OGH 6Ob36/03t

OGH6Ob36/03t20.3.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden Parteien 1. Johann G***** und 2. Margarita G*****, beide vertreten durch Dr. Klaus Plätzer, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei Hermine B*****, vertreten durch Paischer & Schertler, Rechtsanwälte in Braunau am Inn, wegen 8.423,04 EUR und 26.598,31 EUR sowie Räumung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis als Berufungsgericht vom 26. November 2002, GZ 6 R 295/02b-47, womit über die Berufung der klagenden Parteien das Zwischenurteil des Bezirksgerichtes Ried im Innkreis vom 30. Juli 2002, GZ 2 C 20/02s (2 C 462/01i)-27, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Der Antrag der klagenden Parteien auf Zuspruch von Kosten der Revisionsbeantwortung wird abgewiesen.

Text

Begründung

Die Parteien haben am 20. 9. 1999 einen als Pachtvertrag bezeichneten Bestandvertrag geschlossen. Bestandobjekt sind die im Vertrag bezeichneten Teile eines Hauses, in dem während des vergangenen Jahrhunderts mit Ausnahme einer Unterbrechung vom 31. 3. 1998 bis 1. 11. 1999 ein Gasthaus betrieben wurde. Seit 1991 waren keine Investitionen vorgenommen worden. Die klagenden Bestandgeber verpflichteten sich zur Neugestaltung der Küche und der Sanitäranlagen auf ihre Kosten. Vom Bestandvertrag umfasst waren die behördlichen Rechte (Betriebsanlagegenehmigung) zur Führung des Gasthauses, nicht aber die Konzession. Die Bestandnehmerin übernahm ein Inventar. Der "Pachtzins" betrug 20.000 S monatlich und sollte später auf 25.000 bzw 30.000 S erhöht werden. Die "Verpachtung" erfolgte ausschließlich zur Führung des Gastgewerbes. Es wurde eine Betriebspflicht vereinbart. Ein Warenlager wurde nicht übergeben. Schon vor Abschluss des Bestandvertrages war mit den Umbauarbeiten begonnen worden. Die Beklagte schaffte eine neue Inneneinrichtung an und schloss einen neuen Bierbezugsvertrag.

Die Kläger begehren die Bezahlung rückständiger Betriebskosten und rückständiger Mieten sowie - gestützt auf § 1118 ABGB - die Räumung des Pachtgegenstandes.

Die Beklagte wandte wegen Mangelhaftigkeit des Bestandobjektes Gegenforderungen ein. Die Geldforderung der Kläger sei wegen unrichtiger Betriebskostenabrechnung noch nicht fällig. Beim Bestandverhältnis handle es sich um eine Geschäftsraummiete und nicht um eine Unternehmenspacht. Die Kläger hätten weder einen Kundenstock noch ein Warenlager oder die Gewerbeberechtigung beigestellt. Die Beklagte stellte einen Zwischenantrag auf Feststellung, dass das Bestandverhältnis eine Geschäftsraummiete darstelle.

Das Erstgericht gab mit Zwischenurteil diesem Antrag statt. Es stützte seine Ansicht, dass ein Mietverhältnis vorliege, im Wesentlichen darauf, dass kein lebendes Unternehmen übergeben worden sei. Die Überlassung von Räumlichkeiten überwiege deutlich. Die Beklagte habe kein Warenlager übernommen. Sie habe die Räumlichkeiten für den neuen Betrieb umfassend erneuern müssen. Es sei auch kein nennenswerter Kundenstock vorhanden.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kläger statt und wies den Zwischenfeststellungsantrag der Beklagten ab. Ein Pachtvertrag könne angenommen werden, wenn ein lebendes Unternehmen übergeben werde. Neben den Räumlichkeiten seien die für den Betrieb des Unternehmens und dessen wirtschaftlichen Fortbestand notwendigen Betriebsmittel, das Warenlager, der Kundenstock und die Gewerbeberechtigung maßgeblich. Das Zusammentreffen aller Merkmale sei aber nicht erforderlich. Es komme auf das Überwiegen der Merkmale nach der wirtschaftlichen Bedeutung an. Die Ersetzung veralteter Betriebsmittel durch den neuen Pächter ändere nichts am Charakter des Vertrages als Pacht. Das wichtigste Kriterium sei die Vereinbarung der Betriebspflicht. Wesentlich sei das Interesse des Bestandgebers an der Kontinuität des Geschäftsbetriebes. Auch ein stillgelegtes bzw erst neu zu errichtendes Unternehmen könne Gegenstand eines Pachtvertrages sein. Hier seien neben den Räumlichkeiten auch Betriebsmittel (Inneneinrichtung und Inventar) übergeben worden. Es sei eine Betriebspflicht vereinbart worden. Das Interesse der Kläger liege in der Weiterführung des Gastgewerbeunternehmens. Die Bevölkerung habe noch Kenntnis von der Existenz des Gasthauses, weshalb der Umstand, dass wegen der Betriebsstilllegung kein aktueller Kundenstock mehr vorhanden sei, vernachlässigbar sei. Das Bestandverhältnis sei als Unternehmenspacht zu qualifizieren.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil eine oberstgerichtliche Rechtsprechung zum Thema der Stilllegung eines Unternehmens vor der Bestandnahme "weitgehend" fehle.

