Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Klägerin hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen; die Beklagte hat die Kosten ihres Revisionsrekurses endgültig selbst zu tragen.
Text
Begründung
Klägerin und Beklagte sind pharmazeutische Unternehmen. Beide Unternehmen vertreiben Arzneimittel, die bei erhöhten Cholesterinwerten eingesetzt werden.
Die Beklagte lässt durch ihre Außendienstmitarbeiter die Broschüre „Pro Herz - Tipps & Tricks für ein gesundes Leben" und den „Gefäßrisiko Selbsttest" an Internisten, Kardiologen und praktische Ärzte verteilen. Beide Broschüren sind dazu bestimmt, vom Arzt an seine Patienten weitergegeben zu werden.
Die Broschüre „Pro Herz - Tipps & Tricks für ein gesundes Leben" enthält folgende Einleitung:
„Sehr geehrte Damen und Herren,
Ihr Arzt hat Ihnen mit P*****(R) ein Medikament verschrieben, das dazu beiträgt, die Risiken, die zu einem Infarkt oder Schlaganfall führen könnten, zu reduzieren. Gesunde Gefäße sind Voraussetzung für ein unbelastetes Herz-Kreislauf-System. P*****(R) hilft den Zustand krankhaft veränderter Blutgefäße zu verbessern.
Darüber hinaus sollten Sie Gesundheitsrisiken wie Rauchen, falsche Ernährung, Bewegungsmangel und Stress ausschalten und aktiv versuchen, Ihren Lebensstil zu ändern.
..."
Unterzeichnet ist die Einleitung mit „P***** Der Kardioprotektor" unter Beifügung des „D*****logos" und mit „pro Herz". Im übrigen Text der Broschüre - einem allgemeinen Ratgeber für ein gesundes Leben - wird das Arzneimittel der Beklagten nicht mehr erwähnt. Die Ärzte verteilten die Broschüre an ihre Patienten, um die „Patienten-Compliance" zu verbessern.
Mit dem „Gefäßrisiko Selbsttest kann der Patient aufgrund seiner ihm vom Arzt erläuterten Blutwerte sein Risiko für Herzinfarkt, instabile Angina pectoris und Schlaganfall ermitteln. Durch die Broschüre soll damit das Bewusstsein der Patienten für ihre Erkrankung gesteigert werden. Der „Gefäßrisiko Selbsttest" enthält keinen Hinweis auf das Arzneimittel der Beklagten oder ein anderes Medikament.
Die Beklagte hat Ärzte mit in medizinischen Fachpublikationen geschalteten Inseraten aufgefordert, ihren Patienten mit dem „Gefäßrisiko Selbsttest" und der Broschüre „Pro Herz ein neues Service anzubieten, um die „Therapietreue" ihrer Patienten zu verbessern. Wird die in den Inseraten angeführte Hotline angerufen, so meldet sich eine automatische Ansage, die den Anrufer auffordert, Wünsche und Fragen zum „Gefäßrisiko Selbsttest" unter Angabe des Namens, der Adresse und der Telefonnummer zu stellen. Über die Hotline können auch weitere Exemplare angefordert werden.
Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Broschüren allenfalls im Einzelfall auch direkt und unmittelbar über die Hotline an Verbraucher gelangen können. So erhielt eine Mitarbeiterin der Klägerin aufgrund ihres Anrufs beide Broschüren zugesandt, wobei die Broschüre „Pro Herz" in den „Gefäßrisiko Selbsttest" hineingesteckt war.
Der Verhaltenskodex der Pharmig, der Vereinigung pharmazeutischer Unternehmen, regelt in Punkt 2 die „Information der Fachkreise". Punkt 2.2.5 lautet wie folgt:
„Schriftliche Unterlagen zur Verbesserung der Patienten-Compliance und Anleitungen zu speziellen, begleitenden Therapie-Maßnahmen (wie zB Atemübungen, Gymnastik, Diätrichtlinien. Blutdruckkarten usw), die vom Arzt an Patienten abgegeben werden, verstoßen nicht gegen den Verhaltenskodex, sofern sie folgenden Richtlinien entsprechen:
Aus dem Text muss eindeutig hervorgehen, dass die betreffende Unterlage dem Patienten erst nach der Verschreibung des auf der Unterlage angeführten Präparates durch den Arzt ausgefolgt wurde (etwa durch einen Satz wie: „Ihr Arzt hat Ihnen eben das Präparat 'XY' verschrieben. Bitte beachten Sie dabei..."). Die Anführung des Präparatenamens muss hinsichtlich Text und Grafik in dezenter Form erfolgen. Die Druckschrift darf keinen präparatebezogenen werbenden Charakter haben."
