OGH 1Ob25/03p

OGH1Ob25/03p24.2.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Johann Z*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Rohringer und Mag. Dieter Kocher, Rechtsanwälte in Tamsweg, wider die beklagte Partei Matthias B*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Stolz, Rechtsanwalt in Radstadt, wegen Entfernung einer Wasserleitung (Streitwert 9.447,47 EUR) infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 2. Oktober 2002, GZ 54 R 176/02z-30, womit das Urteil des Bezirksgerichts Tamsweg vom 10. April 2002, GZ 2 C 712/99y-25, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Begründung

Der Kläger ist Eigentümer der Liegenschaft EZ 231 einer Katastralgemeinde im Salzburger Land mit dem Grundstück 585, auf dem eine Quelle entspringt. Der Beklagte ist Eigentümer der Liegenschaften EZ 118 und 345 derselben Katastralgemeinde. Auf der Liegenschaft EZ 345 errichtete er eine Hütte, die mit Wasser aus einer auf dem Grundstück 585 entspringenden Quelle versorgt wird. Auf diesem Grundstück verlegte er eine zur Ableitung des Wassers erforderliche Wasserleitung.

1957 verkaufte der Großvater des Beklagten dem Vater des Klägers unter anderem das Grundstück 585; darin wurde auch vereinbart:

"An dem Kaufgegenstande bleibt aber dem Verkäufer und seinen Rechtsnachfolgern im Besitz der Liegenschaft EZ 118 Grundbuch... auf immerwährende Zeiten das vollständige Nutzungsrecht mit Ausnahme des Jagdrechtes vorbehalten."

Auf der Liegenschaft EZ 231 ist die Dienstbarkeit des Nutzungsrechts unter anderem auf dem Grundstück 585 für die Liegenschaft EZ 118 einverleibt.

Der Kläger begehrte die Entfernung der vom Beklagten auf dem Grundstück 585 verlegten Wasserleitung und die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands. Die Nutzungen, die sich der Rechtsvorgänger des Beklagten vorbehalten habe, bestünden in der Ausübung der Almwirtschaft, nicht aber in der Ableitung von Wasser auf das Grundstück des Beklagten. Die Dienstbarkeit des Nutzungsrechts sei durch den Umstand, dass der Beklagte keine Landwirtschaft mehr betreibe, erloschen. Im Übrigen leite der Beklagte das Wasser vom Grundstück des Klägers nicht auf die Liegenschaft EZ 118, sondern zu der von ihm auf der Liegenschaft EZ 345 errichteten Hütte; zugunsten dieser Liegenschaft bestehe jedoch keine Dienstbarkeit. Der Beklagte wendete ein, der Verkauf der Grundstücke im Jahre 1957 habe nur bezweckt, dem Rechtsvorgänger des Klägers einen zur Ausübung der Eigenjagd berechtigenden Liegenschaftsbesitz zu verschaffen. Sämtliche Nutzungsrechte sollten - mit Ausnahme des Jagdrechts - auf immerwährende Zeit dem Veräußerer vorbehalten bleiben. Demnach sei der Beklagte als Eigentümer der Liegenschaft EZ 118 zur Wasserentnahme und -ableitung vom Grundstück 585 des Klägers berechtigt, selbst wenn er das Wasser nicht zur Versorgung der Liegenschaft EZ 118 benötige.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren im ersten Rechtsgang ab. Es führte aus, den Eigentümern der Liegenschaft EZ 118 stehe vertraglich das vollständige Nutzungsrecht - ausgenommen das Jagdrecht - unter anderem am Grundstück 585 zu, und dieses Recht sei als Dienstbarkeit einverleibt worden. Ungeachtet des Umfangs seiner landwirtschaftlichen Aktivitäten sei der Beklagte deshalb berechtigt, die Quelle auf dem Grundstück 585 zu fassen und das Wasser auf ein anderes Grundstück abzuleiten.

Das Gericht zweiter Instanz gab dem Klagebegehren im ersten Rechtsgang hingegen statt. Es führte aus, es sei unerheblich, auf welche Art die betroffenen Grundstücke im Jahre 1957 bewirtschaftet worden seien. Das Recht zur Wasserentnahme und -ableitung für den jeweiligen Besitzer der Liegenschaft EZ 118 sei eine Grunddienstbarkeit gemäß § 477 ABGB. Als solche diene es dem Eigentümer des herrschenden Grundstücks zur Deckung des möglichen oder tatsächlichen Bedarfs der herrschenden Liegenschaft. Der Beklagte entnehme das Wasser nicht für den Bedarf der Liegenschaft EZ 118, sondern zur Bewirtschaftung der Liegenschaft EZ 345 und bewege sich somit außerhalb des Vertragsbereichs. Das Wasserbezugsrecht sei keine persönliche Dienstbarkeit. Das Begehren des Klägers sei demnach berechtigt.

