OGH 8Ob246/02p

OGH8Ob246/02p20.3.2003

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer, Dr. Spenling, Dr. Kuras und Dr. Lovrek als weitere Richter in der Schuldenregulierungssache Hacer Ö*****, vertreten durch Dr. Peter Spörk, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, wegen Einleitung des Schuldenregulierungsverfahrens, infolge Revisionsrekurses der Schuldnerin gegen den Beschluss des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 8. Oktober 2002, GZ 17 R 295/02g-6, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichtes Wiener Neustadt vom 13. August 2002, GZ 11 S 23/02g-3, teilweise abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird eine neuerliche Entscheidung über den Antrag auf Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens aufgetragen.

Text

Begründung

Die Schuldnerin stellte am 5. 8. 2002 einen Antrag auf Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens, auf Annahme eines Zahlungsplans sowie eventualiter auf Einleitung des Abschöpfungsverfahrens mit Restschuldbefreiung. Die Ursache ihrer Zahlungsunfähigkeit liege darin, dass die D***** OEG, an der die Schuldnerin zu 50 % beteiligt gewesen sei, gelöscht worden sei. Sämtliche Verbindlichkeiten der OEG seien in voller Höhe im Rahmen der Solidarhaftung auf die Gesellschafter, so auch auf die Schuldnerin, übergegangen. Der außergerichtliche Ausgleich mit den Gläubigern sei als gescheitert zu betrachten, weil auch die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse Gläubigerin sei, welche amtsbekannt keinem Vergleich zustimme. Die Schuldnerin beantragte die Annahme eines Zahlungsplanes, nach welchem die Konkursgläubiger eine Quote von 4,29 % innerhalb von sieben Jahren ab Annahme des Zahlungsplans erhielten. Das monatliche Einkommen der Schuldnerin betrage voraussichtlich EUR 674; davon sei ein Betrag von EUR 73 monatlich zahlbar. Unter Berücksichtigung der Gesamtforderungen in Höhe von EUR 142.834,76 ergebe sich die Quote. Das Erstgericht wies den Antrag auf Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens mangels eines zur Deckung des Konkursverfahrens hinreichenden Vermögens mit der Begründung ab, dass unter Berücksichtigung der die Schuldnerin treffenden Sorgepflicht für ein Kind ihr gesamtes Einkommen unpfändbar sei. Zwingende Voraussetzung für die Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens sei die Bescheinigung, dass durch die Einkünfte die Verfahrenskosten voraussichtlich gedeckt seien.

