OGH 3Ob263/02a

OGH3Ob263/02a26.2.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei T***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Gerald Haas und andere Rechtsanwälte in Wels, wider die beklagte Partei H***** reg. Genossenschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Martin Morscher und Dr. Monika Morscher-Spießberger, Rechtsanwälte in Vöcklabruck, wegen 7.149,84 EUR (= 98.384 S) sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Berufungsgericht vom 16. Mai 2002, GZ 22 R 100/02s-13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Wels vom 27. Dezember 2001, GZ 8 C 506/01d-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Antrag der beklagten Partei auf Zuspruch der Kosten ihrer Revisionsbeantwortung wird abgewiesen.

Text

Begründung

Der am 10. April 2001 über das Vermögen der klagenden Partei eröffnete Konkurs wurde mit dem jedenfalls seit 5. Februar 2002 rechtskräftigen Beschluss des Konkursgerichts vom 14. Jänner 2002 nach rechtskräftiger Bestätigung des am 6. Dezember 2001 angenommenen Zwangsausgleichs aufgehoben.

Die klagende Partei war Mitglied der beklagten Genossenschaft und hatte zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung Geschäftsanteile "in Höhe von" 98.384 S (Klageforderung) "besessen". Die hier maßgeblichen Punkte der Satzung der beklagten Partei lauten:

§ 6

(1) Ein Genossenschafter kann aus der Genossenschaft ausgeschlossen werden:

...

d) wenn er zahlungsunfähig geworden ist, insbesondere, wenn über sein Vermögen das Ausgleichs- oder Konkursverfahren eröffnet ist;

...

§ 8

(1) Die Auseinandersetzung des ausgeschiedenen Genossenschafters mit der Genossenschaft erfolgt aufgrund des von der Generalversammlung genehmigten Jahresabschlusses. Das Geschäftsguthaben des Ausgeschiedenen ist ein Jahr nach Ablauf des Geschäftsjahres, in dem er ausgeschieden ist, in der Geschäftsstelle der Genossenschaft auszuzahlen. Geschäftsguthaben ausgeschiedener Mitglieder, welche nicht binnen drei Jahren nach ihrer Fälligkeit behoben werden, verfallen zugunsten der satzungsmäßigen Rücklage (Gewinnrücklage).

(2) Das ausgeschiedene Mitglied hat keinerlei Anspruch auf die Rücklagen oder das sonstige Vermögen der Genossenschaft.

(3) Die Genossenschaft ist berechtigt, bei der Auseinandersetzung die ihr gegen den ausgeschiedenen Genossenschafter zuständigen fälligen Forderungen gegen das auszuzahlende Geschäftsguthaben aufzurechnen. Die beklagte Partei teilte der klagenden Partei mit, dass ihre Mitgliedschaft erloschen sei und erteilte eine Gutschrift als "Auszahlung des Geschäftsanteils" über 98.384 S, den sie auf ein bestimmtes Konto gutschrieb, weshalb unter Berücksichtigung des Saldos per 26. April 2001 von 256.053 S per 30. April 2001 der Saldo zu dieser Kontonummer 157.669 S betrug. Zum Konkursverfahren meldete die beklagte Partei per 10. April 2001 zu dieser Kontonummer eine Forderung von 158.376 S an; hiebei handle es sich um die Kontoüberziehung abzüglich von realisierten Geschäftsanteilen. Auf ein Schreiben des Masseverwalters im Konkurs über das Vermögen der klagenden Partei, dessen Inhalt nicht festgestellt werden konnte, antwortete die beklagte Partei am 13. Juni 2001 u.a., dass die Aufrechnung mit dem Geschäftsanteilguthaben der Genossenschaft zulässig sei. Weiters wird im Schreiben ausgeführt: Da gemäß § 8 unserer Satzung das Geschäftsguthaben erst ein Jahr nach Ablauf des Geschäftsjahres, in dem das Mitglied ausgeschieden ist, ausgezahlt werden darf, ist das auszuzahlende Geschäftsguthaben erst am 1. Jänner 2003 fällig. Wir machen daher gern die Buchung rückgängig und werden die Aufrechnung am 1. Jänner 2003 vornehmen. Bis zum Schluss der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz meldete die beklagte Partei den Betrag von 98.384 S nicht als Konkursforderung an. Mit ihrer noch während des anhängigen Konkursverfahrens eingebrachten Klage begehrte der Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der klagenden Partei die Zahlung von 98.384 S sA. In der letzten Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung erster Instanz stellt er noch das Eventualbegehren (ON 8 AS 24), festgestellt werde, dass die Aufrechnung der beklagten Partei zu Unrecht erfolgt und der klagenden Partei am 1. Jänner 2003 98.384 S zu bezahlen sei. Die von der beklagten Partei vorgenommene Aufrechnung sei gemäß § 20 KO unzulässig, weil die beklagte Partei erst nach Konkurseröffnung Schuldnerin der Konkursmasse geworden sei. Der Abfindungsanspruch der klagenden Partei sei erst zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung entstanden.

