OGH 9Ob222/02s

OGH9Ob222/02s23.4.2003

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Lovrek als weitere Richter in der Pflegschaftssache des minderjährigen Dominik M*****, geboren 16. Mai 1991, wegen Herabsetzung der Unterhaltsbeiträge des Vaters Alexander M*****, vertreten durch Dr. Hans-Jörg Vogl, Rechtsanwalt in Feldkirch, über den Revisionsrekurs des Vaters gegen den Beschluss des Landesgerichtes Feldkirch als Rekursgericht vom 16. Juli 2002, GZ 1 R 138/02f-109, womit infolge Rekurses des Vaters der Beschluss des Bezirksgerichtes Bludenz vom 17. Juni 2002, GZ 5 P 1986/95f-101, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der minderjährige Dominik M***** ist das uneheliche Kind der Daniela M***** und des Alexander M*****. Die Obsorge kommt der väterlichen Großmutter Irene M***** zu, in deren Haushalt der Minderjährige auch betreut wird. Sowohl der Vater als auch die Mutter sind auf Grund von Unterhaltsvereinbarungen mit der Bezirkshauptmannschaft Bludenz (- diese ist infolge Unterhaltsvorschussgewährung Unterhaltssachwalter -) zur Zahlung von monatlichen Unterhaltsbeiträgen von je ATS 2.300 verpflichtet.

Der Vater beantragte die Herabsetzung seiner monatlichen Unterhaltspflichten (umgerechnet EUR 167,15) auf EUR 73 monatlich, beginnend ab 1. 12. 2001. Er ist verheiratet, seine Ehegattin bezieht Kindergeld. Er ist für zwei eheliche, noch nicht 10 Jahre alte Kinder, mit denen er im gemeinsamen Haushalt wohnt, sorgepflichtig. Ohne Hinzurechnung der für diese zwei weiteren Kinder ausbezahlten Kinderzuschläge bezieht er eine Invaliditätspension von monatlich EUR 1.007 netto. Der minderjährige Dominik erhält seit 1. 9. 2001 von der Liechtensteinischen Alters- und Hinterlassenenversicherung, Invalidenversicherung und Familienausgleichskasse eine monatliche Kinderrente von CHF 195 bzw EUR 134,63.

Das Erstgericht wies den Herabsetzungsantrag ab. Es vertrat die Rechtsauffassung, dass die vom Minderjährigen direkt bezogene Kinderrente als dessen Eigeneinkommen zu werten, in konkreten Fall jedoch nicht geeignet sei, den Unterhaltsanspruch des Kindes gegenüber dem Vater zu mindern.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss. Es vertrat die Rechtsauffassung, dass bei Drittpflege beide Elternteile die Pflicht zur Geldunterhalt treffe. Sie müssten anteilig den Gesamtunterhaltsbedarf des minderjährigen Kindes decken. Dieser Gesamtunterhaltsbedarf sei in Anlehnung an Gitschthaler (Unterhaltsrecht Rz 26.5) und Schwimann (Unterhaltsrecht 28 ff) mit dem doppelten Regelbedarf auszumessen. Der altersgemäße Regelbedarf des minderjährigen Dominik betrage 288 EUR, der doppelte Betrag somit 576 EUR. Auch nach Abzug des monatlichen Eigenverdienstes von EUR 134,63 bleibe ein der Leistungsfähigkeit der Eltern entsprechender, zu deckender Unterhaltsanspruch in Höhe der Differenz von EUR 441,37. Da Mutter und Vater des Kindes in vergleichbaren Lebensverhältnissen lebten, sei der derzeit erschuldete Unterhaltsbeitrag von je EUR 167,15 monatlich zur Deckung des Unterhaltsanspruches erforderlich und den Lebensverhältnissen der Eltern angemessen. Dem Vater blieben nach Abzug des Unterhaltsbeitrages für den minderjährigen Dominik EUR 839,85 zur Bestreitung des eigenen Lebensunterhaltes und desjenigen für seine weiteren Kinder und zur teilweisen Abdeckung des Unterhaltsanspruchs seiner Ehegattin, welche einen Eigenverdienst habe.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Revisionsrekurs zulässig sei, weil für die Ermittlung des Unterhaltsbedarfes bei Drittpflege von der Rechtsprechung unterschiedliche Ermittlungsmethoden herangezogen worden seien: zu 6 Ob 238/98p der Ausgleichszulagenrichtsatz, zu 7 Ob 2337/96 und 6 Ob 355/97t die konkreten Kosten bzw Bedürfnisse, vereinzelt (4 Ob 57/98f) sogar der einfache Regelbedarf. Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs des Vaters aus dem Grund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass dem Unterhaltsherabsetzungsantrag Folge gegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