Das Rekursgericht gab dem dagegen von der Schuldnerin erhobenen Rekurs teilweise Folge und änderte den Beschluss dahin ab, dass es den Antrag auf Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens abwies und die Löschung der Eintragung in der Insolvenzdatei gemäß § 71b Abs 3 KO dem Erstgericht vorbehielt. Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 20.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei: Das Rekursgericht sei zwar von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht abgewichen. Die Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes seien jedoch massiver Kritik der überwiegenden Lehre begegnet. Angesichts der Änderung des § 183 Abs 1 Z 3 KO durch die Insolvenz-Novelle 2002 scheine eine neuerliche Klarstellung der Rechtslage erforderlich. Rechtlich ging das Rekursgericht davon aus, dass strittig sei, ob das Fehlen der Voraussetzungen des § 183 Abs 1 KO zur sofortigen Abweisung des Antrages führe oder ob das Gericht dem Schuldner den Erlag eines Kostenvorschusses zu ermöglichen habe. Nach einhelliger Lehre und der Judikatur zahlreicher zweitinstanzlicher Gerichte bilde § 183 Abs 1 KO lediglich eine Ausnahme vom Kostendeckungsprinzip, normiere aber nicht die Voraussetzung der Zulässigkeit oder des Erfolges des Konkursantrages. Im Falle des Erlages eines Kostenvorschusses durch den Schuldner sei der Konkurs ohne Rücksicht darauf zu eröffnen, ob die Voraussetzungen des § 183 Abs 1 KO vorlägen. Erst bei Nichterlag des Kostenvorschusses könne der Konkursantrag abgewiesen werden. Demgegenüber habe der Oberste Gerichtshof in mehreren - allerdings noch aufgrund der Rechtslage vor der InsNov 2002 ergangenen - Entscheidungen die Auffassung vertreten, § 183 KO normiere generelle Inhaltserfordernisse eines Schuldnerantrages. Jedenfalls müsse gemäß § 183 Abs 2 KO jener Schuldner, der kein Unternehmen betreibe, auch bescheinigen, dass ein außergerichtlicher Ausgleich gescheitert sei oder gescheitert wäre. Die dazu von der überwiegenden Lehre vertretene Auffassung, auch § 183 Abs 2 KO stelle kein Inhaltserfordernis dar, sondern normiere lediglich eine weitere Voraussetzung für die Ausnahme vom Kostendeckungsprinzip, widerspreche der Gesetzessystematik. Der Gesetzgeber habe die Bestimmung mit "Antrag des Schuldners" (und nicht wie § 71 KO mit "kostendeckendes Vermögen" oder wie § 72 KO mit "Fehlen kostendeckenden Vermögens") übertitelt. Es sei keine zwingende sachliche Notwendigkeit erkennbar, einem Schuldner die Bescheinigung eines außergerichtlichen Ausgleichsversuches nur deshalb zu ersparen, weil er einen Kostenvorschuss erlege. Die Schuldnerin habe in ihrem Antrag lediglich ausgeführt, der außergerichtliche Ausgleich sei als gescheitert zu betrachten, weil auch eine Sozialversicherung Gläubigerstellung habe. An die Bescheinigung der Aussichtslosigkeit eines außergerichtlichen Ausgleichs seien strenge Anforderungen zu stellen. Die bloße Behauptung des Schuldners, ein Gläubiger werde keinem außergerichtlichen Ausgleich zustimmen, reiche nicht aus. Der teilweise vertretenen Auffassung, für Sozialversicherungsträger gelte anderes, könne sich das Rekursgericht nicht anschließen. Das früher starre Abstimmungsverhalten der Sozialversicherungsträger habe mittlerweile eine gewisse Aufweichung erfahren. Es erübrige sich die Einleitung eines Verbesserungsverfahrens, weil sich bereits aus dem Vorbringen der Schuldnerin ergebe, dass sie nicht nur die Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel unterlassen habe, sondern über solche gar nicht verfüge.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Revisionsrekurs der Schuldnerin wegen Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig. Der Gesetzgeber selbst (§ 71b Abs 3 KO) geht davon aus, dass die Abweisung eines Konkursantrages gegenüber einem Beschluss, mit dem der Konkurs mangels kostendeckenden Vermögens nicht eröffnet wurde, eine Abänderung darstellt. Es liegt daher kein bestätigender Beschluss des Rekursgerichtes vor. Der Revisionsrekurs ist im Sinne des Eventualantrages auf Aufhebung auch berechtigt. Gemäß § 181 KO gelten, wenn der Schuldner eine natürliche Person ist, die Bestimmungen des ordentlichen Verfahrens mit den in den §§ 182 bis 216 festgelegten Besonderheiten. Gemäß § 183 Abs 1 KO in der hier bereits anzuwendenden Fassung der InsNov 2002 (vgl Art VI Abs 3 der Übergangsbestimmungen) ist der Konkursantrag, wenn es an einem zur Deckung der Kosten des Konkursverfahrens voraussichtlich hinreichenden Vermögens fehlt, aus diesem Grund nicht abzuweisen, wenn der Schuldner ein genaues Vermögensverzeichnis vorlegt, das Vermögensverzeichnis eigenhändig unterschrieben hat und sich zugleich bereit erklärt, vor dem Konkursgericht zu unterfertigen, dass seine Angaben über den Aktiv- und Passivstand vollständig sind und dass er von seinem Vermögen nichts verschwiegen hat, einen zulässigen Zahlungsplan vorlegt, dessen Annahme beantragt, bescheinigt, dass er den Zahlungsplan erfüllen wird und (Z 3) bescheinigt, dass seine Einkünfte die Kosten des Verfahren voraussichtlich decken werden. Gemäß § 183 Abs 2 KO muss der Schuldner, der kein Unternehmen betreibt, auch bescheinigen, dass ein außergerichtlicher Ausgleich, insbesondere vor einer bevorrechteten Schuldnerberatungsstelle oder einem bevorrechteten Gläubigerschutzverband, gescheitert ist oder gescheitert wäre.

