OGH 12Os124/02

OGH12Os124/0216.1.2003

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. Jänner 2003 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Holzweber als Vorsitzenden sowie durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Danek, Dr. Philipp und Dr. Schroll als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Trauner als Schriftführer, in der Strafsache gegen Dr. Harald R***** wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis als Schöffengericht vom 21. August 2002, GZ 8 Hv 33/02a-18, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Fabrizy, des Verteidigers Dr. Pallauf und des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Dr. Harald R***** wurde des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt, weil er "am 19. November 2001 in St. Gilgen als Richter, sohin als Beamter, mit dem Vorsatz, die minderjährige Sylvia H***** im Verfahren P 38/97d des Bezirksgerichtes St. Gilgen in ihrem Recht auf den gesetzlichen Richter sowie den Staat in seinem Recht bzw seiner Verpflichtung auf bzw zur Gewährleistung dieses Grundrechtes zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, dadurch wissentlich missbrauchte, dass er als unzuständiger Richter mit den auf 29. Oktober 2001 rückdatierten Beschlüssen die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung des Kaufvertrages vom 18. Oktober 2001 und einer Grundbuchseingabe um Anmerkung der Rangordnung für die Veräußerung erteilte".

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen aus § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5a und 9 lit a StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu. Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider bedeutete die Abweisung des in der Hauptverhandlung gestellten Beweisantrages auf Einvernahme der Zeugin Christine H***** "zum Beweis dafür, dass der Beschwerdeführer den zwischen der minderjährigen Sylvia H***** und Johanna S***** am 18. Oktober 2001 abgeschlossenen Kaufvertrag bereits im Rahmen einer Besprechung mit Christine H***** unter den dann abgeschlossenen Bedingungen vorab mündlich genehmigt hatte, sohin der Entscheidungswille des Angeklagten über die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung spätestens am 18. Oktober 2001, also zu einer Zeit, als er noch Richter beim Bezirksgericht St. Gilgen war, vorlag" (99), keine Beeinträchtigung wesentlicher Verteidigungsrechte. Denn eine mündliche "Vorabgenehmigung" eines noch nicht abgeschlossenen Vertrages - hier im Sommer 2001 anlässlich des Zusammentreffens mit der Mutter der Pflegebefohlenen - ist dem österreichischen Außerstreitverfahrensrecht fremd. Eine - selbst in dringenden Fällen - mündlich erteilte Ermächtigung ist nicht verbindlich (1 Ob 88/02a). Demzufolge verfehlt der Antrag sinnfällig die Kriterien entscheidungswesentlicher Relevanz.

Entgegen der Mängelrüge (Z 5) gründet sich die erstinstanzliche Annahme der subjektiven Tatbestandserfordernisse nicht auf "bloße Vermutungen zu Lasten des Angeklagten", sondern - insoweit vom Beschwerdeführer prozessordnungswidrig mit Stillschweigen übergangen - auf die eingehende und mängelfreie Auseinandersetzung der Tatrichter mit den Verfahrensergebnissen, insbesondere mit der Verantwortung des Angeklagten (US 9 ff).

Dass die (unzutreffende) Rechtsmeinung des Zeugen Dr. F***** zur aktuellen Kompetenzproblematik als vorweg unbeachtlich nicht erörterungsbedürftig war, bedarf keiner näheren Erläuterung. Mit der Betonung der - von den Tatrichtern abgelehnten - Verantwortungspassage, wonach dem Angeklagten nicht bewusst war, dass er (nachdem er am 1. November 2001 zum Richter des Bezirksgerichtes Salzburg ernannt worden war, am 19. November 2001) für die Genehmigung "der Anträge vom 29. 10. 2001 nicht mehr zuständig war", vermag der Angeklagte keine bedenkliche Verwertung aktenkundiger Beweisergebnisse (Z 5a) aufzuzeigen.

Der Detailerwiderung der insgesamt nicht stichhältigen Rechtsrüge (Z 9 lit a) ist voranzustellen, dass Träger des Rechts auf Wahrung der gesetzlich bestimmten Behördenzuständigkeit nur die Partei eines Verfahrens ist (H. Mayer B-VG2 Art 83 Anm Punkt 2. 3.), weshalb der durch einen Verstoß dagegen herbeigeführte Schaden nur in deren Rechtssphäre wirksam wird.

Wie bei Erledigung der Verfahrensrüge bereits ausgeführt, ist dem Pflegschaftsrecht eine "mündliche Vorabgenehmigung" eines Antrages fremd. Der Willensentschluss des Gerichts - hier Genehmigung eines Kaufvertrages und Genehmigung der Anordnung der Rangordnung - muss in der vom Gesetz vorgeschriebenen Form geäußert werden (SZ 36/27; SZ 31/52). "Genehmigungsbescheide" gemäß § 187 AußStrG müssen immer schriftlich verfasst werden (Mayr/Fucik, Verfahren außer Streitsachen 83), grundbücherliche Genehmigungen erfordern gemäß § 94 GBG einen urkundlichen Nachweis des betreffenden Ansuchens.