Der erkennende Senat hob diese Entscheidungen der Vorinstanzen auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück (1 Ob 125/01s). In dieser Entscheidung wurde klargestellt, dass der Wendung "vollständiges Nutzungsrecht" bei wörtlicher Auslegung nur der Inhalt des Fruchtgenusses als dingliches Recht, eine fremde Sache ohne jede Einschränkung, aber unter Schonung der Substanz zu gebrauchen (§ 509 ABGB), beigemessen werden könnte. Die zeitliche Beschränkung eines nach dem Vertrag zeitlich nicht begrenzten Fruchtgenussrechts sei aber an den Wertungen des § 612 ABGB zu messen, die freie Verfügbarkeit des Eigentümers dürfe daher nicht auf Dauer ausgeschlossen werden. Das ohne zeitliche Begrenzung begründete Nutzungsrecht könne demnach auf Zeitgenossen, die bei Vertragserrichtung bereits geboren seien, als spätere Eigentümer des herrschenden Gutes in unbegrenzter Zahl, bei solchen Rechtsnachfolgern hingegen, die bei Bestellung der Dienstbarkeit noch nicht geboren seien, nur auf den ersten von ihnen erstreckt werden. Der Beklagte könne als zweiter Rechtsnachfolger nach seinem Großvater, der sich das Nutzungsrecht vertraglich vorbehalten hatte, dieses jedenfalls noch für sich in Anspruch nehmen. Demnach wäre er zum unbeschränkten Bezug des Wassers aus der Quelle berechtigt, selbst wenn er das Wasser nicht zur Deckung des Bedarfs des herrschenden Gutes (EZ 118) verwendete, sondern um den Bedarf einer anderen Liegenschaft zu decken, sei doch das Nutzungsrecht nach dem Wortlaut des Vertrags vom 8. 5. 1957 bloß an den Besitz der Liegenschaft EZ 118 geknüpft, inhaltlich aber vollständig unbeschränkt. Zu den widersprüchlichen Standpunkten der Streitteile, in welchem Umfang das Nutzungsrecht im Jahre 1957 dem jeweiligen Eigentümer der Liegenschaft EZ 118 konkret vorbehalten bleiben sollte, mangle es jedoch an den erforderlichen Feststellungen, um über die Berechtigung des Klagebegehrens verlässlich absprechen zu können.

Das Erstgericht erkannte im zweiten Rechtsgang den Beklagten schuldig, die auf dem Grundstück 585 verlegte Wasserleitung zu entfernen und den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen. Es stellte fest, die Parteien des 1957 geschlossenen Vertrags seien davon ausgegangen, dass der Umfang des (vorbehaltenen) Gebrauchs alle jene Nutzungen umfassen sollte, die im Zeitpunkt der Einräumung der Rechte von den Berechtigten auf den an den Vater des Klägers verkauften Grundstücken "ausgeführt" worden seien - mit Ausnahme des Jagdrechts. Zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses - aber auch danach - habe eine Beweidung der herrschenden Grundstücke durch das Vieh der Eigentümer der "berechtigten" Liegenschaften, eine Nutzung der Holzreserven und eine Nutzung der Quellen im Wege der Anlegung von Viehtränken stattgefunden. Die auf den dienenden Grundstücken entspringenden Quellen seien aber nicht auf andere Liegenschaften abgeleitet worden. Von den Eigentümern der EZ 118 werde schon seit vielen Jahren kein eigenes Vieh mehr auf die dem Kläger gehörigen Flächen aufgetrieben. Erstmals im Zuge der Errichtung einer Almhütte (auf der EZ 345), die für die Bewirtschaftung des Almgebiets durch eine andere Person gedacht sei, sei die Ableitung von Wasser vom Grundstück 585 auf ein anderes Grundstück erfolgt. Damit sei aber das vorbehaltene Nutzungsrecht überschritten worden.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 4.000, nicht jedoch 20.000 EUR übersteige; die Revision wurde letztlich für zulässig erklärt. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass die Parteien des Vertrags aus dem Jahre 1957 dem Verkäufer (und dessen Rechtsnachfolgern) ein immerwährendes und unbeschränktes Wasserbezugs- und -leitungsrecht für eine auf einem Nachbargrundstück neu errichtete Almhütte hätten vorbehalten wollen. Damit übersteige das vom Beklagten zur Zeit in Anspruch genommene Wasserbezugs- und Wasserleitungsrecht aber den 1957 festgelegten Nutzungsumfang, weshalb das Klagebegehren berechtigt sei.

