OGH 8Ob243/02x

OGH8Ob243/02x19.12.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer, Dr. Rohrer, Dr. Spenling und Dr. Kuras als weitere Richter in der Kuratelsache betreffend die Inhaber der von der G***** AG, ***** ausgegebenen R***** Gewinnscheine über den Revisionsrekurs der Kuratorin Dr. Maria Brandstetter, Rechtsanwältin, 1010 Wien, Stephansplatz 4, sowie des Gewinnscheininhabers Mag. Dr Wilhelm R*****, vertreten durch Dr. Maria Brandstetter, Rechtsanwältin in Wien, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 26. September 2002, GZ 28 R 219/01h‑20, mit dem dem Rekurs der Ausgleichsgläubigerin B***** (vormals C*****), ***** vertreten durch die Rechtsanwälte Kadlec & Weimann Partnerschaft (OEG) gegen den Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 16. November 2001, GZ 4 Nc 602/01h‑2 (4 Sa 490/01p‑16) Folge gegeben wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2002:0080OB00243.02X.1219.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidung des Rekursgerichtes wird ersatzlos behoben.

Der Rekurs der Ausgleichsgläubigerin B***** wird zurückgewiesen.

Begründung

Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 12. 10. 2001 wurde über das Vermögen der G***** AG das Ausgleichsverfahren eröffnet. Der Ausgleichsverwalter beantragte am 14. 11. 2001 beim Handelsgericht Wien die Bestellung eines Kurators gemäß § 1 Teilschuldverschreibungskuratorengesetz (RGBl. Nr. 49/1874). Er führte dazu aus, die Ausgleichsschuldnerin habe folgende auf Inhaber lautende Genussrechte gemäß § 174 AktG ausgegeben, auf die das Teilschuldverschreibungskuratorengesetz Anwendung zu finden habe:

a) Im Juni 1989 60.000 Stück Genussrechte gem. § 174 AktG im Nominale von je ATS 10.000,‑ ‑, sohin im Gesamtnominale von ATS 600,000.000,‑- mit der Bezeichnung "R***** Gewinnschein 1" und

b) im September 1990 60.000 Stück Genussrechte gem. § 174 AktG im Nominale von je ATS 10.000,‑ ‑, sohin im Gesamtnominale von ATS 600,000.000,‑ ‑, mit der Bezeichnung "R***** Gewinnschein II" .

Die Ausgleichsschuldnerin habe bis zur Ausgleichseröffnung zwar umfangreiche Gewinnscheinbestände zurückerworben. Es seien aber noch Gewinnscheine I und II im Gesamtnominale von ATS 69,730.000,‑- im Umlauf. Nach dem Teilschuldverschreibungskuratorengesetz sei vom Gericht für die jeweiligen Besitzer von auf Inhaber lautenden Teilschuldverschreibungen ein gemeinsamer Kurator zu bestellen, wenn sich ergebe, dass die Rechte der Gewinnscheininhaber mangels einer gemeinsamen Vertretung gefährdet oder gehemmt würden. Dies gelte insbesondere auch im Fall eines Insolvenzverfahrens. Es werde daher der Antrag auf Bestellung eines gemeinsamen Kurators zum Zwecke der Vornahme aller Vertretungsverhandlungen im Rahmen und aus Anlass des beim Handelsgericht Wien geführten Ausgleichsverfahrens, in einem fortgesetzten Verfahren bei Bestellung eines Sachwalters und im Fall eines Anschlusskonkurses, gestellt.

Das Erstgericht bestellte einen gemeinsamen Kurator gemäß § 1Teilschuldverschreibungskuratorengesetz zum Zweck der Vornahme aller Vertretungshandlungen im Rahmen und aus Anlass des beim Ausgleichsverfahrens, in einem fortgesetzten Verfahren bei Bestellung eines Sachwalters und im Fall eines Anschlusskonkurses. Ferner richtete es unter anderem an die Besitzer der Gewinnscheine gemäß §§ 1 und 3 Kuratorenergänzungsgesetz (RGBl. Nr. 111/1877 vom 5.12.1877) die Aufforderung, am 4. 12. 2001 zu ihrer Einvernahme über den vom gemeinsamen Kurator zu erstattenden Bericht und zur Wahl von drei Vertrauensmännern und drei Ersatzmännern zu erscheinen.