Nach der bisherigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, die allerdings vor der InsNov 2002 erging, regelten sowohl § 183 Abs 1 KO (vgl insbesondere SZ 71/167; 8 Ob 243/97m = ZIK 1998, 29 ua) als auch § 183 Abs 2 KO (vgl 8 Ob 2325/96m; 8 Ob 180/01f ua) Inhaltserfordernisse des Schuldnerantrags. Dem Schuldner bleibe es unbenommen, einen "nachgebesserten" Antrag zu stellen. Ein Auftrag zum Erlag eines Kostenvorschusses sei im Schuldenregulierungsverfahren nicht vorgesehen (ZIK 1998, 29). Die Lehre vertritt dem gegenüber überwiegend die Auffassung (Kodek,

Das Kostendeckungsprinzip im Schuldenregulierungsverfahren, RZ 2001, 111 ff; Mohr, Außergerichtlicher Ausgleichsversuch und Konkursantragspflicht im Privatkonkurs, ZIK 1995, 65 ff;

Konecny/Schubert, Kommentar zu den Insolvenzgesetzen § 183 KO Rz 3;

Kodek Privatkonkurs Rz 69; vgl auch Konecny, Abschöpfungsverfahren und Wahrscheinlichkeit der Restschuldbefreiung in FS Jelinek 2002, 113 ff), dass § 183 KO lediglich als Ausnahme von Kostendeckungsprinzip konzipiert ist. Liegt kostendeckendes Vermögen vor oder erlegt der Schuldner einen Kostenvorschuss, kommt es auf die Erfüllung der Voraussetzungen des § 183 KO nicht an (Kodek Privatkonkurs Rz 69).

Der Auffassung, dass generell vor Einleitung es Abschöpfungsverfahrens die Wahrscheinlichkeit der Restschuldbefreiung zu prüfen sei, ist angesichts der Änderung des § 183 Abs 1 Z 3 KO durch die InsNov 2002 der Boden entzogen.

Im Lichte dieser Änderung des § 183 Abs 1 Z 3 KO hat eine neuerliche inhaltliche Auseinandersetzung mit den bezeichneten Fragen zu erfolgen: Dabei ist mit der herrschenden Lehre (insbesondere Kodek Privatkonkurs Rz 69; Mohr, Außergerichtlicher Ausgleichsversuch und Konkursantragspflicht im Privatkonkurs ZIK 1995, 65 ff; Holzhammer, österreichisches Insolvenzrecht, 204, Konecny aaO) davon auszugehen, dass § 183 KO lediglich eine Ausnahme vom Kostendeckungsprinzip normiert. Das ergibt sich, worauf Kodek zutreffend verweist (Privatkonkurs Rz 69), bereits aus den Wortlaut des § 183 Abs 1 KO (vgl auch Abs 5). Auch die Erläuterungen zur Regierungsvorlage sprechen für diese Auslegung ("nach § 183 ist über einen zahlungsunfähigen Schuldner selbst bei Fehlen eines kostendeckenden Vermögens der Konkurs zu eröffnen, wenn..."). Kodek (aaO Rz 69) weist ferner zu Recht darauf hin, dass gegen die Deutung des § 183 KO als generelles Inhaltserfordernis jedes Konkursantrages zunächst spricht, dass ein Antrag auf Annahme eines Zahlungsplans und auf Einleitung des Abschöpfungsverfahrens in jeder Lage des Verfahrens gestellt werden können. Eine Deutung des § 183 KO als Inhaltserfordernisse jedes Konkursantrages würde dazu führen, dass selbst bei Vorliegen kostendeckenden Vermögens der Konkurs nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des 183 KO eröffnet werden könnte. Ein derartiges Verständnis ist mit dem traditionellen Verfahrenszweck der geordneten Haftungsverwirklichung, somit der quotenmäßigen Befriedigung der Gläubiger, nicht zu vereinbaren. Außerdem führte diese Auffassung zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Verschiedenbehandlung von Schuldner- und Gläubigeranträgen, weil ein Gläubiger die Eröffnung des Konkursverfahrens schon bei Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen erreichen könnte, ein Schuldner aber überdies die Voraussetzungen des § 183 KO erfüllen müsste. Diese Überlegungen gelten letztlich auch für die in § 183 Abs 2 KO normierte Voraussetzung des Scheiterns eines außergerichtlichen Ausgleichs. Der Auffassung des Rekursgerichtes, aus der Überschrift des § 183 KO ergebe sich Gegenteiliges, ist zu entgegnen, dass die Überschrift "Antrag des Schuldners" durch den Inhalt des § 183 KO auf die Fälle des Fehlens des kostendeckenden Vermögens eingeschränkt wird. Von der Gesetzessystematik her ist davon auszugehen, dass sich auch § 183 Abs 2 KO nur auf den in § 183 Abs 1 KO genannten Fall des Fehlens kostendeckenden Vermögens bezieht (vgl auch die Wortfolge in Abs 2 "...muss er auch bescheinigen..."). Letztlich ist auch keine sachliche Rechtfertigung dafür zu erkennen, dass gerade der Schuldner, der kein Unternehmen betreibt, selbst bei Vorliegen kostendeckenden Vermögens (oder Erlag eines Kostenvorschusses) die zusätzliche Bescheinigung des Scheiterns eines außergerichtlichen Ausgleichs erbringen muss.

