigkeit zur Besorgung dieser Pflegschaftssache iSd Beschlusses des Bezirksgerichts Innsbruck nicht übernommen werde (Punkt 1) und übertrug seinerseits die Zuständigkeit zur Besorgung der Pflegschaftssache dem Bezirksgericht Innsbruck zur Einbeziehung in dessen Akt (Punkt 2); zum Zeitpunkt der Einleitung des Pflegschaftsverfahrens durch das Bezirksgericht Hallein hätten die Minderjährigen ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht mehr in dessen Sprengel gehabt.
Rechtliche Beurteilung
Das Bezirksgericht Innsbruck legt nunmehr beide Akten mit dem Ersuchen um Entscheidung über den negativen Kompetenzkonflikt gemäß § 111 Abs 2 JN vor.
Gemäß § 111 Abs 1 JN kann das Pflegschaftsgericht seine Zuständigkeit einem anderen Gericht übertragen, wenn dies im Interesse des Pflegebefohlenen gelegen erscheint. Dies ist in der Regel der Fall, wenn die Pflegschaftssache an jenes Gericht übertragen wird, in dessen Sprengel der Mittelpunkt der Lebensführung des Kindes liegt (EFSlg 72.819; EFSlg 75.979; EFSlg 79.100; EFSlg 82.110; 6 Nd 508/00 uva). Diese Voraussetzung traf nach der Aktenlage auf das Bezirksgericht Hallein jedenfalls im Zeitpunkt des Übertragungsbeschlusses des Bezirksgerichts Innsbruck nicht mehr zu, weil die Minderjährigen damals ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht mehr in dessen Sprengel hatten. Unter diesen Umständen kommt schon aus diesem Grund eine auf § 111 Abs 1 JN gestützte Übertragung der Zuständigkeit im Verfahren 27 P 29/00x an das Bezirksgericht Hallein derzeit nicht in Betracht. Der Beschluss des Bezirksgerichtes Innsbruck auf Übertragung der Zuständigkeit ist daher nicht zu genehmigen.
Ob das Bezirksgericht Innsbruck (allenfalls infolge Übersiedlung der Minderjährigen nach Innsbruck) zur Führung der Pflegschaftssache 27 P 29/00x gemäß § 109 JN zuständig ist, kann dem Akt nicht mit Sicherheit entnommen werden; diese Frage ist auch im Rahmen einer auf § 111 Abs 2 JN gestützten Entscheidung über einen negativen Kompetenzkonflikt ohne Bedeutung.
Erachtet sich das Bezirksgericht Innsbruck zur Führung der Pflegschaftssache 27 P 29/00x gemäß § 109 JN für unzuständig, wird es die für die Zuständigkeit maßgebenden Verhältnisse in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen (§ 41 Abs 1 JN), allenfalls seine Unzuständigkeit auszusprechen und die Sache gemäß § 44 JN an das zuständige Gericht zu überweisen haben (Mayr in Rechberger, ZPO2 § 44 JN Rz 1). Gleiches gilt für das Bezirksgericht Hallein bezüglich des bei ihm geführten Verfahrens P 32/00v, sollte das Bezirksgericht Innsbruck die Übertragung zur Einbeziehung dieses Verfahrens in den bei ihm geführten Pflegschaftsakt (Punkt 2 des Beschlusses P 32/00v-5) ablehnen; in letzterem Fall käme es erst bei dem gemäß § 109 JN zuständigen Gericht zur Zusammenfassung der bisher getrennt geführten Verfahren in einem einzigen Akt (§§ 371 Abs 2, 420 Abs 6 GeO).
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