Das Rekursgericht gab dem gegen diesen Beschluss erhobenen Rekurs einer Ausgleichsgläubigerin, soweit er sich gegen die Bestellung des gemeinsamen Kurators richtete, Folge und wies den Antrag des Ausgleichsverwalters ab.

Es ging ausführlich begründet von der Zulässigkeit des Rekurses aus. Die Rekurswerberin habe im Ausgleich Kreditforderungen im Gesamtbetrag von S 98,406.200,13 angemeldet. Es könne dahingestellt bleiben, ob die Rechtslage der Rekurswerberin in ihrer Eigenschaft als Ausgleichs- und nunmehr Konkursgläubigerin nicht schon deshalb durch die Bestellung des Kurators beeinträchtigt worden sei, weil die Kosten der Kuratel gemäß § 6 des Gesetzes vom 28. 4. 1874, RGBl. Nr. 49/1874, von dem aus den Teilschuldverschreibungen Verpflichteten, also der Ausgleichsschuldnerin bzw. nunmehr der Konkursmasse zu bestreiten sei. Selbst wenn man diese Verminderung des Haftungsfonds noch als Beeinträchtigung bloß wirtschaftlicher Interessen des rekurrierenden Gläubigers bewerten wollte, so könne jedenfalls kein Zweifel an einem rechtlichen Interesse desselben an einer Klärung der Frage bestehen, ob für das Insolvenzverfahren, an dem die Rekurswerberin als Gläubiger ebenso teilnehme wie die Inhaber der Gewinnscheine, zu Recht ein gemeinsamer Kurator für diese Gläubiger bestellt wurde. Könne doch diese Bestellung nicht nur zu einer Verminderung der Quotenansprüche der Rekurswerberin führen, sondern sei es auch nicht auszuschließen, dass dadurch ihr Stimmrecht in der Gläubigerversammlung ungünstig beeinflusst werden könne.

Im Übrigen setzte sich das Rekursgericht noch umfangreich mit dem Inhalt der Gewinnscheine auseinander.

Es fehle an einer Definition für Genussrechte nach § 174 AktG. Der Genussberechtigte stehe in dieser Eigenschaft in keinem Gesellschaftsverhältnis zum Emittenten und habe keine sozietären Rechte gegen die Gesellschaft, sondern nur auf schuldrechtlicher Grundlage beruhende Kontroll- und Informationsrechte. Die Bezeichnung als "Gewinnschein" über "Genussrechte nach § 174 AktG" lasse noch keine eindeutige Qualifizierung der Genussrechte zu. Hier lägen aber jedenfalls keine Wandelschuldverschreibungen vor, weil weder ein Umtausch- noch ein Bezugsrecht auf Aktien eingeräumt werde. Es könnte sich allenfalls um Gewinnschuldverschreibungen handeln. Keinesfalls sei aber davon auszugehen, dass hier ein (partiarisches) Darlehen gewährt worden sei, da dieses zurückgezahlt werden müsste. Bei den vorliegenden Immobilien‑Gewinnscheinen sei aber für den Fall der - nach überaus langer Bildungsfrist überhaupt erst möglichen - Kündigung die Rückzahlung des Börsekurswertes, höchstens (bei Kündigung durch den Gewinnscheininhaber) bzw. mindestens (wenn der Emittent kündige) des Nennwertes, vorgesehen. Primär sei also der Börsekurswert maßgeblich. Die Bestellung des gemeinsamen Kurators im Sinne des § 1 des KuratorenG setzte aber eine Darlehensforderung und eine auf Inhaber lautende Teilschuldverschreibungen voraus. Auch eine analoge Anwendung des Gesetzes auf die Berechtigten anderer Inhaberpapiere scheide mangels einer Gesetzeslücke aus. Nach den Gesetztesmaterialien sei vorausgesetzt, dass die unbekannten Teilnehmer durch ein gemeinsames Geschäft verbunden seien. Es werde anderen Gesetzen vorbehalten, für die Vertretung der Besitzer anderer Inhaberpapiere nach Maßgabe des sich zeigenden Bedürfnisses zu sorgen.