Aus den dargelegten Gründen gelangt der erkennende Senat daher zur Auffassung, dass der herrschenden Lehre darin zu folgen ist, dass § 183 KO insgesamt nur für die Anwendbarkeit der Bestimmungen über die Kostendeckung maßgeblich ist, darüber hinaus aber für die Zulässigkeit oder den Erfolg des Konkursantrages keine Bedeutung hat. Wenn kostendeckendes Vermögen vorliegt, ist der Konkurs ohne Rücksicht darauf zu eröffnen, ob die Voraussetzungen des § 183 KO erfüllt sind. Gleiches gilt, wenn der Schuldner oder ein Dritter einen Kostenvorschuss erlegt. Die nur eine Ausnahme vom Kostendeckungsprinzip normierende Bestimmung des § 183 KO hat diesfalls keine Bedeutung. Der Schuldner hat ein Wahlrecht zwischen Erlag eines Kostenvorschusses und Erfüllung der Voraussetzungen des § 183 KO (Kodek aaO Rz 70).

Die bisherige Rechtsprechung des erkennenden Senates kann daher insbesondere unter Berücksichtigung der Änderung des § 183 Abs 1 Z 3 KO durch die InsNov 2002 nicht mehr aufrechterhalten werden. Die Begründung des Rekursgerichtes, die Voraussetzung des § 183 Abs 2 KO sei nicht erfüllt, trägt somit die Abweisung des Antrages auf Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens nicht. Die im Revisionsrekurs aufgeworfene Frage der Gerichtsnotorietät des Umstandes, dass Sozialversicherungsträger prinzipiell einen außergerichtlichen Ausgleich ablehnen (vgl dazu Konecny, ÖBA 1994, 913; Kodek aaO Rz 87; vgl ferner Jaksch/Riel, Das Abstimmungsverhalten der Sozialversicherungsträger im gerichtlichen und außergerichtlichen Ausgleich ZIK 1995, 7 ff) bedarf hier keiner Beantwortung: Das Erstgericht nahm als bescheinigt an, dass die Voraussetzung des § 183 Abs 1 Z 3 KO nicht erfüllt ist. Damit kommt aber unabhängig von der Erfüllung der Voraussetzung des § 183 Abs 2 KO eine Konkurseröffnung nur bei Erlag eines Kostenvorschusses in Betracht. Das Erstgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren einen Kostenvorschuss aufzutragen haben. Erst bei dessen Nichterlag kommt die Abweisung des Antrages in Betracht.

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