OGH 4Nc6/03z

OGH4Nc6/03z26.3.2003

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf und Dr. Vogel als weitere Richter in der beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien zu 4 Cg 158/02p anhängigen Rechtssache der klagenden Partei Hermann F*****, vertreten durch Dr. Hans Otto Schmidt, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. S***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Klaus und Quendler Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, 2. A***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Franz-Christian Sladek und Dr. Michael Meyenburg, Rechtsanwälte in Wien, wegen 65.400 EUR sA und Feststellung (Streitwert 7.267 EUR), über den Delegierungsantrag der erstbeklagten Partei gemäß § 31 Abs 2 JN den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Antrag der erstbeklagten Partei, zur Verhandlung und Entscheidung der Rechtssache hinsichtlich der erstbeklagten Partei anstelle des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien das Landesgericht Linz zu bestimmen, wird abgewiesen.

Text

Begründung

Der Kläger begehrt 65.400 EUR sA an Schadenersatz für Gesundheitsschäden durch die Infektion mit dem Hepatitis C-Virus im Zusammenhang mit Blutplasmaspenden sowie die Feststellung, dass ihm die Beklagten für alle künftigen Schäden hafteten. Der Kläger habe 1974 in der Plasmapheresestelle der Erstbeklagten in Klagenfurt wiederholt Blut zur Herstellung von Blutplasma gespendet. Im März 2002 sei bei ihm erstmals eine chronische Hepatitis C festgestellt worden, die ihre Ursache in den seinerzeitigen Blutspenden habe. Diese seien unter hygienischen Bedingungen durchgeführt worden, die nicht den Regeln der ärztlichen Kunst entsprochen hätten. Die Erstbeklagte habe es auch unterlassen, den Kläger über mögliche Risiken aufzuklären; wäre er aufgeklärt worden, hätte er nie Plasma gespendet. Die Zweitbeklagte habe es von Anfang an darauf angelegt, Vorfeldorganisationen zu schaffen, darunter auch die Erstbeklagte, um einerseits bei Projekten, bei denen Schäden vorauszusehen gewesen seien, die Haftung von sich abzuschieben, und um andererseits den entscheidenden Einfluss bei diesen Unternehmen weiterhin durch von ihr in die Leitung entsandte Personen zu wahren. Die Erstbeklagte sei mit einem ganz geringen und im Verhältnis zu den zu erwartenden Risiken geradezu lächerlichen Grundkapital ausgestattet worden; ihre Geschäftsführer habe die Zweitbeklagte entsandt. Die Zweitbeklagte sei über die katastrophalen hygienischen Verhältnisse bei der Plasmagewinnung fortlaufend informiert gewesen, habe jedoch nichts unternommen, um diese Zustände zu verbessern. Auch sie treffe - als „eigentliche" Betreiberin der Plasmapheresestelle - eine direkte Haftung für die Schäden des Klägers.

Beide Beklagten bestritten insbesondere die Kausalität zwischen Blutabnahme und Erkrankung und beantragten die Abweisung des Klagebegehrens. Die Erstbeklagte beantragte zum Beweis ihres Vorbringens neben PV und Einholung eines Sachverständigen-Gutachtens auch die Einvernahme von 16 Zeugen, von denen vier unter Adressen im Sprengel des Landesgerichtes Linz zu laden sind. Im Hinblick auf diese Beweismittel, auf fünf weitere gleichartige Verfahren, in denen die Erstbeklagte jeweils Unzuständigkeitseinrede erhoben habe, und auf den Vorteil einer Zentrierung sämtlicher gleich gelagerter Verfahren unter dem Aspekt der zu erwartenden Sachverständigenkosten beantragt sie aus Zweckmäßigkeitsgründen die Delegierung des sie betreffenden Verfahrens gem § 31 JN an das Landesgericht Linz. Der Kläger sprach sich gegen eine Delegierung aus, weil zwei Zeugen ihren Wohnsitz im Sprengel des angerufenen Gerichts hätten und ein weiterer Zeuge im Nachbarsprengel wohne; auch sollten die Verfahren gegen die Beklagten nicht auseinandergerissen werden. Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien sprach sich für eine Delegierung auch unter dem Aspekt aus, dass bei diesem Gericht anhängig gemachte gleichartige Verfahren mit dem Ort der Schadenszufügung in Linz hinsichtlich der Erstbeklagten an das Landesgericht Linz überwiesen worden seien.

Rechtliche Beurteilung

Gem § 31 JN kann aus Gründen der Zweckmäßigkeit auf Antrag einer Partei anstelle des zuständigen Gerichts ein anderes zur Verhandlung und Entscheidung bestimmt werden. Zweckmäßig ist eine Delegierung dann, wenn die Zuständigkeitsübertragung an das andere Gericht zu einer wesentlichen Verkürzung des Prozesses, zu einer Erleichterung des Gerichtszuganges und der Amtstätigkeit oder zu einer wesentlichen Verbilligung des Rechtsstreites beitragen kann (4 Ob 506/95; 4 Nd 511/00 uva). Letzteres ist etwa dann der Fall, wenn durch Verbindung von Prozessen eine mehrfache Beweisaufnahme zu denselben Beweisthemen vermieden werden kann (JBl 1986, 53; 7 Nd 509/92; 1 Nd 501/96; 1 Nd 501/99). Eine Delegierung soll aber regelmäßig nur den Ausnahmefall bilden; lässt sich daher die Frage der Zweckmäßigkeit nicht eindeutig zugunsten beider Parteien lösen und hat eine Partei der Delegation widersprochen, so ist die Delegation abzulehnen (Mayr in Rechberger, § 31 JN Rz 4 mwN).

Im vorliegenden Fall sollen zwar nach den Behauptungen bereits fünf Verfahren gegen die Erstbeklagte mit einem nahezu identen Sachverhalt beim Landesgericht Linz geführt werden. Zugleich ist aber amtsbekannt, dass eine diese Zahl weitaus überwiegende Anzahl gleichartiger Verfahren beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien anhängig ist. Der Erstbeklagten ist damit der Nachweis nicht gelungen, dass ein eindeutiger Schwerpunkt der zu erwartenden Beweisaufnahmen beim Landesgericht Linz liegt. Dem Antrag auf Delegation war unter diesen Umständen - auch im Hinblick auf den Widerspruch des Klägers - nicht Folge zu geben.

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