Den Revisionsrekurs erachtete das Rekursgericht als zulässig, weil eine Judikatur des OGH zur Frage der Zulässigkeit des Rekurses eines Gläubigers gegen die Bestellung eines Kurators für andere Gläubiger in einem Insolvenzverfahren ebenso wie zur Frage der Anwendbarkeit des KuratorenG auf die Genussberechtigten aus nicht über Darlehensforderungen ausgegebene Gewinnscheine fehle.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Beschluss von der bestellten Kuratorin und dem Inhaber von Gewinnscheinen erhobenen Revisionsrekurs ist schon aus dem ersten vom Rekursgericht genannten Grund zulässig und auch berechtigt.

Vorweg ist klarzustellen, dass nach ständiger Rechtsprechung der Kurator selbst legitimiert ist, gegen seine Abberufung - hier durch die Entscheidung des Rekursgerichtes - ein Rechtsmittel, hier also den Revisionsrekurs, zu ergreifen (vgl etwa RIS‑Justiz RS0008195 sowie RS0006747). Gleiches gilt hier naturgemäß für diejenigen, deren Interessen durch die Kuratorenbestellung geschützt werden (vgl dazu im folgenden).

Entscheidend ist aber die Frage, inwieweit ein anderer Ausgleichsgläubiger berechtigt war, gegen den Bestellungsbeschluss einen Rekurs zu erheben.

Allgemein wird für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels die Voraussetzung angenommen, dass durch die jeweils bekämpfte Entscheidung in eine geschützte Rechtssphäre eingegriffen wird (vgl zuletzt unter dem Aspekt der Beschwer OGH 28. 11. 2002 8 Ob 232/02d mwN RIS‑Justiz RS0006497 mwN, zu § 514 ZPO RIS‑Justiz RS0002495). In diesem Sinne wird auch im Außerstreitverfahren nur demjenigen, dessen rechtlich geschützte Interessen durch den angefochtenen Beschluss beeinträchtigt worden sind, ein Rekursrecht zugestanden (vgl mwN etwa zuletzt 6 Ob 168/02b; Klicka/Oberhammer Außerstreitverfahren3, 57; Fucik AußstrG2, 21). Dabei muss es sich um ein subjektives Recht des Rechtsmittelwerbers handeln, dessen Ausübung also in seiner Rechtsmacht steht, nicht aber bloß um die Berührung wirtschaftlicher Interessen (vgl RIS Justiz RS0006641 mwN inbesondere 3 Ob 518/86 und 1 Ob 98/99i).

Zufolge des Ersten Bundesrechtsbereinigungsgesetzes BGBl I 191/1999 weiter in Kraft ist das Gesetz vom 24. April 1974 betreffend die gemeinsame Vertretung der Rechte der Besitzer von auf Inhaber lautenden oder durch Indossament übertragbaren Teilschuldverschreibungen und die bücherliche Behandlung der für solche Teilschuldverschreibungen eingeräumten Hypothekarrechte RGBl 49/1874 (im folgenden Teilschuldverschreibungskuratorengesetz). Nach § 1 dieses Gesetzes kann dann, wenn die Rechte der Inhaber von Teilschuldvereibungen mangels gemeinsamer Vertretung gefährdet erscheinen oder die Rechte eines Anderen gehemmt werden, für diese Inhaber ein gemeinsamer Kurator bestellt werden. Es geht, wie auch aus den Gesetzesmaterialien ersichtlich ist ( vgl Kaserer, Das Gesetz vom 24. April 1874 betreffend die gemeinsame Vertretung der Rechte der Besitzer von auf Inhaber lautenden oder durch Indossament übertragbaren Theilschuldverschreibungen mit Materialien, XVII, 18 f) um den Grundgedanken, dass "unbekannte Theilnehmer" durch ein gemeinsames Geschäft verbunden sind und so wie nach § 276 ABGB für Abwesende oder unbekannte Teilnehmer eines Geschäftes für diese ein gemeinsamer Kurator bestellt werden soll. Auch nach § 276 ABGB geht es um die Bestellung des Kurators, um zu verhindern, dass der Abwesende oder "Unbekannte" in seinen Rechten durch Verzug einen Nachteil erleidet oder die Rechte eines anderen in ihrem Gang gehemmt werden.