Die beklagte Partei wendete im Wesentlichen ein, die Forderung der Gemeinschulderin bzw. der Konkursmasse werde nach ihrer Satzung erst mit 1. Jänner 2003 fällig. Zur Aufrechnung sei die beklagte Partei auch berechtigt gewesen, weil der Anspruch eines Genossenschafters auf das Auseinandersetzungsguthaben von der Einzahlung des Geschäftsanteils an bedingt bestehe. Im Übrigen habe sie mit Schreiben vom 13. Juni 2001 erklärt, die Aufrechnung erst am 1. Jänner 2003 vorzunehmen, weshalb eine Aufrechnung tatsächlich nicht durchgeführt worden sei. Das Feststellungsbegehren sei nicht berechtigt, weil ein Feststellungsurteil nur wegen mangelnder Fälligkeit eines Leistungsbegehrens nicht "möglich" sei. Das Erstgericht wies beide Begehren ab. Es stimmte der Ansicht der beklagten Partei zu, der geltend gemachte Anspruch der klagenden Genossenschafterin bestehe bereits ab Einzahlung des Geschäftsanteils. Lediglich die Konkretisierung der Höhe nach bliebe der Bilanz des Ausscheidungsjahres vorbehalten. Es liege bereits vor der Konkurseröffnung ein bedingt bzw. betagt bestehender Anspruch vor. Die durch Kontenumbuchung vorgenommene Aufrechnung sei daher gemäß § 19 Abs 2, § 20 KO zulässig. Die Aufrechnungshandlung sei nicht beliebig widerrufbar, sondern nur wegen Willensmängel anfechtbar. Auf die Frage der Fälligkeit der Klageforderung sei daher nicht einzugehen.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil.

Zu Recht sei das Erstgericht von der Zulässigkeit einer Aufrechnung ausgegangen, die die beklagte Partei auch mit ihrem Schreiben vom 13. Juni 2001 nicht mehr habe rückgängig machen können. Die Aufrechenbarkeit fehle, wenn eine der beiden Forderungen erst durch die Konkurseröffnung entstehe. Die Aufrechnungsvorschriften für das Konkursverfahren seien zwingend. Die Unzulässigkeit der Aufrechnung habe absolute Nichtigkeit zufolge, die aufgerechneten Forderungen blieben bestehen, die Vereinbarung oder Erklärung der Aufrechnung sei wirkungslos. Unter Berufung auf Gamerith (in Bartsch/Pollak/Buchegger, Österreichisches Insolvenzrecht4 § 19 KO Rz

23) vertrat die zweite Instanz die Auffassung, es könne mit einer in ihrem Kern auf die Zeit vor der Konkurseröffnung zurückgehenden, erst danach (unbedingt) entstandenen Forderung aufgerechnet werden. Der hier geltend gemachte Auseinandersetzungsanspruch eines Genossenschafters unterscheide sich vom Abfindungsanspruch von Gesellschaftern, die Gesamteigentümer des Gesellschaftsvermögens seien. Anders als jene sei auch der Anspruch aus dem Genossenschaftsverhältnis mit Bewilligung des Vorstands übertragbar. Der Genossenschafter habe nach § 79 Abs 2 GenG keinen Anspruch an den Reservefonds und an das sonst vorhandene Vermögen der Genossenschaft, wenn nicht im Genossenschaftsvertrag etwas anderes bestimmt ist. Das Genossenschaftsmitglied nehme an der Substanz eines Unternehmens, d. h. einem Vermögenszuwachs, nicht teil. Der Anspruch des ausscheidenden Genossenschafters sei daher im Wesentlichen von vornherein konkretisiert. Somit erwerbe der Genossenschafter bereits ab Eintritt in die Genossenschaft einen durch das spätere Ausscheiden bedingten Anspruch auf das Auseinandersetzungsguthaben. Gegen diesen könne der Konkursgläubiger mit seiner bereits vor Konkurseröffnung bestehenden Forderung gemäß § 19 KO aufrechnen. Aus § 8 Abs 3 der Satzung der beklagten Partei ergebe sich, dass diese von vornherein auf die Aufrechnungslage vertraut habe. Im Übrigen sei der Kritik der Lehre an der Rsp des Obersten Gerichtshofs zu folgen, wonach richtigerweise auch bei Personengesellschaften der Abfindungsanspruch bereits vor dem Ausscheiden bedingt entstanden sei. Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil höchstgerichtliche Rsp zur Aufrechnung im Konkurs im Zusammenhang mit dem Auseinandersetzungsguthaben eines ausgeschiedenen Genossenschafters fehle. Auch habe der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung 2 Ob 240/01k (JBl 2002, 532 = ZIK 2002, 19 = RdW 2002,