Ein - wenn auch allenfalls mündlich verkündeter - Beschluss muss gemäß § 187 AußStrG immer "schriftlich entworfen" und in schriftlicher Ausfertigung den Beteiligten zugestellt werden; eine grundbücherliche Eintragung kommt nach dem Gesagten auf Grund eines nicht in Schriftform gestellten Antrages nicht in Betracht. Eine wirksame gerichtliche Entscheidung setzt in den hier aktuellen Normbereichen unabdingbar Schriftlichkeit auch deshalb voraus, weil ansonsten die Überprüfbarkeit der Entscheidung im Wege der Bekämpfung eines beschlussförmigen Ausspruchs im Instanzenzug unmöglich wäre. Auf dieser Grundlage hat die - darüber hinaus in sich widersprüchliche und undeutliche - Beschwerdeargumentation, wonach der Angeklagte, "da der Kaufvertrag vom 18. 12. 2001 mit dem mündlich Erklärten übereinstimmte, den Beschluss auf pflegschaftsbehördliche Genehmigung bereits vor dem 29. 10. 2001, nämlich am 18. 10. 2001 fasste; der Beschluss trägt demnach auch das Datum des Entscheidungswillens (29. 10. 2001)" und das darauf gegründete Beschwerdevorbringen ebenso auf sich zu beruhen, wie die Reklamation von Feststellungen zur Frage, "ob der Kaufvertrag vom 18. 10. 2001 mit dem im Sommer 2001 mit der Kindesmutter Besprochenen übereinstimmte".

Da der (nach dem Gesagten allein wirksame) schriftliche Antrag auf pflegschaftsbehördliche Genehmigung des hier aktuellen Kaufvertrages (und Anmerkung der Rangordnung) am 29. Oktober 2001 während des Urlaubs des Angeklagten beim Bezirksgericht St. Gilgen einlangte und dem Beschwerdeführer erst am 19. November 2001, also zu einem Zeitpunkt, in dem er nicht mehr Richter des Bezirksgerichtes St. Gilgen war, zur Kenntnis gelangte, fehlen fallbezogen sämtliche Prämissen für die Annahme einer aktuellen Entscheidungskompetenz des Angeklagten.

Dass der Beschwerdeführer mit Genehmigung seiner vorgesetzten Dienststellen Ausfertigungen von ihm während seiner Tätigkeit beim Bezirksgericht St. Gilgen gefällter "offener" (98) Urteile, die von einer geprüften Richteramtsanwärterin schriftlich abgefasst wurden, unterfertigte, ist im gegebenen Kontext ohne Belang, weil er - im Gegensatz zum inkriminierten Verhalten - in diesem Umfang eine Entscheidungskompetenz nicht arrogierte.

Soweit die Beschwerde darauf abstellt, dass dem Angeklagten "nicht einmal bedingter Vorsatz .... vorzuwerfen ist", orientiert sie sich prozessordnungswidrig nicht am festgestellten Sachverhalt. Gleiches gilt - nur insoweit in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur zur Rechtsrüge - für den Beschwerdeeinwand, wonach der Angeklagte der Meinung gewesen sei, "dass er Beschlüsse auf pflegschaftsbehördliche Genehmigung dieses Kaufvertrages und Anmeldung der Rangordnung auf Grund des Einlangens des Antrages mit 29. 10. 2001 treffen habe können", der sich damit in unzulässiger Weise von den konträren Urteilsannahmen entfernt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Erstgericht verhängte über den Angeklagten nach § 302 Abs 1 eine unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe von neun Monaten (die unterbliebene, im Hinblick auf die Vorverurteilung des Angeklagten wegen des Vergehens der falschen Beurkundung und Beglaubigung im Amt nach § 311 StGB zum AZ 8 EVr 353/00 des Landesgerichtes Ried im Innkreis am 21. Juli 2000 zu einer bedingten Geldstrafe gebotene Beschlussfassung nach § 494a StPO blieb unbekämpft).

Bei der Strafbemessung wertete es die einschlägige Vorstrafe des Beschwerdeführers wegen des Vergehens der falschen Beglaubigung im Amt nach § 311 StGB und wegen des Vergehens der Fälschung eines Beweismittels als Beteiligter nach §§ 12, zweiter Fall, 293 Abs 1 StGB im September und Oktober 1997 als erschwerend, seinen wesentlichen Beitrag zur Wahrheitsfindung hingegen als mildernd. Soweit der Antrag auf Strafreduktion unter Anwendung des außerordentlichen Milderungsrechtes des § 41 StGB im Wesentlichen damit begründet wird, dass "kein wirklicher Schaden herbeigeführt wurde", "der Angeklagte zum Kindeswohl gehandelt hatte, sich ab Dezember 2001 bis zur Verurteilung wohlverhalten hat und bisher einen ordentlichen Lebenswandel führte", werden keine für die angestrebte Strafkorrektur hinreichenden Grundlagen aufgezeigt:

Die Annahme, dass der Beschwerdeführer, der im Sinn der Intentionen der Kindeseltern tätig wurde, zum Kindeswohl handelte, kann aus den Verfahrensergebnissen nicht abgeleitet werden (US 13f), die Verhinderung eines allfälligen (hier nicht tatbestandsessentiellen) Vermögensschadens zum Nachteil der Pflegebefohlenen ist Folge der Aufdeckung des inkriminierten Sachverhaltes und von einem Wohlverhalten durch längere Zeit hindurch kann nur dann gesprochen werden, wenn der betreffende Zeitraum etwa der Rückfallsverjährungsfrist (§ 39 Abs 2 StGB: fünf Jahre) entspricht (Steininger Komm3 § 34 RN 27). Letztlich kann von einem ordentlichen Lebenswandel im Hinblick auf die einschlägige Vorstrafe des Angeklagten keine Rede sein.

Das auf den unteren Bereich der gesetzlichen Strafdrohung beschränkte Ausmaß der ausgesprochenen bedingten Freiheitsstrafe trägt den konkreten Straferfordernissen in angemessener Weise Rechnung, sodass auch der Berufung ein Erfolg zu versagen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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