Die Revision des Beklagten ist unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

Die Vorinstanzen haben aus dem Text des 1957 geschlossenen Kaufvertrags unter Heranziehung zusätzlicher Beweise (Zeugen- und Parteieneinvernahmen) gefolgert, die Vertragsparteien seien davon ausgegangen, dass der Umfang des vorbehaltenen Nutzungsrechts all jene Nutzungen umfassen sollte, die im Zeitpunkt der Einräumung der Rechte von den Berechtigten auf den an den Vater des Klägers verkauften Grundstücken - ausgenommen das Jagdrecht - ausgeführt worden seien. Zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses habe lediglich eine Beweidung der herrschenden Grundstücke durch das Vieh der Eigentümer der "berechtigten" Liegenschaften, eine Nutzung der Holzreserven und eine Nutzung der Quellen zwecks Anlegung von Viehtränken stattgefunden. Diese Tatsachenfeststellungen sind in einer Revision nicht mehr bekämpfbar (EFSlg 88.187 mwN; Kodek in Rechberger ZPO² Rz 1 zu § 503). Des weiteren ist die Auslegung des 1957 geschlossenen Kaufvertrags Beurteilung eines Einzelfalls, die keine erhebliche Rechtsfrage aufwirft, zumal von einem unvertretbaren Auslegungsergebnis, das in einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage begründet wäre, keine Rede sein kann (Kodek aaO Rz 5 zu § 502 mwN). Der Beklagte übersieht, dass nicht nur der Vertragstext für sich allein zu interpretieren war, sondern dass völlig zu Recht der Wille der Vertragsparteien von den Vorinstanzen erforscht wurde. Diese haben die zu Fragen der Auslegung eines Vertrags (§§ 914 f ABGB) entwickelte Judikatur des Obersten Gerichtshofs nicht nur nicht missachtet, sondern auch richtig angewendet. Sie haben in unanfechtbarer Weise und dem Auftrag des erkennenden Senats entsprechend festgestellt, welche Rechte nach dem Willen der vertragschließenden Parteien tatsächlich dem Veräußerer und dessen Rechtsnachfolgern erhalten bleiben sollten (S. 10 in 1 Ob 125/01s). Nicht nachvollziehbar ist, warum der allfällige Umstand, dass der 1957 geschlossene Kaufvertrag "schenkungssteuerrechtlich relevant" wäre, bei der Vertragsauslegung Berücksichtigung finden müsste. In aktenwidriger Weise führt der Beklagte in seiner Revision aus, der Oberste Gerichtshof habe im ersten Rechtsgang "unbestritten festgestellt", dass der 1957 geschlossene Kaufvertrag lediglich ein Umgehungsgeschäft dargestellt habe. Diese Ausführungen sind dem Aufhebungsbeschluss des erkennenden Senats nicht zu entnehmen. Bei den Ausführungen des Revisionswerbers, das Nutzungsrecht der Wald- und Weidewirtschaft umfasse jedenfalls auch das Recht der unbegrenzten Wassernutzung, wird von den Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen abgegangen: Nach diesen Feststellungen sollte dem Verkäufer und seinen Rechtsnachfolgern nur die Nutzung vorbehalten bleiben, die tatsächlich im Zeitpunkt der Einräumung der Rechte "ausgeführt" wurde, und die auf den dienenden Grundstücken entspringenden Quellen wurden nur für die Anlegung von Viehtränken genützt, wogegen die Quellen auf andere Liegenschaften nicht abgeleitet worden waren (S. 3 des Ersturteils). Es bedarf keiner oberstgerichtlichen Judikatur zur Frage des Umfangs der "Wald- und Weidewirtschaft", zumal der Umfang einer vorbehaltenen Nutzung stets einzelfallbezogen ist.

Letztlich bedarf es auch keiner Antwort auf die Frage, ob die "immerwährende Übertragung der festgestellten Wald- und Weidewirtschaftsrechte" möglich sei, zumal lediglich das Begehren des Klägers zur Beurteilung anstand, das auf Entfernung der auf dem Grundstück 585 verlegten Wasserleitung und auf Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands gerichtet war.

Der Beklagte vermag keine erheblichen Rechtsfragen im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen; die Revision ist demnach zurückzuweisen. An den gegenteiligen Ausspruch des Berufungsgerichts ist der Oberste Gerichtshof gemäß § 508a ZPO nicht gebunden.

Der Kläger hat auf die Unzulässigkeit der Revision in seiner Revisionsbeantwortung nicht hingewiesen. Deshalb hat er die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen (§§ 40, 50 ZPO).

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