Gemäß § 140 ABGB haben die Eltern zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse des Kindes nach ihren Kräften anteilig beizutragen. Gemäß Abs 2 dieser Bestimmung leistet der Elternteil, der den Haushalt führt, dadurch seinen Beitrag. Darüber hinaus hat er zum Unterhalt des Kindes beizutragen, soweit der andere Elternteil zur vollen Deckung der Bedürfnisse des Kindes nicht im Stande ist oder mehr leisten müsste, als es seinen eigenen Lebensverhältnissen angemessen wäre. § 140 Abs 2 ABGB stellt eine Sonderbestimmung für Fälle dar, in denen ein Elternteil tatsächlich regelmäßig Leistungen im Rahmen der Betreuung der Kinder erbringt. Wird das Kind aber nicht von einem Elternteil betreut, so findet § 140 Abs 2 ABGB nicht Anwendung und die Unterhaltsbestimmung ist nach § 140 Abs 1 ABGB anteilig vorzunehmen. Anteilig bedeutet nicht schlechthin nur halb, sondern im Verhältnis zu den Kräften. Die Unterhaltsbemessung kann in diesen Fällen nicht isoliert für einen Elternteil erfolgen; die Bestimmung der Höhe des Unterhaltsbeitrages hat vielmehr auch die Beurteilung der Leistungsfähigkeit des anderen Elternteils zur Voraussetzung. Befindet sich das Kind nicht in Obsorge der Eltern, ist bei unterschiedlicher Leistungsfähigkeit von den Unterhaltsbemessungsgrundlagen jeweils der Betrag abzuziehen, der für den eigenen Unterhalt erforderlich ist. Sodann sind die für den Geldunterhalt des Kindes erforderlichen Beträge im Verhältnis der Restsummen aufzuteilen (EvBl 1991/166; JBl 1886, 651; seitdem stRsp). Im Revisionsverfahren ist die jeweilige Leistungsfähigkeit der Eltern nicht mehr strittig. Der Oberste Gerichtshof hat schon zu 6 Ob 355/97t ausgesprochen, dass bei Drittpflege der Regelbedarf zur Ermittlung des Unterhaltsbedarfes des Minderjährigen regelmäßig nicht ausreicht, weil Regelbedarf ja nur eine Messgröße dafür abgibt, welcher Geldunterhalt zusätzlich zur Betreuung eines Kindes erforderlich ist. Die vom Rekursgericht zitierte Entscheidung 4 Ob 57/98f, in der der einfache Regelbedarf herangezogen wurde, weicht nur scheinbar von diesem Grundsatz ab: beim dortigen Sachverhalt war es nämlich so, dass die Obsorge dem Vater zukam und dieser mit seinen Eltern vereinbart hatte, dass diese die faktische Betreuung des Kindes in seiner Vertretung vornehmen sollten. Zu 7 Ob 2337/96v sprach der Oberste Gerichtshof aus, dass sich der Gesamtunterhaltsbedarf des Kindes bei Drittpflege aus den Drittpflegekosten und einem Zuschlag für zusätzliche Kindesbedürfnisse, wie Kleidung, Ferienkosten und ähnliches ergibt. Zu 6 Ob 238/98p wurde judiziert, dass für die Ermittlung des Restunterhaltsbedarfes eines Lehrlings mit Eigenverdienst der Richtsatz nach § 293 Abs 1 lit a bb ASVG heranzuziehen sei. Die Differenz zwischen Eigenverdienst und Richtsatz sei verhältnismäßig auf die unterhaltspflichtigen Eltern aufzuteilen.

Auch diese Entscheidung geht von der Prämisse aus, dass für die Ermittlung des Unterhaltsanspruchs bei Drittpflege der Gesamtunterhaltsbedarf des Kindes maßgeblich sei.

Vorweg ist darauf zu verweisen, dass einiges für die Rechtsauffassung der Vorinstanzen spricht, dass die vom Minderjährigen aus Liechtenstein bezogene Kinderrente als Eigeneinkommen zu beurteilen ist. Eine abschließende Klärung kann jedoch insoweit unterbleiben, als selbst die Anrechnung als Eigeneinkommen dem Vater nicht nützlich sein kann. Sein Revisionsrekurs enthält nämlich keine Ausführungen dazu, warum die Ermittlungsmethode des Rekursgerichtes unvertretbar sei. Das Rechtsmittel liefert auch keine Ausführungen dazu, welche Methode für die Ermittlung des Gesamtunterhaltes des Kindes bei Drittpflege heranzuziehen sei. Der Rechtsmittelwerber behauptet auch gar nicht, dass der nach Abzug des Eigeneinkommens verbleibende Gesamtunterhaltsanspruch des Minderjährigen nicht in der ermittelten Höhe bestehe. Sein Bestreben ist lediglich darauf gerichtet, die vom Rekursgericht - im ersten Rechtsgang offensichtlich irrig angewendete und im zweiten Rechtsgang nicht mehr aufrecht erhaltene - Berechnungsmethode für sich in Anspruch zu nehmen, welche von der Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0047514 uva) für den Fall gefunden wurde, dass nur ein Elternteil geldunterhaltspflichtig ist, weil der andere seinen Anteil durch Betreuungsleistungen erbringt (§ 140 Abs 2 ABGB) und das unterhaltspflichtige Kind ein Eigeneinkommen erzielt, ohne dabei die Selbsterhaltungsfähigkeit erlangt zu haben. Diese zur Berücksichtigung des Betreuungsanteiles entwickelte Methode kann aber gerade dort keine Anwendung finden, wo infolge Drittpflege beide Eltern geldunterhaltspflichtig sind und daher die Ausnahme des § 140 Abs 2 ABGB nicht Platz greift. Eine Heranziehung des Richtsatzes im Sinne der Entscheidung 6 Ob 238/98p müsste sich sogar nachteilig für den Vater auswirken, weil der Richtsatz (EUR 630,92 x 14/12) mit EUR 736,07 monatlich zu veranschlagen wäre, während der doppelte Regelbedarf sich nur auf EUR 576 monatlich beläuft. Wenn gleich die vom Rekursgericht aufgezeigte Rechtsfrage erheblich sein könnte, weil es insbesondere an konkreter Rechtsprechung dazu fehlt, welcher Gesamtunterhaltsanspruch eines Kindes besteht, wenn für die Drittpflege keine konkreten Kosten behauptet wurden und augenscheinlich auch nur sehr schwer erhebbar sind, wurde diese Frage vom Revisionsrekurswerber nicht ausgeführt. Dieser macht vielmehr einen Rekursgrund geltend, welcher infolge eindeutiger Rechtsprechung nicht als erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 14 AußStrG gelten kann.

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