Im Wesentlichen geht es also um den Schutz der Interessen der Vertretenen und Dritter, die ein eigenes konkretes Recht auf eine bestimmte Rechtshandlung haben, zu deren Zustandekommen die Mitwirkung des "Abwesenden" erforderlich ist (Wentzel/Piegler in Klang I/2, 276). Diese Schutzobjekte (vgl zu § 276 ABGB Stabentheiner in Rummel ABGB3 § 276 Rz 1;) bestimmen auch den Kreis der durch die Entscheidungen in diesem Zusammenhang in ihren Rechten berührten Personen, die dann auch Rechtsmittel ergreifen können. Soweit aber die Interessen des Vertretenen selbst geschützt werden sollen, ist schon deshalb klar, dass etwaigen anderen Ausgleichsgläubigern keine Rechtsmittellegitimation zusteht, weil es eben nicht um deren Rechte geht. Alleine der Umstand, dass die effektivere Vertretung der Rechte der Inhaber von Teilschuldverschreibungen eine etwaige Ausgleichs- oder Konkursquote mindern könnte ist nur eine wirtschaftliche Auswirkung. Das Konkurs- und Ausgleichsrecht verleiht dem anderen Gläubiger zwar Mitwirkungsrechte bei der Prüfung etwa der Berechtigung allfälliger anderer angemeldeter Forderungen (vgl § 109 ff KO oder § 38 AO); können diese doch Quoten und Abstimmungsergebnisse beeinflussen. Es ist aber auch dem Konkurs- und Ausgleichsrecht kein Ansatz zu entnehmen, wonach die Gläubiger einen Rechtsanspruch darauf hätten, dass berechtigte Forderungen mangels effektiver Vertretung der Forderungsberechtigten nicht einmal angemeldet werden. Insoweit steht den Gläubigern dann auch kein Rekursrecht betreffend die Kuratorenbestellung für andere potenzielle Konkurs- oder Ausgleichsgläubiger zu.

Inwieweit die von diesen vorgenommene Anmeldungen dann berechtigt erfolgten, ist ohnehin in den dafür vorgesehenen Prüfungsverfahren zu beurteilen. Auch dass hier der Ausgleichsverwalter selbst die Kosten der Kuratorenbestellung verursachte ändert nichts. Zwar steht gegen einzelne Maßnahmen des Ausgleichsverwalters jedem Ausgleichsgläubiger ein Beschwerderecht zu. Dieses bewirkt nun aber nicht, dass jedem Ausgleichsgläubiger auch die Parteistellung in einem vom Ausgleichsverwalter initiierten Verfahren zukommen würde ( vgl im Übrigen dazu, dass gegen die Entscheidung über die Beschwerde kein Rechtsmittel zulässig ist § 34 Abs 3 AO).

Die Auferlegung allfälliger Kosten, für die gemäß § 6 Teilschuldverschreibungskuratorengesetz der aus der Teilschuldverschreibung Verpflichtete - hier der Ausgleichsschuldner - einzustehen hat, könnte - so wie sonstige Kosten in einem Verfahren des Ausgleichsschuldners - vom Ausgleichsschuldner bekämpft werden (vgl allgemein zum Umfang der Geschäftsfähigkeit des Ausgleichsschuldners auch § 8 AO; RIS‑Justiz RS0051614 mwN sowie RS0035252). Der Erfolg des Ausgleichsschuldners in diesen Verfahren mag sich wirtschaftlich etwa auch auf die Ausgleichsquote auswirken. Dies vermittelt aber den Ausgleichsgläubigern keine Parteistellung in den vom Ausgleichsschuldner zu führendem Verfahren.

Insgesamt erweist sich also schon der Rekurs der Ausgleichsgläubigerin gegen den Beschluss des Erstgerichtes als unzulässig. Dieser war daher zurückzuweisen und die Entscheidung des Rekursgerichtes ersatzlos zu beheben.

Bei diesem Ergebnis erübrigt es sich, auch auf die Frage einzugehen, inwieweit bei den hier maßgeblichen Genußrechten die Bestellung eines Kurators nach dem Teilschuldverschreibungskuratorengesetz überhaupt in Betracht kommt.

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