Mit ihrer Revision beantragt die Beklagte die Abänderung dahin, dass die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt werde, hilfsweise die Aufhebung zur neuerlichen Entscheidung.

Die Kläger beantragen, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichtes mangels erheblicher Rechtsfragen nicht zulässig.

Unternehmenspacht liegt nicht nur dann vor, wenn ein lebendes Unternehmen Gegenstand des Bestandvertrages ist, bei dem neben den Räumen die für den wirtschaftlichen Fortbestand erforderlichen Betriebsmittel, der Kundenstock und die Gewerbeberechtigung übergeben werden, sondern auch unter gewissen Voraussetzungen im Falle eines erst zu errichtenden Unternehmens, wenn bei Vertragsbeginn die wesentlichen Grundlagen für den Unternehmensbeginn bereits bestehen und vom Bestandgeber beigestellt werden (RIS-Justiz RS0020581). Das wesentliche Unterscheidungsmerkmal zwischen Miete und Pacht ist die Betriebspflicht (RS0020451), die im Regelfall den Ausschlag gibt (1 Ob 584/92). Für die Annahme eines Pachtvertrages ist auch die Beibehaltung des bisherigen Unternehmensgegenstandes von Bedeutung, sichert diese doch die Kontinuität des Geschäftsbetriebes. Eine eigene Gewerbeberechtigung des Bestandnehmers berührt dabei die Unternehmensidentität nicht (6 Ob 106/99b). Auch die Notwendigkeit von Investitionen spricht nicht gegen ein Pachtverhältnis, weil ein solches auch dann vorliegen kann, wenn sich das Unternehmen bei Vertragsabschluss in einem sehr schlechten Zustand befindet (10 Ob 11/00s). Für die Unterscheidung zwischen Geschäftslokalmiete und der Unternehmenspacht kommt es immer auf die Gesamtheit der Umstände des Einzelfalls an (RS0031183), weil sich keine festen, allgemein anwendbaren Regeln aufstellen lassen (5 Ob 1079/91).

Die bekämpfte Entscheidung des Berufungsgerichtes steht im Einklang mit den zitierten, in der oberstgerichtlichen Rechtsprechung ständig vertretenen Rechtssätzen. Daran kann die Auflistung von Umständen, die für ein Mietverhältnis sprechen (ua keine Übergabe eines Warenlagers oder der Gewerbeberechtigung; Notwendigkeit von umfangreichen Umbau- und Reparaturarbeiten; Fehlen eines Kundenstockes) nichts ändern, weil bei der Abwägung der verschiedenen Argumente eine Unternehmenspacht durchaus auch dann bejaht werden kann, wenn nicht alle für die Fortführung eines Unternehmens erforderlichen Merkmale gegeben sind. Der von der Revisionswerberin gerügten Aktenwidrigkeit (angestrebt wird die Feststellung einer Betriebsstilllegung von 23 Monaten statt der festgestellten 18 Monate) kommt keine entscheidungswesentliche Bedeutung zu, weil - wie ausgeführt - selbst bei einem neu errichteten Unternehmen unter gewissen Voraussetzungen ein Pachtverhältnis bejaht werden kann. Die von der Beklagten in den Vordergrund gerückten (zeitaufwändigen) Sanierungsarbeiten stellen entgegen dem Revisionsvorbringen sogar ein Argument für eine bloß vorübergehende Betriebsunterbrechung und nicht für eine endgültige Stilllegung dar.

Wenn das Berufungsgericht bei den festgestellten Umständen der vereinbarten Betriebspflicht eine ausschlaggebende Bedeutung beimaß und von einer Kontinuität des Geschäftsbetriebes ausging, setzte es sich damit nicht mit der zitierten oberstgerichtlichen Rechtsprechung in Widerspruch. Eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO wird nicht aufgezeigt. Die Revision ist daher zurückzuweisen.

Kosten für die Revisionsbeantwortung waren nicht zuzusprechen, weil die Kläger auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen haben.

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