152) nicht abschließend zur Kritik von Teilen der Lehre an seiner bisherigen Rsp Stellung genommen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der klagenden Partei ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO aus folgenden Erwägungen nicht zulässig:

a) Wie sich aus den festgestellten Bestimmungen der Satzung der beklagten Genossenschaft ergibt, wurde die Klageforderung erst am 1. Jänner 2003, somit lange nach Schluss der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz (14. November 2001) fällig. Dies entspricht sowohl § 8 Abs 1 zweiter Satz der Satzung der beklagten Partei als auch § 79 Abs 1 GenG, wonach der Geschäftsanteil des ausgeschiedenen Genossenschafters und das ihm sonst aufgrund des Genossenschaftsverhältnisses gebührende Guthaben erst ein Jahr nach Ablauf des Geschäftsjahres, in dem der Genossenschafter ausgeschieden ist, ausgezahlt werden darf. Dass § 8 der Satzung der beklagten Partei auch die Fälligkeit des Anspruchs des ausgeschiedenen Genossenschafters behandelt, ergibt sich zweifelsfrei aus § 8 Abs 1 letzter Satz der Satzung. Die Fälligkeit der in der Klage erhobenen Forderung ist aber gemäß § 406 erster Satz ZPO - mit hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen (§ 406 zweiter Satz ZPO) - generell Voraussetzung für die Verurteilung zu einer Leistung, muss sie doch "zur Zeit der Urteilsschöpfung" - nach Lehre und Rsp zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz (SZ 68/6 u.a.; Rechberger in Rechberger2, § 406 ZPO Rz 1 mwN) - vorliegen; sonst ist das Klagebegehren abzuweisen (Rechberger aaO Rz 8 mwN). Die klagende Partei setzte dem Einwand der mangelnden Fälligkeit im gesamten Verfahren kein Argument entgegen und erhob für den Fall der Annahme der fehlenden Fälligkeit der Klageforderung ihr Eventualbegehren. Damit erweist sich aber die Abweisung des Hauptbegehrens jedenfalls als berechtigt, auch wenn die beklagte Partei zu Unrecht im inzwischen aufgehobenen Konkurs über das Vermögen der klagenden Partei eine Aufrechnung vorgenommen hätte. Es bedarf daher keiner Klärung der vom Berufungsgericht als erheblich erachteten Rechtsfragen, im Besonderen, ob die beklagte Partei zu Recht oder zu Unrecht im Konkurs über das Vermögen der klagenden Partei aufrechnete (vgl. dazu §§ 19 f KO) und wie ihr Schreiben vom 13. Juni 2001 zu verstehen ist, die Buchung (mit der darin liegenden Aufrechnung) rückgängig zu machen und erst am 1. Jänner 2003 aufrechnen zu wollen.

b) Zum gleichfalls in beiden Vorinstanzen abgewiesenen Eventualbegehren auf Feststellung wurde weder in der Berufung noch in der Revision und zwar sowohl weder in den Rechtsmittelanträgen noch in den Rechtsmittelausführungen irgendwie Stellung genommen. Dem Revisionsgericht ist daher ein Eingehen darauf verwehrt, ob angesichts der mangelnden Fälligkeit des Leistungsbegehrens ein Feststellungsurteil - bei Vorliegen der dafür notwendigen Voraussetzungen - berechtigt sein könnte.

Der als erheblich angesehenen Rechtsfrage fehlt daher hier die erforderliche Präjudizialität. Weitere Rechtsfragen wurden nicht geltend gemacht. Die Revision ist demnach zurückzuweisen. Ein Kostenzuspruch an die beklagten Partei muss daran scheitern, dass die beklagte Partei in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der gegnerischen Revision nicht hingewiesen hat, demnach kann der Schriftsatz nicht als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig angesehen werden (§§ 40 und 50 ZPO).

Stichworte