OGH 9ObA33/03y

OGH9ObA33/03y4.6.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Walter Zeiler und Mag. Michael Zawodsky als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Hermine U*****, Angestellte, *****, vertreten durch Dr. Gerlinde Dellhorn, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei D***** GmbH & Co KG, *****, vertreten Dr. Leonhard Romig, Rechtsanwalt in Wien, wegen Kündigungsanfechtung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 4. Dezember 2002, GZ 9 Ra 303/02y-29, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 16. Jänner 2002, GZ 18 Cga 201/00k-23, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 1.503,44 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin EUR 250,59 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte ist Herausgeberin der mit der Post zugestellten, ausschließlich über Werbung finanzierten Gratiszeitung "*****".

Die Klägerin wurde 1943 geboren; sie maturierte an einer Frauenoberschule und weist als weitere Ausbildung ein weit fortgeschrittenes, aber nicht abgeschlossenes Anglistik- und Germanistikstudium auf. Sie war seit 1. 12. 1981 bei der Beklagten beschäftigt. Das Dienstverhältnis wurde von der Beklagten am 30. Oktober 2000 zum 28. Februar 2001 gekündigt.

Die Klägerin hatte zunächst als Produktionssekretärin gearbeitet. Im Zuge der technischen Entwicklung verlagerte sich ihr Arbeitsbereich zunehmend auf Hilfstätigkeiten in den Bereichen Sekretariat und Redaktion. Die Klägerin ist für eine Sekretariatsstelle nicht optimal qualifiziert, es fehlen wichtige Aspekte in den Bereichen Buchhaltung und EDV; im Speziellen hat sie auch keine ausreichenden Kenntnisse in den zum "Desktop-Publishing" verwendeten Programmen. Qualifikationsdefizite bestehen auch im redaktionellen Bereich; für eine Tätigkeit in der Produktion oder im Außendienst ist die Klägerin nicht geeignet. Jedenfalls seit 1996 wurde sie "gleichsam als Verlegenheitslösung" beschäftigt.

Ende der Neunzigerjahre wurde die wirtschaftliche Lage der Beklagten kritisch. In den Jahren 1999 und 2000 brach der Umsatz von S 60,2 Mio auf S 47,3 Mio ein. 1997 erwirtschaftete die Beklagte einen Verlust von S 17, 4 Mio; 1998 und 1999 betrug der Verlust S 14 Mio bzw. S 11,9 Mio.

Zur Kostenreduktion wurde im Sommer 1999 der Erscheinungszeitraum von bisher einer Woche auf 14 Tage ausgedehnt. Dadurch kam es zu personellen Überkapazitäten, sodass die Anzahl der ständigen Redakteure von 7 auf 3, die der Außendienstmitarbeiter von 10 auf 2 verringert wurde. Die Beklagte setzte auch zunehmend auf das Internet als Vertriebsschiene, suchte zu diesem Zweck im Oktober 2001 (also ein Jahr nach der Kündigung der Klägerin) eine (Internet-)Redakteurin und stellte daraufhin eine Studentin mit Spezialkenntnissen in den Bereichen Internet, Programmierung und Media-Analysen ein. Im März 2000 (also etwa ein halbes Jahr nach der Kündigung der Klägerin) wurde eine Redakteurin ausschließlich für den Fachbereich "Gesundheit" eingestellt.

Nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin wurden ihre bisherigen Aufgaben auf mehrere Mitarbeiter der Beklagten aufgeteilt. Arbeitsplätze mit Aufgabengebieten, für die die Klägerin geeignet gewesen wäre, wurden im Zusammenhang mit der Kündigung nicht nachbesetzt.

Dass durch die Kündigung wesentliche Interessen der Klägerin beeinträchtigt sind, ist unstrittig.

Die Klägerin hat die Kündigung als sozialwidrig angefochten.

Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsauffassung, dass zwar wesentliche Interessen der Klägerin beeinträchtigt seien, dass die Kündigung aber betriebsbedingt erfolgt sei und ein Abwägen der beiderseitigen Interessen zugunsten der Beklagten ausfalle. Diese Rechtsauffassung ist zutreffend, sodass es ausreicht, auf die Richtigkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Ergänzend ist den Ausführungen der Revisionswerberin Folgendes zu erwidern:

Rechtliche Beurteilung

Ein von der zweiten Instanz verneinter Verfahrensmangel kann im Revisionsverfahren nicht mehr geltend gemacht werden (Kodek in Rechberger, ZPO, Rz 3 zu § 503 mwN).

Eine Kündigung ist dann iSd § 105 Abs 3 Z 2 lit b ArbVG "durch betriebliche Erfordernisse "begründet, wenn sie im Interesse des Betriebes notwendig ist (DRdA 1988/10 [Floretta]; DRdA 1994/20 [Trost]; zuletzt etwa 9 ObA 189/01m); dabei muss die wirtschaftliche Bedingtheit der Kündigung vom Arbeitgeber in rational nachvollziehbarer Weise dargetan werden (Arb 10.874; RIS-Justiz RS0051825). Zweckmäßigkeit und Richtigkeit der betrieblichen Rationalisierungsmaßnahmen sind aber vom Gericht nicht zu überprüfen und dem wirtschaftlichen Ermessen des Betriebsinhabers vorbehalten (DRdA 1988/10 [Floretta]; DRdA 1989/24 [Floretta]; RIS-Justiz RS0051649; RS0052008). Selbst hochrentable Unternehmen sind frei in ihrer Entscheidung, rentabilitätserhöhende Rationalisierungsmaßnahmen durchzuführen (ecolex 1998, 155; 8 ObA 153/97a). Umso mehr muss dies naturgemäß dann gelten, wenn - wie hier - das Unternehmen einen massiven Umsatzeinbruch zu verkraften hat und über Jahre hohe Verluste erwirtschaftet.

Dass - wie die Klägerin unter Hinweis auf 9 ObA 199/01g ausführt - die konkrete Kündigung zur Verwirklichung des beabsichtigten Erfolges geeignet sein muss, trifft zu; gerade das kann aber hier nicht zweifelhaft sein. Die Beklagte hat auf ihre wirtschaftlichen Schwierigkeiten vor allem mit einer tiefgreifenden Änderung ihres Erscheinungszeitraums (14-tägig statt einmal pro Woche) reagiert, wodurch personelle Überkapazitäten entstanden, die wiederum einen erheblichen Personalabbau erforderten. Dass die Reduzierung des Personal im festgestellten Umfang erhebliche Einsparungen mit sich bringt, liegt auf der Hand. Die Einsparung des Arbeitsplatzes der Klägerin erweist sich daher als Teil einer Maßnahme, deren Eignung, die wirtschaftliche Situation der Beklagten zu verbessern, nicht zweifelhaft sein kann.

Der Einwand der Klägerin, ihr Arbeitsplatz sei nicht aufgelassen worden, trifft nicht zu. Richtig ist nur, dass die Arbeiten, die sie bisher durchgeführt hat, nicht weggefallen sind. Dies ändert aber nichts daran, dass diese Arbeiten auf andere Arbeitnehmer aufgeteilt wurden und der Arbeitsplatz der Klägerin bei der Beklagten nicht mehr existiert. Daran ändern auch die (Monate nach der Kündigung erfolgten) Neuaufnahmen nichts, zumal die aufgenommenen Arbeitnehmerinnen über Fertigkeiten verfügen, die die Klägerin nicht hat und die für die Verwirklichung der von der Beklagten gesetzten Tätigkeitsschwerpunkte notwendig sind.

Dazu, die Arbeitszeit hochqualifizierter Mitarbeiter zu reduzieren, um damit die (Teilzeit-)Beschäftigung der weniger qualifizierten Klägerin zu ermöglichen, ist die Beklagte nicht verpflichtet.

Unter den gegebenen Umständen erweist sich daher die Rechtsauffassung der Vorinstanzen, dass die Kündigung der Klägerin aus betrieblichen Gründen erforderlich war und dass die Abwägung der beiderseitigen Interessen zu Gunsten der Beklagten ausfällt, als zutreffend.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO iVm § 58 Abs 1 ASGG.

Stichworte