Die Klägerin begehrt zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs das von ihr vertriebene, rezeptpflichtige Arzneimittel „P*****" gegenüber Verbrauchern zu bewerben. Mit den Angaben in der Einleitung der Broschüre „Pro Herz" werbe die Beklagte für ihr Arzneimittel. Beide Broschüren richteten sich an Patienten und bildeten eine untrennbare Einheit. Unter Arzneimittelwerbung seien alle Maßnahmen der (planmäßigen) Beeinflussung von Personen mit dem Ziel zu verstehen, sie für ein Produkt zu gewinnen. Die Anpreisungen, welche „P*****" als besonders geeignet hinstellten, die zu einem Infarkt oder Schlaganfall führenden Risiken zu reduzieren und den Zustand von bereits krankhaft veränderten Blutgefäßen zu verbessern, lösten bei den angesprochenen Verbrauchern den Wunsch aus, ihren Arzt um Verschreibung von „P*****" zu ersuchen oder, sofern ihnen „P*****" bereits verschrieben wurde, an diesem Medikament festzuhalten. Mit dem Verstoß gegen das Verbot der Laienwerbung nach § 51 Z 1 AMG handle die Beklagte sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG.
Die Beklagte beantragt, den Sicherungsantrag abzuweisen. Sie betreibe keine Laienwerbung, weil ihre Broschüren den Patienten erst nach Verschreibung ihres Arzneimittels ausgehändigt würden. Die Broschüren enthielten „klassische Patienteninformation", um die „Patienten-Compliance" zu verbessern. Derartige Druckschriften seien nach dem Verhaltenskodex der Pharmig zulässig. Unter „Arzneimittelwerbung" im Sinne des Arzneimittelgesetzes sei im Übrigen nur „Absatzwerbung" und somit nur die verkaufspolitischen Zwecken dienende Werbung zu verstehen.
Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Inserate in Fachzeitschriften für Ärzte seien keine Laienwerbung. Die Broschüre „Pro Herz" wende sich zwar an Patienten; ihre Zweck sei es aber, die „Patienten-Compliance" zu verbessern. Sie entspreche damit Punkt 2.2.5 des Verhaltenskodex der Pharmig.
Das Rekursgericht erließ die einstweilige Verfügung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Die Ankündigung, dass das Arzneimittel der Beklagten dazu beitrage, Infarkt- oder Schlaganfallrisiken zu reduzieren und den Zustand krankhaft veränderter Blutgefäße zu verbessern, sei insbesondere auch in Verbindung mit der deutlichen Anbringung des „P*****"-Logos Arzneimittelwerbung. Dass dem Patienten das Arzneimittel bereits verschrieben sei, wenn er die Broschüre erhalte, ändere nichts daran, dass die Werbung geeignet sei, den Absatz der Beklagten zu fördern. Die Broschüre sei wegen ihres präparatebezogenen werbenden Charakters durch Punkt 2.5.5 des Verhaltenskodexes der Pharmig nicht gedeckt.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen diese Entscheidung gerichtete Revisionsrekurs der Beklagten ist zulässig, weil Rechtsprechung zu einem gleichartigen Sachverhalt fehlt; der Revisionsrekurs ist aber nicht berechtigt.
Arzneimittelwerbung, die für Verbraucher bestimmt ist, darf gemäß § 51 Z 1 AMG nicht für Arzneimittel betrieben werden, die der Rezeptpflicht unterliegen. Das damit normierte Verbot der Öffentlichkeitswerbung für rezeptpflichtige Arzneimittel entspricht Art 88 Abs 1 der RL 2001/83/EG vom 6. 11. 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel und war auch bereits in Art 3 Abs 1 der - durch Art 128 der RL 2001/83/EG aufgehobenen - RL 92/28/EWG vom 31. 3. 1992 über die Werbung für Humanarzneimittel enthalten.
