OGH 9ObA253/02z

OGH9ObA253/02z23.4.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Hradil sowie durch die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Thomas Keppert und Ulrike Kargl als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. Wolfgang B*****, Angestellter, *****, vertreten durch Dr. Gustav Teicht und Dr. Gerhard Jöchl, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei F***** GmbH, *****, vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte OEG in Wien, wegen Feststellung eines aufrechten Dienstverhältnisses (Streitwert EUR 36.336,42), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 11. September 2002, GZ 9 Ra 145/01m-22, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 18. Jänner 2001, GZ 7 Cga 124/00f-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 1.754,82 (darin EUR 292,47 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger wurde mit Schreiben vom 11. 2. 1999 zum 30. 6. 1999 gekündigt. Mit Klage vom 16. 2. 1999 begehrte er die gegen ihn ausgesprochene Kündigung aus dem Grunde des § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG für rechtsunwirksam zu erklären. Noch während der Dauer dieses Verfahrens kündigte die beklagte Partei mit Schreiben vom 7. 7. 1999 den Kläger im Hinblick auf diese Kündigungsanfechtung "zur Sicherheit" mit Zustimmung des Betriebsrates neuerlich, diesmal zum 31. 10. 1999. Im Verfahren betreffend die Anfechtung der ersten Kündigung schlossen die Parteien am 12. 4. 2000 folgenden Vergleich: "Die von der beklagten Partei gegenüber der klagenden Partei am 11. 2. 1999 zum 30. 6. 1999 ausgesprochene Kündigung ist rechtsunwirksam. Allfällige sonstige Rechtsfragen, insbesondere hinsichtlich der Kündigung vom 7. 7. 1999, bleiben von diesem Vergleich unberührt."

Mit der vorliegenden Klage vom 20. 6. 2000 begehrt der Kläger die Feststellung, dass sein Arbeitsverhältnis zur Beklagten über den 31. 10. 1999 hinaus aufrecht bestehe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes. Es hat dabei die Frage, ob die am 7. 7. 1999 zum 31. 10. 1999 ausgesprochene Kündigung des Klägers wirksam geworden ist, zutreffend bejaht. Es reicht daher insoweit aus, auf die Richtigkeit der eingehenden Begründung der angefochtenen Entscheidung hinzuweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Ergänzend ist den Ausführungen des Revisionswerbers entgegenzuhalten:

Rechtliche Beurteilung

Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass Gegenstand des Vergleiches die im beiderseitigen Einvernehmen zulässige (Arb 9.663 uva; Schwarz/Löschnigg, Arbeitsrecht9 574) Rücknahme der Kündigung und damit Fortsetzung des ursprünglichen Dienstverhältnisses war. Damit haben die Parteien aber genau das bewirkt, was auch im Falle einer aufrechten Anfechtungsklage nach § 105 Abs 7 ArbVG eingetreten wäre, nämlich die Unwirksamerklärung einer zunächst schwebend rechtswirksamen Kündigung (RIS-Justiz RS0052018; 8 ObA 202/94 = ARD 4586/16/94). In der Lehre (Strasser ArbVG Rz 10.2. zu §§ 105 - 107) wird die Einbringung einer solchen Anfechtungsklage (früher: einer solchen Anfechtung beim Einigungsamt) als Aufforderung zur Rücknahme der Kündigung angesehen. Greift der Arbeitgeber dieses Angebot auf, wird die Auflösungserklärung einverständlich ex tunc beseitigt. Der Oberste Gerichtshof hat erst jüngst wieder ausgesprochen, dass eine während eines schwebenden Verfahrens über eine Anfechtung nach § 105 ArbVG ausgesprochene "Eventual"-Kündigung wirksam sein kann; eine solche Kündigung ist nämlich, wie schon zu Arb 9.707 ausgeführt, in Wahrheit als Kündigung unter einer Rechtsbedingung aufzufassen, sodass dies zu keiner unzumutbaren Ungewissheit für den gekündigten Arbeitnehmer führt. Vielmehr verdeutlicht in einem solchen Fall die vom Arbeitgeber ausgesprochene zweite Kündigung seinen Standpunkt, das Arbeitsverhältnis endgültig beenden zu wollen, also auch für den Fall, dass dem Anfechtungsbegehren im Vorverfahren stattgegeben werden sollte (8 ObA 4/03a). Weiters wurde in der zitierten Entscheidung der - hier vom Kläger ebenfalls im Wesentlichen vertretenen - Auffassung entgegengetreten, dass mehrfache Kündigungen generell als unzulässig anzusehen seien, weil der wirtschaftlich übermächtige Arbeitgeber nach Einbringung einer Anfechtungsklage durch den Arbeitnehmer eine Vielzahl von weiteren Kündigungen vornehmen könne, die der Arbeitnehmer dann wiederum anfechten müsste. Vielmehr muss es als für den Arbeitgeber unzumutbar angesehen werden, wenn man ihm generell die Möglichkeit nehme, ein bloß schwebend rechtsunwirksames Dienstverhältnis durch eine weitere Kündigung (oder bei Verwirklichung eines entsprechenden Grundes durch eine nachfolgende Entlassung) für den Fall beenden zu können, dass dem ersten Anfechtungsbegehren des Dienstnehmers stattgeben wird. Es kann im vorliegenden Fall auch nicht erkannt werden, dass der Dienstgeber mit mehrfach erklärten Kündigungen das Ziel verfolgen wollte, einen wirtschaftlich schwächeren Arbeitnehmer in die Enge zu treiben. Damit ist aber auch dem vom Revisionswerber ins Treffen geführte Argument der Sittenwidrigkeit der Kündigung der Boden entzogen. Räumt man dem Arbeitgeber das Recht ein, während eines schwebenden Anfechtungsverfahrens über eine vorangegangene Kündigung erneut eine Kündigung auszusprechen, ist es nur konsequent, die ebenfalls unter der Rechtsbedingung eines aufrechten Dienstverhältnisses abgegebene Zustimmung des Betriebsrates zur Kündigung für wirksam zu erachten. Auch das Argument einer angeblichen Nichtigkeit einer solchen Handlung des Betriebsrates vermag daher nicht überzeugen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

Stichworte