OGH 7Ob26/03d

OGH7Ob26/03d19.3.2003

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj Nathalie M*****, geboren am 27. Juni 1989, über den Revisionsrekurs des Vaters Günter M*****, vertreten durch Dr. Franz Müller-Strobl, und Dr. Robert Kugler, Rechtsanwälte in Klagenfurt, gegen den Beschluss des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgericht vom 26. November 2002, GZ 2 R 357/02t-27, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Villach vom 10. Oktober 2002, GZ 3 P 2336/95a-24, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden im Umfang der Anfechtung aufgehoben. Die Pflegschaftssache wird zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Text

Begründung

Die Ehe der Eltern der mj Nathalie wurde am 6. 6. 1990 einvernehmlich geschieden. Das Kind befindet sich in Pflege und Erziehung der Mutter Elisabeth M*****, die die Familienbeihilfe bezieht. Der Vater, der sonst keine Sorgepflichten hat, wurde mit Beschluss des Bezirksgerichtes Villach vom 8. 3. 2002 verpflichtet, ab 1. 10. 2001 einen monatlichen Unterhalt von EUR 425,-- für die Minderjährige zu bezahlen. Dieser Unterhaltsbemessung liegt ein durchschnittliches monatlichen Nettoeinkommen des Vaters von EUR 2.126,70 zugrunde.

Mit am 12. 8. 2002 beim Erstgericht eingelangtem Schriftsatz begehrte der Vater, seine monatliche Unterhaltsverpflichtung ab 1. 8. 2002 auf EUR 365,-- herabzusetzen. Zwar hätten sich seine Einkommensverhältnisse seit 8. 3. 2002 nicht geändert. Durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 19. 6. 2002, G 7/02 (womit § 12a FLAG teilweise als verfassungswidrig aufgehoben worden sei), sei aber eine sein Unterhaltsherabsetzungsbegehren rechtfertigende Änderung der Verhältnisse eingetreten.

Die Mutter sprach sich namens der Minderjährigen gegen eine Unterhaltsherabsetzung aus. Der festgesetzte Unterhalt sei zur Versorgung des Kindes erforderlich und könne vom Vater auch geleistet werden.

Das Erstgericht wies den Herabsetzungsantrag des Vaters ab. Verfahrensgegenständlich sei allein, ob bzw in welchem Ausmaß das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 19. 6. 2002, G 7/02, zu einer Verminderung der Unterhaltsleistung des zum Geldunterhalt verpflichteten Elternteiles führen könne. Die Korrektur einer als unbefriedigend empfundenen Regelung des Gesetzes sei nicht Sache der Rechtsprechung, sondern allein Aufgabe des Gesetzgebers. Eine solche gesetzliche Neuregelung der Materie sei trotz der Teilaufhebung des § 12a FLAG bislang nicht erfolgt.

Das vom Vater angerufene Rekursgericht teilte die Rechtsansicht des Erstgerichtes und bestätigte daher dessen Entscheidung, wobei es aussprach, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Der Vater macht im Revisionsrekurs weiterhin geltend, dass seit dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 19. 6. 2002, G 7/02, die Familienbeihilfe bei der Unterhaltsbemessung zu Gunsten des geldunterhaltspflichtigen Elternteiles zu berücksichtigen sei, weshalb seinem Antrag, seine monatliche Unterhaltsverpflichtung von EUR 425,-- um EUR 60,-- auf EUR 365,-- herabzusetzen, Folge gegeben werden möge; in eventu werde begehrt, den angefochtenen Beschluss im Umfang der Anfechtung aufzuheben und die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Rekursgericht bzw das Erstgericht zurückzuverweisen.

Die Mutter hat von der ihr vom Obersten Gerichtshof eingeräumten Möglichkeit, sich namens der Unterhaltsberechtigten zum Revisionsrekurs zu äußern, nicht Gebrauch gemacht.

Der Revisionsrekurs ist zulässig und im Sinne des darin enthaltenen Aufhebungsantrages berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Mit dem genannten Erkenntnis vom 19. 6. 2002, G 7/02 ua, hat der Verfassungsgerichtshof über Antrag des Obersten Gerichtshofes und mehrerer zweitinstanzlicher Gerichte in § 12a FLAG die Wortfolge "und mindert nicht dessen Unterhaltsanspruch" als verfassungswidrig aufgehoben. Dadurch ist das vom Obersten Gerichtshof gegen die vom Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis vom 27. 6. 2001, B 1285/02, als geboten erachtete steuerliche Entlastung getrennt lebender Geldunterhaltspflichtiger durch (teilweise) Anrechnung der vom betreuenden Elternteil bezogenen Familienbeihilfe auf den Unterhalt erblickte Hindernis weggefallen. Bereits in zahlreichen, jüngst ergangenen Entscheidungen (1 Ob 79/02b; 4 Ob 45/02x; 4 Ob 52/02d; 7 Ob 167/02p; 7 Ob 174/02t; 7 Ob 193/02m uva) hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass die im Wege der Weiterverrechnung eines Teiles der (vom betreuenden Elternteil - hier der Mutter - bezogenen) Transferleistungen (Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag) vorzunehmende, verfassungsrechtlich gebotene steuerliche Entlastung des getrennt lebenden Geldunterhaltspflichtigen nach folgender Formel errechnet werden kann:

Der nach rein unterhaltsrechtlichen Aspekten bemessene Geldunterhalt dividiert durch zwei, mal (um ca 20 %) verminderter Grenzsteuersatz des Geldunterhaltspflichtigen (also 25 % bei 31 %, 33 % bei 41 % und 40 % bei 50 % Grenzsteuersatz; vgl § 33 Abs 1 EStG 1988), minus Unterhaltsabsetzbetrag, ergibt jenen (Teil-)Betrag der Transferleistungen, der auf die Geldunterhaltspflicht anzurechnen ist.

Hiebei ist noch folgendes zu beachten: Da der Kindesunterhalt jeweils den höchsten Einkommensteilen des Unterhaltspflichtigen zuzuordnen ist, muss bei der Berechnung der notwendigen steuerlichen Entlastung darauf Bedacht genommen werden, ob der Unterhaltsbeitrag im Wesentlichen zur Gänze im höchsten Einkommensteil Deckung findet oder ob für einen nicht unerheblichen Teilbetrag der nächst niedrige Grenzsteuersatz maßgebend ist (5 Ob 36/02h; 2 Ob 191/02f ua).

Zur Berechnung der im vorliegenden Fall nach den dargestellten Maßstäben in Betracht kommenden Unterhaltsherabsetzung im Wege einer (teilweisen) Anrechnung der Familienbeihilfe zum Zwecke der steuerlichen Entlastung ist neben den festgestellten Umständen also auch die Kenntnis des Grenzsteuersatzes des Vaters erforderlich. Der Grenzsteuersatz hängt vom steuerpflichtigen Einkommen ab, das sowohl die Sonderbesteuerung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld als auch die vom Unterhaltspflichtigen geleisteten Sozialversicherungsbeiträge berücksichtigt (vgl Gitschthaler, Familienbeihilfe und deren Anrechnung auf Kindesunterhaltsansprüche in JBl 2003, 9 [17]). Wie Gitschthaler aaO ausführt, ist das steuerpflichtige Einkommen aus dem Jahreslohnzettel bzw dem Einkommenssteuerbescheid unschwer zu ersehen. In diesem Sinne wird das Erstgericht das Verfahren bzw seine Feststellungen entsprechend zu ergänzen haben, um sodann die notwendige steuerliche Entlastung nach den dargestellten Grundsätzen ermitteln zu können.

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