Beide Richtlinien definieren als „Werbung für Arzneimittel" alle Maßnahmen zur Information, zur Marktuntersuchung und zur Schaffung von Anreizen mit dem Ziel, die Verschreibung, die Abgabe, den Verkauf oder den Verbrauch von Arzneimitteln zu fördern (Art 86 Abs 1 der RL 2001/83/EG ; Art 1 Abs 3 der RL 92/28/EWG) . Bei richtlinienkonformer Auslegung des § 51 Z 1 AMG ist demnach unter Arzneimittelwerbung jede Maßnahme zu verstehen, die der Absatzförderung dient (4 Ob 236/98d = ÖBl 1999, 77 - Ma-Tabletten; s auch Mayer/Michtner/Schober, Kommentar zum Arzneimittelgesetz § 50 Anm 1).
In diesem Sinn wurde der Aufdruck „Das Original zum günstigeren Preis" auf der Packung eines rezeptpflichtigen Arzneimittels als unzulässige Laienwerbung gewertet (4 Ob 236/98d = ÖBl 1999, 77 - Ma-Tabletten; 4 Ob 250/98p = ecolex 1999, 103 [Schanda] - Eurim-Pharm). Der Absatzförderung dient eine das Arzneimittel anpreisende Angabe nämlich auch dann, wenn die Patienten damit erst nach der Verschreibung konfrontiert werden. Sie können nicht nur in ihrem Entschluss beeinflusst werden, das Medikament auch tatsächlich einzunehmen, sondern auch in ihrer Entscheidung, die Therapie mit dem verschriebenen Arzneimittel fortzusetzen. Würde diese Entscheidung, wie die Beklagte behauptet, allein vom Arzt getroffen, so müsste Laienwerbung für rezeptpflichtige Arzneimittel immer ihren Zweck verfehlen und daher unbedenklich sein, weil der Patient das Arzneimittel auch das erste Mal nur erhält, wenn es ihm von einem Arzt verschrieben wird.
Ob mit den das Arzneimittel anpreisenden Angaben das Ziel verfolgt wird, den Absatz zu fördern, ist nicht nach der subjektiven Absicht des Werbenden, sondern nach der objektiven Zweckbestimmung der Angaben zu beurteilen. Das folgt nicht nur aus dem allen Vorschriften auf dem Gebiet der Herstellung, des Vertriebs oder der Verwendung von Arzneimitteln gemeinsamen Zweck, einen wirksamen Schutz der öffentlichen Gesundheit zu gewährleisten (s Erwägungsgrund 2 der RL 2001/83/EG) , weshalb durch das Verbot der Öffentlichkeitswerbung für rezeptpflichtige Arzneimittel auch sichergestellt wird, dass die Entscheidung für oder gegen ein Arzneimittel nur aus medizinischen Überlegungen getroffen wird (4 Ob 236/98d = ÖBl 1999, 77 - Ma-Tabletten), sondern gilt bei Werbeangaben ganz allgemein. Entscheidend ist immer die Auffassung der Verkehrskreise, an die sich die Angaben richten (s Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht22 § 3 dUWG Rz 2).
Der Patient kann die Angabe, wonach das Arzneimittel der Beklagten dazu beitrage, die Risiken, die zu einem Infarkt oder Schlaganfall führen können, zu reduzieren, und helfe, den Zustand krankhaft veränderter Blutgefäße zu verbessern, nur als Anreiz verstehen, gerade dieses Arzneimittel zu verwenden. Daran vermag auch nichts zu ändern, dass die Broschüre in der Folge ganz allgemein Ratschläge für ein gesundes Leben gibt und eine Verbesserung der „Patienten-Compliance" erreichen will. Dieses Ziel kann auch ohne die das Arzneimittel anpreisenden Angaben erreicht werden.
Die Beklagte kann sich auch nicht auf Punkt 2.5.5 des Pharmig Verhaltenskodex berufen. Durch die das Arzneimittel anpreisenden Angaben erhält die Broschüre „präparatebezogenen werbenden Charakter"; die Verwendung derartiger Druckschriften wird durch die genannte Bestimmung ausdrücklich untersagt.
Das Rekursgericht hat daher zu Recht einen Verstoß gegen § 51 Z 1 AMG, § 1 UWG bejaht. Zu prüfen bleibt, ob das Unterlassungsgebot, wie von der Beklagten behauptet, unbestimmt ist.
Nach § 7 Abs 1 EO darf die Exekution nur bewilligt werden, wenn aus dem Exekutionstitel neben der Person des Berechtigten und Verpflichteten auch Gegenstand, Art, Umfang und Zeit der geschuldeten Leistung oder Unterlassung zu entnehmen sind. Dementsprechend hat nach § 226 Abs 1 ZPO schon die Klage ein bestimmtes Begehren zu enthalten. Unterlassungsbegehren müssen die Unterlassungspflicht so deutlich umschreiben, dass der Exekutionsrichter beurteilen kann, ob das behauptete Zuwiderhandeln gegen den Exekutionstitel die Exekutionsbewillligung rechtfertigt (s 4 Ob 319/60 = SZ 33/46; 6 Ob 208/70 = SZ 43/199; 4 Ob 17/91 = ÖBl 1991, 105 - Hundertwasser-Pickerln II mwN).
Diesem Erfordernis wird das im vorliegenden Fall erlassene Unterlassungsgebot gerecht. Der Beklagten wird verboten, für das von ihr vertriebene rezeptpflichtige Arzneimittel „P*****" gegenüber Verbrauchern zu werben. Damit ist klargestellt, was die Beklagte zu unterlassen hat, auch wenn die Beurteilung, ob eine Maßnahme Arzneimittelwerbung ist, im Einzelfall schwierig sein kann. Der Exekutionsrichter hat sich, ebenso wie der Streitrichter, am Inhalt des gesetzlichen Begriffs „Arzneimittelwerbung" zu orientieren und diesen mit dem behaupteten Sachverhalt zu vergleichen (s 4 Ob 319/60 = SZ 33/46: Exekutionstitel, mit dem die öffentliche Aufführung urheberrechtlich geschützter Werke verboten wurde). Es ist dies eine Beurteilung, die dem Exekutionsrichter nicht abgenommen werden kann und die er in der Mehrzahl der Fälle vorzunehmen hat, weil die Exekution in der Regel nicht wegen jenes Verstoßes begehrt wird, der zum Erlass des Titels geführt hat.
Zu prüfen bleibt, ob das von der Klägerin begehrte Unterlassungsgebot zu weit gefasst ist, wird der Beklagten doch jede Art von Laienwerbung für das von ihr vertriebene Arzneimittel „P*****" verboten. Diese Frage ist nach materiellem Recht zu beurteilen. Dem Klageberechtigten steht ein Anspruch auf Unterlassung solcher Verletzungshandlungen zu, die vom Beklagten oder von einem Dritten in einer dem Beklagten zurechenbaren Weise begangen worden sind oder drohend bevorstehen. Gegenstand des Urteilsantrags und -spruchs ist daher immer nur die konkrete Verletzungshandlung. Um jedoch Umgehungen nicht allzu leicht zu machen, kann das Unterlassungsgebot etwas allgemeiner gefasst werden (4 Ob 16/91 = ÖBl 1991, 108 - Sport-Sonnenbrille; 4 Ob 17/91 = ÖBl 1991, 105 - Hundertwasser-Pickerln II, jeweils mwN uva). Dabei ist immer maßgebend, ob und in welchem Umfang das Verhalten des Beklagten die Befürchtung rechtfertigt, er werde das auf die Tathandlung abstellende Unterlassungsbegehren auf andere Weise zu umgehen versuchen (4 Ob 248/00z = ÖBl 2001, 169 - Sonnenfinsternisbrille IV).
Die Beklagte hat gegen das Verbot der Laienwerbung für rezeptpflichtige Arzneimittel durch die Verbreitung einer für Patienten bestimmten Broschüre verstoßen, in der für das rezeptpflichtige Arzneimittel „P*****" geworben wird. Den von der Beklagten damit verfolgten Zweck, den Absatz des von ihr vertriebenen Arzneimittels zu steigern, fördert jede Art von Werbung. Es ist daher zu befürchten, dass sie andere Werbemittel einsetzen wird, um die angestrebte Absatzsteigerung zu erreichen, wenn ihr nur die Werbung in Patientenbroschüren verboten wird. Das rechtfertigt es, der Beklagten die Werbung für ihr rezeptpflichtiges Arzneimittel gegenüber Verbrauchern ganz allgemein zu verbieten (s 4 Ob 195/97y = ÖBl 1998, 220 - MS-Präparate: Verbot, für ein Präparat „ohne Vorliegen einer im Inland gültigen Zulassung Werbung zu treiben").
Der Revisionsrekurs musste erfolglos bleiben.
Die Entscheidung über die Kosten der Klägerin beruht auf § 393 Abs 1 EO, jene über die Kosten der Beklagten auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 40, 50 ZPO.
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